Neuzeitliche Exegese der Bibel

Rund um Bibel und Glaube
closs
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#141 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von closs » Di 30. Dez 2014, 00:05

Münek hat geschrieben: Man stellt fest, Jesus hat sich geirrt, weil das von ihm angekündigte Reich Gottes nicht gekommen ist.
Genau diese als Tatsache formulierte Feststellung ist unhaltbar, wenn man die mehrfach erwähnten Dinge berücksichtigt.

Man könnte allenfalls unter der Bedingung feststellen, dass
a)dieTextverfasser Jesus richtig wiedergegeben hätten und
b) die Übersetzung "Generation" (statt Volk) richtig wäre und
c) der Zusammenhang mit der "Verklärung" irrelevant wäre und
d) Karl Barths geistige Deutung irrelevant wäre.

So kommt's aber nicht rüber - es wird aus Deinem Mund so dargestellt, als sei es eine zweifelsfreie Tatsache.

Münek hat geschrieben:Das sagst Du jetzt zwar, machst es dann anschließend aber doch.
Wenn man tatsächlich so arbeiten würden, wie es hier im Forum dargestellt wird, dann hättest Du recht.

Pluto
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#142 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von Pluto » Di 30. Dez 2014, 00:16

closs hat geschrieben:So kommt's aber nicht rüber - es wird aus Deinem Mund so dargestellt, als sei es eine zweifelsfreie Tatsache.
So sieht es aber auch aus, wenn man die Bibel liest (das merke sogar ich Bibelbanause). Die Botschaft der Naherwartung geht ganz klar aus zahlreichen Zitaten der Evangelien hervor. Auch Paulus glaubte fest an die Rückkehr Christi.

Die Bibelstellen sind alle bekannt, oder willst du sie leugnen oder alle als Missverständnisse darstellen? Ich frage mich was du ernthaft dagegen zu setzen hast.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#143 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von closs » Di 30. Dez 2014, 00:31

Pluto hat geschrieben:Auch Paulus glaubte fest an die Rückkehr Christi.
Diesen Eindruck habe ich auch.

Pluto hat geschrieben:So sieht es aber auch aus, wenn man die Bibel liest
Ich kann mich an eine vertiefte Diskussion hier oder in einem Forum erinnern, bei der von gut 10 angebotenen Zitaten ganze 2 Zitate übrig geblieben sind - und diese Zitate waren in der Tat (nach meiner Erinnerung) von Paulus.

Die 8 anderen Zitate waren mir schon vorher bekannt gewesen - vor der Parusie-Diskussion ist mir nicht im Ansatz aufgefallen, dass man sie im Sinne einer zeitlichen Naherwartung interpretieren könnte. - Einfach weil ich die Bibel unter dem Primat lese: Was steht hier substantiell. - Im Nachhinein (nachdem mir diese Diskussion bekannt wurde) habe ich diese Stellen gelesen und komme zum Ergebnis: "Ach Du lieber Gott - das könnte man wirklich so lesen - aber da muss man erst mal draufkommen".

Insofern ist Dein "So sieht es aber aus" nur eine Seite der Medaille - bei mir hat das selbe (unschuldig und ungestützt) ganz anders ausgesehen - und wenn man dann bei K. Barth nachliest, merkt man, dass er genau so liest.

Das mindeste, was die historisch-kritischen Wissenschaftler zu erkennen geben sollten, ist, dass ihnen die unterschiedliche Leseweise bewusst ist - alles andere ist Scheuklappe.

Pluto hat geschrieben:Die Bibelstellen sind alle bekannt, oder willst du sie leugnen oder alle als Missverständnisse darstellen? Ich frage mich was du ernthaft dagegen zu setzen hast.
Siehe oben. - Manche sind Missverständnisse, manche werden nicht in ihrem näheren Kontext verstanden, alle werden nicht im Gesamt-Kontext verstanden, manche scheinen richtig zu sein (Paulus).

Ich finde echt schwach, was da rüberkommt, und hoffe immer noch, dass hinter dem Plakativen vielleicht doch nachdenkliche und umfassend gebildete Menschen zu finden sind.

