Alles Teufelszeug? VI

closs
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#181 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Di 16. Mai 2017, 08:22

Münek hat geschrieben:Glaube Du mir lieber, dass sich Berger in seiner ablehnenden Begründung nur auf EINE EINZIGE Bibelstelle stützt.
Ich glaube Dir, dass dies in dem Dir zugänglichen Text so ist. Meine Aussage ist: Er würde diese Stelle nicht zitieren, wenn sie nicht ein kontextuelles Verständnis wiedergeben würde.

Münek hat geschrieben:Behauptungen ohne Belege sind nichts wert.
Ich soll Dir die Im-Großen-und-Ganzen-Haltung der Großkirchen belegen,
a) verweise auf viele Gespräche mit Theologen aus verschiedenen Universitäten,
b) verweise auf Quellen, die vor allem Halman in seiner Ordentlichkeit im Laufe dieser langen Diskussion eingestellt hat,
c) rege an, dass Du selber Tests machst, indem Du Dich in verschiedenen Unis schlau machst,
und Du nennst das "laienhaft" - so als ob Du mit solchen Manövern ungeschehen machen könntest, was die Haltung der Großkirchen ist.

Münek hat geschrieben:Diesen Satz habe ich nicht verstanden.
Du willst die hermeneutischen Ergebnisse der HKM mit der Haltung der Großkirchen abgleichen, forderst mich auf es zu tun, wo ich es doch schon weiß, und weigerst Dich, es selber zu tun.

Münek hat geschrieben:Ich scheue mich nicht, Wahrheiten schonungslos auszusprechen. Das musst Du ertragen.
Ich ertrage, dass Du die Ergebnisse Deiner Ersatz-Religion offensiv vertrittst - so wie ich bspw. Hemuls kreationistische ZJ-Auffassungen ertrage. - SChwer erträglich ist es jedoch, wenn Du Deine Auffassung unter dem Etikett "Aufklärung" u.ä. vertrittst und sie den Groß-Kirchen unterstellst - damit provozierst Du etwas zu sehr.

Münek hat geschrieben:Dennoch verbleibt es bei meinem Rat an Dich, endlich mal einen Blick in den Weltkatechismus der RKK zu werfen, um Dir einen Einblick über die katholische Auffassung zur Ur- und Erbsünde und dem schuldigen Stammelternpaar Adam und Eva zu verschaffen.
Was da steht, verstehst Du falsch - glaube mir. - Die RKK versteht Adam und Eva NICHT kreationistisch.

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Münek
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#182 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » Do 18. Mai 2017, 00:02

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Glaube Du mir lieber, dass sich Berger in seiner ablehnenden Begründung nur auf EINE EINZIGE Bibelstelle stützt.
Ich glaube Dir, dass dies in dem Dir zugänglichen Text so ist. Meine Aussage ist: Er würde diese Stelle nicht zitieren, wenn sie nicht ein kontextuelles Verständnis wiedergeben würde.
Sein "kontextuelles Bibelverständnis" mag sein, wie es ist. Aber als Exeget kann Berger in seinem Buch "Die Bibelfälscher" nicht SÄMTLICHE relevanten Bibelstellen - bis auf EINE - bei seinen "wissenschaftlichen" Betrachtungen außen vor lassen. Das ist in höchsten Maße unredlich und unwissenschaftlich - und das weißt Du auch.

Als ernstzunehmende Gegenstimme zum wissenschaftlichen Konsens in der neutestamentlichen Exegese zu Jesu Irrtum kommt Berger ganz gewiss nicht in Betracht.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Behauptungen ohne Belege sind nichts wert.
Ich soll Dir die Im-Großen-und-Ganzen-Haltung der Großkirchen belegen,
a) verweise auf viele Gespräche mit Theologen aus verschiedenen Universitäten,
b) verweise auf Quellen, die vor allem Halman in seiner Ordentlichkeit im Laufe dieser langen Diskussion eingestellt hat,
c) rege an, dass Du selber Tests machst, indem Du Dich in verschiedenen Unis schlau machst,
Du sollst nicht verweisen und anregen, sondern Deine obskuren Behauptungen endlich einmal nachlesbar BELEGEN.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich scheue mich nicht, Wahrheiten schonungslos auszusprechen. Das musst Du ertragen.
Ich ertrage, dass Du die Ergebnisse Deiner Ersatz-Religion offensiv vertrittst - so wie ich bspw. Hemuls kreationistische ZJ-Auffassungen ertrage.
Ach Du lieber Himmel. :roll: Die historisch-kritische Exegese und ihre wissenschaftlichen Ergebnisse stellen doch keine ERSATZ-RELIGION dar.

closs hat geschrieben:SChwer erträglich ist es jedoch, wenn Du Deine Auffassung unter dem Etikett "Aufklärung" u.ä. vertrittst und sie den Groß-Kirchen unterstellst - damit provozierst Du etwas zu sehr.
Dass sich die Groß-Kirchen nicht zum Konsens ihrer wissenschaftlichen Theologen zu Jesu Irrtum äußern, ist doch nicht mein Problem. Du kannst redlicherweise aus ihrem beredten Schweigen jedoch nicht folgern, sie verträten die genaue die Gegenmeinung zur Auffassung der Exegese.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Dennoch verbleibt es bei meinem Rat an Dich, endlich mal einen Blick in den Weltkatechismus der RKK zu werfen, um Dir einen Einblick über die katholische Auffassung zur Ur- und Erbsünde und dem schuldigen Stammelternpaar Adam und Eva zu verschaffen.
Was da steht, verstehst Du falsch - glaube mir.
Warum sollte ich jemandem glauben, der sich beharrlich weigert, die nicht misszuverstehenden Aussagen in den Dokumenten des katholischen Weltkatechismus durch persönliches Lesen zur Kenntnis zu nehmen? Du weigerst Dich ja auch, einen Blick in Bergers
Buch "Die Bibelfälscher" oder in Lehrbücher der theologischen Exegese zu werfen...


closs hat geschrieben:Die RKK versteht Adam und Eva NICHT kreationistisch.
Ich habe keine Ahnung, wie Kreationisten "Adam und Eva" verstehen.

Hingegen lese ich im Weltkatechimus der RKK, dass durch den Ungehorsam unserer Stammeltern Adam und Eva die Sünde und der Tod in die Welt eintraten. Damit folgt sie Paulus. Der Katechismus bezeichnet den biblischen Bericht über den "Sündenfall" als die Beschreibung eines Urereignisses, das zu Beginn der Geschichte des Menschen STATTGEFUNDEN hat.


