ThomasM hat geschrieben:Ich meine aus dem thread zum freien Willen mitbekommen zu haben, dass die folgenden Aussagen das Ergebnis der Diskussion waren:
1. Es gibt keinen vollkommen freien Willen
2. Es gibt aber trotzdem einen freien Willen, da man innerhalb von gegebenen Rahmenbedingungen immer auch eine Wahl hat.
3. Nur in sehr spezifischen Situationen gibt es eine vollkommene Unfreiheit (100% ige algorithmische / Roboterhafte Festlegung des Verhaltens)
Diesem Ergebnis stimme ich zu. Doch wird dem auch hartneckig widersprochen und Willensfreiheit komplett als Illusion "entlarvt".
Zitat aus dem ZEIT-Artikel
Wieviel freier Wille darf's denn sein? (3. Abs.):
Die Neuro-Wissenschaftler behaupten: "Alle mentalen Prozesse beruhten auf rein materiellen Vorgängen und seien daher deterministisch. Es konnte bei der Erforschung von Gehirnen nirgendwo ein mentales Agens wie der freien Willen oder die eigene Verantwortung gefunden werden."
Folgt daraus wirklich, dass der freie Wille eine Illusion ist? Besteht diesbezüglich Konsens in der Fachwelt, der fachlich nicht widersprochen wird?
In der öffentlichen Debatte entsteht - so meine Wahrnehmung - dieser Eindruck. Zu tief sitzt die psychologische Kränkung (dritte Kränkung) von Sigmund Freud und sie wird heute noch weiter vertieft, insbesondere durch die Hirnforscher Gerhard Roth und Wolf Singer, die mir für ihre Negation der Willensfreiheit bekannt. Weniger bekannt sind die Neurologen Hans-Helmut Kornhuber (†30. Oktober 2009) und Lüder Deecke (
"Wille und Gehirn", 2007), sowie Reinhard Werth (
"Die Natur des Bewusstseins - Wie Wahrnehmung und freier Wille im Gehirn entstehen", 2010), welche mit einer naturwissenschaftlich-neurologischen Argumentation zugunsten der Willensfreiheit des Menschen plädieren.
Am Ende des oben verlinkten ZEIT-Artikels lautet das Fazit:
Zitat von Prof. Dr. Thomas Metzinger (Bewusstseinsphilosoph):
"Wir sind so komplex und flexibel, dass wir uns sogar selbst immer wieder einmal überraschen können"
Wir wir oben gesehen haben, geht es in der Debatte über Pro und Kontra zur Willensfreiheit des Menschen auch immer wieder um
Determinismus und
Interdeterminismus und daher möchte ich daran anknüpfen.
Freier Wille und Determinismus
Vor einigen Jahren wurde ich im Rahmen einer Diskussion in einem anderem Forum von einem User auf die
interessante Idee aufmerksam gemacht, dass das menschliche Gehirn eine Art "Quantencomputer" sein
könnte.
In der darauf folgenden Diskussion lernte ich, dass Zellen viel zu groß (mesokosmisch), „chaotisch“ und mit ca. 310° K viel zu warm sind, um Quantenverschränkungen aufrecht zu erhalten. Die Neurotubuli sind aus Makromolekülen aufgebaut, die im Vergleich zu Fullerenmolekülen² riesig sind.
Da Neurologie nicht gerade mein Steckenpferd ist, zitiere ich mal einen fachlich visierten User, der sich damit wesendlich besser auskennt:
Zitat von
Dannyboy:
Die Masse eines Fullerenmoleküls beträgt etwa 720 u. Die eines Tubulinmonomers liegt bei etwa 55.000 u.
Wenn ich dies recht verstehe, dann sind die Neurotubuli noch viel großer als die Tubulinmonomers. Dies ist schon ein ganz anderes Kaliber als die Fullerenmoleküle.
Wie es scheint, liegt der neuronale „Kosmos“ unseres Gehirns eine Größenordnung über dem Mikrokosmos, in denen die Gesetze der Quantenmechanik überwiegen.
Aber noch entscheidender als der mesokosmische Charakter des Gehirns ist der Umstand, dass die neuronalen Prozesse in unserem Gehirn auf sehr komplexe Wechselwirkungen basieren. Es handelt sich um ein „chaotisches“, d.h. hochkomplexes, nichtlineares und dynamisches System, welches
weich determiniert ist und in dem die
schwache Kausalität vorherrscht. Als
Kompatibilitarist folgere ich, dass daraus der „freie“ Wille resultiert.
