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von sven23 » Fr 16. Okt 2020, 06:06
Manche halten ja den Dualismus von Gut und Böse für ein Grundübel der Menschheit.
Aber dieses Schwarz-Weiss-Denken findet sich auch bei Jesus.
Jesus ist diese Unterteilung in Schwarz und Weiß, in Gläubige und Ungläubige nicht
fremd, wie vor allem das Gleichnis vom Weltgericht im Matthäusevangelium (Mt 25,31–
46) zeigt. Hier erscheint der kommende Menschensohn als Weltenrichter, der die Völker
zu sich ruft, um sie zu richten, und der sie wie ein Hirte (ein anderes Bild des Hirten als
das, das fromme Seelen gewohnt sind) in Schafe und Böcke scheidet. Und die Schafe zur
rechten Seite erhalten das ewige Leben, während die Böcke zur Linken die ewige Strafe
erhalten. Solchen Unterscheidungen liegt die Vorstellung zugrunde, dass es den
Menschen als Reintypus gibt, der entweder gut oder böse ist. Religionen neigen oft zu
solchen Vereinfachungen. Doch nicht nur gibt es viele Abstufungen, auch der Einzelne ist
nicht immer und auf Lebenszeit festlegbar gut und böse, schon diese Kategorien finden in
der modernen Psychologie mit Recht keine Verwendung mehr. Vielmehr ergibt sich das
Denken und das Verhalten, mithin die Persönlichkeit des Menschen aus einer Vielzahl
von Einflüssen und Prägungen, vermeintlichen oder echten Entscheidungen. Die
Unterscheidung in Schwarz und Weiß ist nicht nur eine falsche Beschreibung, sie ist
geradezu eine Definition dessen, wie der Mensch eben nicht ist. Auf vielerlei Art
gemischt, in Tausend Grautönen, mit unerwarteten dunklen, aber auch hellen Stellen, in
Grundzügen beschreibbar, aber nicht berechen- und definierbar. Es ist nicht nur ein
primitives Menschenbild, welches uns in der Geschichte vom Weltgericht begegnet, es ist
schlichtweg falsch, und es hilft hier auch nicht wirklich weiter, wenn man (zu Recht)
betont, dass die Geschichte quasi gleichnishaften Charakter hat.
Denn mehr noch als bei Jesus wird bei den neutestamentlichen Schriftstellern diese
Unterscheidung geradezu dramatisch betont. Das Christentum erfand bald ein neues
Kriterium, um festzulegen, wer zu den Guten und wer zu den Bösen gehört. Dies war nun
der Glaube an Jesus.
Wer aber glaubt und getauft ist, der soll selig werden, wer aber nicht glaubt, der soll verdammt werden. (Mk 16,16)
Eines der Unworte der Bibel, das es an primitiver Deutlichkeit nicht fehlen lässt. Es wird
jedoch von den Gläubigen in seiner grundsätzlichen Inhumanität nicht erkannt, was
daran liegt, dass der Gläubige sich selbst auf der guten Seite wähnt und das Schicksal der
Anderen weniger in seinen Blick gerät.
Kubitza, Der Jesuswahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell