Tree of life hat geschrieben: ↑Fr 24. Dez 2021, 12:39
Und du? Redest Jesus schlecht, .....
Nein, ich versuche, ihn von glaubensideologischen Verklärungen zu befeien und ihn realistischer zu betrachten. Wir wissen zwar nicht viel über sein Leben, aber es gibt ja auch innerhalb der Evangelien Hinweise auf seine Lebensumstände.
So wissen wir, dass er sich mit seiner Familie entzweit hat, nicht mehr arbeiten ging und sich von Frauen aushalten ließ. Er hatte einen Ruf als Fresser und Weinsäufer und lehnte die römische Besatzungsmacht entschieden ab.
Sprüche wie: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist... oder Alle Obrigkeit ist von Gott gewollt, hätte er den Schreibern wohl um die Ohren gehauen. Unter seinen Anhängern befanden sich auch Zeloten, die man im heutigen Sprachgebrauch wohl als Terroristen bezeichnen würde.
Die Hinrichtungsart der Kreuzigung ist ein deutlicher Hinweis, dass Pilatus ihn als Bedrohung der öffentlichen Sicherheit betrachtete, er galt als Unruhestifter.
Der Religionswissenschaftler Reza Aslan hat dies in einem Interview sehr treffend beschrieben:
Es ist wichtig, dass wir lernen zu begreifen, dass Jesus viel radikaler und revolutionärer gewesen ist, als die meisten ihn verstehen. Wenn wir nichts über Jesus wüssten, als dass er gekreuzigt wurde, wüssten wir genug. Denn eine Kreuzigung war eine Strafe, die Rom ausschließlich für solche vorsah, die Gewalt gegen den Staat ausgeübt hatten, dazu zählten Aufständische oder Rebellen. Wer also daran glaubt, dass Jesus gekreuzigt wurde, muss damit zugleich einräumen, dass er wegen einer Rebellion gegen den Staat ans Kreuz geschlagen wurde.
In der Einstellung zu Reichtum und Armut ist z. B. ein Papst Franziskus Jesus viel näher als ein Putin, Kyrill oder Trump.
Der Papst hat einige wichtige Bemerkungen über Einkommen, Gleichheit und unfairen Kapitalismus gemacht. Einige der Politiker in den USA, Sarah Palin inbegriffen, haben den Papst für diese Bemerkungen hart kritisiert. Ich habe ihnen in einem Artikel für die „Washington Post“ geantwortet: Wenn ihr ein Problem damit habt, was der Papst sagt, habt ihr ein Problem mit Jesus. Denn das ist genau das, was Jesus gesagt hat. Ich habe lange auf solch einen Papst gewartet. Franziskus ist Jesuit. Da ich eine Jesuitenschule besucht habe, ähneln sich unsere Vorstellungen vom Evangelium. Es beinhaltet ein Gespür für soziale Gerechtigkeit und für den mangelnden Einfluss der Armen, genau das, was Jesus predigte. Wer ein Problem mit Papst Franziskus und seinen Aussagen über die Reichen und Armen hat, hat gleichzeitig ein Problem mit Jesus.
https://www.fr.de/kultur/jesus-unruhestifter-11074018.html