Von einer Jungfrau geboren?

closs
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#11 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » Sa 9. Jan 2016, 23:07

II


Thaddäus hat geschrieben:Diese tatsächliche Wirklichkeit, die du hier postulierst, gibt es nicht und zwar deshalb nicht, weil wir eben gerade nicht in eine Zeitmaschine steigen können, um zu beobachten, was tatsächlich geschehen ist!
Erwischt. :lol: - Diese tatsächliche Wirklichkeit gibt es selbstverständlich, weil sie mit unserer Wahrnehmung nichts zu tun hat - sie "ist". - Deine Begründung: WEIL wir es nicht beobachten können, gibt es ein "Sein"/eine "Realität" nicht, ist im Grunde der Ober-Hammer. - Ich sehe schon Gott, wie er fingernägel-kauend auf seinem Hintern rumrutscht und um sein Leben fürchtet, weil er ja nicht mehr "ist", wenn er nicht beobachtet werden kann. :devil: :lol:

Du unterstreichst genau meinen Kritik-Punkt. - Dazu gab es hier einen Thread "Sein und Wahrnehmung", der nach gut 250 Seiten ohne Ergebnis versandet ist. - Es scheint tatsächlich tief im Denken des 20./21. Jh. verankert zu sein, dass "Realität" von UNSERER Wahrnehmung (incl. Wissenschaft) abhängig sei. - Genau das ist ein spirituelles No-Go.

Thaddäus hat geschrieben:Das einzige, was es gibt, ist die historisch-kritische Rekonstruktion durch die historisch-kritischen Methoden!
Wenn man es sauber macht, stimme ich Dir sogar zu, solange sich die HKM auf Historie beschränkt.

Unter "sauber" verstehe ich, dass man sich immer bewusst ist, dass man über die jeweilige Quelle (also die Information, die einem vorliegt - Textquelle)) spricht und nicht direkt über das Objekt der Untersuchung (Jesus) spricht. - Unter "sauber" verstehe ich weiterhin, dass man über Beobachten und Beschreiben hinaus nur innerhalb des historisch-kritischen Kontextes interpretiert, also keine geistigen Aussagen macht. - Weiterhin verstehe ich unter "sauber", dass auch der historisch-kritische Ansatz selbst bei besten Bedingungen nur einen Ausschnitt dessen liefern kann, was er im Rahmen seines Mandats untersucht.

Thaddäus hat geschrieben:Du schreibst so, als ob du wissen könntest, was die tatsächliche Wirklichkeitgewesen sei
Nein - ich schreibe in erster Linie, dass das, was "wirklich gewesen ist", unveränderlich "ist". - Zweitens geht es mir darum, dass eine geistige Rekonstruktion authentischer dazu sein kann als ein historisch-kritischer Zugang.

Aus meiner Sicht kann man mit der HKM (in Bezug auf die Bibel) den Spatz in der Hand schaffen ("Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen") - zu einem größeren Vogel KANN es gar nicht reichen. Trotzdem ist HKM wichtig für Theologie, aber eben ausschließlich als Basis für historisch Relevantes - BEVOR es "richtig los geht" mit Fragen: Was bedeutet das eigentlich? - Wenn es um die historische Einschätzung von der "Emser Depesche" von Bismarck geht, sind die Voraussetzungen ganz andere - dann ist die HKM uneingeschränktes "Mittel der Wahl".

Damit möchte ich die HKM überhaupt nicht diskreditieren - aber man diskreditiert doch auch nicht ein Seepferdchen, wenn man ihm sagt: "Du bist zum Reiten ungeeignet".

Thaddäus hat geschrieben:Es existiert keine tatsächliche Wirklichkeit, die du gegen die HKM in Anschlag bringen könntest, denn wie - bitteschön - solltest du von ihr wissen, - es sei denn, du bedienst dich der HKM um zu rekonstruieren, was historisch geschehen sein muss?
Du drückst Deinen Denkfehler gerade zu vorbildich aus.
1) Die tatsächliche Wirklichkeit existiert selbstverständlich.
2) 1) gilt völlig unabhängig davon, was ich oder andere von dieser tatsächlichen Wirklichkeit wissen oder nicht wissen.
3) HKM ist eine Methodik, um unsere Wahrnehmung und die tatsächliche Wirklichkeit (die unveränderlich DA ist) möglischst gut in Kooinzidenz zu bringen.

