Alles Teufelszeug? III

closs
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#131 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Do 12. Mai 2016, 09:05

Savonlinna hat geschrieben:Du sagst zum Beispiel, Du würdest - im Gegensatz zu anderen - Deine Prämissen gut kennen.
Ich weiss, dass keine Wahrnehmungs-Aussage ohne Prämisse möglich ist - ob man dann jede einzelne immer gleich kennt, ist nicht entscheidend.

Savonlinna hat geschrieben:Es liegt also - hoffe, Du verstehst es jetzt -, nicht daran, dass ich Deine Sprache nicht verstehe, sondern dass ich auf Deine Praxis schaue.
Irgendwas geht da schief.

Savonlinna hat geschrieben: von einem historischen "Faktum" kann man hier also wahrscheinlich gar nicht reden.
Moment: Das, was geschehen ist und dessen Gründe wir nicht genau abwägen können, ist ja trotzdem geschehen.

WENN man also alles Wissen der Welt hätte, könnte man sagen, dass Faktor 1 dieses Gewicht, Faktor 2 jenes Gewicht und Faktor 3 ein wieder anderes Gewicht im Gesamt-Kontext des Geschehenen hatte. - Es kämen dann wahrscheinlich Milliarden an Fakten zusammen - am Ende hatte Hitler seinen Jundenhass, weil er mit 16 mal von einem jüdischen Mädchen einen Korb bekommen hatte.

Wir haben dieses Gesamt-Wissen der Welt nicht (ein Christ würde sagen: Aber Gott hat es) - trotzdem reden wir von einem "historischen Faktum", da das, worüber wir sprechen, in der Geschichte geschehen ist. - Wir können es nur nicht genau gewichten.

Andreas hat geschrieben:Allmächtigkeit, Überzeitlichkeit und Allwissenheit müssen wir auch noch setzen
Das Wort "Gott" täte es ja schon. - In der Tat ändert sich viel, wenn man "Gott" setzt.

Andreas hat geschrieben:Ich freu mich schon auf morgen: Da bin ich mit 56 der junge Hahn im Korb beim Bibelfrühstück unter einer Schar katholischer Ur-Omis. Da wird mir wieder warm ums Herz.
Es kann sein, dass ich solches zukünftig auch wieder mehr pflege (nicht gerade Omas), weil das unreflektierte Herzens-Empfinden immer noch die einzige verlässliche Basis ist.

Mein insgesamtes Fazit ist, dass wir im 20./21. Jh. in einer Vielfalt leben, die sich untereinander nur schwer intellektuell/spirituell verständigen kann - eine andere Art der babylonischen Sprachverwirrung. Aber ich lerne nach wie vor viel hier im Forum.

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Savonlinna
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#132 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Savonlinna » Do 12. Mai 2016, 12:55

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Nicht der Ontologe, nicht der Theologe fügt hinzu, sondern nur closs.
Sag mal: Willst Du mit einem Wisch die christliche Theologie ausschalten?
Im Gegenteil. Ich will sie vor Missbrauch schützen.
Ich schrieb doch:
Savonlinna hat geschrieben:Aber kein Theologe, kein Ontologe ist auffindbar, der das sagt, was Du ihm unterstellst

closs hat geschrieben:- Du willst also sagen, dass ein wissenschaftlich Nicht-Nachweisbares historisch nicht geschehen sein kann?
Das will ich überhaupt nicht sagen!
Ich möchte Dich zum exakten Denken ermutigen, zum Schritt-für-Schritt-Durchdenken der Dinge.
Mal eben in großem Bogen irgendwas sagen und behaupten, das würde die christliche Theologie auch sagen, ist Hallodri-tum.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Nein.
Achtung - ich wiederhole zur Sicherheit:
Falls die leibliche Auferstehung Jesu historisch stattgefunden hat (das Grab ist leer - Jesus ist durch den geistigen Schornstein abgehauen), ist sie NICHT ein Faktum - das sagst Du doch, oder nicht?
Nein, ich habe nur aufgelistet, was zu untersuchen wäre.
Mir ging es um exaktes Durchdenken dessen, was als "historisches Faktum" bezeichnet wird und bezeichnet werden kann.
Ich möchte Dir zumindest einen Schimmer davon vermitteln, auf welche Grundlagen ich hinabsteigen muss, um ein fundamentum entweder vorzufinden oder nicht vorzufinden.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: aber auch dann ein Fakt, wenn ich es nicht nachweise
Das ist EXAKT meine Aussage, der Du eben noch widersprochen hast.
Ich habe diese Aussage doch gar nicht getätigt!
Ich habe eine Übersichtsliste von drei Punkten gemacht, die im Folgenden dann überprüft werden müssen, und zwar exakt, ohne Schummelei, ohne Hallodri-tum.
Ich zitiere das noch einmal ->

