SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
sven23 hat geschrieben: ↑Sa 5. Sep 2020, 15:12
Ja stimmt, ich meinte die Paulustexte, zumindest die "echten".
Also halten wir fest:
Die Datierung der "Paulus"-Briefe steht auf einer fatal unsicheren Spekulationsbasis.
Das gilt aber im Grunde für das gesamte NT, bzw. sogar für die ganze Bibel, bis auf die hirstorisch belegten Fakten.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
Laut unserer "Forscher" (-> Märchenonkel) stammen die "echten" „Briefe“ von "Paulus" und die "unechten" von "einem Schüler" (juhu, wir haben "Schüler") -> Aua!
Neutraler kann man auch sagen: die "echten" Paulusbriefe stammen von einem anderen Autor als die unechten, die verschiedene Autoren haben.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
sven23 hat geschrieben: ↑Sa 5. Sep 2020, 15:12
SilverBullet hat geschrieben: ↑Mi 2. Sep 2020, 09:48
Wenn im Markus-Evangelium nirgendwo von Zeloten gesprochen wird, bedeutet es dann, dass es
vor den Zeloten, also vor dem Jahre 6 n.Chr. verfasst wurde?
Natürlich nicht. (siehe oben: argumentum e silentio). Aber meines Wissens nach erwähnt Markus auch nichts von den Essenern. Trotzdem gab es sie.
Hast du es gemerkt, jetzt drehst du herum und sagst das Nicht-Enthalten-Sein-In-Einem-Text bedeutet nicht, dass eine Unzugänglichkeit auf Basis einer Zeitreihenfolge vorlag.
Nein, ich sage lediglich, dass das nicht-Vorkommen (argumentum e silentio) kein Beweis ist für die nicht-Existenz einer Person oder eines Ereignisses ist. Trotzdem ist ja die Frage erlaubt, warum das so ist.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
Das Nicht-Enthalten-Sein von Zelotendetails, obwohl es exakt diese Zeit, diese Region und sogar das Messias-Thema sein soll, kann am besten damit erklärt werden, dass es die Schreiber einfach nicht mehr wussten oder nicht mehr „wissen wollten“.
Eher letzeres, denn warum sollte man auf einer Sache herumreiten, die sich als fataler Irrtum erwiesen hat? Die Evanglien entstanden ja allesamt
nach der Zerstörung des Tempels. Man benötigte also einen neuen Ansatz, eine Art Gegenmodell zur zelotischen Gewalt. Als Protagonist schien den Schreibern der Wanderprediger als Idealbesetzung, denn sein Tod erlaubte die Instrumentalsierung seiner Person. Gegen die Uminterpretation seiner Lehre konnte er sich nicht mehr wehren.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
sven23 hat geschrieben: ↑Sa 5. Sep 2020, 15:12
Auch wenn der Wanderprediger eine rein literarische Figur wäre, läßt sich dennoch aus den Quellen eine Lehre extrahieren, die dieser Figur zugeschrieben wird.
Nein, die Lehre kann nicht einer literarischen Figur zugeschrieben werden, sondern muss den Autoren zugeschrieben werden.
Man darf einer literarischen Figur keine Realitätsaufgaben zuordnen - "sie" hat nie gehandelt und "sie" konnte auch nie handeln.
Trotzdem kann man auch eine literarische Figur charakterisieren, so wie man Goethes Dr. Faustus oder Thomas Manns Felix Krull charakterisieren kann.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
Der Übergang von literarischer Figur zu "es gab diesen Menschen" kann nicht alleine auf einem Wundertext durchgeführt werden.
Wunder sind im Zusammenhang mit Historizität eher kontraproduktiv. Wie Bultmann sagte, kennen wir kein "übernatürliches Zerreissen geschichtlicher Wirkungszusammenhänge". Wir haben auch keinen Anlaß zu der Vermutung, dass dies jemals in der Geschichte anders gewesen sein soll.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
"Winnetou" von "Karl May" ist weitaus normaler und weitaus lebensechter dargestellt, als diese antiken Helden und dennoch gab es keinen "Winnetou" in der Geschichte.
