Parusieverzögerung II

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sven23
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#461 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von sven23 » So 24. Mai 2015, 06:09

closs hat geschrieben: Moment: Es geht hier darum, ob man das "Reich Gottes" "äußerlich" oder "inwendig" interpretiert. - Die inwendige Interpretation habe ich in diesem Zusammenhang als geistige Interpretation bezeichnet im Gegensatz zu einer naturalistischen Interpretation, dass da jemand innerhalb einer Generation mit Glanz und Gloria mit Augen und Ohren sinnlich wahrnehmbar vom Himmel her anlandet.
Es gibt keine naturalistische Gottesreichinterpretation. Auch das ereignishafte, "äußere" Gottesreich (Königsherrschaft) ist eine geistig-religiöse Größe.
"Der Begriff „Reich Gottes“ (hebr. מלכות malchut, griech. Βασιλεία τοῦ Θεοῦ basileia tou theou; auch Königsherrschaft Gottes, Gottesherrschaft) bezeichnet in der Bibel das dynamische Wirken JHWHs, des Gottes der Israeliten, in der Welt, und den räumlichen Herrschaftsbereich, in dem sich Gottes Wille durchsetzt
....
Gottes Reich begrenzt, relativiert und kritisiert laut der Bibel alle menschliche Machtausübung und alle irdischen Herrschaftssysteme als ihre endgültige Zukunft. Der Begriff spielt daher im Millenarismus, Messianismus und in politischer Theologie eine bedeutende Rolle."
Quelle: Wikipedia
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#462 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von sven23 » So 24. Mai 2015, 07:05

closs hat geschrieben:Das Ergebnis der Studien ist ein Beleg - was ja kein Vorwurf ist, sondern eher Hinweis auf eine zugrundeliegende Denkweise. -
Damit begehst du wieder den gleichen Fehler. Du erinnerst dich:
"Es ist die selbstverständliche Grundlage kritischer Wissenschaft, dass sie sich nicht über ihre Ergebnisse definiert,.."

closs hat geschrieben: Wir hatten hier viele konkrete Zitate: Ich erinnere mich, dass bis auf ZWEI alle spontan anders deutbar waren, wenn man sie inwendig interpretiert. - Tut man das, kommt ein anderes wissenschaftliches Ergebnis raus.
Die NT-Forschung hat aber dargelegt, daß gerade die zwei auf keinen Fall als inneres Gottesreich gesehen werden dürfen. Damit fällt die "innere" Hypothese für entscheidende Zitate.

closs hat geschrieben: Doch - erinnere Dich an das Stichwort "Stille Post" - und da gibt es sicherlich noch mehr Stichworte. -
Die stille Post ist eine Erklärung für falsche Überlieferungen und Mißverständnisse. Inhaltliche Widersprüche sollten den Schreibern aber aufgefallen sein, da sie Jahrzehnte später genügend Zeit hatten, ihr Bild von Jesus zu entwerfen.
Warum sollen sie einen peinlichen Umstand (Naherwartung durch Jesus) überhaupt erwähnen, wenn er sich praktisch schon als falsch erwiesen hat?
Das ist überhaupt nur zu erklären, wenn dies aufgrund der Authentitzität der Worte nicht verschweigbar war.
"Für die Historizität dieser Worte spricht, dass sie sich schon bei Abfassung des ältesten Evangeliums quasi als falsch herausgestellt hatten und überholt waren. Sie hätten schwerlich später erfunden werden können, ihr Niederschlag in den Evangelien ist überhaupt nur zu verstehen, wenn sie die Autorität Jesu haben beanspruchen können."
Kubitza (Der Jesuswahn)

closs hat geschrieben: - Bei Naturwissenschaften geht das nicht - bei Geisteswissenschaften ist es gang und gäbe.
Aber nicht, wenn man den Anspruch der Wissenschaftlichkeit erhebt. Da darf Weltanschauung keine Rolle spielen. Du meinst sicher die Fundamenaltheologie. Da spielt allein der Glaube eine Rolle, bei der HKM nicht.
https://www.uni-due.de/EvangelischeTheo ... hode.shtml


closs hat geschrieben: Das sehe ich genauso - das war ja seine Mission. - Aber Du verstehst es halt äußerlich - wie die Urchristen offensichtlich am Anfang auch.
Man muß das differenzierter sehen, es gibt ein inneres und ein äußeres Gottesreich, das innere wohl eher als Vorgriff auf das, was da kommen soll. Das sehe ich genau so wie die NT-Forschung.

