Das Buch Hiob- Geschichte oder Legende?

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Münek
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#321 Re: Das Buch Hiob- Geschichte oder Legende?

Beitrag von Münek » So 16. Feb 2014, 14:12

2Lena hat geschrieben:
Münek:Wie wäre es, sich mit dem Gedanken zufrieden zu geben, sich mal irgendwann wie weiland unser lieber Freund Hiob einfach LEBENSSATT und ZUFRIEDEN zu seinen Vätern und damit zur ewigen Ruhe zu legen.
Es gibt hellsichtige Menschen, die den Geistern der Verstorbenen auf den Friedhöfen zuhören, ihnen Mut geben. Es gibt Leute, die den Geist von Steinen merken, spüren wo Wasser zu finden ist und den Schmerz von Bäumen wahrnehmen können. Nicht nur schamanische Geschichten erzählen davon. Kann es sein Münek, dass du dir die Welt zu simpel vorstellst - oder dass dir gewisse "Sinne" fehlen?

Hallo 2Lena,

ich glaube nicht, dass ich mir die Welt zu simpel vorstelle.
Von den bekannten 5 Sinnen fehlt mir auch keiner. :thumbup:
Gibt es etwa weitere? :?

Ich zähle mich zu den gemäßigten Skeptikern.

Geister und Götter, Teufel :devil: und Engel :engel: , Feen, He-
xen und Dämonen existieren für mich in der Tat genauso we-
nig wie der Osterhase, der Weihnachtsmann oder der Einfluss
der Gestirne auf das menschliche Schicksal oder Hölle und Him-
mel oder die Auferstehung von den Toten.

Aber der Vorstellungs- und Einbildungskraft (Wunsch- und Angst-
vorstellungen
) des Menschen sind halt keine Grenzen gesetzt. Zu-
dem schleppen wir noch sehr viel "Archaisches" mit uns herum!

Lieben Gruß

Münek

closs
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#322 Re: Das Buch Hiob- Geschichte oder Legende?

Beitrag von closs » So 16. Feb 2014, 19:39

Münek hat geschrieben:Von den bekannten 5 Sinnen fehlt mir auch keiner. :thumbup: Gibt es etwa weitere? :?
Weiss ich nicht. - Jedenfalls kann man geistige Fragen nicht mir den Sinnen im naturalistischen Sinne klären - andere Baustelle.

Münek hat geschrieben:Zudem schleppen wir noch sehr viel "Archaisches" mit uns herum!
Da wäre jetzt zu klären, ob das eine Last oder ein Schatz ist.

Pluto
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#323 Re: Das Buch Hiob- Geschichte oder Legende?

Beitrag von Pluto » So 16. Feb 2014, 22:07

Hiob wiederrfährt unsägliches Leid, doch er erträgt es ohne sich jemals zu beschweren, oder Gott um Hilfe zu rufen.
Abraham hingegen redet und handelt sogar erfolgreich mit Gott, als er ihn bittet wenigstens die Unschuldigen in Sodom und Gomorrha zu verschonen.

Warum hat Hiob nicht denselben "Draht" zu Gott wie Abraham?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#324 Re: Das Buch Hiob- Geschichte oder Legende?

Beitrag von closs » So 16. Feb 2014, 23:56

Pluto hat geschrieben:Warum hat Hiob nicht denselben "Draht" zu Gott wie Abraham?
Weil beide unterschiedliche heilsgeschichtliche Rollen haben.

Die von Dir erwähnte Stelle mit Abraham (1. Mose 18,25) sehe ich persönlich eher kritisch gegenüber Abraham, wenn man vergleicht mit 1.Mose 22,1 "Gott <stellte> Abraham auf die Probe". - Denn dort sagt Abraham gerade NICHT, was er in 1.Mose 18,25 sagt "Das kannst Du <Gott> doch nicht tun". ---???--- Aber das wäre jetzt ein eigenes Thema.

Aber zurück zu Deiner Frage: Es GIBT keinen "Draht" vom Menschen zu Gott ("ICH habe einen Draht"), auf den der Mensch bestehen dürfte. Der Draht kommt von oben - das ist eigentlich die Aussage bei Hiob.

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#325 Re: Das Buch Hiob- Geschichte oder Legende?

Beitrag von Pluto » Mo 17. Feb 2014, 00:10

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Warum hat Hiob nicht denselben "Draht" zu Gott wie Abraham?
Weil beide unterschiedliche heilsgeschichtliche Rollen haben.
heilsgeschichtliche Rollen ist mir als Antwort zu allgemein.
Warum meint Arbraham, er könne Gott in Frage stellen, während Hiob sich nicht getraut Gott sein Leid zu klagen?

Aber zurück zu Deiner Frage: Es GIBT keinen "Draht" vom Menschen zu Gott
Das ist mir klar, daher auch die Angstfüsschen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#326 Re: Das Buch Hiob- Geschichte oder Legende?