Savonlinna hat geschrieben: Der Historiker unterscheidet zwischen
a. Fakten, die nachweisbar sind
b. Fakten, die zwar auch nachweisbar sind, aber bisher nicht nachgewiesen werden konnten
c. Zusammenhängen, die keinen Faktencharakter tragen, sondern Hypothesen von Natur aus sind.

Dann überlege ich also jetzt einmal, was ein
Beispiel für a. sein könnte:

Was würde der - redliche, der wirklich wissenschaftliche - Historiker als "Fakt" bezeichnen?
Zum Beispiel, dass Hitler sich dann und dann erschossen hat.
Nach Menschenermessen ist das nachweisbar.

b. wäre dann zum Beispiel, wenn man einen Zivilisten auf der Straße erschossen vorfindet, aber den Täter nicht ermitteln kann.
Man weiß, dass es diesen Täter geben muss, aber man kann ihn nicht nennen.

Das ist das, was man im wissenschaftlichen Sinn als "Fakt" bezeichnet.


Jetzt zu c. ->
Dazu gehört - unter anderem - die sogenannte Ursachenforschung.
Und dieser Punkt ist von zentraler Bedeutung.
Was genau nennen wir "Ursache"? Gibt es überhaupt eindeutig festzunagelnde Ursachen?

Selbst die Naturwissenschaft zweifelt letzteres an.
Und dieses Anzweifelbare, closs, möchte ich bis in den letzten Winkel ausloten.
Man kann zwar Zusammenhänge feststellen: 'Aus A folgte bislang immer B', aber man kann, wenn man genau sein möchte, nicht sagen:
'A ist die Ursache für B.'
Das hat Thomas M. auch mal irgendwo hier geschrieben.
Ich lege gerade hier Wert auf äußerste Exaktheit.
Der Naturwissenschaftler kann zwar verallgemeinern: "Aus A folgt B', aber er denkt immer mit: Bislang folgte aus A immer B.

Wenn das schon in der Naturwissenschaft so ist, dann ist es das in den Humanwissenschaften erst recht.
Sobald der Mensch ins Spiel kommt, kann man keine Ursachenforschung im engen Sinn mehr betreiben.
Was ist die "Ursache" für den Faschismus im Dritten Reich?

'Du schreibst zu letzterem:
closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wie müsste Deine ständige Forderung, auch "Möglichkeiten" einzuschließen, ganz konkret umgesetzt werden bei dem Schreiben eines Buches mit dem Titel: "Ursachen des Faschismus im Dritten Reich"?
Das ist allein deshalb eine schwierige Frage, weil es ohnehin nur "Möglichkeiten" gibt, die man dann halt bewertet (oder verstehen wir wieder was Unterschiedliches unter dem Wort "Möglichkeiten"). - Machen wir es konkret ohne historische Diskussion an dieser Stelle:

Es gibt an Ursachen-Möglichkeiten:
a) Versailler Vertrag
b) Weltwirtschafts-Krise
c) Zeitenwende nach einem Kaiserreich seit mehr als 1000 Jahren (das Intermezzo zwischen 1806 und 1871 war ja im Grunde etwas wie die Weimarer Republik: Irgendeine Notlösung)
d) Zusammenkommen unterschiedlichster Möglichkeiten auf ganz unglückliche Art (hätte Ebert nicht einen entzündeten Blinddarm gehabt und hätte Wilhelm Marx nicht zufällig diesen saublöden Nachnamen gehabt, wäre Hindenburg nicht drangekommen) - wir nannten das in der Literaturwissenschaft "keiros".
e) Heilsgeschíchtliche Gründe: Es war "dran" - warum, weiss nur Gott.
f) Hitler war vom Satan besessen
f) und viele, viele andere "Möglichkeiten" auch, die die historischen Wissenschaften untersuchen können oder nicht (meistens können sie)

Und dann gibt es einen Möglickeits-Mix je nach Zeit und Uni und historischer Schule, in dem man diese Einflussmöglichkeiten und viele andere auch unterschiedlich bewertet. - Und dann kommt 50 Jahre später jemand, der es ebenfalls wissenschaftlich ganz anders bewertet.
Mir gefällt diese Deine Ausführung recht gut.

