Anton B. hat geschrieben: ↑Mi 5. Aug 2020, 00:04
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Aug 2020, 13:46
Anton B. hat geschrieben: ↑Sa 25. Jul 2020, 21:43
Deine Behauptung der Nicht-Falsifizierbarkeit muss weiterhin als Privatmeinung und allenfalls als Minoritätenmeinung innerhalb der Wissenschaftstheorie gesehen werden.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich was anderes behauptet hätte. Du hast hier doch damit angefangen, dass ich mit von dir ausgewählten (!) Büchern belegen soll, dass meine Meinung in der Biologie weit verbreitet ist. Warum auch immer? Was bezweckst du denn damit?
Ich möchte Dich und Deine Argumentation verstanden haben, um spezifisch genug auf Dich darauf eingehen zu können. Mir war nicht klar, in wie weit Du mit dem allgemeinen Wissen der Wissenschaftsphilosophie argumentierst oder eine eigene Meinung vertrittst.
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Aug 2020, 13:46
Beim Rest widerspreche ich nicht. Dafür bräuchte es extrem intensive Einarbeitung in die Thematik -- und wofür? Selbst wenn ich belegen könnte, dass Futuyma nicht den "Konsens" wiedergibt, was wäre schon gewonnen? Es ist nur
ein Buch,
ein Autor.
Es ist DAS Lehrbuch. Und das nicht, weil es sich selber dazu erklärt, sondern weil genug kritische Instanzen in "Forschung und Lehre" den Inhalt in toto als Wiedergabe des Forschungsstandes für ihre Lehrtätigkeit für geeignet halten.
Ich fürchte den Mann eines Buches.
Anton B. hat geschrieben: ↑Mi 5. Aug 2020, 00:04
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Aug 2020, 13:46
Anscheinend hast du den Hintergrund des letzten Posts vergessen. Du warst es doch, der behauptet hat, dass die verlinkte Kritik an der Synthese nur aus historischer Sicht interessant ist. Und hast auf Futuyma verwiesen. Offensichtlich ist dem nicht so, wenn wir ihn als Autorität ansehen.
Ich hatte folgendes geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: ↑Di 21. Jul 2020, 23:02
Es scheint ja fast so, Du hättest den Wiki-Artikel als Darstellung der zeitgenössischen Ausprägung der ET gehalten. Dabei beschreibt der Kritikabschnitt aus einer historischen Betrachtung heraus Kritik an einer nicht-zeitgenössischen Ausprägung der ET, die zu einer Darstellung der ET überleitet (siehe Link am Ende des Kritikabschnitts), in der die Kritik inkorporiert ist.
Hättest Du im Futuyma nachlesen können.
Diese Kritik wurde erhoben und auf die Kritik wurde eingegangen. Wesentliche Teile der Kritik wurden in die ET in zeitgenössischer Ausprägung integriert. Wie das geschehen ist, wie die ET da, wo mit nicht kompatiblen Beobachtungen argumentiert wurde, teils mit eigenen Submodellen antwortet, das ist doch im Futuyma beschrieben.
Ist ja schön, dass du hier in Dauerwiederholung "steht doch im Futuyma" schreibst. Du brauchst aber Content oder irgendeine Form von Eigenleistung oder Transferwissen. Ansonsten können wir uns das hier sparen.
Anton B. hat geschrieben: ↑Mi 5. Aug 2020, 00:04
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Aug 2020, 13:46
Ich habe doch zu dem Nature-Artikel verlinkt. Wenn schon eine Debatte mit Stellungnahmen in Nature auftaucht, reicht das für mich von zwei Schulen zu sprechen.
Ok, dann sind es halt für Dich Schulen. Ich nenne es dann erst einmal "
eine Debatte mit Stellungnahmen in Nature".
Wie würdest du denn die beiden Gruppen, die da aufeinandertreffen, bezeichnen?
Anton B. hat geschrieben: ↑Mi 5. Aug 2020, 00:04
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Aug 2020, 13:46
Eine andere Schule wird ja in dem Lennox-Artikel des Companion erwähnt, der mit "serve to differentiate a “Darwinian” approach to evolutionary biology from other approaches" schließt.
