sven23 hat geschrieben:Richtig, aber man kann sie auch nicht kategorisch ausschließen.
Das ist wieder Schwarz/Weiss, denn es gibt wissenschaftlich gesehen nicht nur "hat existiert" und "hat nicht existiert", sondern auch "es gibt keine Hinweise auf Existenz -> die Bibeltexte reichen nicht aus"
Darüber hinaus muss es wissenschaftlich auch eine Analyse geben, was für eine Art von Text mit der Bibel vorliegt (-> "die Bibel ist kein Geschichtsbuch").
sven23 hat geschrieben:Den "triumphalen" Einzug in Jerusalem schildern die Schreiber ja nur deshalb, weil sie eine alte AT-Prophezeiung in Erfüllung gehen lassen wollen, um so seine messianische Sendung zu bestätigen.
Das halte ich für höchst problematisch, wo doch der "Flavius Josephus"-Text für den Messias "Menachem" einen bejubelten Einzug in Jerusalem beschreibt.
Neben den Gründungsursachen (Herodes-Clan und Volkszählung/Ausbeutung) ist der Menachem-Einzug in Jerusalem eine zentral wichtige Information zu den Zeloten, denn es geht um den Erfolg der Messias-Bewegung.
Wenn dein Argument aus der "Forschung" stammt, dann halte ich es für sehr problematisch, denn hier soll wieder krampfhaft an den Zeloten, am jüdischen Krieg und insbesondere an der gewalttätigen Ausrichtung der "Urchristen" vorbeimanövriert werden.
Ich wiederhole:
Der Einzug in Jerusalem ist einer der wenigen Sachverhalte, die eine konkret überprüfbare Verbindung zur Vergangenheit darstellen.
Stammt dein Argument aus der "Forschung", dann wird hieran deutlich, wie diese religiös eingestellten Denker arbeiten: es wird lieber ein religiöser Zusammenhang präsentiert, als dass man neutral historisch nach dem Ereignis sucht und dann die Religionsphantasie anpasst.
Für die Motivation hierzu müsste man wohl nicht lange suchen, denn ein derartiges Gewaltereignis (quasi ein lokaler Schlachtenerfolg) wäre für die Liebes- und Friedens-Legende höchst ungünstig.
sven23 hat geschrieben:Warum sollten die Einwohner von Jerusalem dem unbekannten Hinterwälder aus der Provinz auch zujubeln? Um dann kurze Zeit später seine Hinrichtung zu fordern?
Die Legendengeschichte enthält einen kleinen Hinweis auf ein bedeutsames Messias-Vorkommnis (wie auch schon bei Herodes und Volkszählung) - aber eher verdreht.
Im Verlauf der Bibelsequenz gibt es ja die Eigenartigkeit, dass der "Jesus"-Messias vom Volk gefeiert wird, sich dann (mit Gewalt) gegen die Tempelpraxis stellt, von den Tempel-Priestern beschuldigt/verfolgt wird, von Pontius Pilatus dem Volk zur Auswahl gestellt wird und
vom Volk abgelehnt wird.
Wieso wird er letztlich vom Volk abgelehnt?
=> Das steht in der Legende ziemlich unmotiviert in der Luft.
Im echten Ablauf zog "Menachem" wohl wie ein König in Jerusalem ein (das Königsbild gilt - glaube ich - auch für die Jesus-Szene), hat dann aber sehr stark die Macht an sich gerissen und wollte seine Vorstellungen durchbringen (Josephus spricht von "untragbarer Tyrann"), was die Ablehnung des Volkes (samt Vernichtung - initiiert durch die Tempelpriester) zur Folge hatte.
Es liegt also eine angedeutete Vergleichbarkeit beim Einzug, beim Auftreten und bei der Abkehr des Volkes und beim letztlichen Untergang vor, nur liefert der "Flavius Jospehus"-Text wieder einmal die umfangreicheren Details, so dass sich ein möglicher historischer Ablauf ergibt, während die Bibel eher komisch wirkt.
