closs hat geschrieben:Es ist oft so, dass die Menschen viel instinktsicherer handeln als sie es nach gesellschaftlicher Konstitution "dürften" - und umgekehrt.
Allerdings ist richtig, dass "der Mensch" immer gleich ist, wenn man ihn lässt - würdest Du heute in der mongolischen Steppe stranden, würde Dich der nächste Nomade in Dein Zelt einladen.
Man muss hier zweierlei unterscheiden: Die natürliche Veranlagung des Menschen zur Solidarität. Als Christ würde man es als die im Menschen eingesenkte Liebe Gottes bezeichnen.
Das Weitere ist die kulturelle und ethnisch-moralische Entwicklung dieser Veranlagung in einer Gesellschaft. In Europa geschah dies im Lichte der Offenbarung Gottes, in einem christlichen Raum. Kein Historiker wird behaupten, dass die ethnisch-moralische Prägung in Europa und die daraus sich entwickelten Werte, die sich auch in der Rechtssprechung niederschlagen, nicht aus dieser christlichen Wurzel stammen.
Entscheidend heute ist, dass eine inzwischen wieder unaufgeklärte atheistische Gesellschaft eines nur scheinbaren Individualismus etwa den Wert Freiheit nur mehr als Freiheit von, anstatt Freiheit für definiert, wie er eigentlich gemeint ist. Man will sich frei von allem machen, was die eigene Individualität, die eigenen Wünsche und Triebe, seinen Egoismus zu wider läuft. Der durchaus berechtigte Trieb sich frei von Religion zu machen, gipfelt aber in der Ent-Sinnung sich dann auch frei von seinen Wurzeln machen zu wollen, die diese Freiheit erst ermöglichte. Daraus resultiert ein allgemeiner Werteverfall, aber auch ein Identitätsverlust
der Person, der Natur und dem eigentlichen Wesen des Menschen, die ihre Identität dann durch lediglich nach außen gerichtete Identitäten wie etwa Heimat, Volksgruppe, Parteiprogramm, Life-Style oder inzwischen auch medialer Peer-Group unvollständig definieren wollen.
Sehe ich anders - ich sehe gerade die oberen gesellschaftlichen Gruppen diesbezüglich im Fokus, denen als Ideal vorgegeben wird, möglichst egoistisch zu leben.
Es ist die Arroganz dieser gesellschaftlichen Gruppen, meist aus Wohlstandskindern bestehend, die sich mit Solidarität nur mehr auf Kosten anderer beschäftigen wollen und nicht mal mehr verbal fähig, sich mit deren Sorgen und Ängste auseinanderzusetzen, weil nur das eigene Imperium zählt.
Anstatt diesen furchtbaren Rechtsruck auch als Fehler des eigenen Egoismus, seiner Ignoranz zu betrachten, würde man lieber die Demokratie preis geben oder keine Toleranz für die Intoleranten fordern. Dabei muss man beachten, dass hier nicht in Unternehmer-Arbeiter, Selbständige-Unselbständige unterschieden werden soll, sondern in, überspitzt formuliert: sich der Verantwortung Stellenden und die sich nur selbst Optimierenden.
Gerade die sich als selbst intellektuell bezeichnende Linke versagt deshalb kläglich, weil ihre Arroganz nur mehr des anderen Fehler anprangert und, sich im Mainstream als Opportunist wohlfühlend, keine Kritik mehr zulassen kann, auch bei sich selbst nicht.
Eigentlich wäre diese linke, liberale Strömung in einer Gesellschaft wichtig für ihren Zusammenhang in der Veränderung. Verharrt sie aber im sicheren Wohlstands- und Elitedenken, dann macht sie sich entbehrlich, schafft sich ab, wie jüngst in Österreich geschehen.
Servus
