Das Gehirn und unser Bewusstsein.

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ThomasM
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#431 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von ThomasM » Mi 29. Apr 2015, 11:01

barbara hat geschrieben: Allerdings haben Menschen die Fähigkeit des bewussten Reflektierens, Tiere haben das nicht. Wenn der Löwe eine Gazelle sieht, so ist das einfach "Essen, Hunger!" in seinem Empfinden, und fertig.
Es gibt da ein nettes Buch, das zeigt, dass Menschen zwar reflektieren können. Dass sich das aber nicht auf ihre Handlungen auswirkt.
http://www.amazon.de/Denken-hilft-zwar- ... 3426274299

Dein Versuch des moralischen "ich will sauber sein, aber mach mich nicht nass" sehe ich eher negativ, als Anspruch, den sich einzelne auf Kosten der Gesellschaft leisten wollen.
Zustimmung, ist aber nicht was ich tu.
So kommt das aber rüber und zwar massiv.
Du beschreibst Techniken als "Tötungsmaschinerie", um einen moralischen Druckpunkt zu haben, der begründen soll, warum du dich vegan ernährst(ich bin moralisch besser), während Menschen, die das nicht tun, moralisch Verwerfliches tun (Tötungsmaschinerie).
Diese Argumentation ist typisch für die grün/vegane Weltanschauungshysterie und versucht, die Welt mit verbaler Gewalt zu verändern. Menschen sind aber Menschen und werden dieser Gewalt nur ausweichen.
Zumal du nur deswegen so leben kannst, wie du lebst, weil du in einer technisch hochstehenden Zivilisation lebst, mit ausgefeilten und marktwirtschaftlich erfolgreichen "Tötungskreisläufen"

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

barbara
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#432 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von barbara » Mi 29. Apr 2015, 11:55

ThomasM hat geschrieben: Es gibt da ein nettes Buch, das zeigt, dass Menschen zwar reflektieren können. Dass sich das aber nicht auf ihre Handlungen auswirkt.
http://www.amazon.de/Denken-hilft-zwar- ... 3426274299

nun ja, der Mensch besteht aus einer ganzen Menge mehr als nur dem Verstand. Dass der Verstand nur so eine dünne Schicht über dem ganzen grossen Rest ist, sollte jedem klar sein, der sich mal Zeit nimmt, ein bisschen über das nachzudenken, was Leute in ihrem Alltag alles tun.



So kommt das aber rüber und zwar massiv.
Du beschreibst Techniken als "Tötungsmaschinerie", um einen moralischen Druckpunkt zu haben, der begründen soll, warum du dich vegan ernährst(ich bin moralisch besser),

Bist du sicher, dass du mich meinst?

Ich ernähre mich nicht vegan. Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich esse alles, was ich mag, inklusive tierische Produkte, Eier, Milch, Fleisch, Fisch etc, benutze auch Gegenstände aus Leder.

Eine Tötungsmaschinerie steckt aber in der Tat dahinter, ich sehe keinen Sinn, dies durch nette Euphemismen oder intellektuelle Tricksereien zu verschleiern oder kleinzureden. Wer Milchprodukte, Eier, Fleisch, Fisch isst, gibt den Tod von Tieren in Auftrag. Ist ein Fakt. ch hab bloss vegane Seiten verlinkt, weil die die einzigen sind, die einzigen sind, die nicht mit Samthandschuhen argumentieren, wenn es darum geht, dass Zivilisation unter anderem auf dem Tod von vielen Tieren aufgebaut ist.

gruss, barbara

Pluto
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#433 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Pluto » Mi 29. Apr 2015, 12:54

barbara hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben: Es gibt da ein nettes Buch, das zeigt, dass Menschen zwar reflektieren können. Dass sich das aber nicht auf ihre Handlungen auswirkt.
http://www.amazon.de/Denken-hilft-zwar- ... 3426274299
nun ja, der Mensch besteht aus einer ganzen Menge mehr als nur dem Verstand.
Der Untertitel des Buches verrät die auklärerischen Motive des Autors: Warum wir immer wieder unvernünftige Entscheidungen treffen

Offenbar ist der Autor (Ariely) der Meinung, dass wir zwar reflektieren, aber unsere Entscheidungen trotzdem oft irrational und emotional sind, und wir die "Kosten" unserer Entscheidungen meist verdrängen.
Übrigens, kann ich das auch in meinem eigenen Leben beobachten. Ich erkenne zwar meiner Fähigkeit zu reflktieren, dass die Entscheidungen manchmal falsch sind — doch dann sage ich mir: Du lebst nur einmal... also Augen zu und durch.

