Der Gott Israels ist der Gott der Christen?

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sven23
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#141 Der Gott Israels ist der Gott der Christen?

Beitrag von sven23 » Do 10. Jun 2021, 17:25

Naqual hat geschrieben:
Do 10. Jun 2021, 10:06
Und die Weitergabe der Erkenntnisse der damals neuen Religion erfolgte nicht über Videoaufzeichnungen, Zeitungen und Bücher sondern mündlich. In Gesprächen von A zu B, zu C, zu D. usw. Es gibt in der Jugendarbeit ein schönes Spiel für Kinder: der erste bekommt einen kurzen Satz gesagt, den dieser dem nächsten ins Ohr flüstert und dieser wieder dem nächsten. Nach dem 6. Durchgang kommt jedenfalls ganz was anderes heraus. Und das ist keine böse Absicht.
Das sieht man auch sehr schön am Spiel der "stillen Post", auch mit Erwachsenen, bei allerbester Absicht und quasi in Echtzeit. Es ist aber die Basis der mündlichen Überlieferung im Falle der Jesus-Saga.

Naqual hat geschrieben:
Do 10. Jun 2021, 10:06
Später wurde dann noch die Interpretationen der Texte kirchenmachtpolitisch überarbeitet (am deutlichsten sichtbar unter der Regie des Nichtchristen Konstantin). Aus dem Jesus, der ein über den Engel stehendes höchstes Wesen unmittelbar unter Gott geworden war (in den Texten), wurde auf einmal ein Gott. Und spätestens hier haben wir den massivsten Unterschied in der Gottesvorstellung von den Juden und den Christen. Aus jüdischer Sicht gibt es auch überhaupt keinen Sinn, warum Gott Mensch werden sollte.
So ist es. Dass Gott einen unehelichen Sohn mit einer Menschenfrau haben soll, kennt man zwar aus der griechischen Götterwelt, aber für einen gläubigen Juden war das reinste Gotteslästerung. So dürfte es auch der gläubige Jude Jesus gesehen haben. Die Forschung geht mehrheitlich davon aus, dass Jesus sich nicht als Gott gesehen hat. Ob er sich als Messias verstanden hat, ist zumindest umstritten.


Naqual hat geschrieben:
Do 10. Jun 2021, 10:06
Wurde man bei den Römern für die Nächsten- und Feindesliebe hingerichtet oder doch eher für die Anstiftung zum Aufruhr?
LoL. Also ich denke nicht, dass die Römer Leute hinrichteten, weil sie recht lieb waren. Die Kreuzigung war nur für Menschen zweiter Klasse (Nicht-Römer, Sklaven) vorgesehen bei Kapitalverbrechen gegen den Staat. Allerdings musste man nicht unbedingt eine "Anstiftung zum Aufruhr" wirklich schuldig sein. Die dachten nicht "in dubio pro reo" (im Zweifel zugunsten des Angeklagten), sondern eher "in dubio contra reo".
Das lag aber auch ein wenig am Angeklagten selbst. Nach antiker Prozessordnung gab es kein Aussageverweigerungsrecht für den Angeklagten. Sein Schweigen hätte demnach als Schuldeingeständnis gewertet werden müssen. Ein Evangelist läßt Jesus sogar die Anklage bestätigten. (Du sagst es)
Nach damaliger Rechtssprechung war seine Schuld erwiesen und sein Schicksal besiegelt. Die Schilderung des Prozesses mit Pilatus selbst als Prozessführender und die Einbindung seiner Frau in das Prozessgeschehen, deuten darauf hin, dass es sich um eine legendarische Ausschmückung des Prozesses durch die Evangelisten handelt.
Von einer Tradition, dass ein Verurteilter am Pessahfest freigelassen wird, ist den Historikern sonst nichts bekannt. Auch steckt der Prozess voller Verfahrensfehler.
Mit der Schilderung des Prozesses schlugen die Evangelisten zwei Fliegen mit einer Klappe:
Zum einen entlastete man die römische Besatzungsmacht und gab ihre keine Schuld am Tod des religiösen Führers der neuen Sekte, zum anderen belastete man damit die Juden und revanchierte sich für die Ablehnung des Jesus als Gottessohn.


Naqual hat geschrieben:
Do 10. Jun 2021, 10:06
Pontius Pilatus hatte massive Probleme in seiner späteren Amtszeit mit Rom. Wegen überschießender Brutalität (!) als Provinzfürst. Und die Römer waren bei besetzten Gebieten alles andere als zart beseitet.