Thaddäus hat geschrieben:Es ist kollossaler Unsinn von dir, hier zu schreiben, du wüsstest von der tatsächlichen Wirklichkeit, an der du die Ergebnisse der HKM messen könntest. Ich möcjhte solchen Schwachsinn hier von dir nicht mehr hören!
Nicht ICH verzapfe hier Schwachsinn, sondern Du hörst fälschlich Schwachsinn.

1) Ja - ich weiss von der tatsächlichen Wirklichkeit, aber ich kenne sie nicht.
2) Diese tatsächliche Wirklichkeit ist der Maßstab für ALLES - sowohl für geistige als auch für historisch-kritische Annäherung durch unsere Wahrnehmungs-Systeme/Methoden.
3) Dieser Maßstab ist uns nie bekannt, sondern nur über unseren jeweiligen Approach annäherbar. - im Grunde ist das Hermeneutik im obigen Sinne - UND diese Hermeneutik muss sich immer bewusst sein, dass sie nur EINEN/IHRENAspekt dieser tatsächlichen Wirklichkeit erfassen kann - hier: historisch-kritisch.

Thaddäus hat geschrieben:Verlierer ist man ohnehin nur, wenn man wider die bessere Einsicht zu argumentieren versucht.
Also muss man seinen Erkenntnis-Horizont erweitern, um auf jeweils höherer Ebene Gewinner ist - auch das ist schon wieder "Hermeneutik" (im obigen Sinne).

Konkret:
Die HKM kann sagen, dass gemäß der vorliegenden Quellen und deren Verfassern (bei richtigem Verständnis!!!) historisch-kritisch alles darauf hinweist, dass die fokussierte Person, hier Jesus, eine apokalyptische Naherwartung hatte. - Das ist voll ok. - Wenn sich aber die HKM nicht weltanschaulich kontaminieren will, darf sie NICHT sagen: "Es ist eine Tatsache, dass der wirkliche Jesus eine apokalyptische Naherwartung hatte".

Da muss sie es als Teil ihrer Professionalität verstehen, geistige Zugänge zur selben Fragestellung zuzulassen (NT-Paradigmen-Wechsel, Motiv des "Und sie verstanden ihn nicht" (übrigens Motive, die sehr wohl gesamt-biblisch leichtest nachweisbar sind, wenn man will). - Die HKM muss also im Rahmen IHRER Professionalität sagen können: "Wir wissen, dass unser Quellen-Zugang diese Frage nicht beantworten kann, weshalb wir bei unseren Leisten bleiben". - Hier sehe ich große Defizite, legt man das zugrunde, was hier gelegentlich als HKM-Ergebnisse apodiktisch vorgesetzt wird.

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#12 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » So 10. Jan 2016, 09:07

Halman hat geschrieben:Das Problem dabei ist nur, dass uns nichts anderes als die Rekonstruktion der Wirklichkeit, gewissermaßen die Aktenlage, zur Verfügung steht.
Richtig - der Mensch hat nur SEINE Wahrnehmung. - Deshalb ist die Frage, ob man sich an seinem Wissen oder an seinem Glauben orientiert, der über das Wissen hinausgeht (und nicht ersetzt! - wichtige Zusatzbemerkung).

Halman hat geschrieben:Deine kritische Argumentation wäre nämlich rethorisch leicht verwendbar, um Glaubensaussagen zu kritisieren, im Sinne von: 'Nur in Deinem Glaubensmodell existiert Gott. Du darf aber nicht davon sprechen, dass er wirklich existiert, weil Du ihn nur religiös hergeleistet hast.'
Genau richtig. - Deswegen heisst es ja "Glaube".

"Glaube" bedeutet, dass man sein Heil nicht ihm eigenen Menschenmaß-Wissen sucht, sondern im Glauben an etwas, das darüber hinausgeht. - Deshalb muss man (System-) Wissen des Menschen von nicht wissbarem Glauben trennen - Hiob.

Halman hat geschrieben:Als gläubiger Mensche nehme ich mir aber die Freiheit, zu sagen: "Gott existiert wirklich!"
So ist es. - Und zwar nicht, weil die HKM dieses oder jenes in SEINEM Koordinaten versteht oder nicht versteht, sondern weil man als gläubiger Mensch tiefer geht und sich allerdings dann auch anderen Risiken aussetzt ("Unterscheidung der Geister") - insofern hat das viel mit Vertrauen der eigenen, gegebenen geistigen Instinkte zu tun - oder anderes gesagt: "Gibt es das Gewissen (als Exklave des Göttlichen im Menschen) oder nicht?"

