seeadler hat geschrieben:Ich möchte mich noch ein wenig näher mit dieser gerade angesprochenen
Problematik beschäftigen, zumal sie auch Gegenstand paralleler Diskussionen in anderen Threads von mir ist.:
http://www.4religion.de/viewtopic.php?f ... 00#p236588
http://www.4religion.de/viewtopic.php?f ... 00#p236600
http://www.4religion.de/viewtopic.php?f ... 04#p236687
Und möchte dabei noch einmal auf das Grundproblem meinerseits eingehen, das ich mit dieser Thematik habe.
Denn wir haben ja festgestellt, wenn sich die Geschwindigkeit oder und auch die Gravitation verändert in Bezug zu meiner Ausgangssituation, dann kann ich immer den Lorentzfaktor 1/ √ [1 - (v/c)²] verwenden, um aufzuzeigen, dass sich dabei sowohl die Masse, als auch der Raum (insbesondere die Länge) und die Zeit verändern und zwar in einem gleichen proportionalen Verhältnis: Die Strecke vor mir verkürzt sich um den gleichen umgekehrten Faktor wie die Masse relativ zu nimmt. Und die Zeit dehnt sich im gleichen Verhältnis wie die relativistische Masse oder dynamische Masse zu nimmt.
Soweit es die Gravitation anbetrifft, haben wir nichts dergleichen festgestellt. Allenfalls hast du so etwas behauptet.
seeadler hat geschrieben:Wenn sich nun irgend ein Körper auf die Reise macht und für eine beliebige Zeit unterwegs ist und dabei eine Geschwindigkeit von 0,866-fachen der Lichtgeschwindigkeit, dann wird er für die Zeit, in der er mit jener Geschwindigkeit unterwegs ist doppelt soviel "Masse" besitzen, erleben, dass sich die Strecke vor ihm auf die Hälfte reduziert hat, und last, not least der Körper lediglich um die Hälfte gegenüber dem relativ ruhenden Beobachter gealtert ist.
Kehrt nun jener Reisende aber zur Erde zurück, so hat er weder die doppelte Masse noch intus, noch ist seine normale Wegstrecke um die Hälfte verkürzt.... aber er ist ganz offensichtlich weniger gealtert, als der Zurückgebliebene. Er ist in der Zeit, in der er mit 0,866 c flog, nur die Hälfte gealtert, wie sein ruhender Beobachter. Alles andere scheint sich dann wieder "in Luft aufgelöst" zu haben.
Warum????
Dies würde doch im Grunde genommen bedeuten, wenn ich mein Leben relativ zum Ruhenden verlängern möchte, brauche ich mich nur in irgend ein fahrbares oder flugbares Reisemittel zu setzen, und meine Geschwindigkeit um einen bestimmten Faktor erhöhen. Ich könnte somit selbst bestimmen, wie lange ich im Verhältnis zu meinem ungeliebten Nachbarn leben möchte?!
Warum ist dies so?
Warum nimmt zwar auch die Masse zunächst einmal relativ zu, sobald ich bis auf den Wert der Geschwindigkeit mittels Beschleunigung komme, die ich brauche, und nimmt dann aber wieder um den gleichen Faktor ab, sobald ich soweit herunter bremse, dass ich dann wieder meine hiesige "Ruheposition" einnehmen kann?
Zunächst einmal ist das, was du hier "Masse" nennst, nichts anderes als die Energie. Die Frage lautet also, warum der reisende Zwilling bei der Rückkehr weniger gealtert ist, während die Energie des reisenden Zwillings im Augenblick der Rückkehr, nach Ende der Abbremsphase, wieder den Wert hat, den sie vor Reiseantritt hatte.
Man kann sich das so klarmachen: die Energie, die der reisende Zwilling hat, ist eine lokale oder momentane Größe, d.h. man kann für den reisenden Zwilling an jedem Punkt auf seiner Weltlinie angeben, wie groß seine Energie ist (bezogen auf das verwendete Bezugssystem). Die Eigenzeit jedoch, die für den reisenden Zwilling auf seiner gesamten Reise verstrichen ist, ist eine globale Größe: sie kann nur für die Weltlinie als Ganzes angegeben werden, nicht an einem einzelnen Punkt der Weltlinie, also nicht momentan. Diese verstrichene Eigenzeit kann jedoch mit einer momentanen Größe in Verbindung gebracht werden, nämlich dem momentanen Zeitdilatationsfaktor: an jedem Punkt der Weltlinie des reisenden Zwillings kann angegeben werden, um welchen Faktor die Ganggeschwindigkeit seiner Uhr gerade verlangsamt ist. Die gesamte für den reisenden Zwilling zwischen Start und Rückkehr verstrichene Eigenzeit ergibt sich daraus, dass man den momentanen Zeitdilatationsfaktor über die gesamte Weltlinie aufintegriert.
Man kann auch für die Energie eine globale Größe ausmachen, die sich aus der Energie ganz ähnlich errechnet wie die verstrichene Eigenzeit aus dem Zeitdilatationsfaktor, und zwar ist diese Größe die sog. Wirkung (nicht zu verwechseln mit der Wirkung im Sinne von Ursache und Wirkung, das ist etwas ganz anderes). Hier ist angegeben, wie man diese Wirkung berechnet:
https://de.wikipedia.org/wiki/Lagrange- ... e_Mechanik
Man kann einerseits die Ruhenergie m0 c² des reisenden Zwillings nach dessen Eigenzeit integrieren, oder auch die Energie E' = m0 c² / √(1 - v²/c²) im Bezugssystem des daheimgebliebenen Zwillings nach der in diesem Bezugssystem verstreichenden Zeit, das Ergebnis ist das gleiche.