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#144 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von Pluto » Di 30. Dez 2014, 00:44

closs hat geschrieben:Ich finde echt schwach, was da rüberkommt, und hoffe immer noch, dass hinter dem Plakativen vielleicht doch nachdenkliche und umfassend gebildete Menschen zu finden sind.
Wer die Bibel liest, ist hier klar im vorteil: Die Naherwartung zieht sch wie ein roter Fadendurch das NT. Ich sehe nicht wie du das leugnen kannst.
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#145 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von closs » Di 30. Dez 2014, 01:00

Pluto hat geschrieben: Die Naherwartung zieht sch wie ein roter Fadendurch das NT.
Das ist in vielen der in anderem Zusammenhang genannten konkreten Zitate fachlich mindestens zweifelhaft, aus meiner Sicht sogar falsch. - Konkrete und überprüfbare Gründe habe ich genannt. - Akzeptabel ist, dass bei einer ganz bestimmten Art des Lesens dies in Deinem Sinne klar erscheinen kann - K.Barth würde da jedoch ganz anderer Meinung sein - und er kennt die Bibel auch - aber er liest dasselbe (!) aus einer ganz anderen Perspektive (ich auch). - Von der Tatsache (!!) zu sprechen, Jesus habe sich geirrt, ist arg weit herausgelehnt (milde gesagt).

In einem Punkt (von vielen) besteht Übereinstimmung: Es gibt insbesondere bei Paulus Grund zur Annahme, dass er persönlich tatsächlich die Naherwartung hatte

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#146 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von Pluto » Di 30. Dez 2014, 01:02

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Die Naherwartung zieht sch wie ein roter Fadendurch das NT.
Das ist in vielen der in anderem Zusammenhang genannten konkreten Zitate fachlich mindestens zweifelhaft, aus meiner Sicht sogar falsch.
- Konkrete und überprüfbare Gründe habe ich genannt. - Akzeptabel ist, dass bei einer ganz bestimmten Art des Lesens dies in Deinem Sinne klar erscheinen kann - K.Barth würde da jedoch ganz anderer Meinung sein - und er kennt die Bibel auch - aber er liest dasselbe (!) aus einer ganz anderen Perspektive (ich auch). - Von der Tatsache (!!) zu sprechen, Jesus habe sich geirrt, ist arg weit herausgelehnt (milde gesagt).
Es wäre an dieser Stelle ganz nützlich mal statt Interpretationen, die Fakten sprechen zu lassen.

Wo wird in der Bibel die Naherwartung verworfen oder gar geleugnet, z. Bsp. in Bibelzitaten?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#147 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von closs » Di 30. Dez 2014, 01:28

Pluto hat geschrieben:Wo wird in der Bibel die Naherwartung verworfen oder gar geleugnet
Andersrum: Viele der Naherwartung zugeordneten Zitate sind nicht belastbar - spontan aus dem Gedächtnis:

1) Man übersetzt ein Wort mit "Generation" (Assoziation: ca. 25 Jahre), dabei ist damit "Geschlecht/Volk" gemeint. - Damit wird die Bedeutung "Euer Volk wird noch bestehen, wenn ich zurückkomme" umgebaut in "Solange ihr noch lebt, werde ich kommen" - das wäre dann wirklich Naherwartung.
2) Irgendwo sagt Jesus, dass er bald kommt - ersichtlicher mit Hinblick auf seine "Verklärung", die wenige Verse später stattfindet. - Daraus wird gemacht "Ich komme bald" im generellen Sinn der Naherwartung - Verklärung hin oder her (steht ja woanders) :devil:
3) Es gibt Zitate, aus denen ersichtlich wird, dass das Himmelreich nah ist - da ist selbstverständlich kein zeitlicher Bezug gemeint (Du guckst ja auch nicht auf die Uhr, wenn Du zu Deiner Tochter sagst, dass sie Dir nah ist), wird aber so interpretiert (= "Ich komme bald zurück")
4) Von K.Barths übergeordneter Deutung (die ich sehr gut nachvollziehen kann) ganz abgesehen, die all diese Zitate in einen geistigen Kontext stellt (was bei der Bibel eigentlich nicht überraschen dürfte)

Und dann gibt es 5) zwischendrin tatsächlich vereinzelte Zitate, aus denen man schließen muss, dass Paulus tatsächlich eine Naherwartung hatte. - Das wiederum würde ich unter "Kontaminierung" einordnen - er hat einfach nicht gecheckt, was sein Chef gemeint hat (was ja öfter der Fall ist - "und sie verstanden ihn nicht").