Wenn man glaubt zu wissen, Geist sei Produkt von Materie, kann man dies knicken - dann sollte man sich auf sein menschliches (System-) Wissen beschränken (vgl. auch: die Freunde Hiobs). Aber dann gibt's halt auch keinen Durchbruch, weil man an der falschen Stelle bohrt.

Halman hat geschrieben:Daher darf Thaddäus grundsätzlich davon sprechen, zu wissen, dass Jesus eine Naherwartung verkündete, wenn die Rekonstrution auf solider Basis steht.
Wenn man es nicht als absolute Tatsache, sondern als Ergebnis des selbst-gewählten Systems deklariert, geht das. - Wenn man damit meint, man habe das, was wirklich geschehen ist, als Tatsache erkannt, wird es zum Götzendienst.

Unabhängig davon: Natürlich KANN ein menschliches Wissen mit dem, was wirklich ist/war, koinzidieren - aber das weiss man bei geistigen Dingen so gut wie nie (zumindest nicht intersubjektiv vermitteöbar).

Halman hat geschrieben:Vermutlich ist Thaddäus aufgrund ihres Studiums der Überzeugung, ihr Wissen auf bestmögliche Weise erlangt zu haben.
Sicherlich zu recht - aber das ist genau auch ein Problem: Je intelligenter man ist, desto weiter kann man von etwas weggeführt werden, weil man dann dazu neigt, die eigene Brillanz zu verabsolutieren.

Halman hat geschrieben:Ich bin z.B. der Auffassung, dass wir wissen, dass Jesus unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde. Darf ich dies so denn nicht sagen?
Streng genommen NEIN - Du kannst es plausibel finden und gut begründen. - Du kannst es auch geistig prüfen. - Aber "Wissen" im absoluten Sinne kommt dabei nicht heraus.

Halman hat geschrieben: 5+7=12
Diese Aussage ist nur dann richtig, wenn man die Axiome der Mathematik akzeptieren. - Innerhalb dieser Axiome ist diese Aussage absolut sicher. - Wobei (aber das habe ich nur mal gelesen) Chaos-Theoretiker (= Mathematiker) äußern, dass Mathematik im Randbereich ihres Systems nicht mehr Mathematik sei.

Halman hat geschrieben: Es hängt also davon ab, welche Weltanschauung man als Prämisse setzt.
Meine Rede. - Der Haken dabei: Die HKM-Vertreter scheinen WIRKLICH zu meinen, ihr Denken sei NICHT weltanschaulich geprägt. - Man stellt eine Falle, vergißt sie und fällt selber rein.

Halman hat geschrieben:Ihr seid euch, so mein Eindruck, über die Prämissen unseins. Daher müssen eure Konklusionen verschieden sein.
Exakt richtig analysiert. - Wissenschaftler neigen jedoch dazu zu meinen, sie hätten KEINE Prämissen, sondern nur andere - deshalb hätten ihre Aussagen höhere Qualität. - In sich logisch - aber eben nur da.

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sven23
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#13 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von sven23 » So 10. Jan 2016, 09:22

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Yep, du darfst natürlich weiter schlafen.
Und wenn ich aufwache, finde ich eine anspruchsvolle Erwiderung?
Die findest du automatisch, da wir uns auf die Forschungsergebnisse stützen und auf hausgemachte Eisegese verzichten. ;)
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#14 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Münek » So 10. Jan 2016, 09:46

closs hat geschrieben:IIDamit möchte ich die HKM überhaupt nicht diskreditieren - aber man diskreditiert doch auch nicht ein Seepferdchen, wenn man ihm sagt: "Du bist zum Reiten ungeeignet".

Du scheinst Dich zu einem Experten für abwegige Vergleiche zu entwickeln. :lol:

Das Seepferdchen würde erstaunt antworten: "Es käme mir nie in den Sinn
zu behaupten, auf mir könne man reiten. Wie kommst Du zu Deiner merk-
würdigen und anlasslosen Festellung, dass ich zum Reiten ungeeignet sei?"

Also - auch dieser Vergleich passt mal wieder ganz und gar nicht. Denn:

Auch die HKM beansprucht nicht, in Glaubensdingen kompetent mitreden zu kön-
nen. Im Gegenteil, christliche Glaubensvorstellungen bleiben bei der theologisch
-wissenschaftlichen Arbeit (historische Forschung und Lehre) zwingend außen vor.
Mit Wundern und übernatürlichen Wesenheiten hat die Wissenschaft nix am Kopp. :lol:

Warum Du das immer noch nicht schnallst, ist mir ein Rätsel.