Nur scheinst Du vorauszusetzen, dass es in den Geisteswissenschaften "Ursachen" gibt.
In der Nazizeit und auch im Positivismus um die Jahrhundertwende 1900/2000 war das zwar gang und gäbe, aber nach Zusammenbruch des Dritten Reiches hat die Germanistik aufgezeigt, dass die Übertragung naturwissenschaftlichen Ursachendenkens auf Geisteswissenschaften zu einer Enthumanisierung führt.

Möglicherweise hast Du nur fahrlässig geschrieben, aber falls nicht, denkst Du naturalistischer als jeder Naturalist heute.
Man kann nicht aufzeigen, dass die Ursache für "Geiz" eine bestimmte Rasse ist.
Und schon gar nicht könnte man das als "historisches Faktum" bezeichnen.

Deine Auflistung - wo Du endlich mal konkret wurdest - hat Dir selber klar gemacht, dass man Ursachen zwar auflisten kann, aber keine davon "beweisen" kann.
Man kann sie nur erfinden, und das tut man fast immer aus taktischen oder gar ideologischen Gründen.
Versailler Vertrag und Weltwirtschaftskrise waren sicherlich am Entstehen des Faschismus beteiligt: aber waren sie "Ursachen"?

Wenn ja, müsste - wie in der Naturwissenschaft - aus A immer B folgen. Das Experiment müsste wiederholbar sein.
Ist es im historischen Geschehen aber nicht.
Also kann hier gar kein "historisches Faktum" vorliegen.
Ein Faktum innerhalb der Wissenschaft ist das, was ich unter a und b aufgeführt habe.

Wenn jemand den Versailler Vertrag mit dem Entstehen des Faschismus in Verbindung bringt, dann ist er bereits auf der Deutungsebene.
Und dort gibt es keine Fakten.
Du hast - sehr feinfühlig - erfasst, dass man da letztlich nur von Möglichkeiten reden kann.
Und selbst dieses Wort "Möglichkeit" ist mir noch zu naturalistisch.
Denn es setzt - zumindest bei Dir - voraus, dass es historische Fakten auch auf der Deutungsebene gibt, sie aber nur nicht erkennbar sind.

Dann bist Du noch immer Naturalist, und zwar ein solcher, der die naturwissenschaftiche Merdodik auf die geisteswissenschaftliche übertrgen will.

Da hilft dann auch nicht, wenn Du "Fakt" umdeuten willst, indem Du auf das lateinische Verb "factum" = "geschehen" verweist.
Hast Du lateinische Sprachwissenschaft studiert, um erspüren zu können, was der Lateiner mit der Substantivierung des Partizip Perfekts semantisch vollzogen hat?
Im Lexikon steht dafür "Tat".
Also das, was man nicht mehr ändern kann: es ist geschehen, aus.
Keineswegs ist damit gesagt, dass alles und jedes Geschehen vom Lateiner als "Tat" verstanden wird.

Eine historische Tat kann man nämlich nachweisen und fällt unter meine Punkte a und b:
Hitler hat sich erschossen.
Aber man kann nicht als Tat bezeichnen, dass der Versailler Vertrag den Faschismus mitverursacht hat.
Denn das ist gar nicht möglich. Der Versailler Vertrag ist keine Person, die etwas verursachen kann.
Und die Folgen könnten auch ganz anders gewesen sein.

Die Deutungsebene - und darauf wollte ich hinaus - ist faktenfrei. Es werden von Menschen nur Versuchballons hochgeschossen, um etwas verstehen zu könen, zumindest im Ansatz.

Wenn man ein Kind heftig schlägt und dieses von nun an nicht mehr redet, dann kann man zu Recht annehmen, dass das Verstummen die Folge des Schlagens ist. Aber ist es die Ursache?
Eine Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn?

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#133 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Andreas » Do 12. Mai 2016, 14:18

closs hat geschrieben:Das Wort "Gott" täte es ja schon. - In der Tat ändert sich viel, wenn man "Gott" setzt.
Dir wäre Gott, wenn er nicht allwissend, überzeitlich und allmächtig wäre nicht genug - für deine Wahrnehmung deines Gottesmodells - deswegen musst du auch diese Dinge setzen und noch viel mehr damit am Ende dein angeblich universales Gottesbild herauskommt. Es gibt offensichtlich viele Gottesbilder und ganz sicher ist keines davon richtig. Nebenbei bemerkt, hab ich läuten hören, legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte - was auch immer das bedeuten mag. Ich sehe keine Veranlassung den Spieß umzudrehen.