Und noch mehr Märchenhaftes/Mythologisches weiß der WELT-Katechismus (Nr. 390, 391) zu berichten:

Die Offenbarung gibt uns die Glaubensgewissheit, dass die ganze Menschheitsgeschichte durch die Ursünde gekennzeichnet ist, die UNSERE STAMMELTERN FREIWILLIG BEGANGEN HABEN. Hinter der Entscheidung unserer Stammeltern zum Ungehorsam steht eine verführerische widergöttliche Stimme, die sie aus NEID in den Tod fallen lässt. Die Schrift und die Überlieferung der Kirche erblicken in diesem Wesen einen GEFALLENEN ENGEL, der Satan :devil: oder Teufel :devil: genannt wird.

:lol: :lol: :lol: Sei mal ehrlich. Wer kann sowas heutzutage ernst nehmen?

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#183 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Do 18. Mai 2017, 00:39

Münek hat geschrieben:Das ist in höchsten Maße unredlich und unwissenschaftlich - und das weißt Du auch.
Nein - das "weiß" ich nicht - wenn ich etwas "weiß", dann ist es, dass Du sehr unvorsichtig und leichtfertig mit BEgriffen wie "unredlich" und "unwissenschaftlich" umgehst. - Nicht alles, was der eigenen Hermeneutik widerspricht, ist "unredlich" und "unwissenschaftlich". - Geh einfach davon aus, dass es Leute gibt, die Bibelstellen, die Du in Deinem Sinne als "relevant" bezeichnest, aus ihren ebenfalls wissenschaftlichen Gründen heraus anders bewerten.

Münek hat geschrieben:Du sollst nicht verweisen und anregen, sondern Deine obskuren Behauptungen endlich einmal nachlesbar BELEGEN.
Nicht schon wieder - dieser Zug ist abgefahren. - Alle Wissenschaftler oder Interpretationen, die der von Dir vertretenen Hermeneutik widersprechen, wurden bisher als "unredlich", "unwissenschaftlich" und sonstwas weggeschoben - damit fange ich nicht noch mal an.

Das macht erst dann Sinn, wenn die Bedeutung unterschiedlicher Hermeneutiken einer Untersuchung verstanden werden: Wovon geht eine Untersuchung x aus? - Welche Prämissen stecken in ihr, bevor das eigentliche Forschen beginnt? - Das haben wir noch nicht geschafft. - Wir reden hier primär nicht von Naherwartung, sondern von Grundlagen von Wahrnehmung/Untersuchungen/Wissenschaft.

Münek hat geschrieben:Die historisch-kritische Exegese und ihre wissenschaftlichen Ergebnisse stellen doch keine ERSATZ-RELIGION dar.
Aber mancher ihrer Interpretationen. - Theißen macht diesen Fehler NICHT, weil er in seinem Vorwort ausdrücklich einräumt, dass seine Ergebnisse nur methodische Untersuchungen sein können - es könnte also in Wirklichkeit ganz anders sein.

Münek hat geschrieben:Du kannst redlicherweise aus ihrem beredten Schweigen jedoch nicht folgern, sie verträten die genaue die Gegenmeinung zur Auffassung der Exegese.
Nicht "folgern", sondern es ist einfach so. - Kathpedia habe ich Dir längst zitiert - nicht dass Kathpedia eine hochwissenschaftliche Instanz wäre, aber dort findet man den Status Quo der kirchlichen Theologien zitiert. - Und dieser Status Quo passt haargenau zu dem, was ich in 30 Jahren von unterschiedlichsten Theologen von Dorfpfarrer bis Dozenten gehört habe - letztlich: "Die Naherwartung ist ein Steckenpferd der HKM, die inner-theologisch ganz anders interpretiert wird".

Münek hat geschrieben:Warum sollte ich jemandem glauben, der sich beharrlich weigert, die nicht misszuverstehenden Aussagen in den Dokumenten des katholischen Weltkatechismus durch persönliches Lesen zur Kenntnis zu nehmen?
Hä? - Natürlich kenne ich diese Stelle. - Aber man kann sie nur dann in Deinem Sinne "nicht missverstehen", wenn man auf eine merkwürdige Weise die Bibel liest.

Münek hat geschrieben: Der Katechismus bezeichnet den biblischen Bericht über den "Sündenfall" als die Beschreibung eines Urereignisses, das zu Beginn der Geschichte des Menschen STATTGEFUNDEN hat.
Aber doch nicht biologisch/naturalistisch/physisch. - Wie stellst Du Dir denn vor, dass es im Sinne Deiner Unterstellung gemeint ist, wenn die RKK gleichzeitig die Evolutionstheorie voll akzeptiert. - Das würde sich doch widersprechen, wenn man Adam und Eva so versteht, wie Du es unterstellst.

Münek hat geschrieben:Sei mal ehrlich. Wer kann sowas heutzutage ernst nehmen?
Jemand, der in der Lage ist, geistige Texte zu lesen, kann das sehr wohl ernst nehmen. - Ich könnte es Dir philosophisch in etwa übersetzen - aber dann ist es nicht mehr "fürs Volk" verständlich. Man muss in Bildern/Chiffren sprechen, um geistige Inhalte zu vermitteln.

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sven23
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#184 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Fr 19. Mai 2017, 15:22

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich habe noch keine wissenschafltiche Begründung gehört.
Aber doch nur deshalb, weil Du "Wissenschaft" so definierst, dass nur "Deines" übrigbleibt - das sind Tricks, die nur intern ankommen.
Nein, das kommt daher, weil man nun mal Wissenschaft von Glaubensdogmatik trennen muss. Beide haben keine Schnittmengen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das tut doch niemand. Z. B. wird "Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen...." oder "Ich bin gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israels gesandt...." ganz klar Jesus zugeordnet.
Auch dazu wurde schon vieles gesagt - was aber in Deinem hermeneutischen Ansatz keinen Platz hat. - Das macht solange nichts, solange man die eigene Hermeneutik nicht exklusiv setzt - aber genau das tust Du.
Unsinn, in der historischen Forschung hat nun mal nur wissenschaftliche Methodik was zu suchen. Glaubensdogmatiker müssen draußen bleiben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Gehandelt, bzw. geschrieben hat er jedenfalls in der Tradition frommer Schummeleien.
Auch das ist eine ausschließlich eigen-hermeneutische Interpretation.
Nee, das ist in der historischen Forschung Allgemeingut. Allen Schreibern ging es nie um die historische Wahrheit. Das Schlimme ist, dass die Kirche die unhistorischen Glaubenspropagandaschriften nachträglich - nachdem sie sie fleißig in ihrem Sinne mit verändert hatte- zu sog. Heiligen Schriften, also Gottes Wort, erklärt hat. Zusätzliches wurde alles in ein unsägliches Dogmenkorsett gezwungen und durfte fortan bei Lebensgefahr nicht angezweifelt werden. Der eigentliche Sündenfall der Kirche, der durchaus Parallelen zum Sündenfall im Islam hat.




closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die wesentlichen Unterschiede wurden schon von Strauß herausgearbeitet und haben Bestand bis in die heutige Forschung.
NAtürlich gibt es Unterschiede - theologisch ist die Frage eine ganz andere: Ist Paulus authentisch zu Jesus?
Nur sehr periphär. Das meiste am Christentum ist paulinische Eigenkreation.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Pauli Nahherwartung ist doch bereits Umdeutung der Naherwartung auf Jesus selbst.
Warum so kompliziert? - Paulus hat den Naherwartungs-Volksglauben zeitweise übernommen und erst später gemerkt, dass er damit NICHT auf der Linie von Jesus ist.
Es ist nicht kompliziert, sondern von der Forschung sauber aufgearbeitet worden.
Jesus glaubte in jüdischer Tradition an die (seiner Meinung nach) unmittelbar bevorstehende Gottesherrschaft auf Erden.
Als diese nach seinem Tod ausblieb, deutete man die Naherwartung auf Jesus selbst um. Der Verkünder wurde zum Verkündeten.
Als auch diese ausblieb, erfand Paulus die Idee der Parusieverzögerung.
Man verschob also ständig die Torpfosten, ein Prozess, der bis heute anhält, wenn man sich die theologischen Ausreden (Stetserwartung usw) ansieht.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Finde ich nicht gut, wie du die Offenbarung des Propheten Joseph Smith abqualifizierst.
:?: - Kenne ich nicht.
Muss man nicht kennen, aber im Rahmen der Allgemeinbildung sollte man schon mal was von ihm gehört haben. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Davon abgesehen. Die biblischen Texte wurden weder von Augen- noch von Ohrenzeugen geschrieben.
Ja und? - Irgendwoher haben sie es gehört - da gibt es doch Quellen dazu.
Genau, irgendwoher.
Und wie das mit der stillen Post in Echtzeit funktioniert, wissen wir auch. Zwischen den Evangelien und dem Tod Jesus liegen Jahrzente der Legendenbildung. Lange Zeit fragte man sich in der Forschung, ob man überhaupt noch was Historisches aus den Texten ziehen konnte.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Aber als Ganzes: Never.
Falsch - nach Hoyingen-Hüne wäre Theologie "Wissenschaft".
Das entscheidet nicht ein Hoyingen-Hüne. Theologie ist nur in Teilbereichen wissenschaftlich und aus diesem Bereich kommt der Gegenwind für die Glaubensdogmatiker.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn du in eine Radarkontrolle gerätst, dann ist das Ergebnis (Knöllchen) unmittelbare Folge der (Mess)-Methode.
Was hat das mit HKM und Theologie zu tun? - Zur Erinnerung: Wir sprechen gerade NICHT von Wissenschaften, die experimentell überprüfen können.
Der Vergleich zielt darauf ab, dass Ergebnisse nicht Schuld einer Methodik sind, sondern die Methodik lediglich die Ergebnisse aufzeigt.
Ähnlich wie die Doppelblindstudien in der Homöopathie. Die Studien können nichts dafür, dass Globuli nicht wirken, das liegt allein an den Globuli. Die Methodik macht dies nur für alle sichtbar.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und deshalb hat man so große Probleme mit der historischen Jesusforschung.
Man hat nicht Probleme mit Sachergebnissen der HKM, sondern mit einer HKM-Hermeneutik, die Sachergebnisse offensiv an der Theologie vorbei interpretiert.
Die HKM-Hermeneutik ist nun mal eine wissenschaftliche. Wenn Glaubensdogmatiker damit Probleme haben, ist das deren Problem.
Die Bergers und Ratzingers sind nun mal keine Wissenschaftler.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Die Kirche lebt faktisch davon, daß die Ergebnisse der wissenschaftlichen Leben-Jesu-Forschung in ihr nicht publik sind"
Eine komplette Überschätzung der HKM - in der theologischen PRaxis hat man ganz andere Probleme.
Nein, eine realistische Einschätzung von Conzelman, die bis heute anhält.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#185 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Fr 19. Mai 2017, 18:06

sven23 hat geschrieben:das kommt daher, weil man nun mal Wissenschaft von Glaubensdogmatik trennen muss. Beide haben keine Schnittmengen.
Du sagst damit: Hermeneutische Ausgangslage und wissenschaftliche Bearbeitung derselben haben keine Schnittmengen. Das kann man vermutlich sogar so sehen - nur: Was ändert das daran, dass auf Basis einer hermeneutischen Ausgangslage wissenschaftlich gearbeitet wird? - Du schießt doch mit Deiner Bemerkung sowohl die knonik als auch die HKM ab.

sven23 hat geschrieben: in der historischen Forschung hat nun mal nur wissenschaftliche Methodik was zu suchen.
Nicht nur da - Du unterschiedest nach wie vor nicht zwischen "hermeneutische Ausgangslage" und "wissenschaftliche Bearbeitung derselben".

sven23 hat geschrieben:das ist in der historischen Forschung Allgemeingut.
Im historisch-kritischen Sinne ist das im Eigenverständnis so interpretierbar (wobei man es aus meiner Sicht auch innerhalb der HKM anspruchsvoller machen kann).

sven23 hat geschrieben:Nur sehr periphär. Das meiste am Christentum ist paulinische Eigenkreation.
Kannst Du unterscheiden zwischen "Jesus-Interpretation" und "Eigen-Kreation"? - Hinweis: Das sind nicht text-technische Fragen, sondern geistige Fragen.

sven23 hat geschrieben:Jesus glaubte in jüdischer Tradition an die (seiner Meinung nach) unmittelbar bevorstehende Gottesherrschaft auf Erden.
Das ist ein Ergebnis, das allenfalls aus der historisch-kritischen Hermeneutik erklärbar ist. Christlich-theologisch stellt sich dies im gesamt-biblischen Kontext anders dar. - Dass auf Deiner Grundlage Deine folgenden Schlussfolgerungen nachvollziehbar sind, ist richtig - die Frage jedoch bleibt, ob Dein hermeneutíscher Ansatz richtig ist. - Und da würde die christlich-theologische Hermeneutik im Großen und Ganzen NEIN sagen.

