Parusieverzögerung

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sven23
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#801 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Sa 2. Mai 2015, 09:04

closs hat geschrieben:In den ersten Jahrhunderten nach Christus wurde einiges gefälscht - da sind wir uns einig.
Nicht nur dann, auch schon früher.

closs hat geschrieben: Das ist naheliegend, wenn man die ganze Bibel kennt. -
Das ist überhaupt nicht naheliegend und völlig unplausibel. Ein Endzeitprophet, der seine Anhängerschaft mit dem nahen Gottesreich ködert, glaubt entweder selbst daran oder ist ein Betrüger.

closs hat geschrieben: Guck mal die Bibel durch nach dem Motiv "Und sie verstanden ihn nicht"/"Er aber antwortete nicht"/"Sie haben Ohren, hören aber nicht" sowie "Mein Reich ist nicht von dieser Welt" - das ist EIN immer wiederkehrender Gedanke, der zeigt, dass die Jünger lernen mussten, Jesu Aussagen geistig zu verstehen. - Eigentlich ist der heutige Materialismus ein Beleg dafür, dass es immer noch nicht verstanden wurde.
Wenigstens hat es ja der closs verstanden. :lol:

closs hat geschrieben: Er hätte ihn nicht aufklären können, weil ihn die Leute nicht verstanden haben, weil ihre Eigen-Erkenntnis es nicht zugelassen hat.
Wie jetzt? Wir sollen glauben, daß der Sohn Gottes nicht in der Lage wäre, einen simplen Irrtum aufzuklären? Unterstellst du ihm damit nicht Unfähigkeit?
Was soll daran so schwierig sein? Auch ein einfach gestrickter Gläubiger kann zwischen nah und fern unterscheiden. Schließlich mutet man ihm auch zu, die Trinität zu verstehen, was weitaus schwieriger ist.

closs hat geschrieben: Das ist doch heute dasselbe - wenn man heute von geistiger Realität spricht, hört man, dies sei Illusion bzw. ein psychologischer Ableger materieller Realität. Da kann man sich den Mund fusselig reden: Das Geistige wird erst verstanden, wenn man dazu reif ist. - Und wenn man dann reif dazu ist, kann man sich dessen erinnern, was man vorher darüber gehört, aber nicht verstanden hat - und dann erst trägt es Frucht.
Nun laß mal das geistige Gerede beiseite. Der Unterschied ist einfach und banal: nah oder fern, um mehr geht es hier nicht. Das zu vermitteln sollte möglich sein, wenn man es denn will.

closs hat geschrieben: Aber es wäre NICHT möglich gewesen, dass Jesus sich darin geirrt hätte - wenn man den Jesus zugrundelegt, der in Nachfolge des AT steht.
Da liegt der Hund begraben. Es kann nicht sein, was nicht sein darf, weil damit das Kartenhaus zusammenfällt.

closs hat geschrieben: Nee - nee ---- das gibt es schon in 4. Mose - und auch in obengenannten Stellen. - Guck mal nach dem Motiv "halsstarrig" - das wird oft über die Israeliten gesagt.
Selber Schuld, wenn Gott sich so ein halsstarriges Volk auswählt. Außerdem trägt er selber dazu bei, wenn er den Pharao verstockt oder Lügengeister verschickt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#802 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Sa 2. Mai 2015, 09:09

closs hat geschrieben: In diesem Sinne haben in puncto "Naherwartung" Jesus und seine Jünger unterschiedliche Orientierungs-Systeme - und genau das ist der Lernprozess, den die Jünger gehen müssen: Jesu Orienterungs-System ("Mein Reich ist nicht von dieser Welt") zu verstehen.
Eben, und die Jünger wollten teilhaben an dem Reich aus einer anderen Welt, und zwar pronto. Und Jesus ließ sie in diesem Glauben und bestärkte sie darin.
Jesus wußte sicher auch: ohne Köder fängt man keine Fische.
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Hemul
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#803 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Hemul » Sa 2. Mai 2015, 09:27

2Lena hat geschrieben:@Hemul
Wer auch immer es war, der den Thessalonichern weismachen wollte, der Tag des Herrn sei schon da, diese Lügner behaupteten jedenfalls, es sei eine Botschaft von Paulus, der sie gehört, verkündet und geschrieben habe.
Das war einerseits das tatsächlich hoffnungsvolle Wort, vorgebracht von einer Person ... Andererseits genauso die Philosophie des Abwegens (paulus, peles = Waage, mit pal us, richte nun)
Kalkullier die Schreibweise mit ein, die ich (nicht nur im AT, sondern sogar im NT) zeige.
Das ergibt: "Der Tag" kommt, wenn Bedingungen erfüllt werden ...

