Thaddäus hat geschrieben:Exakt so ist es.
Du gehst auf die wunden Punkte nicht ein, sondern steigst erst da ein, wo es dann wieder leicht wird. Ab da würde ich Dir dann sogar inner-methodisch zustimmen - aber da ist der Käse längst gegessen.
Thaddäus hat geschrieben:historische (oder in closssprech) "ontische" Realität
Ich schreibe deshalb "ontisch", weil Mitforisten ständig "historisch" mit "historisch-kritisch" verwechseln. - Könnte sichergestellt werden, dass zwischen dem, was methodisch erschlossen wird (bsp: historisch-kritisch) und "dem, was tatsächlich der Fall war, ob wir es erschließen können oder nicht" kategorial unterschieden werden, wie es sich gehört, müsste ich solche Wege nicht gehen.
Und jetzt scheinst Du denselben Bock zu schießen, was um so dramatischer ist, weil Du wirklich intelligent bist. - Ist die Formatierung durch die Denkweise einer Epoche so stark, dass so etwas eingebrannt werden kann? - Denk' mal drüber nach.
Thaddäus hat geschrieben:Zu behaupten, die Ergebnisse der Forschung könnten ignoriert werden oder gar in ihr Gegenteil verkehrt, wie du es tust, aufgrund der bloßen Möglichkeit, Jesu könne göttlich sein, das kannst du nicht.
Es ist eigentlich viel einfacher. - Die Ergebnisse der historisch-kritischen Rezeptions-Forschung (warum sagst Du "Forschung", wenn Du diese Variante davon meinst? - Auch hier schießt Du denselben Bock wie andere) werden als "methodische Ergebnisse" anerkannt ("Mit dem Ansatz der HKM sind diese Ergebnisse die Folge") - aber sie werden nicht immer als überzeugend in Bezug auf "das, was tatsächlich passiert ist" (historisch/"ontisch") angesehen, vor allem wenn man auch heilsgeschichtliche/hermeneutische Aspekte miteinbezieht ("Was konnten die Verfasser damaliger Rezeptionen verstehen und was können wir jetzt verstehen?").
Und warum dieser heilsgeschichtliche/hermeneutische Verständnis-Ansatz nicht wissenschaftlich bearbeitet werden könnte, müsstest Du erklären. - Einfach sagen "Nur unser auf zeitnahe Rezeption ausgelegter methodischer Ansatz ist der einzige Weg zur Ermittlung dessen, was tatsächlich der Fall war', ist milde gesagt einseitig gedacht, etwas deutlich gesagt brutal ideologisch.
Thaddäus hat geschrieben:Denn diese Möglichkeit verändert kein Jota in den Analysen und Schlussfolgerungen basierend auf Quellenlage und Textbefund.
Doch - in Bezug auf die Schlussfolgerungen schon. - Es ist ein Unterschied, ob Thaddäus sagt "Das Ende ist nah" oder Gott - es bedeutet dann etwas anderes.
Aber es verändert natürlich
innerhalb der HKM kein Jota, weil deren Anlage geistige (Altsprech) und somit heilsgeschichtlich/hermeneutisch nicht interpretieren kann. - Meinst Du ernsthaft, damit kann man im Ernstfall "das, was der Fall ist", beeindrucken?
Thaddäus hat geschrieben:Die Annahme, Jesu könne göttlich gewesen sein, bringt vor allem keinerlei Erkenntniszugewinn.
Doch - wenn Jesus göttlich war, ist die historische Wahrscheinlichkeit hoch, dass die leibliche Auferstehung stattgefunden hat. - War er nur ein x-beliebiger Wanderprediger, ist die historische Wahrscheinlichkeit gleich Null.
Wenn Jesus göttlich war, gibt es den Bezugspunkt des Satzes "Das Himmelreich ist nah" in der Auferstehung (und übrigens auch in der Verklärung) - beides haben die Jünger erlebt. - Aber auf solche Interpretationen kann die HKM halt aufgrund ihrer Anlage nicht kommen.
Thaddäus hat geschrieben:Die Paläontologie rekonstruiert, welche Lebewesen vor Jahrmillionen auf diesem Planten herumspaziert sind und wie sie aussahen und lebten. An deren Ergebnissen ändert sich ebenso wenig, wenn Jesus göttlich gewesen sein sollte.
Richtig - hier geht es um rein biologische Fragenstellungen, die geistige Fragen nicht berühren - deshalb ändert sich nichts an den Ergebnissen, weil hier geistige und biologische Ergebnisse nicht interferieren. - Genauso wie der Nachweis, dass es keine Teleologie in der Evolutions-Theorie gibt, nicht interferiert mit göttlicher Fügung/Teleologie. - Es sind verschiedene Ebenen.