Du scheinst immer noch zu meinen, die Tatsache, dass die HKM wissenschaftlich arbeitet, sei Gewähr für deren hermeneutischen Schlussfolgerungen - das ist ein Denkfehler.

sven23 hat geschrieben:Muss man nicht kennen, aber im Rahmen der Allgemeinbildung sollte man schon mal was von ihm gehört haben.
Die Philosophie des Mormonentums gehört also bei uns zur Allgemeinbildung - sehr interessant. :lol:

sven23 hat geschrieben:Und wie das mit der stillen Post in Echtzeit funktioniert, wissen wir auch. Zwischen den Evangelien und dem Tod Jesus liegen Jahrzente der Legendenbildung. Lange Zeit fragte man sich in der Forschung, ob man überhaupt noch was Historisches aus den Texten ziehen konnte.
Das ist ein normaler Vorgang: Da ist eine historische Grundlage ("das, was wirklich der Fall war"), die im Laufe der Zeit immer wieder neu rezipiert wird - dabei wird richtig und falsch rezipiert und beides ist schwer auseinander zu halten.

Nuhn kann die HKM einiges dazu beitragen, das eine vom anderen zu unterscheiden - aber im Fall der Bibel auch nur auf Basis von Rezeptionen (und nicht des Originals) - UND das alles nur im Sinne ihres eigenen hermeneutischen Verständnisses. - Also allein hier sind schon zwei Einflussgrößen, die vom Original (Jesus) wegführen können, wenn auch nicht müssen. - Deshalb entscheidet sich die Theologie, es zwar mit Hilfe der HKM, aber nicht mit deren Hermeneutik zu interpretieren - und zwar gesamthaft geistig zu interpretieren.

sven23 hat geschrieben:Das entscheidet nicht ein Hoyingen-Hüne.
Das entscheidet niemand - es gibt dazu unterschiedliche wissenschafts-theoretische Ansätze, die alle in sich begründbar sind. - Und einmal setzt sich der eine Ansatz mehr durch und dann der andere.

sven23 hat geschrieben:Der Vergleich zielt darauf ab, dass Ergebnisse nicht Schuld einer Methodik sind, sondern die Methodik lediglich die Ergebnisse aufzeigt.
Das ist naiv gedacht. - Natürlich zeigt eine Methodik Ergebnisse auf, aber ob sie richtig sind in Bezug auf "das, was damals wirklich der Fall war", ist damit nicht entschieden. - Es zeigt lediglich, welches Ergebnis herauskommt, wenn man eine bestimmte Methodik anwendet. - Es ist aus obengenannten Gründen in der Naturwissenschaft leichter, Koinzidenzen zwischen "methodischem Ergebnis" und "dem, was wirklich der Fall ist" aufzuzeigen - in Geisteswissenschaften ist es viel schwerer bis unmöglich.

sven23 hat geschrieben:Die HKM-Hermeneutik ist nun mal eine wissenschaftliche.
Die HKMK-Hermeneutik ist wie jede Hermeneutik weder wissenschaftlich noch unwissenschaftlich, sondern eine Grundlage, von der aus man wissenschaftlich oder unwissenschaftlich arbeitet.

sven23 hat geschrieben:eine realistische Einschätzung von Conzelman, die bis heute anhält.
Aber doch nur in einem Kreis, der irgendwo im Umfeld der Theologie angesiedelt ist und aus eigenen Prämissen genauso denkt. - Also letztlich eine weltanschauliche Aussage.

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#186 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Fr 19. Mai 2017, 20:06

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:das kommt daher, weil man nun mal Wissenschaft von Glaubensdogmatik trennen muss. Beide haben keine Schnittmengen.
Du sagst damit: Hermeneutische Ausgangslage und wissenschaftliche Bearbeitung derselben haben keine Schnittmengen. Das kann man vermutlich sogar so sehen - nur: Was ändert das daran, dass auf Basis einer hermeneutischen Ausgangslage wissenschaftlich gearbeitet wird? - Du schießt doch mit Deiner Bemerkung sowohl die knonik als auch die HKM ab.
Überhaupt nicht. HKM ist die Standardmethode in der historischen Forschung, Kanonik hat überhaupt nichts zu tun mit historischer Forschung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: in der historischen Forschung hat nun mal nur wissenschaftliche Methodik was zu suchen.
Nicht nur da - Du unterschiedest nach wie vor nicht zwischen "hermeneutische Ausgangslage" und "wissenschaftliche Bearbeitung derselben".
Natürlich unterscheide ich das ganz entschieden. Deshalb hat doch Glaubensdogmatik nichts in der historischen Forschung verloren.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nur sehr periphär. Das meiste am Christentum ist paulinische Eigenkreation.
Kannst Du unterscheiden zwischen "Jesus-Interpretation" und "Eigen-Kreation"? - Hinweis: Das sind nicht text-technische Fragen, sondern geistige Fragen.
Nicht nur, es sind auch Verständnisfragen und damit Hermeneutikfragen der ursprünglichen Textintention.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Jesus glaubte in jüdischer Tradition an die (seiner Meinung nach) unmittelbar bevorstehende Gottesherrschaft auf Erden.
Das ist ein Ergebnis, das allenfalls aus der historisch-kritischen Hermeneutik erklärbar ist. Christlich-theologisch stellt sich dies im gesamt-biblischen Kontext anders dar. - Dass auf Deiner Grundlage Deine folgenden Schlussfolgerungen nachvollziehbar sind, ist richtig - die Frage jedoch bleibt, ob Dein hermeneutíscher Ansatz richtig ist. - Und da würde die christlich-theologische Hermeneutik im Großen und Ganzen NEIN sagen.
Genau deshalb hat Glaubenshermeneutik in der historischen Forschung nichts zu suchen.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Muss man nicht kennen, aber im Rahmen der Allgemeinbildung sollte man schon mal was von ihm gehört haben.
Die Philosophie des Mormonentums gehört also bei uns zur Allgemeinbildung - sehr interessant. :lol:
Das Mormonentum hat immerhin 15 Millionen Mitglieder, fast doppelt so viele wie die Zeugen Jehovas. Auch wenn die Offenbarungsstory an Peinlichkeit nicht zu überbieten ist, kann man ja mal was von ihr gehört haben, oder vielleicht gerade deshalb.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und wie das mit der stillen Post in Echtzeit funktioniert, wissen wir auch. Zwischen den Evangelien und dem Tod Jesus liegen Jahrzente der Legendenbildung. Lange Zeit fragte man sich in der Forschung, ob man überhaupt noch was Historisches aus den Texten ziehen konnte.
Das ist ein normaler Vorgang: Da ist eine historische Grundlage ("das, was wirklich der Fall war"), die im Laufe der Zeit immer wieder neu rezipiert wird - dabei wird richtig und falsch rezipiert und beides ist schwer auseinander zu halten.
Und genau das ist die Aufgabenstellung an die Forschung. Kanonik hat diesen Anspruch überhaupt nicht.