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#15 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » So 10. Jan 2016, 10:02

sven23 hat geschrieben:da wir uns auf die Forschungsergebnisse stützen
Dann "Prüfet alles und behaltet das Gute" mit dem eigenen Verstand. - Forschungs-ERgebnisse sind
1) Status Quo
2) Ergebnis eines Modells

Oder wie erklärst Du Dir, dass sich hier kirchliche und agnostische HKM so unterscheiden? - Weil die kirchliche Forschung Forschungs-Ergebnisse gegen besseres Wissen versteckt? - So einfach dürft Ihr es Euch nicht machen.

Münek hat geschrieben:Das Seepferdchen würde erstaunt antworten: "Es käme mir nie in den Sinn zu behaupten, auf mir könne man reiten. Wie kommst Du zu Deiner merkwürdigen und anlasslosen Festellung, dass ich zum Reiten ungeeignet sei?"
Genau diese Aussage erwartet die Kanonische Exegese con variazione von der historisch-kritischen Exegese.

Münek hat geschrieben:Auch die HKM beansprucht nicht, in Glaubensdingen kompetent mitreden zu können.
Von wegen: "Jesus hatte eine Naherwartung" (Tatsachewn-Rang) IST eine Glaubens-Aussage. - Das Problem ist ein anderes: Nicht jeder HKM-ler erkennt, welche seine Aussagen wissenschaftlicher und welche weltanschaulicher Natur sind.

Münek hat geschrieben:Mit Wundern und übernatürlichen Wesenheiten hat die Wissenschaft nix am Kopp.
Und sollte auch nichts mit weltanschaulichen Aussagen am Kopp haben - aber dazu muss man erst mal erkennen, wann man weltanschaulich spricht.

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sven23
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#16 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von sven23 » So 10. Jan 2016, 10:12

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die Analyse aller zeitgeschichtlich bekannten Jungfrauengeburten weist auf, dass es sich um ein religiöses Motiv und eine symbolische Metapher handelt.
Das ist es ohnehin - das ist doch der Sinn von Offenbarungen. - Dabei ist es prinzipiell wurscht, ob ein Sinn/eine geistige Aussage historisch/naturalistisch oder als rein geistige Metapher ("Gleichnis") chiffriert ist.
Der Unterschied ist, was in anderen Kulten und Mythen belächelt oder als unwahr angesehen wird, wird im Christentum in ein nicht hinterfragbares Dogma einbetoniert.

"Man muss wissen, wie absolut unsicher die Überlieferung von Jesus ist, um auch gleich zu wissen, dass die absolut sicheren Aussagen der Kirche von vornherein nicht stimmen können! Dies machen ja gerade die ältesten christlichen Schriften selbst evident, die Evangelien, die anderen neutestamentlichen Bücher, die frühesten Kirchenväterpublikationen, mit denen die Dogmenbildung und besonders das Dogma von Christus dem Gottessohn eingeleitet und fortgesetzt wird."

Karlheinz Deschner, Der gefälschte Glaube

closs hat geschrieben: - Auch naturalistische "Realität" ist Chiffre.
Wieso das?

closs hat geschrieben: Nebenbei: Mir persönlich ist es egal, ob man die Jungfräulichkeit Mariä als biologisch postuliert oder als Metapher - wichtig ist, dass die Chiffre verstanden wird. - Davon abgesehen: Die HKM kann hierin keine Entscheidung treffen (out of their range), und es ist geistig gesehen tatsächlich nicht vom Menschen ausschließbar (s.o.: Materie als Folge von Geist).
Wenn du Katholik werden willst, kann es dir nicht egal sein. ;)

closs hat geschrieben: Genau das ist modellhaft richtig, aber aus Sicht der "tatsächlichen Wirklichkeit" falsch -
Bitte nicht schon wieder die "wirkliche Realität" oder "reale Wirklichkeit". Darüber waren wir doch eigentlich schon hinweg. :roll:

closs hat geschrieben: Erstaunlich finde ich, dass die HKM-Vertreter ihre modell-hafte Beschränkung triumphierend als Krone der Wissenschaft präsentieren, die ein kultureller Fortschritt sei - dass dies auf spiritueller Seite auf Räuspern stößt, sollte naheliegend sein.

