Pluto hat geschrieben:Halman hat geschrieben:Die Goldene Regel ist hierfür ein Beispiel.
Ja. Aber die Goldene Regel stammt aus viel früheren Zeiten als die Bibel. Sie ist fast so alt wie de Menschheit selbst.
Die älteste Form der Goldenen Regel, die ich in Wikipedia ausfindig machen konnte, stammt aus der Altorientalischen Weisheit, eine Spruchsammlung die um 700 v. Chr. entstanden ist.
Zitat aus
Altorientalische Weisheit:
„Sohn, was dir übel erscheint, tue deinem Mitmenschen nicht an.
Was immer du willst, dass dir es die Menschen tun, das tue du allen.“
Kennst Du eine ältere Quelle?
Pluto hat geschrieben:Die moralischen Standards werden Schritt für Schritt angehoben.
Naja... aber genauso aufgeweicht. Ich denke an die Essensvorschriften.
Die Speisegebote betreffen die kultisch-rituelle Hälfe des Gesetzes. Nur diese ist durch Jesus erfüllt (so wie die Steuerschuld durch die reiche Tante). Die Liebes- und Sozialgebote, die den eigentlichen Kern des Gesetzes ausmachen, bleiben weiterhin bestehen (s.
"Die Bibelfälscher", Seite 209, Klaus Berger).
Die besonderen Speisegebote sonderten die Israeliten als Heiliges Volk für JHWH (
יהוה‎) von den Heiden ab. Diese Trennung wurde nach christlicher Vorstellung durch Jesus überwunden, symbolisiert dadurch, dass die Speisen der Heiden nun annehmbar waren. Eine kultische "Reinheit" (Heiligkeit) war nun nicht mehr erforderlich.
Pluto hat geschrieben:Dieses Gebot verbietet den Mord. Er bezieht sich nicht auf unbeabsichtigten und entschuldbaren Totschlag. Töten ist erlaubt beim Vollzug der Todesstrafe und im Krieg. Dieses Gebot war eine Lebenssicherung unter Nachbarn.
Todesstrafe... Krieg...?
Also gelten diese Regeln nur für die "Nächsten", nicht aber für Feinde? Ist das nicht ein Widerspruch zu Jesus' Gebot der Feindesliebe?
Das alte Israel war ein theokratisches Königtum, mit einem Heer. Es führte Kriege und vollzog die Todesstrafe. Wenn es um die Bestrafung von Sündern ging, war das mosaische Gesetz ausgesprochen hart. Doch es enthält in
Ex 23,4-5 auch ein konkretes Gebot zur Feindeshilfe.
Ferner sei noch auf die Sprüche im Tanach verwiesen (
Spr 24:17 und
Spr 25:21).
In einer Spätschrift des AT findet sich in
Sir 28,6-7 noch ein schöner Gedanke.
Der Begriff des Nächsten wurde im alten Judentum kontrovers in der rabbinischen Exegese diskutiert.
So ist der Nächste zum einen jeder mit den Hebräern befreite und zum Bundespartner Gottes erwählte Israelit, zum anderen tendieren die auf den Nächsten bezogenen Dekaloggebote auf allgemeine Geltung im Bereich der Schöpfung.
Es gab offenbar verschiedene
Jüdische Auslegungen. So ist es nicht verwunderlich, dass gem.
Lk 10:29 ein jüdischer Schriftgelehrter Jesus mit dieser Frage konfrontierte. Jesus antwortete mit dem berühmten
Gleichnis vom barmherzigen Samariter.
Pluto hat geschrieben:Paulus konnte Stephanus nicht mehr um Vergebung bitten. Ihm half nur sein Glaube an Jesus Christus.
Ein schwacher Trost. Auch er musste mit der Verantwortung
weiterleben.
Ja, dies brachte Paulus in seinen Briefen selbst zum Ausdruck (
1.Kor 15:9 und
1.Tim 1:15). Paulus fand aber in seinem tiefen Glauben und seiner christlichen Hoffnung viel Trost (
Rö 8:18, sofern ich seine Texte richtig rezipiere).
Pluto hat geschrieben:Laut der Bibel ist es entscheidend, ob jemand bereut und aufgrund der Reue umdenkt.
Das wird aber z. Bsp. in der katholischen Kirche anders gesehen (Stichpunkt: Ablass und Absolution).
Diese kirchliche Praxis kritisierte Luther ja zu recht scharf.
Pluto hat geschrieben:Die Verantwortung ist höchst individuell. Auch das Opfer kann dem Täter nicht die Verantworung abnehmen, aber es kann ihm seine Tat vergeben.
Vergebung durch das Opfer ist in meinen Augen das Wichtigste, denn nur so weiss der Täter, dass er seine Tat
aufgearbeitet hat.
Paulus wurde dem NT zufolge insbesondere von einigen Judenchristen in Korinth kritisiert, aber im allgemeinen als Apostel respektiert. Er nannte die
Brüder, die er einst verfolgt hatte und arbeitete rund dreißig Jahre mit ihnen zusammen - bis zum Märtyrertod. Ich denke, er hatte hier viel Gelegenheit bei seinen früheren Opfern Vergebung zu erlangen und seine Vergangenheit aufzuarbeiten. Dennoch war sie stehts eine Last für ihn.
Pluto hat geschrieben:Ich glaube, dass göttliche Vergebung möglich ist. Wäre dem nicht so, dann würde der "Fluch der Sünde" uns alle verurteilen.
Dieser Fluch ist es, woran ich nicht glaube. Menschen werden nicht in Sünde geboren, und wenn, dann sind sie oft nicht schuldfähig — oder glaubst du, dass Jemand der homosexuell ist, dafür was kann?
Mit dem "Fluch der Sünde" meinte ich nicht, dass wir als
Schuldige geboren werden. Damit meinte ich, dass kein Mensch imstande ist, im Laufe seines vollkommen schuldlos zu bleiben (
Rö 3:23).
Pluto hat geschrieben:Hier sehe ich kein Entweder oder. Verantwortung und Sünde passen doch gut zusammen.
Verantwortung muss man tragen, egal was geschieht. Nur eine Amnesie kann sie tilgen.
Sünde sieht zwar barmherziger aus, aber sie ist viel diffuser in ihrer Anwendung.
Es kommt darauf an, wie konkret die
Sünde definiert ist. Der biblische Begriff vermittelt den Gedanken, das Ziel zu verfehlen, das Rechte zu tun.
Paulus nimmt im Römerbrief auf das Gewissen Bezug. Im Korintherbrief ermahnt er die Urchristen, das Gewissen ihrer Brüder nicht durch das Essen von Fleisch, dass möglicherweise Götzen geopfert wurde, zu belasten. Paulus leitet also aus dem Gewissen Veranwortung her. Hierzu passt die Einleitung der Präambel zum GG:
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, ... Sündigen bedeutet, dass Ziel zu verfehlen, dieser Verantwortung zu entsprechen.