closs hat geschrieben: Nuhn kann die HKM einiges dazu beitragen, das eine vom anderen zu unterscheiden - aber im Fall der Bibel auch nur auf Basis von Rezeptionen (und nicht des Originals) - UND das alles nur im Sinne ihres eigenen hermeneutischen Verständnisses. - Also allein hier sind schon zwei Einflussgrößen, die vom Original (Jesus) wegführen können, wenn auch nicht müssen. - Deshalb entscheidet sich die Theologie, es zwar mit Hilfe der HKM, aber nicht mit deren Hermeneutik zu interpretieren - und zwar gesamthaft geistig zu interpretieren.
Genau aus diesem Grund hält sich die Forschung an die Textquellen und befreit den Kern von den kontaminierten Rezeptionsschichten, während Kanonik nur die letzten, teils von der Kirche selbst kontaminierten Endfassungen zur göttlichen Wahrheit verklärt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das entscheidet nicht ein Hoyingen-Hüne.
Das entscheidet niemand - es gibt dazu unterschiedliche wissenschafts-theoretische Ansätze, die alle in sich begründbar sind. - Und einmal setzt sich der eine Ansatz mehr durch und dann der andere.
Seit Beginn der historischen Forschung hat sich nichts an den Grundsätzen geändert. Glaubenshermeneutik hat hier nichts verloren.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der Vergleich zielt darauf ab, dass Ergebnisse nicht Schuld einer Methodik sind, sondern die Methodik lediglich die Ergebnisse aufzeigt.
Das ist naiv gedacht. - Natürlich zeigt eine Methodik Ergebnisse auf, aber ob sie richtig sind in Bezug auf "das, was damals wirklich der Fall war", ist damit nicht entschieden. - Es zeigt lediglich, welches Ergebnis herauskommt, wenn man eine bestimmte Methodik anwendet. - Es ist aus obengenannten Gründen in der Naturwissenschaft leichter, Koinzidenzen zwischen "methodischem Ergebnis" und "dem, was wirklich der Fall ist" aufzuzeigen - in Geisteswissenschaften ist es viel schwerer bis unmöglich.
Deshalb arbeitet man in der historischen Forschung nicht mit Blindstudien, sondern mit einem ausgefeilten Methodenapparat. Die Ergbnisse sind teils extrem robust und nicht auf Glaubensentscheidungen angewiesen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die HKM-Hermeneutik ist nun mal eine wissenschaftliche.
Die HKMK-Hermeneutik ist wie jede Hermeneutik weder wissenschaftlich noch unwissenschaftlich, sondern eine Grundlage, von der aus man wissenschaftlich oder unwissenschaftlich arbeitet.
Die historisch-kritische Methode ist eine wissenschaftliche Methodik. Glaubenshermeneutik nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:eine realistische Einschätzung von Conzelman, die bis heute anhält.
Aber doch nur in einem Kreis, der irgendwo im Umfeld der Theologie angesiedelt ist und aus eigenen Prämissen genauso denkt. - Also letztlich eine weltanschauliche Aussage.
Nein, eine Situationsbeschreibung der Theologie und dem gesellschaftlichen Umgang damit.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#187 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Fr 19. Mai 2017, 20:51

sven23 hat geschrieben:HKM ist die Standardmethode in der historischen Forschung, Kanonik hat überhaupt nichts zu tun mit historischer Forschung.
Das kann man mehr oder weniger stehen lassen - nur: Das hat überhaupt nichts mit meiner Aussage zu tun.

sven23 hat geschrieben:Natürlich unterscheide ich das ganz entschieden.
Dann weißt Du doch, dass eine Hermeneutik einen Ausgangspunkt setzt, der selbst NICHT Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung ist.

sven23 hat geschrieben: Deshalb hat doch Glaubensdogmatik nichts in der historischen Forschung verloren.
Du bringst da was durcheinander.

sven23 hat geschrieben:Nicht nur, es sind auch Verständnisfragen und damit Hermeneutikfragen der ursprünglichen Textintention.
Natürlich gehört Verständnis dazu - aber die Frage ist doch: In welchem hermeneutischem Sinne? - Verstehst Du (bspw.) "Gott hielt den Lauf der Sonne an" unter naturwissenschaftlichen oder unter geistig-spirituellen Gesichtspunkten? Je nach dem, wie Du es machst, wird Dein Verständnis komplett unterschiedlich sein.

sven23 hat geschrieben:Genau deshalb hat Glaubenshermeneutik in der historischen Forschung nichts zu suchen.
Umgekehrt: Historisch-kritische Forschung ist bei theologischer Hermeneutik eine Hilfsdisziplin, aber kein Entscheider.

sven23 hat geschrieben:Und genau das ist die Aufgabenstellung an die Forschung. Kanonik hat diesen Anspruch überhaupt nicht.
Natürlich macht sie das - ihre Aufgabe ist es, zwischen geistig richtigen und falschen Rezeptionen Jesu zu unterscheiden (wobei ich nicht behaupte, dass dies immer gelingt). - Was also die HKM in Bezug auf erste Rezeptionen ("Original") tut, tut die Kanonik in Bezug auf Jesus.

sven23 hat geschrieben:Genau aus diesem Grund hält sich die Forschung an die Textquellen und befreit den Kern von den kontaminierten Rezeptionsschichten
Du meinst mit "Forschung" wahrscheinlich den historisch-kritischen Anteil davon: Und da ist festzustellen, dass die HKM nur untersuchen kann, wie sich etwas in Bezug auf kalibrierte Bezugs-Quellen ändert. - Aber sie kann nicht überprüfen, welche dieser Änderungen einen ERkenntnis-Fortschritt zu diesen Quellen stattfindet.