Vor dem Hintergrund seiner Brutalität ist der geschilderte Prozess um so fragwürdiger.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Helmuth
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#142 Der Gott Israels ist der Gott der Christen?

Beitrag von Helmuth » Fr 11. Jun 2021, 06:01

Naqual hat geschrieben:
Mi 9. Jun 2021, 16:51
Beispiel: Jesus predigt einen Gott, wo die Ehebrecherin nicht gesteinigt wird (wer ohne Sünde werfe den ersten Stein) und frei von dannen zieht. Im AT dreht sich eine Frau herum aus Neugierde was da mit Sodom und Gomorrah passiert und die Verweigerung der Anordnung sich herumzudrehen führt dazu, dass sie des Todes stirbt (zur Salzsäule) erstarrt.
Ein grottenschlechter Vergleich. Bei der Ehebrecherin war kein Gericht Gottes am Wirken, sondern es lag ein Fall von Lynchjusitiz vor, sprich eine gesetzlose Handhabe bösartiger Juden, um Jesus in die Falle zu locken. Jesus hatte durch weises Einschreiten einen Mord vereitelt. Das Gesetz selbst negierte er dabei nicht.

Ich hätte Jesu Weisheit wohl nicht drauf, aber vielleicht gesagt, dass sich die Juden mit der Tour verzupfen können. Wer das ernsthaft vergleichen möchte, dem erspare ich den Vorwurf derselben Absicht nicht, dass man hier anstelle Jesus Gott in die Falle locken will.

Äpfel- mit Birnenvergleiche taugen aus juristischer und vor allem aus geistlicher Perspektive nicht viel, um unterschiedliche Gottesbilder zu zeigen. Bring Vergleiche, die auch vergleichbar sind.
Der Herr steht zu mir, deshalb fürchte ich mich nicht. Was kann ein Mensch mir anhaben?
Ps 118:6

oTp
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#143 Der Gott Israels ist der Gott der Christen?

Beitrag von oTp » Fr 11. Jun 2021, 09:36

oTp hat geschrieben:
Do 10. Jun 2021, 15:44
Anthros hat geschrieben:
Do 10. Jun 2021, 10:41
Seine Aufgabe war es, Träger des Christus zu sein; dieser hatte wiederum eine Aufgabe, die über den verschiedenen Religionen der Kulturen gelegen hat.

Träger des Christus = Christusbewußtsein
Wer hats erfunden ?
Ich finde es wichtig, darauf zu schauen, woher diese Ansicht kommt. Es ist ein Begriff der modernen Esoterik. Rudolf Steiner lehrt es so. Es ist ein wichtiges Merkmal seiner Esoterik. Die eine Synthese ist und natürlich auch die Reinkarnation lehrt.
Man höre sich das mal an:
Das Christusbewusstsein stammt demnach aus einer Zusammenarbeit zweier Jesusknaben, und der Zusammenarbeit vom Geist des Zarathustra und Buddhas, die sich in den Jesusknaben inkarnierten. Dann übernahm das Christusbewusstsein den Körper des Jesus.
( Ist schon länger her, dass ich Bücher von Steiner gelesen habe)

So löst Steiner die Bedeutung des Christus vom Christentum und verallgemeinert ihn heilsgeschichtlich für die gesamte Menschheit und alle Religionen.

Die zwei Jesusknaben – AnthroWiki
Durch seine geisteswissenschaftlichen Forschungen kam Rudolf Steiner zu der Ansicht, dass zur Zeit der Zeitenwende nicht einer, sondern zwei Jesusknaben in Bethlehem geboren worden sind, der nathanische und der salomonische Jesus, die beide dem Geschlecht Davids entstammen:
Zuletzt geändert von oTp am Fr 11. Jun 2021, 09:49, insgesamt 3-mal geändert.

Eusebius
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#144 Der Gott Israels ist der Gott der Christen?

Beitrag von Eusebius » Fr 11. Jun 2021, 09:40

Helmuth hat geschrieben:
Fr 11. Jun 2021, 06:01
Das Gesetz selbst negierte er dabei nicht.

Kurze Frage nebenbei:
Was gilt eigentlich als "Das Gesetz" ?
Ist damit die Torah gemeint? Mit allem drum und dran?

Ruth
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#145 Der Gott Israels ist der Gott der Christen?

