closs hat geschrieben:sven23 hat geschrieben:Das aus dem Munde eines Esoterikers
Also "Esoteriker" (im heutigen Wortsinn) bin ich ganz bestimmt nicht. - Kann es sein, dass mainstream-mäßig das, was der Bauer nicht frisst, Esoterik genannt wird?
Früher hat man genauso ... in religiösen Zeiten ... eben nicht die Esoteriker belächelt, sondern „die Gottlosen“, die es als homogene Gruppe genauso wenig gibt. Aufklärung bejaht man - aber bei der eigenen Sprache - die aussortiert und trennt, wo es gar nicht nötig ist - möchte man nicht beginnen. Schließlich geht es hier nicht um Wahrheit, sondern um Deutungshoheit, Rechthaberei und Macht, die sich heutzutage eben einen säkularen Anstrich gibt.
Auch fragt sich, wie reflektiert es ist, wenn man Esoterik im heutigen Sinne - also kommerzielle Esoterik - zwar kritisiert und ablehnt, aber nicht die Warengesellschaft durch die sie vermittelt ist. Religion und Esoterik kann man überhaupt nicht verstehen in ihrem Wesen und auch nicht effektiv kritisieren, wenn man nicht die ganze Gesellschaft betrachtet.
Das war der Ansatz von Marx, den ich - mit Abstrichen eben aus einer spirituellen Perspektive hergeleitet - für richtig halte ( schließlich hatte auch Marx's Botschaft einen eschatologischen Charakter - siehe dazu Giorgio Agamben - , den man mit gutem Grund als spirituell motiviert auffassen kann, inhaltlich wie biografisch ) .
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Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewusstsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben, oder schon wieder verloren hat. Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Societät. Dieser Staat, diese Societät produzieren die Religion, ein verkehrtes Weltbewusstsein, weil sie eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, ihr enzyklopädisches Compendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spiritualistischer Point-d'honneur (Ehrgefühl), ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist.
Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.
Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist.“
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Karl Marx: Einleitung zur Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie; in: Deutsch-Französische Jahrbücher 1844, S. 71f, zitiert nach MEW, Bd. 1, S. 378-379