Ähem nein, genau umgekehrt.Pluto hat geschrieben:Dass schon viele Autoren behauptet haben, es fehle zum menschlichen Geist ein gewisses "Etwas", ist klar. Doch bisher ist es keinem gelungen dieses "Etwas" zu definieren oder zu erklären.
Was Geist ist oder geistige Leistungen und Hervorbringungen sind, das weiß jeder und jeder der deutschen Sprache mächtige verwendet den Begriff in seiner Alltagssprache selbstverständlich und so, dass andere ihn verstehen können. Die Neurowissenschaftler und auch die reduktiv-naturalistisch argumentierenden Philosophen haben dagegen große Probleme, Geist (Bewussstein, Ich etc.) allein auf eine rein materiell-physikalische Basis zurückzuführen. Ich weiß, wovon ich hier schreibe, denn ich habe das schon selbst versucht (mich also intensiv mit dem Problem beschäftigt), musste aber feststellen, dass es mir nicht konsistent gelingt.
Nur darum halte ich die Herangehensweise von Markus Gabriel - im Augenblick - für die erfolgversprechendste und einleuchtendste. Weil alle anderen Erklärungsversuche sich mir als inkonsistenter erwiesen haben und mit erheblichen Erklärungslücken behaftet.
Und Gabriel fällt dabei nicht auf überholte cartesianisch-dualistische Positionen zurück oder muss die Erfolge der natur- und neuro-wissenschaftlichen Ergebnisse leugnen, denn er sagt (z.B. auch in dem verlinkten Radiobeitrag) deutlich, dass das Gehirn selbstverständlich die Grundlage des Denkens, des Geistes, des Bewusstseins und des Ich ist.
Was Geist oder das Geistige (das Ich, das Bewusstsein) sind, muss natürlich begrifflich konkreter gefasst werden. So ist mit Geist keine immaterielle Substanz gemeint, die neben den materiellen Entitäten im Universum existiert. Damit hat Gabriel nichts am Hut und man darf ihn so auch nicht missverstehen.
Präziser fasst man Geist (Bewussstein, Ich, Denken etc.) als mentale Zustände, mentale Ereignisse und mentale Hervorbringungen. So ist der Inhalt eines Gedankens (mündlich oder schriftlich oder wie auch immer geäußert) etwas Geistiges. Einen mathematischen oder logischen Beweis kann man nur geistig (= gedanklich) nachvollziehen und seine Plausibilität vernünftig erkennen. Der Sinn und die Pointe einer Geschichte, eines Gedichtes, eines Musikstückes, eines Gemäldes, eines Schazuges, eines Witzes usw. sind geistige Gehalte. Die Geistes-Geschichte ist die Summe aller kulturell-geistigen Erzeugnisse der Menschheit. Seit Gottlob Frege kann man Bedeutung und Sinn einer Aussage sauber voneinander unterscheiden. Die Ausdrücke Morgen- und Abendstern beziehen sich auf ein und denselben Planeten Venus. Er ist die Bedeutung dieser beiden Ausdrücke. Dennoch haben Morgenstern und Abendstern offensichtlich unterschiedlichen Sinn, denn sie stehen zwar für ein und denselben Planeten (was astronomisch erst herausgefunden werden musste), bezeichnen aber einmal die am Morgen beobachtete Venus und einmal die am Abend beobachtete Venus. Morgen- und Abendstern sind als Ausdrücke darum auch nicht austauschbar. In einem Gedicht z.B. kann der Ausdruck Morgenstern verwendet werden und wenn man ihn durch Abendstern ersetzt, verändert sich der Sinn im Gedicht erheblich.
Doch, denn genau darum geht es ja in diesem Buch! Gabriel kann Geist, Sinn, Denken, Bewusstsein, Ich, geistige Inhalte, fiktionale Inhalte usw.usf. deshalb sogar sehr gut und ohne die Annahme besonderer geistiger Substanzen erklären, weil er zwischen den Gegenstandsbereichen von Welt und Universum unterscheidet (Welt = alles, was in der Welt erscheint und Universum = alles was physikalisch-materiell messbar ist). Dabei "existiert" alles, was in diesen (und weiteren) Sinnbereichen erscheint. Nur existiert es auf unterschiedliche Weisen und das materiell-physikalische Existieren ist ontologisch nicht stärker, als das geistige Existieren. Ontologisch nicht stärker bedeutet: Zahlen z.B. existieren nicht weniger, als Atome oder Planeten existieren. Wenn man aber Zahlen im Universum mit Messgeräten aufspüren will, dann irrt man sich fundamental im zu untersuchenden Gegenstandsbereich. Hexen existieren natürlich in der Geistesgeschichte des Menschen. Aber zu glauben, Hexen seien reale Personen, die durch Hexerei Menschen schaden oder helfen könnten, ist ein Irrtum.Pluto hat geschrieben: Ich bezweifle, dass Markus Gabriel, trotz seiner vermutlichen Schlagfertigkeit und der Kenntnisse alter Philosophen, dies kann.
Wenn du Forschungsergebnisse der Philosophie meinst, dann kann er das. Wenn du glaubst, er hätte den Geist jetzt endlich mit einer Apperatur gemessen, dann sitzt du einem fundamentalontologischen Missverständnis auf.Pluto hat geschrieben: Ich werde mir das Buch besorgen, und hoffe, er kann seine Behauptungen auch mit Forschungsergebnissen belegen.

Es ist genau so, wie Markus Gabriel es in dem Radiobeitrag ausführt: es ist ein Missverständnis zu denken, das Radfahren(-Können) sei identisch mit dem Fahrrad.