Weil es keine Alternativen zur HKM gibt. Glaubensmodelle sind eben Glaubensmodelle, aber auch nicht mehr.

"Die Wissenschaft weiß, dass sie immer nur vorläufige Modelle zur Erklärung und Veranschaulichung schwieriger Vorgänge schafft, die sie ständig korrigiert, sobald neue Erkenntnisse auftauchen. Sie weiß aber auch, dass diese Modelle nicht die Wirklichkeit selbst sind.

Die Kirchen versäumen heute, ihre Modelle als mythische Modelle zu erkennen (wie die ersten Kirchenväter und –lehrer das noch konnten), sie von der Pseudo-Wissenschaftlichkeit der Theologie zu erlösen und sie der aktuellen Weltsicht anzupassen."
Quelle: Glauben&Wissen
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Thaddäus
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#17 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Thaddäus » So 10. Jan 2016, 10:43

Vielen Dank für deine Antworten closs und vielen Dank Halman, für deine kurze Zusammenfassung des zentralen Missverständnisses von closs.

Ich werde zunächst kurz deutlich machen, worin die zentrale ontologisch-historische These von closs besteht und sie dann als inkonsistent und unhaltbar nachweisen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Diese tatsächliche Wirklichkeit, die du hier postulierst, gibt es nicht und zwar deshalb nicht, weil wir eben gerade nicht in eine Zeitmaschine steigen können, um zu beobachten, was tatsächlich geschehen ist!
Erwischt. :lol: - Diese tatsächliche Wirklichkeit gibt es selbstverständlich, weil sie mit unserer Wahrnehmung nichts zu tun hat - sie "ist". - Deine Begründung: WEIL wir es nicht beobachten können, gibt es ein "Sein"/eine "Realität" nicht, ist im Grunde der Ober-Hammer.
[...]
Es scheint tatsächlich tief im Denken des 20./21. Jh. verankert zu sein, dass "Realität" von UNSERER Wahrnehmung (incl. Wissenschaft) abhängig sei. - Genau das ist ein spirituelles No-Go.
Closs geht also davon aus, dass es tatsächliche historische Ereignisse gibt, und er geht davon aus, dass wir grundsätzlich wissen können, was diese historischen Ereignisse faktisch waren. Denn er schreibt weiter ...

closs hat geschrieben: Nein - ich schreibe in erster Linie, dass das, was "wirklich gewesen ist", unveränderlich "ist". - Zweitens geht es mir darum, dass eine geistige Rekonstruktion authentischer dazu sein kann als ein historisch-kritischer Zugang.
Damit stellt closs die weitere These auf, dass es eine "geistige Rekonstruktion" von historischen Tatsachen gibt (die nicht historisch-kritisch ist) und die "authentischere"(!) Ergebnisse liefern kann, als die HKM.

Hierzu ist festzuhalten:
1. Selbstverständlich gibt es historische Tatsachen, die sich aus den realen historischen Ereignissen ergeben. Diese realen historischen Tatsachen existieren unabhängig davon, ob sie von uns beobachtet werden (wie z.B. die Entstehung von Leben auf diesem Planeten usw.).

2. Keines dieser realen historischen Ereignisse ist uns unmittelbar zugänglich, insofern wir es unmittelbar beobachten könnten, außer denen, die wir tatsächlich unmittelbar selbst beobachten, weil sie in unserem unmittelbaren Umfeld geschehen (aber selbst dann, können wir uns über das Beobachtete täuschen).

3. Wissen über reale historische Ereignisse können wir nur erlangen, indem wir auf der Grundlage von Indizien bzw. Quellen (Texte, Filmaufnahmen, Photographien, archeologische Funde usw.) die historischen Ereignisse rekonstruieren! Es gibt also reale historische Ereignisse, über die wir niemals etwas wissen können, weil uns keinerlei Indizien über sie vorliegen. Es gibt auch reale historische Ereignisse, von denen wir nur wissen, dass sie stattgefunden haben müssen, weil wir ihre Konsequenzen beobachten können, von denen wir aber nicht wissen, was genau geschehen ist, weil uns hierüber keine weiteren Informationen (Quellen) vorliegen. Wie gut und wie genau wir ein reales historisches Geschehen rekonstruieren können hängt davon ab, wie gut die Quellenlage ist, die uns über das Geschehen Informationen liefert.

