Ich nehme an, alle Diskudanden hier stimmen folgendem Satz zu:
"Alle mentalen Fähigkeiten des Menschen basieren auf hirnphysiologischen Prozessen, die wiederum auf gewissen physikalischen Prozessen beruhen."
Was sind
mentale Fähigkeiten?
Ich fasse hierunter sämtliche Denkleistungen, zu denen Menschen fähig sind sowie jede Art von Emotionen, von Wünschen, Hoffnungen, Befürchtungen, Absichten, aber auch die Fähigkeit zu Schmerzempfindungen und zur Empfindung von Qualia usw. Ebenso fasse ich unter mentale Fähigkeiten Bewusstsein, Selbstbewusstein und die Fähigkeit, sich selbst beobachten zu können etc.
Die zentrale Frage ist nun,
in welcher Beziehung all diese
mentalen Fähigkeiten zu
hirnphysiologischen Prozessen und den
physikalischen Prozessen, auf denen hirnphysiologische Prozesse basieren, stehen?
Ein wichtiges Ergebnis der philosophischen Diskussion dieses Problems besteht darin, dass man festgestellt hat, dass
mentale Fähigkeiten und
mentale Eigenschaften des Menschen bzw. seines Gehirns nicht so einfach auf hirnphysiologische Prozesse und physikalische Prozesse im Gehirn
reduziert werden können.
Es hat sich herausgestellt, dass eindeutig vorhandene mentale Fähigkeiten nicht
identisch sind mit bestimmten physikalischen Prozessen im Gehirn.
Eine Analyse der Sprache, mit der wir über mentale Fähigkeiten sprechen und eine Analyse der Sprache, mit der wir über physikalische Ereignisse und Fakten sprechen erweist, dass beide miteinander inkompatibel sind. Hier zeigt sich ein
Kategorienproblem, von dem weiter oben bereits die Rede war.
So können wir z.B. sinnvoll sagen:
"Ich spüre einen starken, pochenden Schmerz in einem meiner linken unteren Backenzähne."
Person X kann aber nicht sinnvoll äußern:
"Ich spüre einen starken, pochenden Schmerz in den C-Nervenfasern, die sich von meinem Backenzahn zum Schmerzzentrum meines Gehirns verzweigen. Man spürt keinen Schmerz in seinen Nervenfasern und auch nicht in dem Bereich des Gehirns, welches die Nervenreizungen des Zahns als Zahnschmerz interpretiert. Man spürt die Qualität eines Schmerzes (pochend und stark) aber nicht die Nerven oder Hirnaktivität, die kausal diesen Schmerz bewirkt. Man kann auch nicht sinnvoll sagen:
"Meine C-Nervenfasern sind pochend und stark aktiv."
Man kann sinnvoll äußern:
"Ich bin sehr traurig." Man kann aber nicht sinnvoll sagen:
"Mein hinterer rechter Gehirnbereich ist sehr traurig" (auch wenn das der Bereich des Hirns sein sollte, wo die Traurigkeit entsteht).
Dies ist ein Beleg dafür, dass unsere Ausdrücke, mit denen wir mentale Zustände beschreiben nicht
identisch sein können mit den Ausdrücken, mit denen wir hirnphysiologische und physikalische Zustände beschreiben. Die Ausdrücke, mit denen wir mentale Zustände beschreiben und die Ausdrücke, mit denen wir physikalische Zustände beschreiben, gehören
unterschiedlichen logischen Kategorien an.
Wenn man nun
mentale Zustände und Fähigkeiten auf
neurophysiologische und physikalische Prozesse reduzieren will, bedarf es einer (philosophischen!) Theorie, die erklärt, wie das funktionieren kann. Dies muss eine Theorie sein, die neuronale und physikalische Beschreibungen in mentale Beschreibungen übersetzen kann. Man muss
Brückengesetze formulieren können, die eine solche Beziehung zwischen physikalischen Prozessen und mentalen Zuständen plausibel erklären können.
Eine mögliche Erklärung ist in der Tat der
Substanzdualismus Descartes, der behauptet, es gäbe eine körperunabhängige Seele, die für alle mentalen Fähigkeiten und Zustände zuständig ist und die aber auf den Körper zu wirken vermag. Es ist dann die res cogitans, die denkt, Gefühle hat, Absichten und Hoffnungen hat, Schmerzen empfindet usw. Diese Seele interagiert mit dem Körper.
Die probleme dieses Substanzdualismus sind aber so groß, dass sie praktisch kaum ein Philosoph mehr vertritt. Wie soll denn eine körperlose Seele mit dem Körper interagieren können? Und warum brauchen wir ein so komplexes und großes Hirn, wenn alle mentalen Fähigkeiten und Zustände eigentlich von der Seele ausgehen usw.
Aber auch eine
Identitätstheorie scheitert, die behauptet, ein mentaler Zustand MZ zu einem Zeitpunkt t1 ist
identisch mit einem ganz bestimmten neurophysiologisch/physikalischen Gehirnzustand GZ zum Zeitpunkt t1, also MZ(t1) = GZ(t1).
Zeigt man nämlich einem Mann das Bild einer nackten Frau in lasziver Haltung, sind bei ihm bestimmte Hirnbereiche aktiv, zeigt man
dasselbe Bild aber einer Frau, sind in ihrem Hirn nicht die identischen Hirnbereiche aktiv, was bedeutet, sie nehmen dasselbe Bild unterschiedlich wahr und unterschiedliche Hirnbereche sind aktiv, - obwohl sie
dasselbe Bild betrachten. Oder ein Mann ist sexuell erregt und eine Frau ist sexuell erregt, aber es sind bei ihnen nicht
identische Hirnbereiche aktiv. Sie befinden sich in demselben mentalen Zustand, aber unterschiedliche Hirnbereiche sind aktiv.
Dies bedeutet, ein und derselbe mentale Zustand kann durch
unterschiedliche hirnphysiologische und physikalische Zustände bewirkt werden.
To be continued ...