Ein ganz einfaches (ausdrücklich erfundenes) Beispiel: Wenn eine Quelle vom Vater als göttlich, die andere Quelle vom Sohn als göttlich und die dritte Quelle vom Heiligen Geist als göttlich spricht, kann eine nachfolgende Theologie auf die Idee kommen, daraus eine Trinität ("Erkenntnis-Fortschritt") zu machen - selbst wenn keiner der drei Quellen, auf die man sich bezieht, jemals von Trinität gesprochen haben.

So etwas würde man als hermeneutische Entwicklung (siehe "hermeneutischer Zirkel") verstehen, allenfalls noch als Veränderung, aber nie als Kontaminierung. - Kompliziert wird es allerdings dadurch, dass es daneben wirkliche Kontaminierungen geben kann - aber das kann die HKM nicht beurteilen, weil dies geistige Fragen sind, für die sich die HKM aufgrund ihrer Hermeneutik nicht zuständig fühlt.

sven23 hat geschrieben:Deshalb arbeitet man in der historischen Forschung nicht mit Blindstudien, sondern mit einem ausgefeilten Methodenapparat. Die Ergbnisse sind teils extrem robust und nicht auf Glaubensentscheidungen angewiesen.
Das ist eben der große Irrtum. - Du verkennst, dass der methodisch-hermeneutische Ansatz bereits präjudizierend ist für spätere Schlussfolgerungen.

Oder anders gesagt: Meinst Du ernsthaft, dass die Kirchen-Theologen deshalb NICHT von einer Naherwartung Jesu ausgehen, weil sie
a) zu blöde sind, die Bibel zu kennen,
b) HKM-Interpretationen zurückhalten, obwohl sie richtig sind,
c) zu blöde sind, die HKM-Methodik zu kennen und zu können??????

sven23 hat geschrieben:Die historisch-kritische Methode ist eine wissenschaftliche Methodik.
Darüber waren wir uns immer einig. - Es geht hier ausschließlich um das, was festgelegt wird, bevor wer-auch-immer beginnt zu forschen. - Oder anders: Die Wissenschaftlichkeit einer Methodik merzt doch nicht deren PRämissen (hier: kritisch-rationale Prämissen) aus - sie ist nur ergebnisoffen auf dem Feld, das sie bearbeiten kann.

sven23 hat geschrieben:Nein, eine Situationsbeschreibung der Theologie und dem gesellschaftlichen Umgang damit.
Du objektivierst Deine Hermeneutik - das tut nicht mal Ratzinger.

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#188 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Fr 19. Mai 2017, 21:17

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nicht nur, es sind auch Verständnisfragen und damit Hermeneutikfragen der ursprünglichen Textintention.
Natürlich gehört Verständnis dazu - aber die Frage ist doch: In welchem hermeneutischem Sinne? - Verstehst Du (bspw.) "Gott hielt den Lauf der Sonne an" unter naturwissenschaftlichen oder unter geistig-spirituellen Gesichtspunkten? Je nach dem, wie Du es machst, wird Dein Verständnis komplett unterschiedlich sein.
In der historischen Forschung geht es darum, wie der Textverfasser es verstanden hat und in der Folge seine Leserschaft.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Genau deshalb hat Glaubenshermeneutik in der historischen Forschung nichts zu suchen.
Umgekehrt: Historisch-kritische Forschung ist bei theologischer Hermeneutik eine Hilfsdisziplin, aber kein Entscheider.
In der historischen Forschung ist die HKM der alleinige Entscheider.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und genau das ist die Aufgabenstellung an die Forschung. Kanonik hat diesen Anspruch überhaupt nicht.
Natürlich macht sie das - ihre Aufgabe ist es, zwischen geistig richtigen und falschen Rezeptionen Jesu zu unterscheiden (wobei ich nicht behaupte, dass dies immer gelingt). - Was also die HKM in Bezug auf erste Rezeptionen ("Original") tut, tut die Kanonik in Bezug auf Jesus.
Man sollte nicht so tun, als habe Kanonik irgendwelche geheimen Textquellen, mit deren Hilfe sie dem historischen Jesus näher käme als die historische Jesusforschung. Die Textquellen sind die gleichen und nur eine wissenschafliche Bearbeitung derselben erlaubt historische Rückschlüsse. Heilige Geister und Glaubensdogmatik sind eine andere Abteilung, in der Glaubensentscheide gefragt sind.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Genau aus diesem Grund hält sich die Forschung an die Textquellen und befreit den Kern von den kontaminierten Rezeptionsschichten
Du meinst mit "Forschung" wahrscheinlich den historisch-kritischen Anteil davon: Und da ist festzustellen, dass die HKM nur untersuchen kann, wie sich etwas in Bezug auf kalibrierte Bezugs-Quellen ändert. - Aber sie kann nicht überprüfen, welche dieser Änderungen einen ERkenntnis-Fortschritt zu diesen Quellen stattfindet.
Das können auch Glaubensdogmatiker nicht, sie behaupten es einfach, und haben den "Vorteil", dies nicht objektiv belegen zu müssen. In der Wissenschaft ist das ein "no go".

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb arbeitet man in der historischen Forschung nicht mit Blindstudien, sondern mit einem ausgefeilten Methodenapparat. Die Ergbnisse sind teils extrem robust und nicht auf Glaubensentscheidungen angewiesen.
Das ist eben der große Irrtum. - Du verkennst, dass der methodisch-hermeneutische Ansatz bereits präjudizierend ist für spätere Schlussfolgerungen.
Das ist ein alter Hut. Schon Bultmann sagte, dass es keine voraussetzungsloge Exegese geben kann.



„Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben. Und wer meint, es für seine Person tun zu können, muß sich klar machen, daß er, wenn er das für die Haltung des christlichen Glaubens erklärt, damit die christliche Verkündigung in der Gegenwart unverständlich und unmöglich macht.“
– Rudolf Bultmann: Neues Testament und Mythologie. 1941, 18

„Voraussetzungslose Exegese kann es nicht geben. … Unabdingliche Voraussetzung aber ist die historische Methode in der Befragung der Texte. Exegese ist ja als Interpretation historischer Texte ein Stück Geschichtswissenschaft.“
(Ist voraussetzungslose Exegese möglich?, 1957, S. 410)



closs hat geschrieben: Oder anders gesagt: Meinst Du ernsthaft, dass die Kirchen-Theologen deshalb NICHT von einer Naherwartung Jesu ausgehen, weil sie
a) zu blöde sind, die Bibel zu kennen,
Das hat weniger mit Blödheit zu tun als mit ideologischem Scheuklappendenken oder der Angst, an dem Ast zu sägen, auf dem man sitzt.


closs hat geschrieben: b) HKM-Interpretationen zurückhalten, obwohl sie richtig sind,
Die Forschungsergebnisse werden nicht offensiv kommuniziert (Conzelmann läßt grüßen)

closs hat geschrieben: c) zu blöde sind, die HKM-Methodik zu kennen und zu können??????
Das Problem ist doch nicht, dass Glaubensdogmatiker die Ergebnisse nicht kennen. Sie leugnen und ignorieren sie oder sie leben in einer schizophrenen Situation wie Lindemann.
Laut Lindemann sind übrigenes Ratzinger und Berger keine "ernst zu nehmenenden Exegeten". Ich denke, die Mehrheit der Forschung wird ihm da zustimmen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die historisch-kritische Methode ist eine wissenschaftliche Methodik.
Darüber waren wir uns immer einig. - Es geht hier ausschließlich um das, was festgelegt wird, bevor wer-auch-immer beginnt zu forschen. - Oder anders: Die Wissenschaftlichkeit einer Methodik merzt doch nicht deren PRämissen (hier: kritisch-rationale Prämissen) aus - sie ist nur ergebnisoffen auf dem Feld, das sie bearbeiten kann.
Es sollte aber auch klar sein, dass man in der historischen Forschung mit Glaubens- und Märchenhermeneutik nicht weit kommt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, eine Situationsbeschreibung der Theologie und dem gesellschaftlichen Umgang damit.
Du objektivierst Deine Hermeneutik - das tut nicht mal Ratzinger.
Conzelmann beschreib die Situation in der kirchlichen Theolgie. An dieser Befundlage hat sich nichts Grundsätzliches geändert.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#189 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Fr 19. Mai 2017, 21:43

sven23 hat geschrieben:In der historischen Forschung geht es darum, wie der Textverfasser es verstanden hat und in der Folge seine Leserschaft.
Das geht in die richtige Richtung - wobei hinzuzufügen ist, wie es der Textverfasser aus unserer Verständnis-Hermeneutik verstanden hat.

sven23 hat geschrieben:In der historischen Forschung ist die HKM der alleinige Entscheider.
Nein - wenn Du "historisch" gleichsetzt mit "wirklich", ist dies NICHT so. - Wenn Du "historisch" verstehst als Folge historisch-kritischer Ergebnisse, hast Du recht. - Aber wir waren uns eigentlich mal darüber einig, dass "historisch" ein ontologischer und kein methodischer Begriff ist, also das meint, "was damals wirklich der Fall war". - Also: NEIN.

sven23 hat geschrieben:Man sollte nicht so tun, als habe Kanonik irgendwelche geheimen Textquellen, mit deren Hilfe sie dem historischen Jesus näher käme als die historische Jesusforschung.
So tut auch keiner - aber sie versteht diese Texte im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Untersuchungen aufgrund ihrer eigenen Hermeneutik anders.

sven23 hat geschrieben:Das können auch Glaubensdogmatiker nicht, sie behaupten es einfach
Nee - sie behaupten es nicht "einfach", sondern kommen in komplizierten, vernetzten, jahrhundertelang währenden Forschungen zu ihren Ergebnissen - das ist der "hermeneutische Zirkel".

sven23 hat geschrieben:„Voraussetzungslose Exegese kann es nicht geben. … Unabdingliche Voraussetzung aber ist die historische Methode in der Befragung der Texte. Exegese ist ja als Interpretation historischer Texte ein Stück Geschichtswissenschaft.“
(Ist voraussetzungslose Exegese möglich?, 1957, S. 410)
Mit "Voraussetzung" ist hoffentlich nicht das Lesen der Texte gemeint - das wäre lächerlichst. - Versucht da jemand, das Problem der Setzungen über eine Slapstick-Pointe auszuhebeln?

Zur Klarstellung: "Voraussetzungslose Exegese" kann es deshalb nicht geben, weil es keine Hermeneutik gibt, die selber voraussetzungsfrei ist - das hat mit dem Lesen der Texte überhaupt nichts zu tun. - Nebenbei: Könntest Du mal den Text einstellen, der bei Dir als "..." ausgelassen ist? - Vielleicht steht da was drin, was die Sache klärt.

sven23 hat geschrieben: Sie leugnen und ignorieren sie oder sie leben in einer schizophrenen Situation wie Lindemann.
Deine Antworten auf a) - c) machen deutlich, dass Du einer großangelegten Verschwörungstheorie aufsitzt - komplett inakzeptabel und ganz und gar nicht satisfaktionsfähig.

sven23 hat geschrieben:Es sollte aber auch klar sein, dass man in der historischen Forschung mit Glaubens- und Märchenhermeneutik nicht weit kommt.
Da gibt es doch natürliche Grenzen - und da kann auch die HKM mit ihren Sachergebnissen helfen, die nach wie vor in der Theologie sehr geschätzt sind.

sven23 hat geschrieben:Conzelmann beschreib die Situation in der kirchlichen Theolgie. An dieser Befundlage hat sich nichts Grundsätzliches geändert.
Standortbedingt. - So wie sich von unserem täglichen Erleben die Sonne um die Erde dreht (sie Sonne geht auf und unter), so gibt es eine HKM-Befundlage. - Und so gibt es übrigens auch eine theologische Befundlage - aber die Theologie kennt ihre Position ("Glaubensentscheid" = "was passiert aus UNSERER hermeneutischen Sicht).

