Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
closs
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#1731 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mo 26. Okt 2015, 21:25

SilverBullet hat geschrieben:Darfst du das nicht zugeben, weil du ansonsten nicht mehr behaupten kannst „an Gott glauben zu können“?
Vollumfängliches Missverständnis. - Jeder Christ weiss, dass er Gott in seinem Wesen nicht gänzlich erkennen kann, sondern sieht ihn in seinen Eigenschaften, die er (der Christ) spürt oder geistig-intellektuell erschließt. - Deine vollständige Vermutung gibt es nicht in spirituellen Dingen - sie wird auch nicht gefordert.

Wenn Du so willst, handelt es sich um einen kulturell jahrtausendelang belegte und individuell gespürte Vermutung, die deshalb nicht vollständig ist, weil sie das Große sucht, das größer ist als das, was innerhalb menschen-gemachter Methodik vollständig darstellbar ist. - Insofern ist Dein Ansatz nach einer vollständigen Vermutung ijBezug auf Geistiges vom Ansatz her falsch.

Pluto
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#1732 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Mo 26. Okt 2015, 22:36

Savonlinna hat geschrieben:Aber auch Zeugenaussagen genügen. Wenn Millionen Menschen einmütig bestätigen, dass die Farben im Wachtraum im realen Leben niemals diese Ausdruckskraft haben, haben können, dass die Schöhheit dieser Gesichter im realen Leben nicht möglich ist - dann ist das intersubjektiv vorhanden.
Mit "Farben" hast du dir ein denkbar schlechtes Beispiel ausgesucht.
Die Welt "da draußen" ist nicht bunt.
Farben entstehen als Konstrukte in unserem Gehirn.
Selbst wenn es Millionen Menschen meinen es so zu sehen, ist deine Behauptung dass Farben im Weltraum weniger ausdrucksstark sind, objektiv falsifiziert.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Savonlinna
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#1733 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Mo 26. Okt 2015, 22:47

NIS hat geschrieben: Was wäre, wenn Licht und Schatten durch die Sonne harmonisch werden und automatisch zusammenarbeiten und Hand in Hand gehen?
Denn ohne Licht kein Schatten und ohne Finsternis kein Weltall! :Herz: :wave:
Ja, das kommt auch sehr viel mehr der Realität nahe.

Auch die Verbrecherpsychologie arbeitet so. Sie sucht, vornehmlich im jugendlichen Verbrecher, nach dem, was er durch sein Verbrechen kompensierem wollte. Und nur so kann dem Verbrecher geholfen werden, zu verstehen, was ihn zu dem Verbrechen getrieben hat: ein an sich positiver Trieb, der aus irgend einem Grund sich nicht durchsetzen konnte.
Und wenn ihm das klar geworden ist, kann er vom Verbrechen ablassen: weil erkannt wurde, dass auch das Verbrechen ein Versuch zur Ganzheit war und nichts Destruktives in sich selber.

Die Geschichte der literarischen Dichtung ist voll von solchen Beispielen.

So wird zur Zeit in den Gymnasien in der Oberstufe Schillers "Verbrecher aus verlorener Ehre" durchgekaut, es wird in anderthalb Jahren Abiturthema sein.
In dieser Erzählung zeigt Schiller Schritt für Schritt auf, wie ein Verbrecher, der am Ende einen Mord begeht - und dafür geköpft wird - , in die verbrecherische Existenz gelangt ist:
letztlich durch das Bedürfnis, ein vollwertiger Mensch und Mitglied der Gesellschaft zu werden, darin aber immer mehr gescheitert ist.

Nach dem Mord wird er in seiner ganzen Haltung zum ersten Mal in seinem Leben das, was er selber als "gut" bezeichnet.

So zeigt Schiller genau das auf, was Du schreibst, NIS:
Licht und Schatten, Schatten und Licht arbeiten zusammen. Sie arbeiten niemals gegeneinander.

SilverBullet
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#1734 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von SilverBullet » Mo 26. Okt 2015, 22:53

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Darfst du das nicht zugeben, weil du ansonsten nicht mehr behaupten kannst „an Gott glauben zu können“?
Vollumfängliches Missverständnis. - Jeder Christ weiss, dass er Gott in seinem Wesen nicht gänzlich erkennen kann
„in seinem Wesen nicht gänzlich erkennen kann“?