Tatsächlich kann also niemand mit absoluter Sicherheit wissen, ob Cäsar wirklich jemals in Gallien einmarschiert ist. Die Quellenlage hierzu ist aber so gut ("De bello Gallico" u.a.), dass wir mit hoher Sicherheit davon ausgehen können, dass ein römischer Feldherr mit Namen Gaius Iulius Caesar im Jahre 58 v.u.Z. tatsächlich in Gallien gegen die dortigen gallischen und germansichen Stämme gekämpft hat.

Niemand kann mit absoluter Sicherheit wissen, ob John F. Kennedy jemals tatsächlich Präsident der Vereinigten Staaten war. Alles, was wir über dieses vermeintliche historische Faktum wissen, basiert auf sekundären Quellen wie unserem Geschichtsunterricht, Büchern, Filmaufnahmen usw., die sämtlich gefälscht sein könnten bzw. von falschen Quellen ausgehen (der Geschichtsunterricht). Selbst noch lebende Zeitzeugen, die Kennedy persönlich kannten und bei seiner Wahl zum Präsidenten dabei waren, könnten im Rahmen einer umfassenden Verschwörung darüber getäuscht worden sein, dass John F. Kennedy zum Präsidenten gewählt wurde und nicht sein republikanischer Konkurrent, der die Wahl in Wirklichkeit gewonnen hat.
Natürlich ist dieses Szenario extrem unwahrscheinlich und die Quellenlage zur Präsidentschaft Kennedys so gut, dass wir mit höchster Sicherheit davon ausgehen können, dass er tatsächlich von 1961 bis 1963 der 35. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika war.


Conclusio:
1. Wir können niemals mit absoluter Sicherheit von den real geschehenen historischen Ereignissen wissen (selbst dann nicht, wenn wir selbst Beobachter sind, da wir uns über das, was wirklich geschieht täuschen können).

2. Alles, was wir über real geschehene historische Ereignisse wissen können, basiert auf einer Rekonstruktion der Ereignisse, ausgehend von Quellen, die uns für diese Rekonstruktion zur Verfügung stehen.

3. Die HKM und die Geschichtswissenschaften (mit Archeologie als Hilfswissenschaft) rekonstruieren aufgrund von Quellenlagen in genau diesem Sinne die realen historischen Geschehnisse und zwar so detailliert und genau, wie es die Quellenlage erlaubt. Eine andere Möglichkeit der Rekonstruktion realer historischer Geschehnisse gibt es nicht. Insbesondere gibt es keine ...

4. ... "geistige Rekonstruktion" realer historischer Ereignisse, von der closs spricht, die mit anderen "Methoden" und ohne Rückgriff auf historische Quellen reale historische Geschehnisse rekonstruieren könnte. Wenn closs aber annimmt, seine "geistige Rekonstruktion" interpretiert lediglich die Quellenlage anders, als die HKM, dann muss er zunächst einmal nachweisen, mit welcher wissenschaftlichen Berechtigung sie das tun können soll! Über die wissenschaftliche Berechtigung der Bewertung und Einschätzung von Quellen in der HKM herrscht dagegen sowohl wissenschaftstheoretisch als auch unter den Theologen weitgehend Einklang. Kein ernst zu nehmender Theologe stellt die wissenschaftliche Berechtigung der Methoden der HKM infrage.

5. Selbst, wenn closs seine "Methode der geistigen Rekonstruktion" (was immer das sein soll???) als Alternative zur HKM postuliert, postuliert er sie eben bloß als konkurrierende Methode ohne jede wissenschaftliche Berechtigung.


Closs selbst scheint sie aber ohnehin für eine Art Offenbarungsmethode des Glaubens zu halten, nach der ein korrektes Wissen um die realen historischen Ereignisse ausschließlich gläubigen Menschen über eine Art Offenbarung zugänglich ist. Das ist nun aber das genaue Gegenteil von Wissenschaftlichkeit, denn closs postuliert damit einen exklusiven Offenbarungszugang zu historischer Wahrheit für ausschließlich gläubige Menschen.
Der gesamte wissenschaftliche Fortschritt der letzten 500 Jahre basiert aber auf der Überwindung genau solcher religiös-exklusiver Erkenntniszugänge!