Das ist doch eigentlich für mich ein Hinweis mehr, dass wir letztendlich keinen "Freien Willen" haben.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

ThomasM
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#434 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von ThomasM » Mi 29. Apr 2015, 13:25

Barbara hat geschrieben: Ich hab bloss vegane Seiten verlinkt, weil die die einzigen sind, die einzigen sind, die nicht mit Samthandschuhen argumentieren, wenn es darum geht, dass Zivilisation unter anderem auf dem Tod von vielen Tieren aufgebaut ist.
OK, dann kommt mein Eindruck daher, dass du dich nicht deutlich genug von jenen Webseiten abgegrenzt hast.

Pluto hat geschrieben: Das ist doch eigentlich für mich ein Hinweis mehr, dass wir letztendlich keinen "Freien Willen" haben.
Besser gesagt:
... dass der Wille von vielen Faktoren beeinflusst wird, nicht nur von der Ratio
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#435 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Pluto » Mi 29. Apr 2015, 13:27

ThomasM hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Das ist doch eigentlich für mich ein Hinweis mehr, dass wir letztendlich keinen "Freien Willen" haben.
Besser gesagt:
... dass der Wille von vielen Faktoren beeinflusst wird, nicht nur von der Ratio
Kann man natürlich auch so sagen.
Wir sind letztlich impulsiv, emotional handelnde Wesen: Tiere mit einem Hauch von Kultur überzogen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#436 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von JackSparrow » Mi 29. Apr 2015, 16:06

Barbara hat geschrieben:... dass der Wille von vielen Faktoren beeinflusst wird, nicht nur von der Ratio
Und die Ratio hängt von weiteren Faktoren ab. Beispielsweise führt ein Steak bei satten Menschen zu völlig anderen rationalen Überlegungen als bei hungrigen Menschen.

Da der Wille von vielen Faktoren beeinflusst wird, welche wir nicht beeinflussen können, kann ein Wille niemals frei sein. Wir denken, er sei frei, weil wir die Faktoren nicht kennen.

ThomasM
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#437 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von ThomasM » Mi 29. Apr 2015, 16:25

JackSparrow hat geschrieben: Und die Ratio hängt von weiteren Faktoren ab. Beispielsweise führt ein Steak bei satten Menschen zu völlig anderen rationalen Überlegungen als bei hungrigen Menschen.
OK.
Man kann das aber auch so ausdrücken, dass die Ratio in allen Fällen sagt "das ist essbar", was eine sachlich korrekte Aussage ist.
Eine Aussage "das will ich jetzt essen" kommt dann nicht aus der Ratio.

JackSparrow hat geschrieben: Da der Wille von vielen Faktoren beeinflusst wird, welche wir nicht beeinflussen können, kann ein Wille niemals frei sein. Wir denken, er sei frei, weil wir die Faktoren nicht kennen.
Ich meine aus dem thread zum freien Willen mitbekommen zu haben, dass die folgenden Aussagen das Ergebnis der Diskussion waren:

1. Es gibt keinen vollkommen freien Willen
2. Es gibt aber trotzdem einen freien Willen, da man innerhalb von gegebenen Rahmenbedingungen immer auch eine Wahl hat.
3. Nur in sehr spezifischen Situationen gibt es eine vollkommene Unfreiheit (100% ige algorithmische / Roboterhafte Festlegung des Verhaltens)

Gruß
Thomas
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#438 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Pluto » Mi 29. Apr 2015, 17:00

JackSparrow hat geschrieben:
Barbara hat geschrieben:... dass der Wille von vielen Faktoren beeinflusst wird, nicht nur von der Ratio
Und die Ratio hängt von weiteren Faktoren ab. Beispielsweise führt ein Steak bei satten Menschen zu völlig anderen rationalen Überlegungen als bei hungrigen Menschen.
Auch dann, wenn es einem gespendet wird?