Beitrag von 2Lena » Mo 17. Feb 2014, 02:28

Münek: Aber der Vorstellungs- und Einbildungskraft (Wunsch- und Angst-
vorstellungen) des Menschen sind halt keine Grenzen gesetzt. Zu-
dem schleppen wir noch sehr viel "Archaisches" mit uns herum!
Da stimme ich dir voll zu. Allerdings, mit dem richtigen "Draht zum Osterhasen" verschwindet das von früher bekannte Rauschen im Radiogehäuse.

Pluto: Hiob wiederrfährt unsägliches Leid, doch er erträgt es ohne sich jemals zu beschweren, oder Gott um Hilfe zu rufen.
Hiob ist eine Lehre. Die Dichtkunst stellt das Leid der heilen Welt gegenüber. In Deutsch ist diese Konstruktion nicht nachzumachen, weil es nicht den gleichen Bedeutungswortschatz gibt. Dort kann man nicht die Lösungen herausarbeiten.

Pluto: Abraham hingegen redet und handelt sogar erfolgreich mit Gott, als er ihn bittet wenigstens die Unschuldigen in Sodom und Gomorrha zu verschonen.
Abraham ist ein Gesetz der Wunschregelung. Es ist eine fortschrittlichere Psychologie als die heute vorliegende. Der Handel mit Gott um die Städte ist eine Abhandlung: Wann ist ein "Aussortieren" vernünftig und in welchem Fall würde ein Zerstören daraus. In Deutsch nicht nachzuvollziehen ist ein Wort wie Sodom zum Beispiel, denn man denkt hier geographisch. Das Wort "Sod" Geheimnis oder eine Verbindung zu Versammlung käme nie in den Sinn. An einen akustischen Zusammenhang von Beute oder Raub oder Dämon würde man auch nicht denken.

Pluto: Warum hat Hiob nicht denselben "Draht" zu Gott wie Abraham?
Diese Frage stellt sich dem, der den übersetzten Bibeltext hat. Ein Hebräer befasste sich mit dem Studium der Psychologie und sah in "Hiob" die spätere Zusammenfassung aller Lehren von Liebe, incl. Abhandlungen über einen Widerspruch.

"Heilsgeschichtlich" haben diese Kenntnisse dann wirklich Auswirkungen und sind nicht nur Reden.

closs
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#327 Re: Das Buch Hiob- Geschichte oder Legende?

Beitrag von closs » Mo 17. Feb 2014, 07:13

Pluto hat geschrieben:Warum meint Arbraham, er könne Gott in Frage stellen
Tut er doch nicht - er verhandelt mit ihm wie auf einem Basar.

Pluto hat geschrieben:während Hiob sich nicht getraut Gott sein Leid zu klagen?
Genau das tut er seitenweise.

Pluto hat geschrieben:Das ist mir klar, daher auch die Angstfüsschen.
Vielleicht habe ich mich da unklar ausgedrückt: Natürlich gibt es einen Draht zwischen Ebenbild und Ebenbild-Geber - aber dieser Draht geht nicht vom Menschen aus.

2Lena hat geschrieben:In Deutsch ist diese Konstruktion nicht nachzumachen, weil es nicht den gleichen Bedeutungswortschatz gibt. Dort kann man nicht die Lösungen herausarbeiten.
Deinen Ausführungen kann ich wirklich gut folgen - trotzdem sollte es möglich sein, auch der äußeren Handlung heilsgeschichtliche Logik zu entlocken. Ich meine, dass es geht - allerdings winden sich die Kurven der Auslegung anders.

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#328 Re: Das Buch Hiob- Geschichte oder Legende?

Beitrag von Salome23 » Mo 17. Feb 2014, 09:21

Pluto hat geschrieben:Hiob wiederrfährt unsägliches Leid, doch er erträgt es ohne sich jemals zu beschweren, oder Gott um Hilfe zu rufen.
Lies bitte Hiob nochmals-denn das stimmt nicht, dass er sich "nicht" beschwert ;)

michaelit
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#329 Re: Das Buch Hiob- Geschichte oder Legende?

Beitrag von michaelit » Mo 17. Feb 2014, 11:45

Ich weiß nicht, mir scheint es so als ob da zwei Handlungen in einer sind, die Rahmenhandlung (die dann zum Ende nicht erklärt wird bzw versickert), und die Leidensworte Hiobs. Hiob selbst scheint etwa um den Teufel gar nicht zu wissen sondern benennt Gott als den Ursprung seines Unglücks.

Hiob ist wirklich eher ein Weisheits- oder Kunstbuch als eine tatsächliche Historie eines Menschen Hiob. Ich kann mir einfach nicht vorstellen daß die Sache so einfach bzw böse ist daß Gott einem Wesen wie dem Satan soviel Macht gibt, noch dazu über wirklich gerechte Leute wie Hiob.

Was mir auch spanisch vorkommt, der Hiob klagt nirgendwo über den Verlust seiner Familie. Bei mir und bei meinen Verwandten war es dagegen immer so daß materieller Verlust, Verlust von Status und selbst Krankheit und so, weniger schwer wogen als der Tod von jemandem von uns. Aber Hiob redet nirgendwo über diese Verluste.