Fazit:
Closs Ansicht über "geistige Rekonstruktion" als bessere Alternative zur HKM (und Geschichtswissenschaft/Archeologie) ist nicht nur in sich inkonsistent (weil auch sie letztlich nur als ein Rekonstruktionsversuch der realen historischen Ereignisse betrachtet werden muss) und in ihrer Berechtigung unbelegbar, sie bedeutet auch einen bedenklichen Rückschritt für die wissenschaftliche historische Forschung, weil sie einen gläubig-exklusiven Erkenntniszugang für nur bestimmte Menschen postuliert.

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#18 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » So 10. Jan 2016, 11:08

sven23 hat geschrieben:Der Unterschied ist, was in anderen Kulten und Mythen belächelt oder als unwahr angesehen wird, wird im Christentum in ein nicht hinterfragbares Dogma einbetoniert.
Welchen Sinn hat diese Aussage? - Entscheidend ist doch, ob etwas Chancen hat, nahe an der Intention Jesu zu sein.

sven23 hat geschrieben:Wieso das?
"Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis", sagt Goethe - ich verstehe inzwischen diesen Satz.

sven23 hat geschrieben:Bitte nicht schon wieder die "wirkliche Realität" oder "reale Wirklichkeit".
Diese Gegenüberstellung kenne ich nicht - das ist doch dasselbe, oder nicht. - ICH spreche von
a) sicheren Aussagen INNERHALB einer modellhaften Perspektive und
b) dem, wie es wirklich war.

Im besten Fall gilt a) = b) --- diesen Fall gibt es selten UND: Dieser Fall ist schwer zu überprüfen, weil man b) nur bedingt über a) überprüfen kann.

sven23 hat geschrieben:Weil es keine Alternativen zur HKM gibt.
Das sagt die kanonische Exegese auch - aber sie meint damit: "Da, wo Du, HKM, hingehörst, bist Du alternativlos - aber in der geistigen Auslegung (etwa: "Jesus hatte eine Naherwartung" = "Tatsache") habt Ihr nichts zu suchen".

sven23 hat geschrieben:Sie weiß aber auch, dass diese Modelle nicht die Wirklichkeit selbst sind.
Eben - und deshalb sollte man immer von Modell-Ergebnissen sprechen und nicht von "Tatsachen". - Dann ist alles in Butter.

sven23 hat geschrieben:Die Kirchen versäumen heute, ihre Modelle als mythische Modelle zu erkennen
Ob sie es versäumen, weiss ich nicht - aber inhaltlich stimme ich der Aussage zu, dass geistige Modelle letztlich immer transzendente Modelle sind, die sich historischer Erkenntnisse bedienen, aber selbst nicht historische Modelle sind.

Und jetzt kommt der Knackpunkt:
Solche transzendeten Modelle können der Wirklichkeit Jesu näher kommen als historische Modelle - können, müssen nicht.

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#19 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von sven23 » So 10. Jan 2016, 11:12

Thaddäus hat geschrieben:
Fazit:
Closs Ansicht über "geistige Rekonstruktion" als bessere Alternative zur HKM (und Geschichtswissenschaft/Archeologie) ist nicht nur in sich inkonsistent (weil auch sie letztlich nur als ein Rekonstruktionsversuch der realen historischen Ereignisse betrachtet werden muss) und in ihrer Berechtigung unbelegbar, sie bedeutet auch einen bedenklichen Rückschritt für die wissenschaftliche historische Forschung, weil sie einen gläubig-exklusiven Erkenntniszugang für nur bestimmte Menschen postuliert.

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Tja, liebe Thaddäus, das versuchen wir dem guten closs schon seit gefühlten 10000 Beiträgen zu vermitteln. ;)
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#20 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von sven23 » So 10. Jan 2016, 11:19

closs hat geschrieben: Oder wie erklärst Du Dir, dass sich hier kirchliche und agnostische HKM so unterscheiden? - Weil die kirchliche Forschung Forschungs-Ergebnisse gegen besseres Wissen versteckt? - So einfach dürft Ihr es Euch nicht machen.
Weil HKM und glaubensbasierte Exegesen wie Feuer und Wasser sind, sie passen einfach nicht zusammen.
Das Grundproblem liegt wohl darin, daß die historisch-kritische Methode den biblischen, mythologischen Jesus von seinen vielen Rezeptionsschichten befreien konnte und nicht mehr viel anderes übrig blieb, als der Mensch und Wanderprediger Jesus, der das nahe Gottesreich als zentrale Botschaft verkündete.
Wäre es anders herum, hätte die Kirche wohl keine Probleme mit der HKM.
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