Unterm Strich: Paulus und sicherlich auch andere Jünger haben wie viele Urchristen eine Naherwartung gehabt - Jesus ganz sicher nicht (was aus dem hier Gesagten und sicherlich vielen anderen Zitaten, die hier auch schon jemand massenweise eingestellt hat, leicht begründbar ist. - Insofern irritiert mich die jugendliche Frische :devil: , mit der hier Behauptungen als Tatsachen hingestellt werden, schon ein bißchen.

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#148 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von Halman » Di 30. Dez 2014, 01:49

Münek hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Hier ist die ergebnisoffen forschende theologische Wissenschaft am Zuge. Persönliche Glaubensüberzeugungen haben hier außen vor zu bleiben.
In diesem bunten Forum? Dieses Forum entstand doch in Opposition zum "fundamentalistischen" Dave-Forum mit einer recht bunt gemischten Gruppe von "eigenwilligen Rebellen". Hier werden wir halt damit leben müssen, dass Atheisten auf Kreationisten, Katholiken auf Jehovas Zeugen und Vertreter der Exegese auf bibeltreue Christen treffen. Da werden sicher nicht alle Deine respektable Meinung teilen, dass persönliche Glaubensüberzeugungen außen vor zu bleiben hätten. ;)
Und dass die theologische Wissenschaft ergebnisoffen forscht, ist eine kühne Behauptung, die ich stark anzweifle.
Da hast Du mich wohl gründlich missverstanden. Selbstverständlich darf und soll
hier jedermann seine Glaubensüberzeugungen ohne Einschränkung vertreten. Kei-
ne Frage! :thumbup:
Okay. :)

Münek hat geschrieben:Ich meinte es anders: Bei der Beantwortung historischer Fragen (Wissenschaft) sind
Glaubensargumente aus methodologischen Gründen fehl am Platz. Dasselbe gilt um-
gekehrt: In Glaubensfragen hat sich die Wissenschaft rauszuhalten.
Hält sich die Exegese denn daran? Mischt sie sich denn nicht in Glaubensfragen ein? Es geht immerhin um die Auslegung der Glaubensquelle Bibel.

Münek hat geschrieben:Weshalb bezweifelst Du, dass die theologische Wissenschaft ergebnisoffen forscht?
Dies hängt zum einen von meinem subjektiven Eindruck ab, den ich bisher gewonnen habe, zum anderen von meiner Lektüre "Die Bibelfälscher" von Klaus Berger. Darin gewann ich den Eindruck, dass der Zeitgeist in der Exegese einen gewichtigen Einfluss hat.

Mk 9:1 bspw. als Beispiel für die gescheiterte Eschatologie anzuführen, halte ich verfehlt, da es im darauf folgenden Kontext um die Verklärung geht, auf die sich die jesuanischen Worte offenkundig beziehen. Hierzu verweis ich auf Die Verklärung fehlplazierter Osterbericht.

Ein anderes Beispiel ist die sog. Felsenzugage. Diese Bibelstelle gilt in der katholischen Kirche als Grundlage des Papsttums. und ist natürlich alleine deshalb umstritten. Dabei ist dies m. E. völlig unnötig (da sich der Text anders ausdeuten lässt, ohne ihn zu entsorgen), und arg konstruiert (da die Begründung, Jesu hätte niemals "meine EkklÄ“sía" (ἐκκλησία) gesagt, doch recht fadenscheinig ist - bildete er doch eine Gemeinschaft von Jüngern um sich und rief damit die jesuanische Strömung im Judentum ins Leben. Dies ist, wie Berger richtig feststellt, eine "Entsorgung nach Bedarf".