Mit Verlaub, ich verstehe Gott nicht als einen Hütchenspiel mit der Möglichkeit, dass Gott unabhängig von meiner Wahrnehmung unter Hütchen 1, 2 oder 3 sein könnte oder alle drei Hütchen Nieten sind, sondern als lebendigen Dialog in einer Liebesbeziehung - vorausgesetzt man lässt sich anquatschen. Liebe ist meinem Erleben nach kaum eine rationale, vernünftige, logische, philosophische Angelegenheit. Wenn der Glaube, dieses Vertrauen, nicht den ganzen Menschen erfasst, mit all seinen Abgründen, Schwächen, Wunden und Narben, Verrücktheiten, Ängsten, Hoffnungen, Wünschen, seiner Phantasie, seinen Hoffnungen, seinen Zweifeln, seiner Rebellion gegen das Leid, seiner Empörung über den Verlust geliebter Menschen und den eigenen Tod wird es hinten höher als vorne, wie man in Bayern sagt. Ich bin nackt und geborgen - selbst wenn ich mit Gott hadere. Ich schäme mich nicht für meinen Glauben und muss ihn nicht rechtfertigen oder irgendwie begründen. Freu dich an deiner theologischen Modelleisenbahn und lass die anderen auch mal draußen Adam und Eva sein.

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#134 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Do 12. Mai 2016, 16:09

Andreas hat geschrieben:Dir wäre Gott, wenn er nicht allwissend, überzeitlich und allmächtig wäre nicht genug
Ich könnte dann nicht damit anfangen - dann wäre ich von jetzt auf nachher mindestens Agnostiker, wenn nicht sogar Atheist.

Andreas hat geschrieben:Es gibt offensichtlich viele Gottesbilder und ganz sicher ist keines davon richtig.
Ein Bild ist nie "richtig", da es im besten Fall nur Abklatsch der göttlichen Realität sein kann. - Die Frage ist, ob es authentisch zur göttlichen Realität ist. - Und dazu fallen mit nur zwei Sachen ein:
1) "Das innere Gesetz" nach Röm. 2,13ff, das seine individuelle Umsetzung in der Liebe findet - was viel wichtiger als die folgende 2), nämlich:
2) Der intellektuell-spirituelle Versuch der Ermittlung, welche Eigenschaften Gott haben müsste, damit er universal sein kann.

Universalität und Individualität schließen sich aus meiner Sicht nicht aus.

Andreas hat geschrieben:Mit Verlaub, ich verstehe Gott ... als ... lebendigen Dialog in einer Liebesbeziehung
Das wäre der obige Punkt 1) - der wichtiger Punkt. - Wir sollten uns einigen, wovon wir eigentlich sprechen: Von unseren persönlichen Gott-Erfahrungen oder von einer philosophischen/theologischen Reflexion (Herz oder Hirn). - Das sind zwei komplett unterschiedliche Baustellen.

Andreas hat geschrieben:Ich bin nackt und geborgen - selbst wenn ich mit Gott hadere.
Ich sehe das alles ganz genauso. - Und jetzt ist die Frage, ob man reflektieren will, was Gott ist, damit man "nackt und geborgen" sein kann, "wenn man mit Gott hadert". - Denn mit jedem Gottes-Bild ist das nicht machbar. - Also: Worüber sprechen wir? Punkt 1) oder 2)?

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#135 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Do 12. Mai 2016, 16:37

Savonlinna hat geschrieben:Aber kein Theologe, kein Ontologe ist auffindbar, der das sagt, was Du ihm unterstellst
Das stimmt so nicht. - Ich sage es ungern, weil es so nach Schützenhilfe klingt - aber jetzt sage ich es trotzdem: Im letzten halben Jahr haben mit zwei Pfarrer-Theologen (eine sogar promoviert und auch lehrend) fast wortgleich gesagt, dass mein substantielles Verständnis des Christentums größer wäre als bei drei Viertel ihrer Kollegen. - Deswegen kann ich trotzdem falsch gewickelt sein - aber so ganz allein bin ich dann damit nicht.

Savonlinna hat geschrieben:Ich habe diese Aussage doch gar nicht getätigt!
Dann war was falsch verlinkt.

