Thaddäus hat geschrieben:Ja, hiergegen habe ich auch gar nichts! Wenn jemand daran glaubt, der Glaube könne nur durch den hl.- Geist gestiftet werden, dann ist das völlig in Ordnung.
In diesem Falle versucht man aber gar nicht erst, seinen Glauben philosophisch-vernünftig und rational-argumentativ zu begründen. Die Mystiker Meister Eckhart, Johannes Tauler und Heinrich Seuse werden zwar auch innerhalb der Philosophie besprochen und es wird ihnen eingeräumt, auf ihre Weise möglicherweise zu tiefen Erkenntnisses über Gott gelangt zu sein, aber sie tun das nicht auf philosophisch-begründende Weise und gelten daher auch nicht als Philosophen
Gerade Meister Eckhart nennt das Fünklein der Vernunft das Haupt der Seele. Im Zentrum seiner „Deutschen Predigten und Traktate“ steht die Idee des neuen Menschen, den gerade die Kraft der schöpferischen Vernunft zum „Sohn Gottes“ mache. Deshalb nennt er den Menschen ein Bild Gottes. Es ist verfehlt, wenn man ihn nur als einen religiösen Mystiker betrachtet, denn er ist auch ein Philosophischer Praktiker.
Thomas Polednitschek schreibt über ihn in seinem Buch „Meister Eckhart – Philosophisch leben“: „Eckhart steht zwischen Platon und Kant. Mit Platon setzt er auf die Vernunft, die die menschliche Seele in Bewegung setzt. Mit Kant teilt er das Interesse an einer Freiheit, die ein vernunftgeleitetes Leben möglich macht. Kurz: Er plädiert in seinen „Deutschen Predigten und Traktaten“ für ein Christentum, das Christen nicht zu „Legasthenikern der Freiheit“ (Metz) macht, sondern sie – wie die Aufklärung und Moderne – auf Vernunft und Freiheit verpflichtet.“
Es gibt zweifellos eine Polarität zwischen „Glaube“ und „Vernunft“, Gefühl und Verstand, dem theologischen und philosophischen Denken, aber das finde ich gerade interessant und bejahenswert. Das ist auch ganz im Sinne Meister Eckharts, der in seinem „Buch der Tröstungen“ schreibt: „Aus all dieser Lehre, die im heiligen Evangelium geschrieben steht und im natürlichen Licht der vernunftbegabten Seele (!) mit Sicherheit erkannt wird, findet der Mensch wahren Trost für alles Leid“.
Für ihn ist es gerade die Vernunft, die das Denken wach und lebendig macht und die Wahrheit des Evangeliums verstehen kann. Die nicht nur glaubt, sondern auch versteht. Er unterscheidet sehr scharf zwischen einem nur „gedachten“ und einem wesenhaften Gott: „Der Mensch soll sich nicht genügen lassen an einem gedachten Gott; denn wenn der Gedanke vergeht, so vergeht auch der Gott. Man soll vielmehr einen wesenhaften Gott haben, der weit erhaben ist über die Gedanken des Menschen und aller Kreatur“ (DW II Tr. 2, S. 349) Nur der „wesenhafte“ Gott kann eine wirklich wesentliche und existenzielle Bedeutung für Menschen haben, denn dann ist der „Glaube“ eine Existenzmitteilung. Er entspricht einer Wahrheit, die für das Leben des Menschen Konsequenzen hat. So gesehen ist Gott die intimste Wahrheit der menschlichen Seele.
Den Satz „Am Anfang war das Wort“ (Joh 1,1) kann man auch übersetzen mit: „Am Anfang steht die schöpferische Vernunft“. Das ist ein ganz wesentlicher Gedanke in der christlichen Mystik und vorallem bei Eckhart: der „Sohn Gottes“ der in der menschlichen Seele geboren wird, ist für ihn die schöpferische Vernunft, das „Wort, welches Fleisch wurde und unter uns wohnte“ (Joh 1,14). Für ihn speisen sich deshalb die christliche Lebensform und Philosophie letztlich aus der selben Quelle und er plädiert für eine „Mystik mit offenen Augen“ im Gegensatz zu einer Mystik mit geschlossenen Augen. „Glaube steckt im Licht der Vernunft“.
Wie kann wirkliche „Nachfolge Christi“ eine Mystik mit geschlossenen Augen sein? Jesus Christus ist ein Mensch mit offenen Augen und er fordert uns ebenfalls auf sehend und hörend zu leben. Nicht halbherzig, sondern ganz und gar! Dann lernen die Blinden wieder sehen, die Lahmen wieder gehen, die Aussätzigen können rein werden, die Tauben wieder hören, die Toten stehen auf und den Armen wird das Evangelium gepredigt. (Matthaeus 11:5)
Das Problem scheint mir hier zu sein: seit der Aufklärung und Moderne gilt der Gegensatz zwischen Glaube und Vernunft als unüberwindbar (sodass man regelrecht von einer inneren Zerrissenheit sprechen kann, die ja schon die Romantik thematisierte.....) Bei Eckhart ist das anders.