Auch den Bruch zwischen Petrus und Paulus vermag ich in der Intensität in der Bibel beim besten Willen nicht zu finden. Die Behauptung, die Petrusbriefe könnten aufgrund des zu guten Griechisch nicht von Petrus verfasst worden sein, scheint nur auf dem ersten Blick stichhaltig.
Bei Paulus regt sich niemand über einen Sekretär auf. Warum sollte Petrus sich nicht von Silvanus helfen lassen dürfen, um ein Rundschreiben an die Gemeinden zu versenden? Liegt es vielleicht an der theologischen Nähe der Petrusbriefe zu Paulus, so nach dem Motto: Was nicht sein kann, darf nicht sein?
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#149 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von seeadler » Di 30. Dez 2014, 03:37

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Die Naherwartung zieht sch wie ein roter Fadendurch das NT.
Das ist in vielen der in anderem Zusammenhang genannten konkreten Zitate fachlich mindestens zweifelhaft, aus meiner Sicht sogar falsch.
- Konkrete und überprüfbare Gründe habe ich genannt. - Akzeptabel ist, dass bei einer ganz bestimmten Art des Lesens dies in Deinem Sinne klar erscheinen kann - K.Barth würde da jedoch ganz anderer Meinung sein - und er kennt die Bibel auch - aber er liest dasselbe (!) aus einer ganz anderen Perspektive (ich auch). - Von der Tatsache (!!) zu sprechen, Jesus habe sich geirrt, ist arg weit herausgelehnt (milde gesagt).
Es wäre an dieser Stelle ganz nützlich mal statt Interpretationen, die Fakten sprechen zu lassen.

Wo wird in der Bibel die Naherwartung verworfen oder gar geleugnet, z. Bsp. in Bibelzitaten?

Nur mal so nebenbei als Einwurf meinerseits : Die Bibel ist für DICH geschrieben, weder für deinen Nachbarn, noch sonst irgend jemanden... auch nicht für irgendwelche , die vor dir gelebt haben und eventuell noch nach dir leben sollten (dass dies streng genommen nicht möglich ist, hatten wir schon mal diskutiert).
Wir können also getrost alles, was in der Bibel steht auf mein, bzw dein Leben übertragen, von Anfang bis Ende. Auch das berühmte Harmagedon ist ein Problem MEINES Lebens. Der Baum des Lebens, der Baum der Erkenntnis, jene stehen in mir und nicht irgendwo und auch nicht irgendwann.....

Naherwartung ist also immer zutreffend!

Adam kann zeitlich so weit weg sein, genauso wie Jesus.... was hier zählt ist mein Lieblingsspruch "Wäre Jesus tausend Mal in Bethlehem geboren, aber kein einzigstes mal IN DIR, so wärst du auf ewiglich verloren (Angelus Silesius)

Grundsätzlich kannst du die Entwicklung der Menschheit aus der Sicht der Bibel allgemein immer, zu jedem Zeitpunkt mit der Entwicklung eines einzelnen subjektiven Leben vergleichen bzw gleichsetzen.

Gruß
Seeadler
Alles, was ich hier schreibe, verstehe ich lediglich als Gedanken und Anregungen, Inspirationen, keine Fakten! Wenn es mit tatsächlichen abgleichbaren Fakten übereinstimmt, dann zufällig.

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#150 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von sven23 » Di 30. Dez 2014, 07:09

closs hat geschrieben:Käme da prinzipiell mehr, als hier zu hören ist?

Davon bin ich fest überzeugt, deshalb nutze das Angebot. Glaubensdogmatikern fehlt oft der ganzheitliche Blick, weil sie sich auf ihre Dogmen fokussieren.
Ich bin doch auch deiner Aufforderung nachgekommen, die Homöpathieexperten zu kontaktieren. Das war übrigens sehr aufschlussreich, wie wir gesehen haben.
Deshalb hab keine Angst vor neuen Erkenntnissen. ;)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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