Entweder hält man den Artikel für Unsinn oder man stellt fest, dass es tatsächlich Schulenbildung in der ET gibt.
Ich halte den Beitrag von Lennox für alles andere als Unsinn. Du hast Dein Zitat auch aus dem Zusammenhang gerissen und falsch interpretiert:
Lennox hat geschrieben:
I have argued that, despite the radical changes broug about by the fusion of the theory with Mendelism via mathematical population genetics, those core principles survive, and serve to differentiate a "Darwinism" approach to evolutionary biology from other approaches. -- Lennox in Sarkar & Plutynski (: 95)
Mit "... from other approaches" meint Lennox Ansätze außerhalb der ET und nicht Schulen innerhalb der ET.
Du kannst nicht alles haben: Entweder Lennox beschreibt da die ET an sich, und nicht nur eine "Neo-Darwinistische" Spielart derselben. In dem Fall hast du ja einen Artikel in deinem Companion über die strukturellen und logischen Probleme der Theorie, die es eigentlich nicht geben soll. Oder es gibt halt unterschiedliche Schulen.
Anton B. hat geschrieben: ↑Mi 5. Aug 2020, 00:04
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Aug 2020, 13:46
Denn der Unterschied Subtheorie/Schule ist klar: Kompatibilität (ja/nein).
Klar ist für mich, dass "Subtheorie" eine Subtheorie und "Schule" hier eine Denk-, Methodentradition usw. bzw. -Bewegung oder -Strömung darstellt.
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Aug 2020, 13:46
Wie z. B. zwei verschiedene Ansätze bzgl. der Einheit der Selektion kompatibel sein können, erschließt sich mir nicht. Wie soll Multilevel selection mit z. B. Dawkins Ansatz, "die Einheit der Selektion sind die Gene, fertig" kompatibel sein? Es ist ja nicht so, dass Dawkins sagt "manchmal macht es Sinn, Gene als Einheit der Selektion zu betrachten".
Wenn Du den Futuyma hast, lese doch einfach mal darin!
Wie oft willst du das noch schreiben?
Selektion auf Gen-Ebene wie bei Dawkins ist inkompatibel mit Multi-Level* wie von Futuyma.
* eine Mischung verschiedener Erklärungsansätze ist ok, solange es eine Meta-Theorie geben würde, die einem sagt, was der Beitrag der unterschiedlichen Ansätze denn nun sein soll. So etwas existiert aber nicht. Das ist ein Punkt, den Futuyma mit ein bisschen Slapstick überspielt.
Anton B. hat geschrieben: ↑Mi 5. Aug 2020, 00:04
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Aug 2020, 13:46
Es ist ja nicht so, dass man mit ihr echte Vorhersagen treffen könnte. Dafür müssten offensichtlich mindestens die strukturellen Eigenschaften des Organismus in die Formulierung der Theorie eingehen. Aber das ist gerade nicht der Fall.
Siehe das Beispiel mit den Strumpfbandnattern und den Rauhaut-Molchen. "Die Theorie" sagt einem nicht, dass die Resistenz der Nattern auch mit einem Nachteil, verminderter Kriechgeschwindigkeit, daherkommt. Dafür müsste Wissen über die Physiologie (Struktur) des Organismus Natter eingehen.
Es ist kein Wissen über die Natter vorhanden? Die Molche, das Räuber-Beute-Verhältnis, die Ökologie sind unbekannt? Was möchtest Du sagen. Ich verstehe es nicht.
Transferleistung! Vergleich das doch mal mit wissenschaftlichen Theorien wie wir sie sonst kennen. Die zerlegen die Welt in Details, die beachtet werden müssen und Details, die ausgeblendet werden können.