Karl May ist auch eine interessante und ambivalente Figur. Er war ja ein veruteilter Hochstapler und Kleinkrimineller. Wahrscheinlich wäre man ihm auch bei historisch-kritischer Analyse auf die Schliche gekommen.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
sven23 hat geschrieben: ↑Sa 5. Sep 2020, 15:12
Aber das ist doch kein Original, sondern eine Abschrift von Abschriften von Abschriften.
Das ist ein Märchen.
Nee, das ist Fakt. Es gibt keine Originale der Evangelien und keine bekannten Verfasser. Mir ist kein Neutestamentler bekannt, der das behaupten würde. (Außer Ratzinger und Berger), aber das sind keine ernst zu nehmenden Wissenschaftler.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
Genau das ist der kitische Punkt, weshalb die Hypothese eines gleichzeitigen Vorliegens von Zeloten und Jesus-Christen nicht so ganz zutreffend sein kann.
Warum nicht? Zu Jesu Lebzeiten gab es keine Christen. Ich könnte mich auch durchaus für die Sichtweise Aslans erwärmen, der in Jesus einen Zeloten sah. Zumindest wird er ihnen nahe gestanden haben. Das würde auch die Hinrichtungsart der Kreuzigung erklären, die vorwiegend für Aufrührer vorgesehen war. Gemeinsamkeiten zwischen Jesus und den Zeloten gab es in der Gottesreich-Naherwartung (auch mit den Essenern), und in der Nähe zu den Armen und Unterdrückten.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
sven23 hat geschrieben: ↑Sa 5. Sep 2020, 15:12
In dem von dir verlinkten Text wird ja darauf verwiesen, dass Pharisäer und Zeloten in ihrem Ziel im wesentlichen einig waren. Sie unterschieden sich lediglich in den Mitteln, die zur Erreichung des Zieles notwendig waren. Die Forschung sieht auch viele Gemeinsamkeiten zwischen der Jesusfigur und den Pharisäern (auch zu den Essenern), so daß die Jesusfigur durchaus historisch plausibel wäre.
Du musst schon genau hinschauen, die "Weiterentwicklung" der Zeloten besteht auf der Idee "Göttliche Unterstützung hier und jetzt" und zwar 1. Hälfte 1. Jahrhundert.
Genau. Die Gottesreich-Naherwartung des Wanderpredigers bezog sich auf ein diesseitiges Reich. Die Umdeutung erfolgte posthum.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
Die "Jesus"-Christen behaupten "Göttliche Unterstützung gab es 1. Hälfte, 1. Jahrhundert".
Die christliche Umdeutung der jesuanischen (und auch zelotischen) Gottesreich-Naherwartung besteht in der Verlagerung des Gottesreiches vom "hier und jetzt" in eine unbestimmte Zukunft und in ein jenseitiges Himmelreich.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
Warum sollte man der "Jesus"-christlichen Einstellung, Zeloten als Christen anzusehen, nicht vertrauen?
Halte ich für sehr problematisch, fanatischen und streng gläubigen Juden einen Hingerichteten als Messias und Gottessohn zu verkaufen. Jesus vertrat genau wie die Zeloten einen jüdischen Nationalismus und religiösen Partikularismus.
In einem heidnischen Umfeld war das sicher leichter zu verkaufen, das erkannte ja schon Paulus, der sich gegen die Anweisung des Wanderpredigers wandte und darüber mit Petrus in Streit geriet.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
Schau dir die Kreuzigungsszene an "Jesus zwischen zwei 'Räubern'" („Räuber“ = „Zeloten“ -> „Flavius Josephus“) - ein hübsches Symbol.