Warum kannst du nicht einfach sagen: „ich habe keine Ahnung, was Gott sein soll“?

closs hat geschrieben:Wenn Du so willst, handelt es sich um einen kulturell jahrtausendelang belegte und individuell gespürte Vermutung
„individuell gespürte Vermutung“?

Das bedeutet, ein Wahrnehmungssystem, das nicht weiss, wie es selbst zustande kommt, hat keine direkte Vermutung, sondern es glaubt, nachdem es den „freundlichen Hinweis“ durch andere Wahrnehmungssysteme erhalten hat, zu spüren, dass eine Vermutung in „Richtung des Grossen“, das über alles Wahrnehmbare hinausragen, also schlicht nicht wahrnehmbar sein soll, sinnvoll sein könnte.

Wirkt diese gigantische Menge an Unwissen und „mit Anlauf, keinen blassen Schimmer haben“ auf dich tatsächlich so preisverdächtig, dass am Ende die „grosse Belohnung“ wartet, wenn sich das Wahrnehmungssystem vortäuscht „an Inhalt zu glauben“?

…offensichtlich, denn „du bist ja fast gänzlich“ am Ziel…

(Erstaunlich)

Samantha

#1735 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Samantha » Mo 26. Okt 2015, 23:06

Hemul hat geschrieben:Aus Lukas 22:3 geht hervor, dass der Oberspitzbube bei ganz wichtigen Angelegenheiten selbst von einem Menschen Besitz ergreift:
3 Aber Satan fuhr in Judas, der Iskariot genannt wurde und aus der Zahl der Zwölf war.
In wieweit trägt Judas dann an seinem Verrat die Schuld?

Und aus 1.Timotheus 4:1+2 geht unmissverständlich hervor, dass die Gehilfen des Oberspitzbuben auch heute sehr emsig tätig sind:
1 Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten manche vom Glauben abfallen werden, indem sie auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen achten, 2 durch die Heuchelei von Lügenrednern, die in ihrem eigenen Gewissen gebrandmarkt sind,
Schau doch mit welchen Tricks hier gearbeitet wird. ;)
Ja, aber ... dies hat mit Exorzismus doch nichts zu tun. Mir ist schon klar, dass böse Geistwesen ganz interessante Lehren anbieten könn(t)en, aber dies wohl eher indirekt durch andere Menschen und einem entsprechendem Umfeld. Sie können kaum andere Menschen "besitzen", sondern müssen eher viele Menschen wie Puzzleteile manipulieren. Vielleicht ist ihre Macht heutzutage begrenzt.

closs
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#1736 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mo 26. Okt 2015, 23:06

SilverBullet hat geschrieben:Warum kannst du nicht einfach sagen: „ich habe keine Ahnung, was Gott sein soll“?
Weil das falsch wäre - die Vorstellungen zu Gott sind kultur-übergreifend ziemlich homogen.

SilverBullet hat geschrieben: also schlicht nicht wahrnehmbar sein soll
In seiner Dimension für uns nicht wahrnehmbar ist - aber mit unseren Möglichkeiten an-wahrnehmbar ist.

SilverBullet hat geschrieben:Erstaunlich
Das sollte die richtige Reaktion sein - Erstaunen. - Aber materialistisch ist das nicht machbar.

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Savonlinna
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#1737 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Mo 26. Okt 2015, 23:06

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Aber auch Zeugenaussagen genügen. Wenn Millionen Menschen einmütig bestätigen, dass die Farben im Wachtraum im realen Leben niemals diese Ausdruckskraft haben, haben können, dass die Schöhheit dieser Gesichter im realen Leben nicht möglich ist - dann ist das intersubjektiv vorhanden.
Mit "Farben" hast du dir ein denkbar schlechtes Beispiel ausgesucht.
Nein, das Beispiel trifft genau das, was ich zeigen wollte. Es stammt ja aus meiner eigenen Erfahrung.

Pluto hat geschrieben:Die Welt "da draußen" ist nicht bunt.
Das weiß jeder. ;)

Pluto hat geschrieben:Farben entstehen als Konstrukte in unserem Gehirn.
Ja, so ungefähr.