Eine sehr wichtige Bedingung habe ich mit Hinweis auf Matthäus 24:14 schon aufgezeigt. Sie erfüllt sich vor unser aller Augen.
14 Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen.

Nachfolgende aus1.Thessalonicher 5:1-8 muss sich aber noch erfüllen:
Leben im Licht des kommenden Tages
1 Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Brüder, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; 2 denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. 3 Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr -, dann wird sie das Verderben schnell überfallen wie die Wehen eine schwangere Frau und sie werden nicht entfliehen. 4 Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. 5 Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. 6 So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein. 7 Denn die schlafen, die schlafen des Nachts, und die betrunken sind, die sind des Nachts betrunken. 8 Wir aber, die wir Kinder des Tages sind, wollen nüchtern sein

Bleiben wir also sehr wachsam u. halten das Weltgeschehen aufmerksam im Focus-gell. :wave:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#804 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von closs » Sa 2. Mai 2015, 10:18

sven23 hat geschrieben:Ein Endzeitprophet, der seine Anhängerschaft mit dem nahen Gottesreich ködert, glaubt entweder selbst daran oder ist ein Betrüger.
Natürlich weiss Jesus, was er mit "Gottesreich" meint - es ist nur etwas anderes, was seine verweltlichten Jünger darunter verstehen. - Jesus gaukelt doch nichts vor - aber er weiss, dass er in einer verweltlichten Welt (siehe auch: heute) nicht sofort verstanden wird.

sven23 hat geschrieben:Unterstellst du ihm damit nicht Unfähigkeit?
Wenn das Ziel ist, dass der Mensch SELBST erkennt, kann man Erkenntnis nicht verordnen - das ist das Grundmotiv seit dem "Sündenfall". - Und Jesus sagt doch ständig, dass sein Reich NICHT von dieser Welt ist - es wird aber nicht verstanden, weil der Mensch (wie auch heute) im Dasein verhaftet ist.

sven23 hat geschrieben:Der Unterschied ist einfach und banal: nah oder fern, um mehr geht es hier nicht.
Nein - der Unterschied ist: zeitlich nah oder innerlich nah.

sven23 hat geschrieben:die Jünger wollten teilhaben an dem Reich aus einer anderen Welt, und zwar pronto.
Das hätten sie auch gekonnt - nämlich innerlich. - Aber sie haben es äußerlich verstanden - als käme irgendein weltlich anmutender Herrscher göttlicher Natur ins Dasein.

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Zeus
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#805 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Zeus » Sa 2. Mai 2015, 10:41

Böttrich hat geschrieben:2.1 Gottesherrschaft
Das Kommen der „Königsherrschaft Gottes“ (βασιλεία τοῦ θεοῦ basileia tou theou) ist das zentrale Thema der Botschaft Jesu.
Im Westen nichts Neues.
Böttrich hat geschrieben:Jesus selbst verbindet die Proklamation der Gottesherrschaft mit dem Aufruf zur Umkehr und zum Glauben „an das Evangelium“ (Mk 1,15 / Mt 4,17). Dabei rückt das Kommen Gottes jedoch in ein völlig neues Licht. Aus der „Nähe Gottes“, von der auch die Apokalyptiker schon ausgingen, wird nun im Auftreten Jesu „Gegenwart“: [Worte Jesu!!:]Die Gottesherrschaft ist „mitten unter euch“ (ἐντὸς ὑμῶν entos hymōn) (Lk 17,21).
Böttrich unterschlägt hier Jesu Sprüche, die auf ein baldiges Gottesreich hinweisen, aber der Theologe ist immerhin ehrlich genug um festzustellen:
Im Ganzen bleiben die Aussagen allerdings in der Schwebe
Womit wir genau so klug sind wie vorher.
Böttrich hat geschrieben: Die Grenzen zwischen Zukünftigkeit, andrängender Nähe und unmittelbare Gegenwart der Gottesherrschaft sind fließend und lassen sich am besten in der Formel von „schon und noch nicht“ erfassen.
Eine sich selbst widersprechende Formel.
Böttrich hat geschrieben:Doch der Hauptakzent ist dabei deutlich auf das „schon“ gerückt.
Eine unbelegte Behauptung des Herrn Bröttich.
Böttrich hat geschrieben:Das entscheidende Heilsereignis ist mit → Tod und → Auferweckung Jesu bereits erfolgt
Und das alles zu der Zeit als Jesus das nahe Gottesreich verkündigte?
Sorry, dieser Bibelwissenschaftler schwurbelt fast so schlimm wie unser "geistiger" closs.
Zuletzt geändert von Zeus am Sa 2. Mai 2015, 10:51, insgesamt 1-mal geändert.
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#806 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von R.F. » Sa 2. Mai 2015, 10:50