Schau dir mal die Leute am gespendeten Buffet an. Glaubst du wirklich, die essen alle so viel, weil sie hunger haben — Neeee... weils umsonst ist.

JackSparrow hat geschrieben:Da der Wille von vielen Faktoren beeinflusst wird, welche wir nicht beeinflussen können, kann ein Wille niemals frei sein. Wir denken, er sei frei, weil wir die Faktoren nicht kennen.
Richtig. Der Freie Will ist eine Illusion. Ich muss da immer an Darwins Worte denken.

  • Wenn sie nur kann, wird die Natur dich dreist belügen.
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#439 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Halman » Mi 29. Apr 2015, 19:19

ThomasM hat geschrieben:Ich meine aus dem thread zum freien Willen mitbekommen zu haben, dass die folgenden Aussagen das Ergebnis der Diskussion waren:

1. Es gibt keinen vollkommen freien Willen
2. Es gibt aber trotzdem einen freien Willen, da man innerhalb von gegebenen Rahmenbedingungen immer auch eine Wahl hat.
3. Nur in sehr spezifischen Situationen gibt es eine vollkommene Unfreiheit (100% ige algorithmische / Roboterhafte Festlegung des Verhaltens)
Diesem Ergebnis stimme ich zu. Doch wird dem auch hartneckig widersprochen und Willensfreiheit komplett als Illusion "entlarvt".
Zitat aus dem ZEIT-Artikel Wieviel freier Wille darf's denn sein? (3. Abs.):
Die Neuro-Wissenschaftler behaupten: "Alle mentalen Prozesse beruhten auf rein materiellen Vorgängen und seien daher deterministisch. Es konnte bei der Erforschung von Gehirnen nirgendwo ein mentales Agens wie der freien Willen oder die eigene Verantwortung gefunden werden."
Folgt daraus wirklich, dass der freie Wille eine Illusion ist? Besteht diesbezüglich Konsens in der Fachwelt, der fachlich nicht widersprochen wird?

In der öffentlichen Debatte entsteht - so meine Wahrnehmung - dieser Eindruck. Zu tief sitzt die psychologische Kränkung (dritte Kränkung) von Sigmund Freud und sie wird heute noch weiter vertieft, insbesondere durch die Hirnforscher Gerhard Roth und Wolf Singer, die mir für ihre Negation der Willensfreiheit bekannt. Weniger bekannt sind die Neurologen Hans-Helmut Kornhuber († 30. Oktober 2009) und Lüder Deecke ("Wille und Gehirn", 2007), sowie Reinhard Werth ("Die Natur des Bewusstseins - Wie Wahrnehmung und freier Wille im Gehirn entstehen", 2010), welche mit einer naturwissenschaftlich-neurologischen Argumentation zugunsten der Willensfreiheit des Menschen plädieren.

Am Ende des oben verlinkten ZEIT-Artikels lautet das Fazit:
Zitat von Prof. Dr. Thomas Metzinger (Bewusstseinsphilosoph):
"Wir sind so komplex und flexibel, dass wir uns sogar selbst immer wieder einmal überraschen können"

Wir wir oben gesehen haben, geht es in der Debatte über Pro und Kontra zur Willensfreiheit des Menschen auch immer wieder um Determinismus und Interdeterminismus und daher möchte ich daran anknüpfen.

Freier Wille und Determinismus
Vor einigen Jahren wurde ich im Rahmen einer Diskussion in einem anderem Forum von einem User auf die interessante Idee aufmerksam gemacht, dass das menschliche Gehirn eine Art "Quantencomputer" sein könnte.
In der darauf folgenden Diskussion lernte ich, dass Zellen viel zu groß (mesokosmisch), „chaotisch“ und mit ca. 310° K viel zu warm sind, um Quantenverschränkungen aufrecht zu erhalten. Die Neurotubuli sind aus Makromolekülen aufgebaut, die im Vergleich zu Fullerenmolekülen² riesig sind.
Da Neurologie nicht gerade mein Steckenpferd ist, zitiere ich mal einen fachlich visierten User, der sich damit wesendlich besser auskennt:
Zitat von Dannyboy:
Die Masse eines Fullerenmoleküls beträgt etwa 720 u. Die eines Tubulinmonomers liegt bei etwa 55.000 u.
Wenn ich dies recht verstehe, dann sind die Neurotubuli noch viel großer als die Tubulinmonomers. Dies ist schon ein ganz anderes Kaliber als die Fullerenmoleküle.
Wie es scheint, liegt der neuronale „Kosmos“ unseres Gehirns eine Größenordnung über dem Mikrokosmos, in denen die Gesetze der Quantenmechanik überwiegen.