Beitrag von Ruth » Fr 11. Jun 2021, 10:16

Helmuth hat geschrieben:
Fr 11. Jun 2021, 06:01
Das Gesetz selbst negierte er dabei nicht.
Es geht gerade aber nicht um das Gesetz, sondern darum, wie Gott dargestellt wird.

Im AT wird Gott als der Richter und Rächer dargestellt ... fast ausnahmslos. Während Jesus genau das Gegenteil verkündigt, ... wenn man mal genau hinschaut (nicht NUR in diesem Beispiel), Wenn Jesus dann sagt: wer mich sieht, der sieht den Vater (frei zitiert), dann zeigt Jesus ein anderes Gottesbild als das des AT.

Anthros

#146 Der Gott Israels ist der Gott der Christen?

Beitrag von Anthros » Fr 11. Jun 2021, 10:18

Eusebius hat geschrieben:
Fr 11. Jun 2021, 09:40
Was gilt eigentlich als "Das Gesetz" ?
Es gibt geistige und irdische Gesetze; das geistige wendet der Christus Jesus bei der Ehebrecherin an, während die Drohung zur Steinigung recht irdisch war.

Die geistigen Gesetze können bei den Religionen und Zeiten je nach Bewusstsein unterschiedlich ausgerichtet werden, so zwischen dem Alten und Neuen Testament, Jehova und Christus. 
 
 

oTp
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#147 Der Gott Israels ist der Gott der Christen?

Beitrag von oTp » Fr 11. Jun 2021, 10:31

Anthros hat geschrieben:
Fr 11. Jun 2021, 10:18
Die geistigen Gesetze können bei den Religionen und Zeiten je nach Bewusstsein unterschiedlich ausgerichtet werden, so zwischen dem Alten und Neuen Testament, Jehova und Christus. 

Ich würde hinzufügen: Je nach Betrachtungsstandpunkt. Es ist schon wichtig, nicht nur von einer allversöhnenden und verzeihenden Liebe Gottes zu reden, sondern auch angemessen die Folgen der Sünde zu bedenken. Ein guter Christ kriegt das schon hin.

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Naqual
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#148 Der Gott Israels ist der Gott der Christen?

Beitrag von Naqual » Fr 11. Jun 2021, 10:34

Helmuth hat geschrieben:
Fr 11. Jun 2021, 06:01
Naqual hat geschrieben:
Mi 9. Jun 2021, 16:51
Beispiel: Jesus predigt einen Gott, wo die Ehebrecherin nicht gesteinigt wird (wer ohne Sünde werfe den ersten Stein) und frei von dannen zieht. Im AT dreht sich eine Frau herum aus Neugierde was da mit Sodom und Gomorrah passiert und die Verweigerung der Anordnung sich herumzudrehen führt dazu, dass sie des Todes stirbt (zur Salzsäule) erstarrt.
Ein grottenschlechter Vergleich. Bei der Ehebrecherin war kein Gericht Gottes am Wirken, sondern es lag ein Fall von Lynchjusitiz vor, sprich eine gesetzlose Handhabe bösartiger Juden, um Jesus in die Falle zu locken. Jesus hatte durch weises Einschreiten einen Mord vereitelt. Das Gesetz selbst negierte er dabei nicht.
Das ist eine sehr freie und spekulative Interpretation der Episode. Joh 8,3: Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, beim Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte. Johannes formuliert an dieser Stellte nicht, dass die Schriftgelehrten dies behaupten würden. Es wird vorgetragen als Tatsache, auf die dann die Fangfrage der Schriftgelehrten aufbaut.
Im übrigen geht es nicht um Gesetz wider Jesus (um hier die dogmatische Spannung zu kappen, werden ja solche abenteuerliche Interpretationen erfunden), sondern im Kontext des von mir Geschriebenen um verschiedene Gottesbilder.
Du kannst gerne andere Vergleiche anstellen, z.B. Moses im Auftrag Gottes befiehlt alle Einwohner eines bereits besiegten und entwaffneten Dorfes zu töten außer die Jungfrauen, die möge man doch für sich leben lassen. Und dann der Aussage Jesu am Kreuz: "Herr vergib Ihnen (die mich zu Tode foltern), denn sie wissen nicht was sie tun".
Wie bringst Du die beiden verschiedenen Charakterzüge zusammen, wenn Du eine Gottesvorstellung möchtest, die in sich widerspruchsfrei ist?
Da verflucht ein Gott im AT wegen der Sünde bis ins dritte und vierte Generation des Täters ("Sippenhaft" in der heutigen Moral), aber im NT verlangt er dass man siebenmalsiebzigmal vergibt. Jetzt bringe dies mal harmonisch unter der Vorstellung eines liebenden Gottes auf eine Reihe. Natürlich kann man aus Liebe auch strafen. In Liebe aber nur, wenn die Strafe dem Betroffenen hilft. Sonst ist liegt keine Liebe mehr vor. Und das sollte man ganz konsequent gedanklich verfolgen und sich nicht einfach auf den STandpunkt stellen, Gott sein nunmal recht vielseitig. Er kann ein grausamer Gott sein und ein liebender, vergebender. Das passt nicht zusammen. Er könnte streng sein beim Helfen (aus Liebe), aber nicht grausam. Mich erstaunt es immer wieder wie leichtfertig von vielen Christen dieser Gesichtspunkt völlig vernachlässigt wird. Es macht sogar betroffen. Vor allem wenn von den selben (und ich meine jetzt nicht Dich) kommt, sie würden Gott gut kennen.