In der damaligen Diskussion kam ich zu folgendem Fazit:
Zitat von
Dannyboy:
Zitat von
Halman:
Eine Folgerung, die ich daraus ziehe, ist, dass sich das Universum durch Wechselwirkung (die ich hier der Beobachtung gleich setze) organisiert.
Beobachtung und Wechselwirkung als Synonyme zu betrachten ist wohl ein ganz entscheidender Punkt.
Ansonsten läuft man Gefahr, einen typischen Deppen-Syllogismus zu verfallen
(Zum Stichwort Deppen-Syllogismus verlinke ich mal folgenden
Beitrag von Dannyboy.)
Abschließend verweise ich auf zwei informative und kritische Links:
http://cimddwc.net/2008/05/09/dem-jense ... uch-nicht/
http://kritischgedacht.wordpress.com/20 ... enphsiker/
Im Kopf trenne ich zwischen Meso-/Makrokosmos und Mikrokosmos, so als wäre die Quantenwelt ein komplett anderes „Universum“. Allerdings bediene ich mich hier lediglich einer laienhaften Denkhilfe.
Wie Heinz-Dieter Zeh gezeigt hat, gibt es so eine Grenze zwischen Mikrokosmos und Meso-/Makrokosmos gar nicht. Der superponierte Zustand mesokosmischer Systeme verschwindet allerdings viel schneller als bei isolierten mikrokosmischen Systemen.
So kann das Doppelspaltexperiment nur dann ungestört ablaufen, wenn äußere Störungen vermieden werden – das experimentelle System also isoliert wird.
Die neurologischen Erregunsmuster basieren allerdings auf äußerst komplexe Wechselwirkungen - im Gehirn gibt es kein isoliertes System. Daher betrachte ich das Gehirn als mesokosmisches Objekt. Welche Rolle spielt die Quantenmechanik darin? Dies möchte ich mit den relativistischen Effekten der Relativitätstheorie in unserer Erfahrungswelt vergleichen: Sie sind im Allgemeinen vernachlässigbar klein (von GPS mal abgesehen); ähnlich sind auch die quantenmechanischen Effekte für den Mesokosmos vernachlässigbar klein. Dieser kann sehr zutreffend durch die newton’sche Mechanik beschrieben werden, die sozusagen den Grenzfall unserer Erfahrungswelt zutreffend beschreibt.
Diese Mechanik ist natürlich bei der Thematik über das "Gehirn und unser Bewusstsein" nicht praktikabel. Aus physikalischer Sicht hat unser Gehirn mit Phänomenen, wie dem Klima, wohl nur gemeinsam, dass es sich um „chaotische Systeme“ handelt. Dieser Auffassung mögen einige widersprechen.
Wie dem auch sei, es sind die physikalischen Wechselwirkungen, welche unsere Erfahrungswelt auf uns vertraute Weise organisieren. So unterliegen Moleküle allen vier fundamentalen Wechselwirkungen.
Außerdem sind die organischen Makromoleküle des Gehirns viel größer, als die Moleküle (bis zu 100 Atome), die bei Doppelspaltexperimenten Interferenzmuster erzeugen. Zudem sind die Makromoleküle Teile eines hochkomplexen, neuronalen Systems, welches durch Wechselwirkungen Gedanken und Gefühle erzeugen. Da sehe ich keinen Platz für quantenmechanische Effekte in unserer Psyche oder dem menschlichen Geist.
Angeregt durch die "alte Diskussion" im SciFi-Forum erwog ich vor Jahren den Gedanken, dass der Interdeterminismus der Quantenmechanik die geeignete „Zutat“ sein könnte, um einen freien Willen zu erklären. Doch ich sah schnell ein, dass ein System nicht ein bisschen interdeterminiert oder determiniert sein kann. Hier sehe ich nur ein „Entweder-Oder-Prinzip“.
Wäre unser Denken interdeterministisch, so gäbe es keine begründeten Entscheidungen, unsere Aktionen wären grundlos. Wie sollte dies einen freien Willen ermöglichen? Ob wir Verbrechen begehen oder nicht, hinge dann nur von der statistischen Wahrscheinlichkeit ab, ohne Entscheidungsprozess.
Daher bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Sichtweise der
Kompatibilisten korrekt ist, gem. dem der
weiche Determinismus erst das, was wir als
freien Willen bezeichnen, ermöglicht.
²
Interferenzmuster in Doppelspaltexperimenten belegen, dass es sich bei Molekülen mit bis zu 100 Atomen um Quntenobjekte handelt.