Beim Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" geht es aber um eine Frage der Historie, von der es nur eine gibt - also EINE Ebene und nicht verschiedene Ebenen. - Und diese Frage ist geistiger Natur: "War Jesus geistig der Meinung, dass das göttliche Reich kurzfristig als physikalische Größe eintreten wird?" - In der Stadt Jerusalem, also geografisch fixierbar, herrscht dann Gott - oder etwas Ähnliches.
Man müsste also sozusagen in das Hirn Jesu krabbeln. - Das kann man mit HKM-Methoden über die Jesus-Rezeptionen versuchen - und ist auf das Verständnis der Textverfasser angewiesen (so ist das halt) - allerdings vor dem Hintergrund des Motivs "Und sie verstanden ihn nicht", was die Sache nicht einfacher macht. - Und man muss selber ein Verständnis haben von dem, was es bedeutet, "göttlich" zu sein - denn das Gehirn, in das man krabbelt, denkt anders, wenn es göttlicher Natur ist.- Sieht die HKM ein solches Verständnis vor?
Naja - immerhin kann die HKM nach wie vor über die Rezeption arbeiten - kann ja was Gescheites rauskommen - aber doch bitte nicht mit dem Anspruch, sowohl Rezeptions-Forschung und geistiges Verständnis gleichzeitig zu beherrschen.
Denn das geht nicht - dazu ist die HKM nicht ausgerüstet (Du hast deren Basis-Begriffe wie "Vernunft", "Evidenz", etc. ja dementsprechend definiert). - Mit anderen Worten: Die HKM würde dann etwas Ähnliches wollen, als würde Einstein seine Relativitäts-Theorie und die Evolutions-Theoretiker ihre Theorie nicht nur naturwissenschaftlich, sondern auch theologisch begründen. - Das geht nicht.
Fatal dabei: Während man Evolutions-Theorie und Relativitäts-Theorie naturwissenschaftlich begründen kann und theologisch bewerten kann, ohne dass die Ergebnisse beider Instanzen interferieren, weil es zwei Ebenen sind, geht dies bei der Frage "Hatte Jesus eine Naherwartung?" NICHT, weil Jesu Denken ein historisches Geschehen ist. - Es wurde also historisch von Jesus "so" oder "anders" gedacht - nachdem wir hier keine zwei Ebenen, sondern nur eine haben, muss eines davon historisch ("ontisch") falsch sein. - Allerdings können die "methodischen Ergebnisse" unterschiedlicher Disziplinen unterschiedlich sein - trotzdem ist dann in Bezug auf das, was tatsächlich war, ein Ergebnis davon falsch.
Was heißt das nun für die HKM:
Entweder die HKM arbeitet so, wie Du es beschreibst, dann kann sie nach wie vor ihre methodischen Ergebnisse abliefern - oder sie öffnet sich zum Geistigen hin, wie es Ratzinger gefordert hat, dann kann sie anders-methodische Ergebnisse abliefern (es wäre dann ja eine anders-fundierte Methodik). - Beides gleichzeitig geht nicht. - Mein Vorschlag: "Liebe HKM, mache es, wie Thaddäus sagt, aber dann bitte nichts anderes - und verzichte bitte auf Sachen, die Du nur dann tun könntest, wenn Du Ratzinger folgen würdest".
Wie auch immer:
Wir haben hier den merkwürdigen Fall, dass Du und ich stellvertretend stehen für das, was "draußen" stattfindet: Da sind zwei Positionen, die sich jeweils der anderen klar überlegen fühlen, und sich beide aufgeklärter bezeichnen als die jeweils andere. - Beide wollen den jeweils anderen missionieren ("Verstehe doch endlich !!!") und haben dabei jeweils eher mäßige Erfolge. - Das ist ein knallharter weltanschaulicher Kampf.
Persönlich bedauere ich, dass man heute offenbar nicht mehr kategorial unterscheiden kann, was man mit heideggerischem Vokabular als "Sein" und "Seiendes" bezeichnen würde. - Aus meiner Sicht weist dies auf einen Anthropozentrismus hin, dessen Ausmaß ich mir tatsächlich vor Besuch dieses Forums nicht vorstellen konnte.
Ich habe noch nie so viel gelernt über das intellektuelle Ticken unserer Zeit wie hier im Forum - jetzt wird mir langsam klar, dass es kein Spiel ist ("Wir wollen halt provozieren" - so war das in meiner post-68er Zeit), sondern ernst ("Wir glauben das WIRKLICH"). - Und so stehen sich ein 2000 Jahre alter Glaube und ein inzwischen offenbar ziemlich stabilisierter Glaube des 20./21. Jh gegenüber.