closs hat geschrieben: "Paradigmenwechsel" heisst doch nicht "Bruch". - Angela Merkel hat einen Paradigmen-Wechsel in Sachen Atomkraft eingeleitet - auch das war kein Bruch mit der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Man kann es schon als Bruch sehen. Die Evangelisten vollzogen ihn, indem sie die Schuld am Tod des Gottessohns allein den Juden gaben. Der Jude Judas (nomen est omen) muß den Verräter geben, während die Römer in Gestalt des Pilatus sich die Hände in Unschuld waschen dürfen. Damit war der Grundstein für 2000 Jahre Antisemitismus gelegt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Samantha

#463 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Samantha » So 24. Mai 2015, 10:12

Zeus hat geschrieben:
Samantha hat geschrieben:Komisch, von Gläubigen verlangt man immer Rücksicht
Habe ich dich, liebe Samantha, jemals um Rücksichtnahme gebeten?
Nein, noch nicht. Du willst also Gegenwind.

Zeus hat geschrieben:Keiner wird gezwungen, Unsinn zu publizieren. Oder?
Zwingt Dich etwa jemand?

Zeus hat geschrieben:Aber ...
...wer sich [ohne Notwendigkeit] in Gefahr begibt, kommt darin um. Selber schuld! :mrgreen:
Hier ist es gefährlich? Wer bist denn Du? Ich jetzt aber dolle Angst. :mrgreen:


Zeus hat geschrieben:Welche dieser riesigen Anzahl von Religionen muss ich respektieren?
Gar keine. Tu nicht so blöd, als hättest Du nicht verstanden.

closs
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#464 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von closs » So 24. Mai 2015, 10:15

Zeus hat geschrieben:Woher willst du das wissen?
Weil sonst dieses Ergebniss nicht herauskäme - umgekehrt heisst dies, dass bei Betonung "meiner" Schwerpunkte "mein" Ergebnis rauskäme - und zwar ebenfalls im Sinne der HKM.

sven23 hat geschrieben:"Es ist die selbstverständliche Grundlage kritischer Wissenschaft, dass sie sich nicht über ihre Ergebnisse definiert,.."
Das ist formal richtig, de facto eine urban legend. - Zur Vermeidung von Missverständnissen: INNERHALB des designten Modells arbeitet man selbstverständlich ergebnisoffen.

sven23 hat geschrieben:Die NT-Forschung hat aber dargelegt, daß gerade die zwei auf keinen Fall als inneres Gottesreich gesehen werden dürfen. Damit fällt die "innere" Hypothese für entscheidende Zitate.
Es gibt gegenteilige Zitate, mit denen die "äußere" Hypothese fällt. - Außerdem: Du hast nicht berücksichtigt, dass es die SChriften-Ersteller tatsächlich "äußerlich" gemeint haben, weil sie Jesus falsch rezipiert haben - Gründe dazu gibt es genug, die sogar textkritisch nachweisbar sind.

sven23 hat geschrieben:Warum sollen sie einen peinlichen Umstand (Naherwartung durch Jesus) überhaupt erwähnen, wenn er sich praktisch schon als falsch erwiesen hat?
Du stellst es immer wieder auf den Kopf: Der Irrtum der Schreiber besteht doch nicht darin, dass sie Jesu Irrtum aufgesessen sind - ihr Irrtum besteht darin, dass sie Jesus eine Naherwartung fälschlich unterstellt haben. -Die Schreiber müssen also nicht Jesu Irrtum korrigieren, sondern ihren eigenen Rezeptions-Fehler dessen, was Jesus gesagt hat. - Das ist genau das Gegenteil dessen, was Du sagst.

sven23 hat geschrieben:"Für die Historizität dieser Worte spricht, dass sie sich schon bei Abfassung des ältesten Evangeliums quasi als falsch herausgestellt hatten und überholt waren. Sie hätten schwerlich später erfunden werden können"
Das ist zwar eine Mutmaßung, der ich aber trotzdem inhaltlich zustimme. - Aber das ändert nichts - denn:

Historisch-kritisch (!) wäre leicht zu ermitteln, dass sich die Jünger oft getäuscht haben und Jesus nicht kapiert haben - eben weil sie als AT-Juden den Paradigmen-Wechsel Jesu, also die Aufhebung des AT in das NT hinein, nicht verstanden haben/verstehen konnten. - Insofern werden auch die/viele Jünger tatsächlich geglaubt haben, dass Jesus von einem "äußeren" Reich rede. - Der Fehler war von Anfang an drin.

sven23 hat geschrieben: Du meinst sicher die Fundamenaltheologie.
Nein - ich meine die HKM - ich meine auch Literaturwissenschaft. - Dein Quellen-Verweis läuft insofern ins Leere, weil er davon spricht, was zu tun ist, NACHDEM man sein Modell entwickelt hat und die Bewertungs-Schwerpunkte des Autors definiert sind (allein dadurch, dass der Autor DIESE Person und nicht JENE Person ist). - Ich zitiere hier Savolinna, weil sie den Nagel auf den Kopf trifft:

Anton B. hat geschrieben:Da es eine "wissenschaftliche" Methode ist, ist das Ergebnis, also der "historische Jesus" allgemein wissenschafts-konsistent.
Savolinna hat geantwortet: Nein. Das ist ausgeschlossen. Hast Du Dich schon einmal mit geisteswissenschaftlicher Methodik auseinandergesetzt?
Die wissenschaftliche Methode innerhalb der Textforschung besteht ja gerade darin, die Vielfalt der Deutungsmöglichkeiten aufzuzeigen.


sven23 hat geschrieben:Man muß das differenzierter sehen, es gibt ein inneres und ein äußeres Gottesreich, das innere wohl eher als Vorgriff auf das, was da kommen soll. Das sehe ich genau so wie die NT-Forschung.
Das entspricht genau der Meinung der kirchlichen Theologien - und meiner Auffassung auch. - Aber Du meinst doch etwas anderes? So schnell kannst Du doch nicht kippen?

sven23 hat geschrieben:Man kann es schon als Bruch sehen.
Das wäre sicherlich ein anspruchsvolles neues Thema, bei dem man zuvörderst definieren müsste, was "Bruch" und was "Paradigmenwechsel" ist. - Beiden Worten ist gemein, dass etwas Neues passiert ist, was Jesus verkündet, aber von seinen Verkündern erst nach und nach kapiert wurde.

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sven23
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#465 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von sven23 » So 24. Mai 2015, 11:06

closs hat geschrieben:Das ist formal richtig, de facto eine urban legend. -
Das ist auch inhaltlich richtig, solange sie ergebnisoffen bleibt.

closs hat geschrieben: Es gibt gegenteilige Zitate, mit denen die "äußere" Hypothese fällt. - Außerdem: Du hast nicht berücksichtigt, dass es die SChriften-Ersteller tatsächlich "äußerlich" gemeint haben, weil sie Jesus falsch rezipiert haben - Gründe dazu gibt es genug, die sogar textkritisch nachweisbar sind.
Das sagt ja auch die HKM. Man muß den Zusammenhang berücksichtigen. "Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen..." macht im Zusammenhang mit Verklärung und Auferstehung keinen Sinn. Da bleibt nur das "außere" ereinigshafte Gottesreich als Erklärung übrig. Genau das ist der Punkt.

closs hat geschrieben: Du stellst es immer wieder auf den Kopf: Der Irrtum der Schreiber besteht doch nicht darin, dass sie Jesu Irrtum aufgesessen sind - ihr Irrtum besteht darin, dass sie Jesus eine Naherwartung fälschlich unterstellt haben. -Die Schreiber müssen also nicht Jesu Irrtum korrigieren, sondern ihren eigenen Rezeptions-Fehler dessen, was Jesus gesagt hat. - Das ist genau das Gegenteil dessen, was Du sagst.
Du sagst doch selber, daß der biblische Jesus eine Naherwartung hatte. Warum fällst du wieder hinter diese Erkenntnis zurück?

closs hat geschrieben: Das ist zwar eine Mutmaßung, der ich aber trotzdem inhaltlich zustimme.
-
Dann widersprichst du dem oben gesagten, denn es ist genau der gleiche Punkt. Ich stimme hier Kubitza ausdrücklich zu.


