closs hat geschrieben: ↑So 20. Okt 2019, 23:38
Claymore hat geschrieben: ↑So 20. Okt 2019, 22:31
Ich denke, es ist Sucht. Eine morbide Faszination.
"Morbid" trifft es ganz gut. - Ich sehe eher eine Morbidität des Nicht-Verstehen-WOLLENS, die in brillanter Sophistik eine destruktive Kritik-Kultur zum Erblühen bringt, deren Blüten stinken.
Da sind wir uns ja einig. Nur nicht bei wem das nun auszumachen ist.
Um es zusammenzufassen: Die Grenzziehung zwischen positiven und negativen Thesen erscheint mir den Kern des Problems nicht zu erfassen.
Es gibt viele Thesen, die sich nicht auf konkrete Beobachtungen durch unsere Sinne zurückführen lassen: Thesen über die Vergangenheit; über die Zukunft; über Dinge, die sich nicht direkt beobachten lassen – weil sie zu klein oder zu weit entfernt sind oder weil wir kein Sinnesorgan für sie besitzen (z. B. Röntgenstrahlen); über das geistige Innenleben von anderen Menschen; oder Thesen, die allgemeinen Inhalt besitzen.
Tatsächlich bezieht sich
“Napoleon war in Berlin” – eine positive These – auch auf nichts, das sich
direkt beobachten lässt, sondern auf sie lässt sich “nur” durch historische Belege
schließen. Ich würde sogar sagen, dass dies auch auf
“Es gibt schwarze Schwäne” zutrifft. Weil der Allgemeinbegriff “Schwan” darin vorkommt, den man irgendwie verstehen muss (ansonsten kann man kontern
“Der schwarze ‘Schwan’ hier ist gar kein Schwan!”). Und zwar wissenschaftlich als Gattung. Dass es diese Gattung Schwan gibt, lässt sich jedoch nicht direkt auf einzelne Beobachtungen zurückführen, sondern benötigt Induktion.
Wenn man gegenüber allen solchen Thesen skeptisch ist, egal wie gut sie sonst belegt sind, ist das ein wirklich extrem tiefgreifender Skeptizismus. Nur noch positive Thesen über beobachtbare Einzeldinge der Gegenwart wären erlaubt – also:
“Herr Maier hat heute Fifi gefüttert”. Ansonsten ist immer teilweise die menschliche Vernunft involviert. Das kannst du dann rhetorisch aufgeladen als “anthropozentrisch” abtun und diffamieren. Aber dann ist wohl jedes Zeitalter und jede Kultur von “anthropozentrischer Vernunft” regiert gewesen.
Solange du das so treibst, d. h.
alles auf diese Meta-Ebene ziehst, wo du selbst die Standards setzt und sich alles in deinem verwaschenen Radikalskeptizismus auflöst, sollte man dich ignorieren. Dass du deine Überzeugungen niemals unter
normalen Standards (ja, eben nicht 21-Jh.-Standards, wie du uns weismachen willst) verteidigen kannst, sagt schon alles aus.