Viele Details über unser Sonnensystems, wie die chemische Zusammensetzung der Planeten oder auch nur die Beschaffenheit der Rückseite des Mondes (bis zur Umkreisung durch Luna 3), waren lange Zeit unbekannt. Dennoch ist die Theorie (hier Newtonsche Mechanik oder ART) in der Lage von diesen Details zu abstrahieren und Aussagen über die Umlaufbahnen der Himmelskörper zu treffen.
Die ET kann derartiges nicht. Es gibt schlichtweg kein Detail, von dem man im Voraus weiß, dass man es ausblenden kann.
Allein schon, dass sie von der inneren Struktur der Organismen nicht abstrahieren kann, macht macht sie so komplett unnütz und sinnlos. Sie kann
nicht mal unter hochkontrollierten Laborbedingungen die Frage "Werden Coli-Bakterien die Fähigkeit, diese und jene Zucker zu metabolisieren, erlangen?" beantworten.
Anton B. hat geschrieben: ↑Mi 5. Aug 2020, 00:04
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Aug 2020, 13:46
Sie ist auch überhaupt nicht in der Lage Nachteil und Vorteil gegeneinander abzuwägen. Am Ende stellt man nur durch Beobachtung fest: Hier haben die Nattern eine Resistenz entwickelt. Beitrag der Theorie: 0%. Und auf die Folgerung, dass sie diese aufgrund der Giftigkeit der Molche ausgebildet haben, wäre wahrscheinlich auch Aristoteles gekommen.
Klar. Auf was genau wäre Aristoteles denn gekommen? Gott hat die Nattern als erfolgreiches Steinchen in einem ganzheitlichen System so geschaffen? Die Natternindividuen haben spezifisch bei Kontakten mit den Molchen individuell als Abwehrmechanismus eine Resistenz entwickelt und die auf ihre Sprösslinge vererbt? Eine Selektion findet so gar nicht statt. Na, ja, und dann gibt es da noch die ET.
Die nichts mehr sagen kann als Aristoteles: Die Nattern haben ihre Resistenz entwickelt, weil es für sie vorteilhaft ist. Nur dass Aristoteles diesen unverstandenen Prozess in ein teleologisches Kostüm gepackt hätte, wohingegen die ET ihn mechanistisch verkleidet.
Dir erscheint die ET so selbstverständlich und trivial, dass Du die Leistung und den Benefit gar nicht mehr erkennen kannst. Vor noch nicht einmal 200 Jahren war die Vorstellung der natürlichen Selektion aber fremd.
Nein, da hast du mich grundlegend falsch verstanden. Trivial/selbstverständlich ist was völlig anderes als tautologisch/inhaltsleer. Die Keimtheorie der Infektionskrankheiten wird man heute als trivial oder selbstverständlich ansehen. Aber sie ist natürlich absolut nicht tautologisch oder inhaltsleer. Absolut nicht. Aristoteles konnte nur
sehr viel schlechtere Ratschläge bzgl. der Vermeidung von Infektionskrankheiten geben als jeder gewöhnliche Landarzt heute.
In dem Moment wo Aristoteles gelernt hätte, dass gewisse Krankheiten durch Bakterien verursacht werden, und dass es Medikamente gibt, die diese töten ohne dem Körper zu schaden, hätte er ohne ET nach seiner eigenen teleologischen Theorie schließen können, dass diese Medikamente evtl. ihre Wirksamkeit verlieren können, weil sich die Bakterien anpassen. Er hätte nicht sagen können, wie lange das dauert oder welche Arten von Bakterien Resistenzen entwickeln werden, und ob die resistenten Bakterien weniger aggressiv oder gefährlich sind. Kurz, er hätte genau das sagen können, was uns ein moderner Evolutionsbiologe sagen kann. Nämlich nichts interessantes.
Ergo, "sehe" ich tatsächlich keinen Benefit in der ET. Was für einen sollte sie auch haben? Sie gibt einem kein Instrument zur Hand um auch nur irgendwelche Aussagen über zukünftige Entwicklungen zu treffen. Oder auch nur um
mögliche von
unmöglichen Entwicklungen zu trennen. Es ist eher eine Art kurioses Schema, wie der historische Materialismus, um sich
im Nachhinein Erklärungen
zusammenzubasteln.