Savonlinna hat geschrieben:Gibt es überhaupt eindeutig festzunagelnde Ursachen?
Zumindest in geisteswissenschaftlichen Belangen NICHT - die Wahrnehmung gibt das nicht her. - Das heisst aber nicht, dass es Ursachen nicht gibt - wir können sie nur nicht genau zuordnen (oder gar erkennen).

Savonlinna hat geschrieben: 'Aus A folgte bislang immer B', aber man kann, wenn man genau sein möchte, nicht sagen:'A ist die Ursache für B.'
Das ist sogar oft so. - Deshalb schätze ich so sehr den Ablativus absolutus im Lateineischen, der logische Zusammenhänge nicht offenlegt, sondern nur Phänomene gegenüberstellt - wenn man übersetzt, muss man selber dieses Zusammenhänge interpretieren. - Deshalb schätze ich so sehr Martin Bubers AT-Übersetzung, der vom Effekt her dasselbe macht. - Mit Buber habe ich persönlich das AT überhaupt erst verstanden.

Savonlinna hat geschrieben:Nur scheinst Du vorauszusetzen, dass es in den Geisteswissenschaften "Ursachen" gibt.
"Geben" tut es sie - aber unsere Wahrnehmung kann nur mutmaßen, welche die richtigen sind und wie sie zu gewichten sind. - Wenn der junge Goethe sein elsässisches Röschen schwängert und dann verlässt, gibt es natürlich Ursachen dafür - aber nur mehr oder weniger spekulativ vom Menschen zu deuten.

Savonlinna hat geschrieben:Deine Auflistung - wo Du endlich mal konkret wurdest - hat Dir selber klar gemacht, dass man Ursachen zwar auflisten kann, aber keine davon "beweisen" kann.
Ich schwör's Dir: Das war mir ganz sicher schon vorher klar. ;)

Savonlinna hat geschrieben:Also kann hier gar kein "historisches Faktum" vorliegen.
Ja - aber das sind doch reine Wahrnehmungs-Dinge. Das hat doch nichts mit den Ursachen selbst zu tun, die es gibt - wir können sie nur nicht "nachweisen". - Wobei man - nebenbei - schon einiges zusammentragen kann, um auf mehr oder weniger wahrscheinliche Interpretationen zu kommen.

Savonlinna hat geschrieben:Wenn jemand den Versailler Vertrag mit dem Entstehen des Faschismus in Verbindung bringt, dann ist er bereits auf der Deutungsebene.
Logisch - man kann es auch "Erkenntnis-Ebene" nennen, die wir aber selbst nicht überprüfen können. - Das ist es doch immer im Spirituellen: Man "merkt" etwas, weiss aber nicht, wie authentisch es zum "Objekt" ist. - Gleichzeitig ist es auch nicht ganz willkürlich.

Savonlinna hat geschrieben:Denn es setzt - zumindest bei Dir - voraus, dass es historische Fakten auch auf der Deutungsebene gibt, sie aber nur nicht erkennbar sind.
Dieser Satz funktioniert nicht: "Fakten" ist das, was ich als "Sein" bezeichnen würde, also nie auf Deutungs-Ebene ist. - nur behaupte ist, dass es diese Fakten unabhängig von meiner Wahrnehmung/Deutungs-Ebene gibt.

Savonlinna hat geschrieben:Also das, was man nicht mehr ändern kann: es ist geschehen, aus.
Ja - das nicht durch Deutung/Wahrnehmung Verrückbare. - Deswegen rege ich mich doch so auf, wenn eine methodische Deutung zum Ergebnis kommt, Jesus könne nicht leiblich auferstanden sein, weil es die Deutungs-Ebene nicht zulässt. - Entweder es ist Fakt, dass er leiblich auferstanden ist oder es ist Fakt, dass er NICHT leiblich auferstanden ist.

Ein anderes Beispiel:
Ein "historischer Fakt" ist, dass Goethe 1832 gestorben ist - und NICHT, dass es historisch nachweisbar ist, dass er 1832 gestorben ist - so wird es aber gerne dargestellt. - Diese Vermischung aus Fakten-Ebene (ich übernehme Deinen Begriff, wenn ich mir damit Empfindlichkeiten gegenüber dem Wort "Sein" ersparen kann) und Deutungs-Ebene ("Wahrnehmung") macht mich seit Monaten hier auf dem Forum wahnsinnig.