closs hat geschrieben: Anton B. hat geschrieben:Da es eine "wissenschaftliche" Methode ist, ist das Ergebnis, also der "historische Jesus" allgemein wissenschafts-konsistent.
Savolinna hat geantwortet: Nein. Das ist ausgeschlossen. Hast Du Dich schon einmal mit geisteswissenschaftlicher Methodik auseinandergesetzt?
Die wissenschaftliche Methode innerhalb der Textforschung besteht ja gerade darin, die Vielfalt der Deutungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Das Thema ist doch längst gegessen. Seit Schweitzer/Strauß ist der Versuch einen historischen, "echten" und biografischen Jesus heraus zu präperieren ad acta gelegt, weil sie als Projektion ihrer Autoren entlarvt wurden. Auch das hatte ich schon mehrfach erwähnt. Die ewigen Rückfälle hinter den Diskussionsfortschritt macht die Sache mühsam. Seufz.

closs hat geschrieben: Das entspricht genau der Meinung der kirchlichen Theologien - und meiner Auffassung auch. - Aber Du meinst doch etwas anderes? So schnell kannst Du doch nicht kippen?
-
Mit Sicherheit nicht. Das äußere Gottesreich als ereignishaftes Versprechen in naher oder nächster Zukunft bleibt natürlich nach wie vor bestehen. Das ist sich die NT-Forschung ziemlich einig.
Sogar dein verehrter Walter Kasper räumt die Naherwartung durch Jesus ein, allerdings scheut er sich den Begriff "Irrtum" in den Mund zu nehmen. Statt dessen spricht er von "Verheißungsüberschuss", was aber natürlich auf dasselbe hinausläuft.

Der katholische Theologe und Heideggerschüler Karl Rahner spricht dagegen Klartext:
"...daß wir.....unbefangen, ehrlich, nüchtern und deutlich zugeben müssen, daß es bei Jesus wirklich eine zeitliche Naherwartung gegeben hat, die so....sich nicht erfüllt hat"
Dem kann man nur zustimmen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Samantha

#466 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Samantha » So 24. Mai 2015, 11:12

Ist ja richtig nervig, immer wieder den gleichen Blödsinn zu lesen.
Jesus wird absichtlich verkannt:
Er hat nicht existiert, ist nicht Gottes Sohn.
Die Naherwartung wird unterstellt.
Die Apostel spinnen...

Jesus sagte einfach nur, was geschehen würde, und niemand wusste, wann.

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sven23
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#467 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von sven23 » So 24. Mai 2015, 11:17

Samantha hat geschrieben: Er hat nicht existiert, .

Doch, man geht schon davon aus, daß er existiert hat, aber als Mensch. Und wie du weißt, können Menschen irren.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Samantha

#468 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Samantha » So 24. Mai 2015, 11:21

sven23 hat geschrieben:Doch, man geht schon davon aus, daß er existiert hat, aber als Mensch. Und wie du weißt, können Menschen irren.
Und ob, und hier scheinen sich so manche zu irren. Wir können uns ja gegenseitig vollirren! :mrgreen:

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Zeus
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#469 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Zeus » So 24. Mai 2015, 11:29

Samantha hat geschrieben:Ist ja richtig nervig, immer wieder den gleichen Blödsinn zu lesen.
Jesus wird absichtlich verkannt:
Er hat nicht existiert, ist nicht Gottes Sohn.
Die Naherwartung wird unterstellt.
Die Apostel spinnen...

Jesus sagte einfach nur, was geschehen würde, und niemand wusste, wann.
Welche Apostel? Etwa die Scheiber der vier Evangelien und der Apostelgeschichte?
Keine dieser Schriften stammen von den Jüngern Jesu mit den gleichen Namen.
Und unglücklicherweise hat der "Sohn Gottes" auch nichts Schriftliches hinterlassen. :(
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

Samantha

#470 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Samantha » So 24. Mai 2015, 11:48

Zeus hat geschrieben:Welche Apostel? Etwa die Scheiber der vier Evangelien und der Apostelgeschichte?
Keine dieser Schriften stammen von den Jüngern Jesu mit den gleichen Namen.
Und unglücklicherweise hat der "Sohn Gottes" auch nichts Schriftliches hinterlassen. :(
Sowas aber auch ...
Du musst es ja wissen ...

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