Insbesondere neutestamentliche Autoren haben den Zustand der Gesellschaft kurz vor Beginn der letzten dreieinhalb Jahre der gegenwärtigen Ordnung beschrieben. Um daraus einen Beweis zu formen, müsste man allerdings Vergleiche mit einem “Normalzustand” anstellen können. Doch einen solchen Normalzustand gab es wahrscheinlich nur nach schweren Kriegen, Kriege, die die Völker für kurze Zeit zur Besinnung brachten. So nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs und nach dem letzten Weltkrieg.

Ich denke aber, Paulus hat mit seiner Beschreibung des Endzustandes der Menschheit sehr wohl den Nagel auf den Kopf getroffen:

2. Timotheus 3,1-4 (Luther):
Das sollst du aber wissen, dass in den letzten Tagen werden greuliche Zeiten kommen.
Denn es werden Menschen sein, die viel von sich halten, geizig, ruhmredig, hoffärtig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, ungeistlich,
lieblos, unversöhnlich, Verleumder, unkeusch, wild, ungütig,
Verräter, Frevler, aufgeblasen, die mehr lieben Wollust denn Gott,

In der Schrift ist aber ein bestimmtes Ereignis vorhergesagt, das zwar bisher noch nicht eingetreten ist, an dem jedoch nicht gedeutelt werden kann. Findet sehr wahrscheinlich in den kommenden zehn Monaten (!) seine Erfüllung.

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Savonlinna
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#807 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Savonlinna » Sa 2. Mai 2015, 11:13

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Dein Gespür, closs, zumindest in diesem Fall, dafür, dass die historisch-kritische Forschung nicht reduziert werden kann auf wörtliches und rein zeitliches Verstehen der Parusie durch heutige User, hat Dich nicht getrogen.
Die Parusieverzögerung führte zu einer Glaubenskrise, da ja die Naherwartung unstrittig weit verbreitet war.
http://de.wikipedia.org/wiki/Parusie#Di ... ensproblem

Wir sollen also wirklich glauben-das habe ich auch closs schon gefragt- daß es eine völlige Entkoppelung von der Lehre des Sektengurus und seiner Anhängerschaft gegeben hat? Und das in dieser elementaren Frage?
Ist das nicht völlig unglaubwürdig?
Ich bin nicht sicher, ob ich Deine Nachfrage richtig verstanden habe, sven. Wenn nicht, korrigiere mich.

Aber die Untersuchungen der HKF (historisch-kritischen Forschung) laufen auf mehreren Ebenen.
a. Die Bibeltexte wurden erst lange nach Jesu Tod geschrieben.
b. Nun entsteht die Frage: welches Jesusbild wird in den Evangelien vermittelt, aus welcher Zeit stammt das Jesus-Bild, das wir in den Evangelien vorfinden.
c. Den Fragen b. kann man sich nur annähern:
Man vergleicht die Aussagen eschatologischer Erwartungen in den Evangelien sowohl mit den eschatologischen Erwartungen der altjüdischen Propheten als auch mit denen der jüdischen Eschatologie zur Zeit des Urchristentums als auch denen der römisch-griechischen Spätantike.

Die Aussage der HKF ist, dass alle drei Einflüsse auf die Niederschrift der Evangelien eingewirkt haben, aber bei den verschiedenen Evangelien im unterschiedlichen Maß. Paulus ist noch ein Extrafall, den lasse ich hier weg.
Die HKF also bemüht sich, die Texte der Evangelien daraufhin abzuklopfen, welche der drei Einflüsse - es mag noch mehr geben - das in den Evangelien formulierte Jesus-Bild dominant war, und ob da eine Mischform vorlag.