Savonlinna hat geschrieben:Die Deutungsebene - und darauf wollte ich hinaus - ist faktenfrei.
Kategorial absolut richtig - meine Rede seit 1848. - Nichts anderes war meine Kernbotschaft im Thread "Sein und Wahrnehmung" - jetzt hast Du es halt in DEINEM Vokabular gesagt.

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#136 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Savonlinna » Do 12. Mai 2016, 20:08

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Aber kein Theologe, kein Ontologe ist auffindbar, der das sagt, was Du ihm unterstellst
Das stimmt so nicht. - Ich sage es ungern, weil es so nach Schützenhilfe klingt - aber jetzt sage ich es trotzdem: Im letzten halben Jahr haben mit zwei Pfarrer-Theologen (eine sogar promoviert und auch lehrend) fast wortgleich gesagt, dass mein substantielles Verständnis des Christentums größer wäre als bei drei Viertel ihrer Kollegen.
Keiner weiß, worüber Ihr gesprochen habt. Insofern kann ich nicht vergleichen, was Du dort und was Du hier schreibst.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Gibt es überhaupt eindeutig festzunagelnde Ursachen?
Zumindest in geisteswissenschaftlichen Belangen NICHT - die Wahrnehmung gibt das nicht her. - Das heisst aber nicht, dass es Ursachen nicht gibt - wir können sie nur nicht genau zuordnen (oder gar erkennen).
Ich dachte, wir philosophieren hier; Glaubensbekenntnisse nützen nichts.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: 'Aus A folgte bislang immer B', aber man kann, wenn man genau sein möchte, nicht sagen:'A ist die Ursache für B.'
Das ist sogar oft so.
Wie, "oft". Gibt es für Dich nun Ursachen oder nicht?
MIr geht es hier um eine systematische Aufdröselung.
Wann genau ist etwas Ursache für Dich, wann nicht?

So etwas müsste jeder klären, der ein Buch über "Die Ursachen des Faschismus im Dritten Reich" schreibt.
Denn die Geschichtswissenschaft thematisiert das ja auch.
Wo stehst Du da?

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Nur scheinst Du vorauszusetzen, dass es in den Geisteswissenschaften "Ursachen" gibt.
"Geben" tut es sie
Beispiel?

Wenn der junge Goethe sein elsässisches Röschen schwängert und dann verlässt, gibt es natürlich Ursachen dafür - aber nur mehr oder weniger spekulativ vom Menschen zu deuten.
"Ursachen" im materialistischen Sinn?
Deine Antwort "natürlich gibt es sie" ist keine fundamentale Ergründung des Themas.
Ich stelle die Gegenthese auf: Es gibt im rein humanen Bereich keine Ursachen, sondern nur gedeutete Zusammenhänge.
Begründet habe ich diese These schon im vorigen post: wir befinden uns hier im Deutungsbereich, und im Deutungsbereich gibt es immer eine Perspektive des Deutenden.
Es gibt Zusammenhänge, aber keine Ursachen.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Deine Auflistung - wo Du endlich mal konkret wurdest - hat Dir selber klar gemacht, dass man Ursachen zwar auflisten kann, aber keine davon "beweisen" kann.
Ich schwör's Dir: Das war mir ganz sicher schon vorher klar. ;)
Ich weiß schon, worauf Du anspielst.
Daraus schließe ich, dass Du mich möglicherweise hier gar nicht verstanden hast.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Also kann hier gar kein "historisches Faktum" vorliegen.
Ja - aber das sind doch reine Wahrnehmungs-Dinge.
Kannst Du nicht EINMAL aufhören, Deine "Wahrnehmungsdinge" ins Spiel zu bringen?
Du tust erneut so, als seien sie die einzig richtige Offenbarung, und alles, was zu dieser Offenbarunhg nicht passt, sei eh von vornherein durchgterfallen.

Darüber diskutiere ich mit Dir nicht mehr.
Ich kann Deine Verblendung in diesem Punkt nicht auflösen, aber ich sage noch einmal:
Es ist oberflächliches Denken Deinerseits, Verweigerung des exakten Denkens, das Dich zu Deinen ewiggleichen Einwürfen geführt hat.
Du bist von Dir viel zu überzeugt, als dass Du die je die Mühe machen wirst, gründlicher zu werden.

Guck Dir doch mal an, was Du da alles geschrieben hast.
Würde das je ein Verlag veröffentlichen?