Diese Motiv führt aus Aslan als Argument an.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
Nein, ich habe nichts von einem Wanderprediger gefunden - ich habe ja extra danach gesucht.
Flavius Josephus erwähnt ihn doch, wenn auch indirekt.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
sven23 hat geschrieben: ↑Sa 5. Sep 2020, 15:12
Möglicherweise war die Jesusbewegung zu seinen Lebzeiten gar nicht sooo friedliebend, wie man später- nach dem jüdischen Krieg- Glauben machen wollte.
Für das Propagieren von Nächsten- und Feindesliebe allein wurde man auch bei den Römern nicht so einfach hingerichtet. Hier kann also posthum eine ähnliche Umdeutung stattgefunden haben wie bei der Hinrichtung, die Paulus in einen Opfer- und Sühnetod umdeutete.
Merkst du, wie das Märchen durch deine Finger rieselt?
Die "Urchristen" sollen jetzt ganz ähnlich zu den Zeloten gewesen sein - so ähnlich, dass eigentlich gar kein Unterschied mehr vorliegt.
Wie schon gesagt, gab es zu Jesu Lebzeiten keine Christen. Die Jesusanhänger waren nichts anderes als eine jüdische Sekte, bzw. Anhänger eines apokalyptischen Judentums.
Die Jesusfigur kann überhaupt nur in einem jüdischen Kontext verstanden werden. Das ist Konsens in der historischen Jesusforschung.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Sa 12. Sep 2020, 16:00
sven23 hat geschrieben: ↑Sa 5. Sep 2020, 15:12
Im Gegenteil hat sich das Christentum mit staatlicher Gewalt im Rücken als sehr intolerant gegenüber konkurrierenden Kulten gezeigt.
Vollständig kontinuierlich zu der zelotischen „Reinheitsidee“
Ich denke, im 4. Jahrhundert hatte man mit einem zelotischen Judentum nicht mehr viel im Sinn.
Ganz im Gegenteil trat der christliche Antijudaismus immer deutlicher hervor.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Mi 2. Sep 2020, 09:48
Diese Texte sind keine Geschichtstexte. Fängt man allerdings an, diese Texte wie Geschichtsberichte zu verwenden, dann hat man es mit Widersprüchen zu tun.
Nee, die Widersprüche wären auch da, wenn man es aus rein literarischer Sicht betrachten würde. In den Widersprüchen findet man auch die Gründe für die Vielzahl an Konfessionen, je nachdem, welche glaubensideologischen Schwerpunkte man setzt.
Das Bild der Forschung ist da weitaus homogener.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Mi 2. Sep 2020, 09:48
Daran kannst du erkennen, dass die "Forscher" im Sinne der Kirche(n) das Märchen für die Moderne ausschmücken.
Heraus kommt wieder nur ein Glaubensangebot - diesmal aber unter dem Deckmantel der Wissenschaft!
Dann hast du dich noch nie mit den Forschungergebnissen beschäftigt. Die Ergebnisse stehen dem kirchlichen Glaubenskonstrukt diametral entgegen. Genau deshalb schwafeln doch Ratzinger und Berger vom "Antichristen", den sie in der historisch-kritischen Forschung ausgemacht haben wollen.
SilverBullet hat geschrieben: ↑Mi 2. Sep 2020, 09:48
sven23 hat geschrieben: ↑Sa 5. Sep 2020, 15:12
Die Diskrepanz ist ja da, ganz gleich, ob historisches oder rein literarisches Geschehen.
Langsam, du hast auf die Diskrepanz zwischen "verklärtem Christus" und vermeitlich historischem Jesus abgezielt.
Ohne historisches "Jesus"-Wanderprediger-Geschehen gibt es diese Diskrepanz natürlich nicht.
Doch, auch als literarische Figur gäbe es diese vielen Widerprüche. Sie verschwinden ja nicht, wenn man Jesus als rein literarische Figur betrachtet.