AT vs. NT

Samantha

#101 Re: AT vs. NT

Beitrag von Samantha » Mo 22. Dez 2014, 14:56

Münek hat geschrieben:Ich gehe davon aus, dass die meisten (nicht alle) Sätze wörtlich zu verstehen
sind. Ansonsten wäre eine sinnvolle Verständigung zwischen Menschen gar nicht
möglich. Wer etwas mitzuteilen hat, möchte in der Regel verstanden werden. Das
gilt mit Sicherheit auch für die biblischen Autoren.
Die Unterschiede der Sprachen, Kulturen und auch der Zeit sollte man aber bedenken. Es gibt Sprachen, in denen man sich umständlich ausdrückt, auch waren in früheren Zeiten andere Regeln maßgebend. Damals waren oft andere Dinge wichtiger als heute, und vieles lässt sich nicht mehr genauso anwenden, nur weil sie erwähnt wurden.

Beispiele: Polygamie, Sklaverei, gewaltvolle Missionierung, Zwangsverheiratung, Erziehung/Züchtigung

closs
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#102 Re: AT vs. NT

Beitrag von closs » Mo 22. Dez 2014, 16:17

Münek hat geschrieben:Wer etwas mitzuteilen hat, möchte in der Regel verstanden werden. Das gilt mit Sicherheit auch für die biblischen Autoren.
Für die pragmatischen Dinge der "Lebensnotdurft" (ein geiler Begriff von einem alten Professor von mir) mag man sich wörtlich verständigen können - nicht aber für geistige Dinge, die nur gleichnishaft im Dasein abbildbar sind. - Geistige Inhalte sind reduktiv nicht vermittelbar - trotzdem werden sie verstanden von dem, der versteht.

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Münek
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#103 Re: AT vs. NT

Beitrag von Münek » Mo 22. Dez 2014, 21:59

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wer etwas mitzuteilen hat, möchte in der Regel verstanden werden. Das gilt mit Sicherheit auch für die biblischen Autoren.
Für die pragmatischen Dinge der "Lebensnotdurft" (ein geiler Begriff von einem alten Professor von mir) mag man sich wörtlich verständigen können - nicht aber für geistige Dinge, die nur gleichnishaft im Dasein abbildbar sind. - Geistige Inhalte sind reduktiv nicht vermittelbar - trotzdem werden sie verstanden von dem, der versteht.

Man sollte "geistige Inhalte" nicht in die biblischen Texte "hineinprojizieren."
Die zentralen biblischen Aussagen verlieren bei wörtlicher Auslegung generell
nicht ihren Inhalt.

Eisegese ist das Gegenteil von seriöser Exegese. Hinter jedem biblischen Satz eine
"Chiffre" zu vermuten, hieße für mich, den Verfassern der Bibeltexte zu unterstel-
len, sie wollten von ihren Lesern nicht verstanden werden.

Das halte ich für ausgeschlossen. Das "Wort Gottes" richtet sich an das Volk, nicht nur
an Theologen und Philosophen.

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#104 Re: AT vs. NT

Beitrag von Catholic » Mo 22. Dez 2014, 22:10

Münek hat geschrieben: Hinter jedem biblischen Satz eine
"Chiffre" zu vermuten, hieße für mich, den Verfassern der Bibeltexte zu unterstel-
len, sie wollten von ihren Lesern nicht verstanden werden.
...

Meiner Überzeugung nach sollte man zwei Aspekte beachten.
Erstens gibt es den Text ansich,also so,wie er dort wörtlich steht,und dieser Text existiert so wortwörtlich.
Zweitens ist es wichtig zu beachten,in welche Kontext der Text steht - historisch,kulturell usw.!
Beispiel sind für mich die Psalmen.
Sie sind durchweg keine Berichte sondern Gebete,in denen Menschen die unterschiedlichsten Emotionen ausdrücken.
Wenn man das nicht beachtet und einen Satz wie
"Die Feinde Israels sollen vernichtet werden!"
aus dem Zusammenhang gerissen sieht,kann der Satz komplett falsch betrachtet und auch ausgelegt werden.
Darüberhinaus wurden die Texte zuerst für Menschen in einer bestimmten Zeit und Kultur verfasst.
Warum soll man sein Licht nicht unter einen Scheffel stellen?
Gut,im übertragenen Sinne wie es das Gleichnis meint,ist es klar,aber was ist im wörtlichen Sinne--bezogen auf die Zeit der ursprünglichen Zuhörer gemeint?
Wenn man das weiss wird das Gleichnis auch deutlicher.

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#105 Re: AT vs. NT

Beitrag von closs » Mo 22. Dez 2014, 22:16

Münek hat geschrieben:Das "Wort Gottes" richtet sich an das Volk, nicht nur an Theologen und Philosophen.
Es ist doch gerade das einfache, unintellektuelle Volk, das die Bibel besser versteht als viele Theologen und Philosophen des 20./21. Jh. - Natürlich reflektieren sie nicht philosophisch, bauen also keine Meta-Ebene auf im Sinne von "Das ist eine Chiffre" (das ist auch vollkommen unnötig, wenn man versteht). - Aber sie verstehen das Gleichnis mit dem Weinberg oder das Gleichnis mit dem verlorenen Sohn in seiner ganzen Tiefe - weil sie geistig aktiviert sind.

Allerdings sind es - gemessen an der Gesamtbevölkerung - relativ wenige Menschen. - Ich kenne jedoch welche davon, die mir dann Vorträge halten über das, was da passiert - ganz ohne Theologie-Studium, Abitur oder sonstwas. - Die Bibel ist doch deshalb (jetzt wieder die Meta-Ebene) in Erzählweisen/Chiffren/Gleichnissen geschrieben, damit auch das "normale" Volk verstehen kann.