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#137 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Andreas » Do 12. Mai 2016, 20:46

closs hat geschrieben:Ich könnte dann nicht damit anfangen - dann wäre ich von jetzt auf nachher mindestens Agnostiker, wenn nicht sogar Atheist.
Dann hoffe ich mal, dass Gott eines Tages erkennen wird, wie er von dir erkannt ist - so von Angesicht zu Angesicht.
closs hat geschrieben:Ein Bild ist nie "richtig", da es im besten Fall nur Abklatsch der göttlichen Realität sein kann. - Die Frage ist, ob es authentisch zur göttlichen Realität ist.
Die göttliche Realität interessiert dich doch nur solange sie deinem Gottesbild genügt. Siehe oben: WENN es der Fall ist, dass Gott anders IST, DANN reagierst du trotzig und wirst mindestens Agnostiker, wenn nicht sogar Atheist und Gott kann sehen, wo er bleibt, dieser seltsame Aclossist.
Hast du schon mal dein Gottesbild mit der göttlichen Realität verglichen um dessen Authentizität festzustellen? Falls nein, war das wohl nur eine rhetorische Frage. Falls ja, genügt Gott deinen Ansprüchen in Sachen Allwissenheit, Allmacht und Überzeitlichkeit?

closs hat geschrieben:2) Der intellektuell-spirituelle Versuch der Ermittlung, welche Eigenschaften Gott haben müsste, damit er universal sein kann.
Deinem Anspruch von Universalität (ich will nicht wissen, was das ist) müsste Gott also auch noch genügen. Ich frage mich nicht mehr, wer da wen richtet (im Sinne von reparieren, herrichten, zurichten).

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#138 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Do 12. Mai 2016, 22:26

Savonlinna hat geschrieben:Ich dachte, wir philosophieren hier; Glaubensbekenntnisse nützen nichts.
Meinst Du, eine weltanschauungs-unterlegte Philosophie kommt da weiter?

Savonlinna hat geschrieben:Gibt es für Dich nun Ursachen oder nicht?
...
Wann genau ist etwas Ursache für Dich, wann nicht?
Ja - nein.

Die erste Aussage bejahe ich: Es gibt Ursachen. - WANN etwas Ursache ist, kann man wahrnehmungs-mäßig nur modellhaft darstellen. - Mit anderen Worten: Was Ursache "IST", weiss ich nie - ich kann Dir nur sagen, was nach welchem Wahrnehmungs-Modell Ursache ist.

Savonlinna hat geschrieben:Wo stehst Du da?
Buber-infiziert würde ich eine Geschichte der Phänomen schreiben.

Savonlinna hat geschrieben:Beispiel?
100 Millionen. - Es gibt Ursachen (Plural) dafür, dass Faust Gretchen haben will. - Welche wie gewichtet sind, weiss ich nicht - wahrscheinlich weiss es nicht einmal Goethe, weil er vom Phänomen her schreibt (Shakespeare noch mehr). - Gäbe es keine Ursachen, würde Faust an Gretchen vorbeilatschen, ohne sie überhaupt groß wahrzunehmen.

Savonlinna hat geschrieben: Es gibt im rein humanen Bereich keine Ursachen, sondern nur gedeutete Zusammenhänge.
Gerne - aber diese Zusammenhänge sind doch etwas anderes als "keine Zusammenhänge". - Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Savonlinna und einem Sack Reis in China - es gibt aber Zusammenhänge zwischen uns, weil wir uns hier auf dem Forum getroffen haben. - Ich tue mir schwer, "Ursachen" und "Zusammenhänge" semnatisch sauber zu trennen.

Savonlinna hat geschrieben:Kannst Du nicht EINMAL aufhören, Deine "Wahrnehmungsdinge" ins Spiel zu bringen? Du tust erneut so, als seien sie die einzig richtige Offenbarung
Sie sind das einzige Offenbarungs-Medium.

Savonlinna hat geschrieben:Ich kann Deine Verblendung in diesem Punkt
ICh habe nach wie vor keine Ahnung, was Du damit meinst.

Savonlinna hat geschrieben:Guck Dir doch mal an, was Du da alles geschrieben hast. Würde das je ein Verlag veröffentlichen?
Hoffentlich nicht. :lol: - Aber ich habe schon Dinge geschrieben, die von Verlagen veröffentlicht wurden. Da geht man natürlich anders ran (es waren auch sehr spezielle Sachen).