Es bliebe der Gedanke, dass die ET doch wenigstens ausschließt, dass die Entwicklung eines Lebewesens nicht über einen Umweg verlaufen kann, der negativ für das Lebewesen ist. Dafür muss man aber auf das "engineer's criterion" für Fitness von Gould rekurrieren. Denn über die
propensity-Interpretation geht es nicht, schließlich kann die nicht sauber zwischen short-term fitness und long-term fitness unterscheiden. Prozesse wo eine Eigenschaft erst zu geringerer Reproduktionsrate und später zu höherer Reproduktionsrate führt, kann man jedenfalls beobachten.
Und das "engineer's criterion" ist so eine Sache. Denn es gibt wirklich viele Tierarten, die für den Menschen wie Murks-Design wirken. Wie z. B. der Mondfisch, der nicht mal eine Schwimmblase besitzt.
Anton B. hat geschrieben: ↑Mi 5. Aug 2020, 00:04
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Aug 2020, 13:46
Um wieder on-topic zu kommen: Seite 126, "A Companion to the Philosophy of Biology". Was ist denn deine Meinung dazu? Ist ja nur eine Seite. Zufriedenstellende Erwiderung?
Insbesondere das hier:
Philosophers and biologists have responded to this charge in two ways. First, they point out that even if some component of evolutionary theory were a tautology, this does not mean that evolutionary theory as a whole is “untestable” or “true by definition.” There is a lot more to evolutionary theory besides the definition of fitness. Even if it is true by definition that “bachelors are unmarried” this doesn’t mean there aren’t empirical ways of finding out about other facts concerning bachelors, such as which people are bachelors and whether they eat mac and cheese. Similarly, if a claim about fitness is true by definition, this doesn’t mean there aren’t empirical ways of finding out about fitness (Sober, 1984). So even if some notion of fitness were tautological, this wouldn’t have the dire consequences for evolutionary theory that these critics sometimes suggest.
Ich habe mir das Kapitel durchgelesen. Probleme habe ich damit keine. Zumal ja hauptsächlich der Ausdruck des "survival of the fittest" (als angenommener Proxy für "natürliche Selektion") betrachtet wird. Die Kongruenz der beiden Wirkprinzipien wurden ja nun eingehend diskutiert. Wir sprechen lieber von "natürlicher Selektion". "Survival of the fittest" ist "flawed". Schaue mal in den Futuyma, wie oft Du dort (und wenn, in welchem Kontext) dieses "survival of the fittest" findest.
Fass es doch mal selber zusammen, damit ich auch sehe, dass
du das tatsächlich gelesen hast. Mir kommen deine andauernden Futuyma-Verweise nämlich wie eine Hinhalte-Taktik vor.
Sich am Slogan "Survival of the Fittest" aufzuhängen, der ja nur der "Eröffner" für diesen sehr kurzen Abschnitt ist, ist i. Ü. etwas billig.
Futuyma definiert Fitness über
propensity. In dem Abschnitt auf Seite 126 am Ende wird genau darauf eingegangen. Es sagt nicht mehr als: "Was passiert ist, ist passiert, weil es wahrscheinlicher war als seine Alternative". Das ist, wie gesagt, keine naturwissenschaftliche Angelegenheit. Es bezieht sich nicht auf Wissen, das empirisch gerechtfertigt werden musste, sondern befindet sich rein auf der Ebene unseres Denkens über Wahrscheinlichkeiten.
Die Definition von Natürlicher Selektion leidet genau unter den gleichen Defekten:
"This preservation of favourable variations and the rejection of injurious variations, I call Natural Selection" (Darwin). Dafür muss man sagen können, was vorteilhaft ("favourable") und was schädlich ("injurious") bedeutet.
Bring da mal
selber was! Wie definiert man das? Über das "engineer's criterion" von Gould? Oder tautologisch über "Vorteilhaft ist das, was die Natürliche Selektion bewahrt. Schädlich ist das, was die Natürliche Selektion verwirft"?