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#106 Re: AT vs. NT

Beitrag von closs » Mo 22. Dez 2014, 22:28

Catholic hat geschrieben:"Die Feinde Israels sollen vernichtet werden!"
Das wäre jetzt ein gutes Beispiel dafür, wie ein Satz säkular und geistig verstanden werden kann.

Verstanden wurde dieser Satz von den Israeliten sicherlich weitgehend säkular - man muss sich vorstellen, dass die Zeiten damals bedrohlich waren - man war ganz konkret von Feinden umringt. - Gleichzeitig hat dieser Satz auf einer ganz anderen Ebene einen geistigen Gehalt - nämlich: "Die Gegenkräfte zum Guten sollen verschwinden".

Hierzu vielleicht Psalm 13,5: "Damit mein Feind nicht sagen kann: "Ich habe ihn überwältigt"". - Spirituell erscheint hier erwähnenswert, dass der "Feind" hier nicht als aktueller militärischer Gegner (vgl. zu Psalm 12,8) erscheint, sondern als geistiger Gegner, dem es Sieg ist, wenn der Mensch "entschläft und stirbt" (vgl. 13,4). - Im Umkehrschluss heißt dies, dass der geistige Feind scheitert, wenn der Mensch nicht "entschläft und stirbt" - dies weist hin auf eine Besiegung des Todes durch Gott und stellt somit einen heilsgeschichtlichen Quantensprung dar im Sinne des Gottes des Holon (vgl. zu 2Mak. 7,23). - Hier also eine vornehmlich spirituelle Ebene.

Lieber Münek, Du hast insofern recht, dass diese Doppelbödigkeit der säkularen und geistigen Interpretation auch damals wohl eher NICHT bewusst war - und somit kommen wir wieder zu dem Motiv, dass vieles im AT steht, was man damals nicht verstanden hat und dementsprechend säkular ausgelegt hat. - Die Bibel muss man meines Erachtens aus der Vogelperspektive sehen.

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#107 Re: AT vs. NT

Beitrag von Catholic » Mo 22. Dez 2014, 22:44

closs hat geschrieben: Ich kenne jedoch welche davon, die mir dann Vorträge halten über das, was da passiert - ganz ohne Theologie-Studium, Abitur oder sonstwas. ....

Ein befreundeter Priester sagte mir einmal,die einfache,"ungebildete" alte Bauersfrau,die mit dem Rosenkranz in der Hand in der Kirche sässe,hätte oft mehr verstanden als der verkopfte Theologe.

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#108 Re: AT vs. NT

Beitrag von Salome23 » Di 23. Dez 2014, 00:23

Münek hat geschrieben: Man sollte "geistige Inhalte" nicht in die biblischen Texte "hineinprojizieren."
Wenn die Bibel keine "geistigen Inhalte" hat, wozu ist sie dann nützlich?

Jesus und der sinkende Petrus auf dem See
Matthäus 14, 22-33

Ich weiss nicht, was für dich diese Geschichte aussagt-aber ich nehme mal an, du wirst dir dabei möglicherweise nur denken: Aha Jesus war ein Wundertäter, er konnte sogar am Wasser gehn." Wers glaubt, wird selig...
Und als ihn die Jünger sahen auf dem See gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht.
Ein Christ könnte sich eventuell die Frage stellen: Was bedeutet es eigentlich "Am Wasser gehn zu können" und wie schafft man das?
28 Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser.
29 Und er sprach: Komm her!
Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu.
Solange der Blick auf Jesus gerichtet war, ging auch Petrus "auf dem Wasser"
Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, hilf mir!
Er sah auf das "Problem" und begann zu "sinken".
Von christlicher Perspektive aus gesehn, könnte das bedeuten: Petrus hat das Vertrauen auf Jesus dadurch verloren, dass er auf das Problem sah und sein Blick eben nicht mehr auf Jesus gerichtet war und daher ging er "in dem Problem" unter...
31 Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?
Und nun kommt(in Folgendem) wieder voll die religiöse Perspektive durch:
32 Und sie traten in das Boot und der Wind legte sich.
33 Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!
Ist es das, was Jesus damit erreichen wollte-das man ihn als den wahrhaftigen Sohn Gottes erkennt?
Ich vermute, eher nicht!

Und nun sage ich, was sie für mich aussagt: Schau nicht auf das Problem, so dass es dich runter ziehn könnte, halte den Blick aufrecht und suche nach einer Lösung....geh auf dem Wasser - ohne Selbstzweifel! Du schaffst das!

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#109 Re: AT vs. NT

Beitrag von sven23 » Di 23. Dez 2014, 07:12

Catholic hat geschrieben: Wenn man das nicht beachtet und einen Satz wie
"Die Feinde Israels sollen vernichtet werden!"
aus dem Zusammenhang gerissen sieht,kann der Satz komplett falsch betrachtet und auch ausgelegt werden.

Und wie legt man im Zusammenhang richtig aus, daß die Feinde vernichtet werden sollen? :roll:

Catholic hat geschrieben: Ein befreundeter Priester sagte mir einmal,die einfache,"ungebildete" alte Bauersfrau,die mit dem Rosenkranz in der Hand in der Kirche sässe,hätte oft mehr verstanden als der verkopfte Theologe.

Waren die Ungebildeten nicht schon immer das bevorzugte Klientel der Kirchen?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#110 Re: AT vs. NT

Beitrag von sven23 » Di 23. Dez 2014, 07:54

Samantha hat geschrieben: Beispiele: Polygamie, Sklaverei, gewaltvolle Missionierung, Zwangsverheiratung, Erziehung/Züchtigung

Sind alles Phänomene, die heute zu Beginn des 21. Jahrhunderts immer noch für viele Menschen Teil ihrer Lebensrealität sind.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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