Mir scheint daher daß das Buch Hiob ein Kunstwerk ist, und nicht wirklich als objektives theologisches Werk aussagekräftig ist. Es ist dagegen so etwas wie der jüdische Faust, nur ganz anders gedacht als Goethe's Buch. Faust ist halb böse, halb gut, Hiob ist nur gut. Faust wird gerettet weil er mit dem Teufel als Hilfe nach vorn strebt, Hiob wird gerettet weil er doch noch Geduld hat. Mir ist da Hiob schon sympathischer als der Faust, aber die Hiobsche Leidenstiefe ist wirklich hart, da kann man nichts sagen, da wirkt selbst das Kreuz von Jesus wie ein Silvesterknaller.

Mit Leiden kommen wir nicht zurecht, das ist wohl die eigentliche Wahrheit über die wir mal nachdenken sollten. Die Freunde suchen Hiob's Schuld und fordern Demut ein. Aber was der Kerl gebraucht hätte wäre was Priesterliches und Diakonisches. So, Jesus trägt deine Schuld, Gott liebt dich. So, hier hast du ein warmes Zimmer und ärztliche Behandlung. Doch das gab es zu Hiobs Zeiten nicht. Der Autor sagt stattdessen, Gott wendet Hiob's Leid in totale Fülle und Frieden. Doch das ist wieder so märchenhaft und so an der Wahrheit dieses Lebens hier selbst in dieser Zeit vorbei, das ich nicht weiter weiß.

Der Leidende braucht Hilfe, und das schnell. Warum taumelt das Hiobbuch an dieser einfachen und für mich sehr christlichen Botschaft einfach vorbei?

closs
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#330 Re: Das Buch Hiob- Geschichte oder Legende?

Beitrag von closs » Mo 17. Feb 2014, 12:41

michaelit hat geschrieben:die dann zum Ende nicht erklärt wird bzw versickert
Das stimmt - da war ich beim ersten Lesen auch enttäuscht. - Denn die ellenlange Rede Gottes über alle möglichen Tiere passt irgendwie nicht. - Allerdings hat mir ein Theologe mal erzählt, dass das Buch Hiob eine Zusammenstellung ganz verschiedener Texte sei.

michaelit hat geschrieben:Hiob selbst scheint etwa um den Teufel gar nicht zu wissen
So ist es - genauso wie Adam nichts vom Baum des Lebens weiss. - Nur der Leser weiss es.

michaelit hat geschrieben: Hiob klagt nirgendwo über den Verlust seiner Familie
"Der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen" - das ist schon eine Aussage, die ÜBER dem Klagen steht.

michaelit hat geschrieben:Mir scheint daher daß das Buch Hiob ein Kunstwerk ist, und nicht wirklich als objektives theologisches Werk aussagekräftig ist.
Auch 1.Mose ist kein historisches Buch - das ist auch nicht wichtig und kein Maßstab für die geistige Substanz eines Werkes.

michaelit hat geschrieben:Mit Leiden kommen wir nicht zurecht, das ist wohl die eigentliche Wahrheit ü
Ja - es geht um den Grund des Leidens - mit dem Ergebnis, dass es keinen menschlich messbaren Grund gibt. Damit ist Hiob/das AT weiter als einige heutige Glaubensgemeinschaften.

michaelit hat geschrieben: Aber was der Kerl gebraucht hätte wäre was Priesterliches und Diakonisches.
Wäre er eine historische Figur, würde das stimmen - aber er ist es eben nicht. - Es geht vielmehr darum, anhand des Leides Hiobs zu ergründen, wie Leid begründdbar sei - eben mit dem Ergebnis, dass es keinen menschlich messbaren Grund gibt.

michaelit hat geschrieben:Jesus trägt deine Schuld, ... Doch das gab es zu Hiobs Zeiten nicht.
Gerade das ist ja das Dramatische: Man spürt, dass Hiob durch das Leid Richtung NT getrieben wird, ohne es erleben zu dürfen. - Insofern ist er wie Mose, der das gelobte Land nicht sehen darf. - Folgender NT-Satz wäre vor Hiob nicht möglich gewesen:

Hiob 19 (Schlacher)
25 Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und zuletzt wird er sich über den Staub erheben.
26 Und nachdem diese meine Hülle zerbrochen ist, dann werde ich, von meinem Fleisch los,1 Gott schauen;
27 ja, ich selbst werde ihn schauen, und meine Augen werden ihn sehen, ohne [ihm] fremd zu sein2. Danach sehnt sich mein Herz in mir!3


Vorher gab es kein Heil OHNE Fleisch und auch kein Schauen, ohne Gott fremd zu sein - der leibliche Abstieg in den Scheol wird ersetzt durch die geistige Auferstehung zu Gott hin - wenn das keine Vorschattung auf das NT ist ...

michaelit hat geschrieben:Der Leidende braucht Hilfe, und das schnell. Warum taumelt das Hiobbuch an dieser einfachen und für mich sehr christlichen Botschaft einfach vorbei?
Weil es Hiob als Person nicht gibt. - Pastoral hast Du vollkommen recht - aber hier geht es um die Klärung geistiger Fragen.

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