Aber noch entscheidender als der mesokosmische Charakter des Gehirns ist der Umstand, dass die neuronalen Prozesse in unserem Gehirn auf sehr komplexe Wechselwirkungen basieren. Es handelt sich um ein „chaotisches“, d.h. hochkomplexes, nichtlineares und dynamisches System, welches weich determiniert ist und in dem die schwache Kausalität vorherrscht. Als Kompatibilitarist folgere ich, dass daraus der „freie“ Wille resultiert.

In der damaligen Diskussion kam ich zu folgendem Fazit:
Zitat von Dannyboy:
Zitat von Halman:
Eine Folgerung, die ich daraus ziehe, ist, dass sich das Universum durch Wechselwirkung (die ich hier der Beobachtung gleich setze) organisiert.
Beobachtung und Wechselwirkung als Synonyme zu betrachten ist wohl ein ganz entscheidender Punkt.
Ansonsten läuft man Gefahr, einen typischen Deppen-Syllogismus zu verfallen
(Zum Stichwort Deppen-Syllogismus verlinke ich mal folgenden Beitrag von Dannyboy.)

Abschließend verweise ich auf zwei informative und kritische Links:
http://cimddwc.net/2008/05/09/dem-jense ... uch-nicht/
http://kritischgedacht.wordpress.com/20 ... enphsiker/

Im Kopf trenne ich zwischen Meso-/Makrokosmos und Mikrokosmos, so als wäre die Quantenwelt ein komplett anderes „Universum“. Allerdings bediene ich mich hier lediglich einer laienhaften Denkhilfe.
Wie Heinz-Dieter Zeh gezeigt hat, gibt es so eine Grenze zwischen Mikrokosmos und Meso-/Makrokosmos gar nicht. Der superponierte Zustand mesokosmischer Systeme verschwindet allerdings viel schneller als bei isolierten mikrokosmischen Systemen.
So kann das Doppelspaltexperiment nur dann ungestört ablaufen, wenn äußere Störungen vermieden werden – das experimentelle System also isoliert wird.
Die neurologischen Erregunsmuster basieren allerdings auf äußerst komplexe Wechselwirkungen - im Gehirn gibt es kein isoliertes System. Daher betrachte ich das Gehirn als mesokosmisches Objekt. Welche Rolle spielt die Quantenmechanik darin? Dies möchte ich mit den relativistischen Effekten der Relativitätstheorie in unserer Erfahrungswelt vergleichen: Sie sind im Allgemeinen vernachlässigbar klein (von GPS mal abgesehen); ähnlich sind auch die quantenmechanischen Effekte für den Mesokosmos vernachlässigbar klein. Dieser kann sehr zutreffend durch die newton’sche Mechanik beschrieben werden, die sozusagen den Grenzfall unserer Erfahrungswelt zutreffend beschreibt.
Diese Mechanik ist natürlich bei der Thematik über das "Gehirn und unser Bewusstsein" nicht praktikabel. Aus physikalischer Sicht hat unser Gehirn mit Phänomenen, wie dem Klima, wohl nur gemeinsam, dass es sich um „chaotische Systeme“ handelt. Dieser Auffassung mögen einige widersprechen.

Wie dem auch sei, es sind die physikalischen Wechselwirkungen, welche unsere Erfahrungswelt auf uns vertraute Weise organisieren. So unterliegen Moleküle allen vier fundamentalen Wechselwirkungen.
Außerdem sind die organischen Makromoleküle des Gehirns viel größer, als die Moleküle (bis zu 100 Atome), die bei Doppelspaltexperimenten Interferenzmuster erzeugen. Zudem sind die Makromoleküle Teile eines hochkomplexen, neuronalen Systems, welches durch Wechselwirkungen Gedanken und Gefühle erzeugen. Da sehe ich keinen Platz für quantenmechanische Effekte in unserer Psyche oder dem menschlichen Geist.

