closs hat geschrieben:sven23 hat geschrieben:Du hast immer noch ein völlig verkorkstes Bild von Forschung und Wissenschaft.
Weil ich in etwa weiss, was Wissenschaft ist, kenne ich auch deren Reichweite - das sollte eine selbstverständliche Aussage für Menschen sein, die über Wissenschaft sprechen.
Eben, und Transzendenz liegt außerhalb ihrer "Reichweite", weshalb sie sich ja auch inhaltlich nicht mit Glauben und Göttern befasst. Deshalb ist deine Forderung, die Wissenschaft möge doch gefällist von der Existenz von Göttern ausgehen, absurd und abwegig.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Beschäftigung mit dem historischen Jesus war in der vergangenen Generation oft mit der Botschaft verbunden, es sei theologisch nicht wichtig, sich mit ihm intensiv auseinanderzusetzen.
Das glaube ich in der Tat auch - "Leben Jesu" ist theologisch interessant, aber nicht relevant.
Überleg mal, was du da sagst:
Theologisch Interessantes ist nicht relevant.
Das ist vielleicht "Old School" der vergangenen Generation. Heute ist man etwas weiter.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist in der Überzeugung geschrieben, daß 200 Jahre historisch-kritischer Jesusforschung und die in dieser Zeit enorm vermehrten Quellen zu Jesus und seiner Umwelt wichtige Erkenntnisse gebracht haben.
Da würde ich wirklich einmal gerne ein wichtiges Ergebnis hören - ehrlich. - Wissenschaftlich ist dies alles lohnend, weil jeglicher Erkenntnis-Erwerb lohnend ist - aber wo hier ein theologischer Nutzen sein soll, konnte ich bisher nicht entdecken.
Möglicherweise bist du noch zu sehr dem "Old School" Denken verhaftet, nach dem ein theologisches Buch gleichzeitig ein Glaubensbekenntnis zu sein hatte. Da bist du mit Ratzingers Glaubensbuch besser bedient, wenn du darauf größeren Wert legst. Wenn man wissen will, was möglicherweise "der Fall" war, dann ist Theißen und Co. erste Wahl.
closs hat geschrieben:
Im übrigen sollten wir uns auch vor Augen führen, dass die HKM auch deshalb de-euphorisiert wurde in den letzten Jahrzehnten, weil die Ergebnisse einfach dünner waren, als anfangs gedacht.
Richtig, die erhoffte Unterstützung für das Glaubenskonstrukt konnte sie weitgehend nicht liefern. Doch gerade dieser Umstand sollte einen kritischen Beobachter stutzig machen.
closs hat geschrieben:
- Nach meinem Kenntnisstand versteht man heute die HKM als text-historischen, archäologischen, etc. Informations-Lieferanten (ganz wichtig für die Theologie) und als Beiträger von Neben-Disziplinen wie etwa auch "Leben Jesu".
Es ist schon erstaunlich, wie die Leben-Jesu-Forschung als
Nebendisziplin abgewertet wird. Das erinnert stark an Paulus, der auch ein seltsames Desinteresse am historischen Jesus hatte, obwohl er zeitlich am nächsten dran war. Für ihn und seine Theologie war nur ein toter Jesus ein guter Jesus. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Also gibt es in Religionen keine universellen Wahrheiten, sondern nur "Wahrheiten", auf die man sich innerhalb einer Religion oder Sekte geeinigt hat.
Das ist wieder mal der Unterschied zwischen Wahrnehmung und Sein. - Natürlich hast Du recht, dass Religions-Wahrnehmungen keine "Wahrheiten", sondern nur Perspektiven sind - insofern gefällt mir der RKK-Ausdruck "Glaubenswahrheit" NICHT. - Aber das Objekt der Religion "Gott" ist, wenn es ihn gibt, selbstverständlich "wahr".
Ich finde es nicht gut, wenn du die 1000 Hindu-Götter, Wotan, Zeus und Co ignorierst.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:von der Forschung leicht durchschaut worden. Nur Ratzinger spricht noch von "wartenden Herrenworten" im AT.
Ich glaube wirklich, dass Du zu denen gehörst, die der Forschung wirklich ungeheuer schaden.
Da überschätzt du meinen Einfluss gewaltig.
Um die Forschung musst du dir keine Sorgen machen, die macht insgesamt einen guten Job, weil sie sich wissenschaftlichen Grundsätzen verpflichtet fühlt.
closs hat geschrieben:
- Denn Du unterstellst, dass sie jegliche spirituelle Kompetenz ausspart, um zu Flachmann-Ergebnissen kommen zu müssen. - Das ist in der theologischen PRaxis wirklich anders, wenn ich mich nicht irre.
Ratzingers Buch ist ja nicht nur von Atheisten verrissen worden, sondern stieß auch unter Theologen auf Unverständnis.
"Das Buch hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck.
Einerseits bietet es in gewohnt schöner
Sprache tief schürfende Gedanken, die zur Meditation
der Texte anregen. Andererseits beharrt
es in irritierender Weise immer wieder auf der
Historizität des Erzählten. Natürlich soll sich alles
im Tempel, in Nazaret, Betlehem und in den judäischen
Bergen so oder so ähnlich abgespielt haben,
stand der Stern über der Krippe, ließ Herodes
die Kleinstkinder umbringen und floh die heilige
Familie nach Ägypten usw. Das muss so sein, weil
die Texte „wirkliche, geschehene Geschichte, freilich
gedeutete und vom Wort Gottes her verstandene
Geschichte“ aufgezeichnet hätten, kurz: ein
Stück „urchristlicher Geschichtsschreibung“ seien
(29f). Alles, was die Exegese im letzten Jahrhundert
mit so großer Sorgfalt zu den biblisch und
frühjüdisch geprägten Gattungen dieser Texte erarbeitet
hat, schiebt Benedikt als angebliche Hyperkritik
souverän beiseite."
Dem alttestamentlichen Wort Gottes, das die
Geschichte erhellt, gesteht er nur den einen Sinn
zu, auf Jesus Christus zu verweisen. „Es gibt eben
im Alten Testament Worte“ – erklärt er –, „die
sozusagen noch herrenlos bleiben“ – solange
ihr „wahre[r] Eigentümer“, das heißt: Christus,
„noch auf sich warten“ lässt (29; Kursive von
mir). Die Kehrseite dieses gewagten hermeneutischen
Satzes wird abgeblendet: die Gefahr einer
Ent-Eignung der Juden, die mit der christlichen
Besitzergreifung ihrer Bibel einhergeht. Was Not
täte, wäre ein Paradigmenwechsel von einer autorbezogenen
hin zu einer leserorientierten oder
rezeptionsgeschichtlichen Sicht der Schrift, geleitet
von der Einsicht, dass diese selbst ambivalent
bleibt und auch unterschiedliche „Ausgänge“ hat,
einen jüdischen und einen christlichen (E. Zenger).
Nur so ließe sich die christologische Lesart
der Schrift mit dem Respekt vor ihrer jüdischen
Auslegung verbinden.
...
Sollte
das Buch als Buch des Papstes und nicht als das
des Theologen Joseph Ratzinger von bestimmten
Kreisen gegen eine angeblich destruktive Exegese
instrumentalisiert werden, wäre es besser nicht
geschrieben worden. Linientreue Wissenschaft ist
keine Wissenschaft mehr."
Prof. Dr. Michael Theobald lehrt Neues Testament
an der Katholisch-Theologischen Fakultät
der Universität Tübingen.