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#139 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Do 12. Mai 2016, 22:30

Andreas hat geschrieben:Dann hoffe ich mal, dass Gott eines Tages erkennen wird, wie er von dir erkannt ist - so von Angesicht zu Angesicht.
:lol:

Andreas hat geschrieben:Die göttliche Realität interessiert dich doch nur solange sie deinem Gottesbild genügt.
Das ist eh eine Sprachsache. - ICh bin mir nicht sicher, was so alles unter dem Begriff "Gott" kursiert - ich interpretiere Gott halt als universale Größe, die individuell in mir wirkt. - Nach meiner Erkenntnis kann er kein Trottel sein, der beim A+E's Essen vom Baum überrascht ist.

Andreas hat geschrieben:Hast du schon mal dein Gottesbild mit der göttlichen Realität verglichen um dessen Authentizität festzustellen?
Geht grundsätzlich nicht - man muss hoffen, dass einem der richtige Blitz gegeben wurde, authentisch empfunden zu haben.

Andreas hat geschrieben:Deinem Anspruch von Universalität (ich will nicht wissen, was das ist) müsste Gott also auch noch genügen.
Nee - ganz andere Ebene. - Es macht für mich keinen Sinn, wenn man einen Fliegenpilz "Auto" nennt.

Novas
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#140 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Novas » Fr 13. Mai 2016, 08:24

closs hat geschrieben:ICh bin mir nicht sicher, was so alles unter dem Begriff "Gott" kursiert - ich interpretiere Gott halt als universale Größe, die individuell in mir wirkt

Natürlich. Denn er ist das eine unendliche Wesen, an dem wir alle individuell teilhaben.....in die Wiederkehr der Mystik schreibt Willigis Jäger: "Das Unendliche leuchtet im Endlichen auf. Das wird in der Mystik zur Gewissheit. Wir sind Träger des Unvergänglichen im Vergänglichen und daher mehr als die Form, als die wir herumlaufen. Im Menschen ist Leben zu einer Dichte herangereift, in der es sich selbst bewusst werden kann."

Darum geht's.

Nach meiner Erkenntnis kann er kein Trottel sein, der beim A+E's Essen vom Baum überrascht ist

Das ist der Preis der Menschwerdung. Das Essen vom BAUM DER ERKENNTNIS steht für die Bewusstwerdung des Menschen.

Nähere Informationen von Doris Zölls:
...



Am 24.12. wird kirchengeschichtlich an die Vertreibung aus dem Paradies gedacht. Dieser Mythos beschreibt den Evolutionsschritt, mit dem der Mensch in das Bewusstsein der Dualität des Lebens eintritt. „Sie aßen vom Baum der Erkenntnis“, heißt es dort, und sie erkannten Gut und Böse. In der Polarität verstrickt zu sein, ist wahrlich das Erleben, aus dem Paradies zu fallen, taumeln wir doch unentwegt von dem Guten zum Bösen und umgekehrt. Dieses Bewusstsein, in der Dualität gefangen zu sein, steht jedoch nicht am Ende unseres Menschseins.

Auf die Vertreibung aus dem Paradies folgt die Weihnacht, die Geburt Christi. Mit ihr wird der Bewusstseinsschritt beschrieben, der uns aus der Zerrissenheit herausführt. Die Christgeburt geschieht nicht außerhalb von uns, nicht irgendwo in der Fremde. Sie geschieht in uns und befreit uns aus dem unentwegten Hin- und Hergetrieben-Sein. Mit der Christgeburt treten wir in ein neues Bewusstsein ein, es ist das Übersteigen der Gegensätzlichkeit der Welt. So beschreibt die Weihnachtsgeschichte in anschaulichen Bildern, wie sich in Christus arm und reich vereinen, Hilflosigkeit und Stärke, Ausgegrenzt-Sein und Angenommen-Sein, ja auch Leben und Tod. Die Dualität wird zum Ausdruck des Einen. Gott selbst erscheint in der Gegensätzlichkeit und vereint sie damit.

Mit der Christgeburt feiern wir, dass dies nicht nur ein neues Denken ist, sondern dass in uns dieses Bewusstsein der Einheit lebt, wir durchdrungen sind davon und nicht mehr verstrickt sein müssen in der Gegensätzlichkeit, die abwertet und ausgrenzt. In allem erweist sich das Göttliche und verbindet damit, was zerrissen ist, eint, was getrennt ist, schafft Frieden, wo Streit herrscht, und lässt Stille im Lärm erleben

http://www.benediktushof-holzkirchen.de ... itaet.html


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