Diese Position wird auch der HKM zugestanden ("aus unserer hermeneutischen Position stellen sich die Texte SO dar") - aber bitte nicht mit Absolutitätsanspruch, sondern mit KEnntlichmachung, dass man den damit verbundenen "Glaubensentscheid" verstanden hat - mehr verlangt doch keiner.

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#190 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Sa 20. Mai 2017, 07:52

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:In der historischen Forschung geht es darum, wie der Textverfasser es verstanden hat und in der Folge seine Leserschaft.
Das geht in die richtige Richtung - wobei hinzuzufügen ist, wie es der Textverfasser aus unserer Verständnis-Hermeneutik verstanden hat.
Im Gegensatz dazu verfährt die Kanonik genau andersrum. Sie interessiert sich nicht für die ursprüngliche Bedeutung eines Textes, sondern für deren kontaminierte Endfassung, auf die die Kirche kräftig Einfluss genommen hat.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:In der historischen Forschung ist die HKM der alleinige Entscheider.
Nein - wenn Du "historisch" gleichsetzt mit "wirklich", ist dies NICHT so. - Wenn Du "historisch" verstehst als Folge historisch-kritischer Ergebnisse, hast Du recht. - Aber wir waren uns eigentlich mal darüber einig, dass "historisch" ein ontologischer und kein methodischer Begriff ist, also das meint, "was damals wirklich der Fall war". - Also: NEIN.
Also: Ja!
"Was damals wirklich der Fall war" ist ein potemkinsches Dorf. Man wird zu jeder Historie sagen können: aber eigentlich könnte es auch anders gewesen sein. Das führt zu nichts. Wir können uns Historie nur über die Quellen (Texte, Artefakte, archäologische Funde) erschließen. Was anders haben wir nicht zu Verfügung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man sollte nicht so tun, als habe Kanonik irgendwelche geheimen Textquellen, mit deren Hilfe sie dem historischen Jesus näher käme als die historische Jesusforschung.
So tut auch keiner - aber sie versteht diese Texte im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Untersuchungen aufgrund ihrer eigenen Hermeneutik anders.
Kanonik betreibt keine Wissenschaft. Wer den Heiligen Geist benötigt und Texte als irrtumsfrei voraussetzt, verabschiedet sich aus der Wissenschaft. Kirche hat nie Wissenschaft betrieben. Im Gegenteil hat Augustinus mit seinem Neugierdeverbot (curiositas) wissenschaftliche Neugier be- und verhindert.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das können auch Glaubensdogmatiker nicht, sie behaupten es einfach
Nee - sie behaupten es nicht "einfach", sondern kommen in komplizierten, vernetzten, jahrhundertelang währenden Forschungen zu ihren Ergebnissen - das ist der "hermeneutische Zirkel".
Was du als "Forschung" adeln willst ist nichts anderes als schmoren im glaubenshermeneutischen Eigensaft. (siehe Curiosita-Verbot des Augustinus)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:„Voraussetzungslose Exegese kann es nicht geben. … Unabdingliche Voraussetzung aber ist die historische Methode in der Befragung der Texte. Exegese ist ja als Interpretation historischer Texte ein Stück Geschichtswissenschaft.“
(Ist voraussetzungslose Exegese möglich?, 1957, S. 410)
Mit "Voraussetzung" ist hoffentlich nicht das Lesen der Texte gemeint - das wäre lächerlichst. - Versucht da jemand, das Problem der Setzungen über eine Slapstick-Pointe auszuhebeln?
Bultmann war kein Slapsticker. Ihm war klar, dass es keine vorraussetzungslose Exegese geben kann. siehe oben

closs hat geschrieben: Zur Klarstellung: "Voraussetzungslose Exegese" kann es deshalb nicht geben, weil es keine Hermeneutik gibt, die selber voraussetzungsfrei ist - das hat mit dem Lesen der Texte überhaupt nichts zu tun. -
Hat Bultmann auch nicht behauptet.

„Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben. Und wer meint, es für seine Person tun zu können, muß sich klar machen, daß er, wenn er das für die Haltung des christlichen Glaubens erklärt, damit die christliche Verkündigung in der Gegenwart unverständlich und unmöglich macht.“
– Rudolf Bultmann: Neues Testament und Mythologie. 1941, 18

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Sie leugnen und ignorieren sie oder sie leben in einer schizophrenen Situation wie Lindemann.
Deine Antworten auf a) - c) machen deutlich, dass Du einer großangelegten Verschwörungstheorie aufsitzt - komplett inakzeptabel und ganz und gar nicht satisfaktionsfähig.
Lindemann ist kein Verschwörungstheoretiker. Er spiegelt nur die schizophrene Situation in der Theologie wider. Einerseits will man wissenschaftlich arbeiten, andererseits will man das Glaubenskonstrukt aufrecht erhalten, das gerade durch den wissenschaftlichen Teil der Theologie stark in Frage gestellt wird.
Pointierter als Lindemann kann man diese Situation nicht beschreiben. Auf die Frage des Spiegel, ob es seinen Glauben erschüttern könne, wenn sich alles an der Figur des Jesus als erfunden erweisen würde, antwortet er: nicht im geringsten.

Mehr Immunisierung gegen die Forschung geht nicht. Dabei bleiben natürlich Wissenschaft und Redlichkeit auf der Strecke.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Conzelmann beschreib die Situation in der kirchlichen Theolgie. An dieser Befundlage hat sich nichts Grundsätzliches geändert.
Diese Position wird auch der HKM zugestanden ("aus unserer hermeneutischen Position stellen sich die Texte SO dar") - aber bitte nicht mit Absolutitätsanspruch, sondern mit KEnntlichmachung, dass man den damit verbundenen "Glaubensentscheid" verstanden hat - mehr verlangt doch keiner.
Genau das macht die Forschung. Theißen betont doch immer wieder, dass es keine absolute Sicherheit geben kann. Aber eins ist auch klar. Mit historisch-kritischer Methode hat man eine vielfach höhere Wahrscheinlichkeit, sich Historie zu nähern als mit Glaubensbekenntnissen.
Deshalb kann Theißen unumwunden sagen:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

Und selbst einer der bedeutendsten katholischen Theologen des 20. Jahrhunderts leugnet die Naherwartung Jesu nicht.

"...daß wir.....unbefangen, ehrlich, nüchtern und deutlich zugeben müssen, daß es bei Jesus wirklich eine zeitliche Naherwartung gegeben hat, die so....sich nicht erfüllt hat"
Karl Rahner
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