Angeregt durch die "alte Diskussion" im SciFi-Forum erwog ich vor Jahren den Gedanken, dass der Interdeterminismus der Quantenmechanik die geeignete „Zutat“ sein könnte, um einen freien Willen zu erklären. Doch ich sah schnell ein, dass ein System nicht ein bisschen interdeterminiert oder determiniert sein kann. Hier sehe ich nur ein „Entweder-Oder-Prinzip“.
Wäre unser Denken interdeterministisch, so gäbe es keine begründeten Entscheidungen, unsere Aktionen wären grundlos. Wie sollte dies einen freien Willen ermöglichen? Ob wir Verbrechen begehen oder nicht, hinge dann nur von der statistischen Wahrscheinlichkeit ab, ohne Entscheidungsprozess.

Daher bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Sichtweise der Kompatibilisten korrekt ist, gem. dem der weiche Determinismus erst das, was wir als freien Willen bezeichnen, ermöglicht.

²Interferenzmuster in Doppelspaltexperimenten belegen, dass es sich bei Molekülen mit bis zu 100 Atomen um Quntenobjekte handelt.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

Pluto
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#440 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Pluto » Mi 29. Apr 2015, 20:24

Halman hat geschrieben:
Zitat aus dem ZEIT-Artikel Wieviel freier Wille darf's denn sein? (3. Abs.):
Die Neuro-Wissenschaftler behaupten: "Alle mentalen Prozesse beruhten auf rein materiellen Vorgängen und seien daher deterministisch. Es konnte bei der Erforschung von Gehirnen nirgendwo ein mentales Agens wie der freien Willen oder die eigene Verantwortung gefunden werden."
Folgt daraus wirklich, dass der freie Wille eine Illusion ist? Besteht diesbezüglich Konsens in der Fachwelt, der fachlich nicht widersprochen wird?

In der öffentlichen Debatte entsteht - so meine Wahrnehmung - dieser Eindruck. Zu tief sitzt die psychologische Kränkung (dritte Kränkung) von Sigmund Freud und sie wird heute noch weiter vertieft, insbesondere durch die Hirnforscher Gerhard Roth und Wolf Singer, die mir für ihre Negation der Willensfreiheit bekannt. Weniger bekannt sind die Neurologen Hans-Helmut Kornhuber († 30. Oktober 2009) und Lüder Deecke ("Wille und Gehirn", 2007), sowie Reinhard Werth ("Die Natur des Bewusstseins - Wie Wahrnehmung und freier Wille im Gehirn entstehen", 2010), welche mit einer naturwissenschaftlich-neurologischen Argumentation zugunsten der Willensfreiheit des Menschen plädieren.
Es ist tatsächlich so, dass viele Neurowissenschaftler einen wirklich freien Willen ablehnen. Einige, wie Prof. Gerhard Roth fordern sogar Veränderungen im Rechtssystem um dieser Erkenntnis gerecht zu werden. Ihre Argumentation läuft dahingehend, dass unser Wille in kausalen Vorgängen im Gehirn entspringt und deshalb niemals völlig frei sein kann.

Den Neurowissenschaftlern geht es darum bspw. Homosexualität oder Pädophilie als Veranlagung dazustellen. Studien an so veranlagten Menschen haben gezeigt, dass diese Vermutung (statistisch gesehen) tatsächlich zutrifft.
Das wir uns hier richtig verstehen: Veranlagungen sind meiner Meinung nach KEINE Krankheiten.

Tatsache ist: In unserem täglichen Leben handeln wir nach unseren Veranlagungen und nach unserer Erinnerung (Erlerntes), und wählen aus den vorgegebenen Alternativen. Insofern sind wir (fast) frei in unserer Wahl, aber eben nicht frei im Willen.
Ganz frei wären wir nur, wenn wir auch zufällige Entscheidungen treffen würden, z. Bsp. absichtlich die falsche Autobahnseite benutzen.