Pluto hat geschrieben:Selbst wenn es Millionen Menschen meinen es so zu sehen, ist deine Behauptung dass Farben im Weltraum weniger ausdrucksstark sind, objektiv falsifiziert.
Huch? Verwechselst Du mich mit jemandem? Hast Du was Ähnliches grad in einem anderen Forum gelesen und meinst, das war hier im Forum?
Solch eine Behauptung habe ich nie aufgestellt. Von Weltraum** habe ich ebenfalls nicht geredet.
** Ich seh grad: Du hast "Weltraum" gelesen, wo ich "Wachtraum" geschrieben habe. :smiley15:

Allerdings bringst Du mich durch Dein Missverständnis auf eine Idee:
Wie entstehen Deiner Kenntnis nach die Farben der inneren Bilder?

closs
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#1738 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mo 26. Okt 2015, 23:10

Samantha hat geschrieben:In wieweit trägt Judas dann an seinem Verrat die Schuld?
Der Begriff "Schuld" ist sehr unterschiedlich verstehbar. - Die einen verstehen darin (wie etwa im Strafrecht) etwas willentlich Verursachtes - andere (u.a. ich) ein objektives Attribut des Menschseins (= jeder trägt es, egal ob er will oder nicht).

Man müsste also "Schuld" erst einmal definieren, bevor man es anwendet. - Die heute in der Theologie vorherrschende Version ist allerdings die des Strafrechts - der Mensch muss es "gewollt" haben. - Ich sehe das nicht so.

Pluto
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#1739 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Mo 26. Okt 2015, 23:52

closs hat geschrieben:
Samantha hat geschrieben:In wieweit trägt Judas dann an seinem Verrat die Schuld?
Der Begriff "Schuld" ist sehr unterschiedlich verstehbar. - Die einen verstehen darin (wie etwa im Strafrecht) etwas willentlich Verursachtes - andere (u.a. ich) ein objektives Attribut des Menschseins (= jeder trägt es, egal ob er will oder nicht).
Für mich ist Judas eine sehr traurige Figur in der Bibel (wenn nicht die Traurigste überhaupt). Er musste zum Verbrecher werden, damit Gottes Wille in Erfüllung gehen kann.

Wenn man dann auch noch davon ausgeht, dass alles von Gott gefügt ist,wie ist es dann noch möglich, dass Judas Schuld tragen kann?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Novas
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#1740 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Novas » Di 27. Okt 2015, 00:24

@savonlinna

Die größte Fotocommunity der Welt - "flickr", wo jeder seine Fotos hochladen und einem Millionen-, wenn nicht Milliardenpublikum zur Kenntnis bringen kann - ist der größte Beweis dafür, mit welcher Leidenschaft die Hobby-Fotografen hinter unserer Alltagswelt das "Geistige" fotografisch zu erwischen suchen.
Je mehr das gelingt, desto höher ist die Klickzahl der User.

Die literarische Kunst, die bildnerische Kunst, auch die Fernsehkrimis, sie alle versuchen zu einem gewissen Anteil das Gleiche.
Verlassene Bahhnöfe, dunkle Straßen, ein Niemandsland, eine Grenze - alles "magische" Orte, mythische Orte, die das Unbewusste, das Geistige in uns ansprechen. Wir bevölkern sie mit unseren Erinnerungen, dazu ist Kunst ja auch da. Sie bietet diese Orte an in ihrer Magie, und wir finden ein Stück von uns selbst in ihnen.

Sehr gut gesagt, Sav. Ich lege bei Jesus ein gutes Wort für Dich ein. :lol: insbesondere deine Hinweise auf Kunst/ Literatur und deine eigene Erfahrung finde ich besonders ansprechend. Wenn Du etwas persönlich mitteilst und weniger in der Haltung der Kritik bleibst. Die persönliche Mitteilung bringt mehr, sie kommuniziert wirklich etwas. Da ist dann richtiges Leben drin.... Geist...oder eben der „Seelenfunke“, um ein Bild von Eckhart zu wählen... und der lässt sich eben auch auf keine Religion begrenzen. Dein Denkansatz ähnelt doch teilweise auch Galater 5,1: „Für die Freiheit hat Christus frei gemacht. Steht nun fest und lasst euch nicht wieder durch ein religiöses Konzept belasten

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