Ich hätte Jesu Weisheit wohl nicht drauf, aber vielleicht gesagt, dass sich die Juden mit der Tour verzupfen können. Wer das ernsthaft vergleichen möchte, dem erspare ich den Vorwurf derselben Absicht nicht, dass man hier anstelle Jesus Gott in die Falle locken will.
Warum den ersten Satzteil im Konjunktiv, da erschließt sich mir der Sinn nicht.
Das Argument man wolle "Gott in die Falle locken" ist im übrigen eine typische Immunisierungsantwort von Ideologien, da man hier dann nicht mehr auf die Kritik eingeht inhaltlich, sondern die Kritik als solche als nicht zulässig erachtet. Im übrigen kritisiere ich nicht Gott, da man nur Bilder und Vorstellungen von Gott kritisieren kann. Und Vorstellungen sollten schon hinterfragbar bleiben.

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Naqual
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#149 Der Gott Israels ist der Gott der Christen?

Beitrag von Naqual » Fr 11. Jun 2021, 10:38

Eusebius hat geschrieben:
Fr 11. Jun 2021, 09:40
Kurze Frage nebenbei:
Was gilt eigentlich als "Das Gesetz" ?
Ist damit die Torah gemeint? Mit allem drum und dran?
Die sittlichen Gebote und Verbote im 2. bis 4. Buch Mose aus jüdischer Sicht. Und nur solche Regeln, die den Juden gelten. Nichtjuden brauchen sich nicht daran halten.

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Naqual
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#150 Der Gott Israels ist der Gott der Christen?

Beitrag von Naqual » Fr 11. Jun 2021, 10:59

oTp hat geschrieben:
Fr 11. Jun 2021, 10:31
Es ist schon wichtig, nicht nur von einer allversöhnenden und verzeihenden Liebe Gottes zu reden, sondern auch angemessen die Folgen der Sünde zu bedenken. Ein guter Christ kriegt das schon hin.
Etwas "hin kriegen" ist doppeldeutig (kaputtmachen). :-)

Ich bin ja schon skeptisch, wenn jemand die Wortwahl "guter Christ" verwendet.

Hinkriegen (im konstruktiven Sinn) hieße ja, ein widerspruchsfreies Bildes eines Gottes der Liebe.
Da kriege ich bei manchen guten Christen bei vernunftgebundener Betrachtung schnell kalte Füße, denn da wimmelt es unbewusst von einem Verhau von Widersprüchen.
Wie erklärt der "gute Christ" denn, dass Gott so lieb ist, ein Ultimatum zu stellen: bis zum leiblichen Tode Bekehrung oder ewige Verdammnis?
Wie erklärt der "gute Christ" denn, dass ein liebender Gott für endliche Sünde unendliche Strafe verhängt?
Warum lenkt der "gute Christ" bei Universalisten ("Allversöhnern") schnell darauf, dass die Folgen der Sünde vernachlässigt werden (in Bezug auf die Universalisten ist dies eine Unterstellung und auch als "Projektion" der "guten Christen" zu verstehen, die eigene Probleme auf andere projezieren. Da braucht jemand die Drohung von Strafe, um gut zu sein. Also er hat da ein Defizit insofern, weil er will nicht von der Sache selbst her gut sein, sondern nur weil das andere unter Strafe steht).

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