Wie in sämtlichen alt-historischen Forschungen ist man stets und immer von den Überlieferungen abhängig.
Es muss also immer der Überlieferer mit seiner subjektiven Sicht mit in Betracht genommen werden.

"Wie war Sokrates wirklich?" ist ein no-go in allen historischen Wissenschaften.

Wir haben immer nur Texte über ihn, und bei Sokrates gibt es wie bei Jesus keine von ihm selbstverfasstenTexte.
Und selbst wenn es sie gäbe: auch die würden nie unkritisch in den Wissenschaften betrachtet werden. Selbstdarstellungen sind ebenfalls immer subjektiv bis hin zur Tendenziosität. Und das wird minutiös untersucht, und das Ergebnis ist in der Forschung, wie alles, im Fluss.

In Bezug auf die Parusie im Neuen Testament unterscheiden die Historiker, soweit ich das im Moment überblicke, drei Etappen:
Die Zeit zu Jesu Lebzeiten, die Zeit direkt nach seinem Tod, die Zeit der Niederschrift der Evangelien.
In allen drei Etappen existierte ein unterschiedliches Jesus-Bild und eine unterschiedliche Erwartungshaltung.
Diese drei Etappen müssen aber aus Texten, die während der dritten Etappe verfasst wurden, rekonstuiert werden; zum Beispiel so, wie ich es unter c. beschrieben habe.

Solche Rekonstruktionen sind aber in der Regel vorläufig, auch schon darum, weil immer wieder neue Quellen erschlossen werden oder wieder neu bewertet werden. Und je nach Wissenschaftler wird der eine Einfluss als Haupt-Einfluss angesehen werden oder ein anderer Einfluss als Haupt-Einfluss angesehen.

Die Rekonstruktion des historischen Jesus ist die schwierigste, möglicherweise auch eine unmögliche.
Denn da wirken in den Texten alle Einflüsse zusammen. Selbst wenn man Jünger hätte, die die Sätze Jesu mitgeschrieben hätten, wären das Niederschriften, die aus dem Kontext Jesu herausgerissen wurden.

Ein Beispiel aus der heutigen Zeit:
Ferdinand de Saussure und sein "Cours de linguistique générale", 1916, ("Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft") haben die moderne Linguistik ins Leben gerufen.
Dieses Werk existiert aber nur auf der Basis der Mitschriften seiner mündlichen Vorlesungen durch Studenten.
Wikipedia hat geschrieben:Die beiden Herausgeber hielten sich an Mitschriften aus Saussures Vorlesungen. Allerdings hatten sie nicht selbst an jenen Vorlesungen teilgenommen.
Dieses Werk hielt in Deutschland eine ganze Generation von Studenten für authentisch "de Saussure".

Dann aber machten Historiker sich "historisch-kritisch" an dieses Werk und mussten bei dieser Textanalyse feststellen, dass die beiden Herausgeber auch ihre eigenen Gedanken und Auffassungen als von de Saussure stammend eingefügt haben. ->
Wikipedia hat geschrieben:Textkritische Untersuchungen haben gezeigt, dass zentrale Thesen des Cours gerade nicht von Saussure stammen, sondern von den Herausgebern. Dazu gehört etwa der oft zitierte Satz, Sprache sei „eine Form, keine Substanz“.
Und das war im 20. Jahrhundert!

Und dann ging man noch gründlicher vor:
Wikipedia hat geschrieben:Erst in den 1950er Jahren entstand eine quellenkritische Rezeption, die sich seither darum bemüht, die authentische Sprachidee Saussures aus seinem fragmentarischen Nachlass zu erschließen. Die Rezeptionsgeschichte Saussures ist mithin durch eine Kluft zwischen der Rezeption des Cours und der Rezeption seines authentischen Nachlasses geprägt. Die Rekonstruktionsbemühungen des authentischen Sprachdenkens Saussures wirkten sich disziplinenübergreifend in der Medien-, und Kulturwissenschaft sowie der Neurolinguistik aus und prägten die Entwicklung des Strukturalismus und Poststrukturalismus maßgeblich mit. Sie schmälerten jedoch nicht die Bedeutung des Cours.
Die drei Zitate stammen aus http://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_de_Saussure

Die hier am Beispiel de Saussure gezeigte Methode ist genau die gleiche historisch-kritische Methode wie die bei den Texten der Evangelien.
Nur dass man bei de Saussure die Möglichkeit hatte, sein Denken aus Fragmenten seiner eigenen Niederschrift zu rekonstrueren, was bei Jesus nicht der Fall ist.