Zitat Eckhart: "Ich habe es auch öfter gesagt: Erkenntnis und Vernünftigkeit vereinigen die Seele mit Gott. Vernunft fällt ins reine Sein. Erkenntnis läuft voran; sie läuft voraus und bricht durch, damit da Gottes einziger Sohn geboren wird." (Deutsche Predigt)
Doch so wichtig diese Erkenntnisfähigkeit ist, es gilt auch das, was Papst Franziskus in "Lumen fidei" („Licht des Glaubens“) sagt:
„Der Glaube ist nicht ein Licht, das all unsere Finsternis vertreibt, sondern eine Leuchte, die unsere Schritte in der Nacht leitet, und dies genügt für den Weg.“
Für mich ist der Gegenbegriff zum Glauben nicht der Unglaube oder gar die Vernunft, sondern die menschliche Angst. Im Laufe unsres Lebens werden wir wohl alle immer wieder mit dieser 'Nacht' konfrontiert (Johannes von Kreuz spricht von der 'dunklen Nacht der Seele') und der Glaube ist eine Leuchte, die unsere Schritte durch sie hindurch leitet, sodass wir den Weg finden.
Wenn es nicht ein Glaube mit geschlossenen Augen, sondern ein Glaube mit offenen Augen ist, dann erweitert und sensibilisiert er das Sehvermögen und die Empfindungsfähigkeit der Vernunft, macht sie wach und lebendig.
Und umgekehrt... sie können sich gegenseitig mobilisieren und inspirieren. Besonders wichtig finde ich gerade auch den ganzen Bereich des Unbewussten, die Sprache der Bilder und Träume, die in der Religion aufleuchtet.... hier ein paar Worte von Eugen Drewermann dazu:
http://www.deutschlandradiokultur.de/tr ... _id=236265"Träume sind ein Versuch, das Leben zu erweitern"
Der Theologe Eugen Drewermann über die Bedeutung von Träumen in der Religion
Drewermann: Manche Träume sind religiös schon deswegen von großer Bedeutung, weil sie etwas vermitteln, das rein rational sich gar nicht sagen lässt. Eine Frau etwa verliert ihr Kind durch einen Unfall oder durch schwere Krankheit und leidet entsetzlich daran. Aber dann träumt sie des Nachts, wie sie mit dem Kind redet oder wie das Kind glücklich ist. Natürlich liegt es jetzt nahe bei der Hand zu sagen, das sind reine Wunschträume, aber es ist etwas anderes, ob man etwas wünscht oder gezeigt bekommt. Wieder kann man jetzt sagen, aber es ist doch nur ein Teil der eigenen Seele, der dem Bewusstsein diese Bilder vorgaukelt, in Wirklichkeit aber hat dieser Teil der eigenen Seele eine Botschaft, die in sich richtig sein kann.
Vielleicht ist der Tod gar kein Tod, vielleicht ist die Liebe stärker als die Begrenzung unseres irdischen Lebens. Vielleicht gibt es eine Gemeinsamkeit, die vom Tode nicht zerstört wird. Das alles sind Andeutungen, die wir im Traum uns nahelegen, die in den Mythen beschworen werden, die den Inhalt der Religion darstellen und in sich selber vom privatesten Erleben bis zur kollektiven Daseinsdeutung ganzer Kulturen Einfluss auf die Art, wie wir selber uns verstehen, haben.
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Träume sind insofern erst einmal ungefährlich, als sie noch gar nichts wollen, sondern lediglich andeuten, Bilder liefern, die noch mal zur Stellungnahme aufrufen. Deswegen ist es so wichtig, dass man sie nicht moralisch beurteilt und sofort sagt, das darf aber nicht sein. Im Traum geht es nicht darum, was sein darf, sondern was in der eigenen Seele sich abspielt und was darin ist. Und da ist erst einmal alles berechtigt. Man müsste also die moralische Eigenzensur – die Dauerbeobachtung des Über-Ichs psychoanalytisch gesprochen –, die verinnerlichten Standards, die man seit Kindertagen im Umgang mit sich selber aufgeprägt bekam, beiseite zu stellen, um etwas ehrlicher zu werden, um ganzheitlicher zu werden.
Darum gilt ein Wort aus dem Johannesevangelium: Die Wahrheit wird euch frei machen. Solange wir immer noch Angst haben vor uns selber und vor dem, was in uns liegt, werden wir uns selber unterdrücken, an uns vorbei leben, ganze Zonen unserer Psyche im Abseits halten, die dann eine eigene Gesetzmäßigkeit von oft gefährlicher Dynamik sogar entfalten können. Wir sind nicht mit uns identisch. Und dann hat der Freud-Schüler Alfred Adler mal gesagt: In gewissem Sinn ist jede Lüge so etwas wie der Beginn der Neurose, oder umgekehrt, jede seelische Erkrankung so etwas wie eine Lüge sich selber gegenüber.
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Die Art, wie wir die Bilder der Religion interpretieren, entscheidet darüber, was wir für Menschen sind und welchen Zugang wir zu Gott bekommen, statt immer wieder nur einer Kirchenbehörde zu begegnen, die vorgibt, Gott zu verwalten.
Odilon Redon: The Flight into Egypt