Halman hat geschrieben:Am Ende des oben verlinkten ZEIT-Artikels lautet das Fazit:
Zitat von Prof. Dr. Thomas Metzinger (Bewusstseinsphilosoph):
"Wir sind so komplex und flexibel, dass wir uns sogar selbst immer wieder einmal überraschen können"
Genau! :) Thomas Metzinger ist meines Wissens (wie die meisten heutigen Philosophen) ein Kompatibilist.
Diese Ansicht baut auf den Erkenntnissen von David Hume (englischer Philosoph des 18. Jahrhunderts) auf, Hume meinte, wir könnten uns morgen u.U. auch ganz anders entscheiden als heute.
(Nebenbei war Hume eines der großen Vorbilder für Immanuel Kant.)

Halman hat geschrieben:Vor einigen Jahren wurde ich im Rahmen einer Diskussion in einem anderem Forum von einem User auf die interessante Idee aufmerksam gemacht, dass das menschliche Gehirn eine Art "Quantencomputer" sein könnte.

In der darauf folgenden Diskussion lernte ich, dass Zellen viel zu groß (mesokosmisch), „chaotisch“ und mit ca. 310° K viel zu warm sind, um Quantenverschränkungen aufrecht zu erhalten. Die Neurotubuli sind aus Makromolekülen aufgebaut, die im Vergleich zu Fullerenmolekülen² riesig sind.
Das ist meines Erachtens alter Wein in neuen Schläuchen... Es handetl sich hierbei vermutlich um die alte Hypothese des Mathematikers und Nobelpreisträgers Roger Penrose, der schon vor rund 20 Jahren die Willensfreiheit auf quantenmechanischen Wirkungen in den Mikrotubuli innerhalb der Neuronen zurückführen wollte.

Das größte Problem von Penroses' Hypothese ist, dass trotz mehrfachen Versuchen, Niemand in den vergangenen Jahren diese Wirkung der Mikrotubuli experimentell nachvollziehen konnte.

Der renommierte englisch-irakische Physiker Jim Al-Khalili berichtet andererseits über quantenmechanische Phänome in den Photrezeptoren von Zugvögeln die das Erdmagnetfeld zur Orientierung verwenden — sie können offenbar mit Hilfe der Anordnung der photoempfindlichen Moleküle das Magnetfeld "sehen". Hier eine Rede (auf Englisch) aus den "erlauchten Hallen" der Royal Institution (deshalb trägt der Prof einen Anzug mit Fliege. :mrgreen:)

Halman hat geschrieben:Angeregt durch die "alte Diskussion" im SciFi-Forum erwog ich vor Jahren den Gedanken, dass der Interdeterminismus der Quantenmechanik die geeignete „Zutat“ sein könnte, um einen freien Willen zu erklären. Doch ich sah schnell ein, dass ein System nicht ein bisschen interdeterminiert oder determiniert sein kann.
Hier sehe ich nur ein „Entweder-Oder-Prinzip“.
E-ben!
Wenn unser Wille indeterminiert wäre, müsste es Beispiele geben, wie z. Bsp. dass Menschen bewusst auf dem ihnen vertrauten Heimweg absichtlich links statt rechts abbiegen. Das tun Menschen aber nicht. Unser Gehirn scheint durch die Evolution entstanden zu sein, um unser Leben und Überleben zu unterstützen. IMO wären quantenmechanische Phänomene dafür nicht unbedingt dienlich, selbst wenn, wie Al-Khalili zeigt, quantenphänomene (Verschränkungen) in der Biologie auch bei 310 Kelvin funktionieren.
____________________________________________

Das Studium von Quanteneffekten in der Biologie ist eine sehr junge Disziplin (kaum 5 Jahre alt). Deshalb sind solche Phänomene als Forschungsebiete enorm spannend — man bewegt sich hier am äußersten Rand der Wissenschaft — eigentlich ist es Forschungs-Neuland. Die Zukunft wird zeigen, wohin das führt, aber mit unserer Entscheidungsfreiheit hat es (IMO) wenig zu tun.

Man stelle sich einen Steinzeitmenschen vor, dem von Kindheit an eingeprägt wurde: Sägezahntiger sind gefährliche Raubtiere die Menschen fressen. Eines Tages entscheidet sich aber unser Steinzeitmensch sitzen zu bleiben und wird zum Mittagessen des Tigers.
Ist das ein Überlebensvorteil? Wie viel Nachwuchs wird ein solcher Mensch wohl zeugen können?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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