Naives Lesen und Zitieren der Bibelstellen, als seien sie von Jesus selber beglaubigt worden, ist denen, die wissenschaftlich-historisch interessiert sind, nicht möglich.
Tun sie es dennoch, verlassen sie die wissenschaftlich-historische Disziplin.

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#808 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von R.F. » Sa 2. Mai 2015, 11:32

Savonlinna hat geschrieben: - - -
Aber die Untersuchungen der HKF (historisch-kritischen Forschung) laufen auf mehreren Ebenen.
a. Die Bibeltexte wurden erst lange nach Jesu Tod geschrieben.
- - -
Ah, wie lange danach darf’s denn sein?

Wie wär’s denn damit, mal mit eigenen Untersuchungen mit für jedermann verständlichen Methoden den Fragen auf den Grund zu gehen, statt jenen Amateuren zu vertrauen, die es auch noch wagen, sich Theologen zu nennen?

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sven23
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#809 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Sa 2. Mai 2015, 12:07

R.F. hat geschrieben: In der Schrift ist aber ein bestimmtes Ereignis vorhergesagt, das zwar bisher noch nicht eingetreten ist, an dem jedoch nicht gedeutelt werden kann. Findet sehr wahrscheinlich in den kommenden zehn Monaten (!) seine Erfüllung.

Aha, dann kreuzen wir den Termin schon mal im Kalender an. Und du überlegst dir bis dahin Ausreden für den Fall, daß es mal wieder nicht klappen sollte. :lol:
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sven23
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#810 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Sa 2. Mai 2015, 12:24

closs hat geschrieben:Natürlich weiss Jesus, was er mit "Gottesreich" meint - es ist nur etwas anderes, was seine verweltlichten Jünger darunter verstehen. - Jesus gaukelt doch nichts vor - aber er weiss, dass er in einer verweltlichten Welt (siehe auch: heute) nicht sofort verstanden wird.
Nun, wenn man sich als Sohn Gottes in eine verwetllichte Welt begibt, muß man doch wissen worauf man sich einläßt. Und so schwer kann es doch nicht sein, die eigene Vorstellung vom Gottesreich zu vermitteln. :roll:

closs hat geschrieben: Wenn das Ziel ist, dass der Mensch SELBST erkennt, kann man Erkenntnis nicht verordnen - das ist das Grundmotiv seit dem "Sündenfall". - Und Jesus sagt doch ständig, dass sein Reich NICHT von dieser Welt ist - es wird aber nicht verstanden, weil der Mensch (wie auch heute) im Dasein verhaftet ist.
Du baust wieder Hürden auf, indem du alles auf eine "vergeistigte" Ebene hebst. Dabei könnte die Fragestellung gar nicht simpler sein. Zeitlich nach oder zeitlich fern? Das kann doch nicht so schwierig sein, weder vom Erklären noch vom Verstehen her.

closs hat geschrieben: Nein - der Unterschied ist: zeitlich nah oder innerlich nah.
Das bist du auf dem Holzweg. Die Parusieverzögerung bezieht sich auf die Zeit. Und sie wurde nur deshalb notwendig, weil Jesus vorher eine zeitlich nahe Parusie versprochen hat. Ist das wirklich so schwer zu kapieren?

closs hat geschrieben: Das hätten sie auch gekonnt - nämlich innerlich. - Aber sie haben es äußerlich verstanden - als käme irgendein weltlich anmutender Herrscher göttlicher Natur ins Dasein.
Auch hier wieder stellst du Jesus als Null-Checker dar. Er merkt nicht, daß er völlig mißverstanden wird und ist nicht in der Lage oder willens, den Irrtum aufzuklären.
Und das soll die Grundlage des Christentums sein?
Da muß ich Kubitza dann doch Recht geben: Das Christentum bewegt sich in der Geschichte ohne gültigen Fahrschein.
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