Und so, wie sich die Eigenzeiten unterscheiden, die für den daheimgebliebenen Zwilling und den reisenden Zwilling verstreichen, genauso unterscheiden sich auch die der Wirkungen der Weltlinien der beiden Zwillinge. Die Wirkung auf der Weltlinie des reisenden Zwillings ist größer als die auf der Weltlinie des daheimgebliebenen Zwillings.
seeadler hat geschrieben:Und warum scheint die Strecke vor mir und hinter mir verkürzt zu sein, während sie parallel zu mir an den jeweiligen Seiten ganz "normal" bleibt?
Hier ist unklar, welche der beiden folgenden Fragen du stellen willst:
1) Warum tritt die Lorentzkontraktion nur in einer Richtung auf, nicht aber in den beiden Richtungen senkrecht dazu?
2) Warum registriert der reisende Zwilling bei seiner Rückkehr, nach Abschluss der Abbremsphase, keine Lorentzkontraktion mehr, obwohl die für ihn verstrichene Eigenzeit von der des daheimgebliebenen Zwillings abweicht, und auch die Wirkung seiner Weltlinie eine andere ist als die des daheimgebliebenen Zwillings?
Zu Frage 1) Man kann sich das so klarmachen, dass wegen der Relativität der Gleichzeitigkeit die gleichzeitigen Räume des reisenden Zwillings, also die raumartigen Hyperflächen, in die er die Raumzeit zerlegt, während der Reise gegenüber den gleichzeitigen Räumen des daheimgebliebenen Zwillings gekippt sind. Diese Verkippung betrifft aber nur die (x,t)-Ebene, wobei x die Raumrichtung ist, in die die Reise geht, und t die Zeitrichtung.
Zu Frage 2) Die Lorentzkontraktion ist ähnlich wie die Energie und der Zeitdilatationsfaktor ein momentaner Effekt: zu einem gegebenen Zeitpunkt auf der Weltlinie des reisenden Zwillings kann man angeben, um welchen Winkel sein momentaner gleichzeitiger Raum gegenüber dem momentanen gleichzeitigen Raum des daheimgebliebenen Zwillings gekippt ist.
seeadler hat geschrieben:Dies würde in der weiteren Konsequenz aber auch heißen, wenn sich die Geschwindigkeit der Erde ändert, einmal schneller oder einmal langsamer verläuft, dann verändert sich auch hier meine Lebenserwartung. Ich habe an Lebensalter gewonnen, wenn ich das Perihel der Erde erreicht habe, wenn also die Erde im Winter schneller fliegt, als im Sommer (bezogen auf die Nordhalbkugel)
Ebenso habe ich an Lebenserwartung gewonnen, wenn ich mich in einen Zug, in ein Auto, auf das Fahrrad oder in ein Flugzeug setze. Jedes mal, wenn ich mich bewege, altere ich langsamer, als wenn ich mich hinlege und "absolut ruhe".
Es sollte beachtet werden, dass es dabei ganz wichtig ist, dass ähnlich wie beim reisenden Zwilling, der irgendwann nach Hause zurückkehrt, wo der daheimgebliebene Zwilling auf ihn wartet, dass du an deinen Ausgangspunkt zurückkehrst.
seeadler hat geschrieben:Warum ist dies so?
Was passiert da im Kosmos, was mir real ermöglicht, meine Lebenserwartung zu verlängern.
Im Kosmos passiert da, dass du dich zwischen zwei Punkten der Raumzeit (Start und Rückankunft) auf einer Weltlinie bewegst, die nicht der geradestmöglichen Weltlinie zwischen beiden Punkten entspricht. Im Beispiel mit den Zwillingen bewegt sich der daheimgebliebene Zwilling auf der geradestmöglichen Weltlinie, der reisenden Zwilling dagegen auf einer weniger geraden Weltlinie. Hätte die Raumzeit eine euklidische Metrik wie der Raum, so wäre die geradestmögliche Weltlinie zugleich die kürzeste, jede weniger gerade Weltlinie wäre länger. Die Raumzeit hat aber eine Minkowski-Metrik, und da ist es umgekehrt: die geradestmögliche Weltlinie hat die größte raumzeitliche Bogenlänge, entsprechend verstreicht auf ihr am meisten Eigenzeit. Jede weniger gerade Weltlinie ist kürzer, und daher verstreicht auf ihr weniger Eigenzeit. Darum verstreicht für den reisenden Zwilling zwischen Start und Rückankunft weniger Eigenzeit als für die daheimgebliebenen Zwilling.
Mit der Wirkung ist es allerdings immer noch genauso wie im euklidischen Raum: die geradestmögliche Weltlinie (die des daheimgebliebenen Zwillings) hat die kleinste Wirkung, jede weniger gerade Weltlinie (wie die des reisenden Zwillings) hat eine größere Wirkung.
seeadler hat geschrieben:Umgekehrt - und das ist für mich das eigentlich interessante bei der gesamten Betrachtung - wenn ich es irgendwie schaffe, jenen Ruhezustand, also unsere 0-Position in eine negative Geschwindigkeit zu verwandeln, somit die "Normalgeschwindigkeit, die unsere Ruheposition inne hat, abzubremsen, kann ich sowohl den Verlauf der Radioaktivität beschleunigen als auch mein Lebensalter, also schneller alt werden.
Warum ist dies so? Und ist letzteres überhaupt durchführbar? Können wir uns langsamer bewegen, als 0?
Was du da so interessant findest, ist jedoch zugleich auch unmöglich: zwischen zwei Punkten der Raumzeit gibt es keine Weltlinie, auf der mehr Eigenzeit verstreicht als auf der geradestmöglichen Weltlinie. Hast du halt Pech gehabt.