@Naqual
Vielen Dank für eure anspruchsvolle Diskussion. Sie bereichert das Forum.

Danke für diesen Hinweis.Naqual hat geschrieben:Besonders Luther übersetzte hier nachweislich sogar verkehrt um zu einem trinitarischen Ergebnis zu kommen.
Joh 1,18: Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt.
Nur das steht gar nicht da.
Elberfelder: Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn kundgemacht.
KJV: No man hath seen God at any time; the only begotten Son, which is in the bosom of the Father, he hath declared him.
Es ist richtig, dass Jesus gem. dem NT als ὠμονογενης υιος (ho monogenḗs hyiós), d.h. "der einziggezeugte Sohn", bezeichnet wird, was seine Einzigartigkeit hervorhebt. Allerdings lässt sich Luthers Übersetzung von Joh 1:18 durchaus anhand alter Handschriften der Kategorie I stützen, nämlich die Papyri P^75 und P^66, in denen Jesus als ὠμονογενης θεός (ho monogenḗs theós), "der einziggezeugte Gott" (vgl. bitte Kol 1:15, Phil 2:6, Hebr. 1:3 u. Dan 7:12-14), betitelt wird. [Laut anderen Textzeugen steht dort μονογενὴς υἱός (monogenḗs hyiós), d.h. "einziggezeugter Sohn".]
Könnte es nicht sein, dass "Salomo" die Weisheit persönifizierte, um sie anschaulicher beschreiben zu können und diesem Text eine zweite, tiefere Bedeutung zugrundliegt, nämlich die Anspielung auf Jesus Christus als ὠΛόγος (ho Lógos) in seiner himmlischen Präexistenz? Spricht dafür nicht auch Mi 5:1?
Inwiefern ist er μονογενὴς υἱός (monogenḗs hyiós), der einziggezeugter Sohn?
Und passt Luthers Übersetzung von Joh 1:18 und die beiden angeführten Textzeugen nicht auch zu Jes 9:5-6, indem Jesus prophetisch als ʼEl Gibbṓr ("starker Gott") betitelt wird?
Jesus sprach von sich selbst als das Wort und die Wahrheit, als er betete: "Dein Wort ist Wahrheit". Dass er damit auf sich selbst angespielt haben kann wird deutlicher, wenn ich den farblich hervorgehobenen Ausdruck durch den griechischen Begriff aus dem Grundtext ersetze (hier in lateinischer Transliteration): Dein Lógos ist Wahrheit.
Dies passt zu dem Hymnus im johanneischen Prolog, denn bereits dort begegnet uns das Wort, ho Lógos. Seine Göttlichkeit kann meiner Meinung nach im Sinne eines Prädikatsnomen verstanden werden.
Seinen Jüngern offenbarte er: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich.
Ho Lógos wurde Fleisch, also zum Menschen Jesus. Dieser ist monogenḗs hyiós, der einziggezeugter Sohn (vgl. bitte Joh 17:3).
Darauf folgt natürlich nicht, dass Wahrheit und Leben im abstraktem Sinne gleich Jesus wären. Der Sohn ist der Lógos, der Weg und die Wahrheit, so wie GOTT die Liebe ist. Dies spricht meiner bescheidenen Meinung nach nicht gegen eine himmlische Präexistenz.
Natürlich ist Deine Interpretation möglich und erscheint semantisch sauber, doch wenn ich an die oben verlinkten Bibelverse denke, erscheint mir eine Deutung in der Richtung, dass Jesus schon vor seiner Menschwerdung im Himmel existierte, naheliegender.
Es folgt nun eine kleiner Nachtrag zu meine Ausführung zu Joh. 1:1ff.
Der Schluss: „... καί Θεός ἦν ὠΛόγος“ (... und Gott war der Lógos.), erscheint zweideutig. Warum versah Johannes Θεός (theós = Gott) nicht mit dem bestimmten Artikel „ὓ (ho)? Hätte er ὠΘεός (ho theós = der Gott) geschrieben, wäre es eindeutig. Anscheindend wollte "Johannes" nicht aussagen, dass der Lógos der bestimmte Gott ist, sondern lediglich, dass der Lógos ein unbestimmter Gott ist, also der Lógos ein Gott ist. Dadurch, dass "Johannes" den bestimmten Artikel weglässt, kennzeichnet er das Wort Θεός (Gott) als Eigenschaft des Lógos'. Dies deckt sich - so denke ich - auch mit dem, was Johannes im Weiteren in seinem Evangelium verkündet.
Die Wendung pros ton theón (bei dem Gott) ist grammatisch ebenso bestimmt wie das häufig an anderen Stellen vorkommende ho theós (der Gott) und bezieht sich auf dem Schöpfergott, dem himmlischen Vater. Das grammatisch unbestimmte Wort theós im Vers bezieht sich hingegen auf den Lógos.
Man könnte auch sagen: Im Anfang ἦν theós pros ton theón (war Gott gen dem Gott).
Der Schluss, „... καί Θεός ἦν ὠΛόγος“ (... und Gott war der Lógos), bezieht sich nicht auf „... Ï€Ïός τόν Θεόν ...“ (gen dem Gott), sondern auf ὠΛόγος (der Lógos).
Daher ist in diesem Fall durchaus die Übersetzung aus der Guten Nachricht sinngemäß korrekt:
Der Lógos gleich insofern Gott, ist aber nicht [der] Gott, sondern so wie Gott (von gleicher Wesensart). Diese Deutung stützt auch die Menge-Bibel.Zitat aus Joh 1:1:
1 Am Anfang war das Wort. Das Wort war bei Gott, und in allem war es Gott gleich.
Bemerkenswert finde ich, dass es heißt: göttlichen Wesens. Diese Deutung harmoniert auch mit Johannes 14:28, gem. dem Jesus sagte:Zitat aus Johannes 1, 1 (Menge):
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott (= göttlichen Wesens) war das Wort.
Mein Fazit: Obwohl der Sohn wesensgleich mit Gott ist, so ist er dennoch nicht identisch mit ihm, also nicht Teil der selben Wesensheit. Ich glaube, der Sohn verfügt über sehr große, aber begrenzte Macht; der Schöpfergott ist allgewaltig (im Sinne von allherrschend), der einzig gezeugte Sohn hat einen Anfang, Gott ist ewig, und somit ohne Anfang.Zitat aus Johannes 14, 28 (Menge):
Ihr habt gehört, daß ich euch gesagt habe: ›Ich gehe hin und komme wieder zu euch.‹ Hättet ihr mich lieb, so hättet ihr euch gefreut, daß ich zum Vater gehe, denn der Vater ist größer als ich.