Die Erwartungshaltung für einen Einzug in Jerusalem kann durchaus teilweise Alt-Testamentarisch beeinflusst gewesen sein, aber dass ein erfolgreicher Verteidiger/Retter in die Hauptstadt einzieht, sehe ich eher als normales Ereignis, das einfach jeder erfolgreiche Anführer durchführen würde.
Es gab den "Einzug" wohl auch bei einem "Simon bar Giora", nicht mit den restlichen Ähnlichenkeiten aber mit einer Hinrichtung durch die Römer, wobei er bei seiner Gefangennahme wie ein "König" verkleidet gewesen sein soll (Umhang und Krone?).
Vielleicht ist die "Jesus"-Legende auch hier "ein Ritt quer durchs Beet" und so sind die "Menachem"-Ereignisse mit den "Simon bar Giora"-Ereignissen verschmolzen und für eine Friedensgestalt umgeformt worden.
sven23 hat geschrieben:Wenn keine neuen Quellen auftauchen wird das wohl für immer im Dunkel der Geschichte bleiben.
Nein, wissenschaftlich ist es eine Tatsache, dass keine verwertbaren Quellen zur Existenz vorliegen und genau dementsprechend sollte eine wissenschaftliche Aussage geformt sein.
Stattdessen liegt aus der "Forschung" der Eiertanz "die meisten Forscher gehen von einem historischen Jesus aus" vor.
=> das klingt eher nach "wir wollen es nicht wahr haben und schieben den Publikumsjoker vor"
sven23 hat geschrieben:Richtig, was aber kein Beweis für die Nicht-Existenz ist.
Niemand muss wissenschaftlich die Nicht-Existenz von nur in Wundertexten behaupteten Akteuren beweisen, insbesondere wenn neben dem Wundertext weitaus detailreichere, stimmigere Quellen vorliegen, in denen diese Akteure
nicht vorkommen.
sven23 hat geschrieben:Moment, ich meinte, dass sich die Messiaserwartung in Bezug auf Jesus für die meisten Juden erledigt hat.
Es ist ungünstig, mir gegenüber "die Jesus-Messiaserwartung der Juden" als Verständnis voraussetzen, wenn dieses Verständnis nirgendwo wissenschaftlich begründet werden kann.
sven23 hat geschrieben:Und das christliche Messiasbild, da hast du Recht, ist ein anderes als das jüdische, das aber auch nicht einheitlich war.
Es ist fraglich, ab wann man von einem "Jesus-christlichen Messiasbild" in Abgrenzung zu einem "jüdischen Messiasbild" sprechen kann.
Ich habe ja grundlegend den Kriegsverlauf, den Untergang und die Verfolgung als entscheidend für eine Liebes-/Friedensverklärung von eigentlich gewalttätigen Einstellungen/Abläufen im Verdacht.
sven23 hat geschrieben:Es gibt kein Verfahren, das Ergebnisse mit absoluter Sicherheit liefern würde. Aber was besseres als die historisch-kritische Methode haben wir nun mal nicht zur Verfügung.
Mit absoluter Sicherheit kann man festhalten, dass keine Nicht-Wundertexte mit normal verdächtiger Motivationsgrundlage vorliegen, aus denen eine Bestätigung der Bibelbehauptungen hervorgehen könnte.
Es ist eher umgekehrt: der grob-motorische Bibel-Einsatz des Wortes "Zelot" kann als Bestätigung der "Flavius Josephus"-Texte angesehen werden.
sven23 hat geschrieben:Die Forschung geht davon aus, dass immer dann, wenn es Probleme in den Gemeinden mit Aussagen von Jesus gab, die seiner angeblich göttlichen Sendung entgegenstanden, es sich um authentische Aussagen handelt, die dann von den Schreibern uminterpretiert, umgeschrieben oder sogar gefälscht wurden.
Die "Forschung" verwendet hier lediglich die Legende, um historische Szenen zu konstruieren.
Eine Fan-Literatur, in der wichtige Details krampfhaft derart "zu kurz" kommen, dass ein ganz anderer Zeiteindruck entsteht, sollte man wissenschaftlich nicht als alleinige Basis für historische Umstände verwenden.
Wo ist der Unterschied zwischen solchen "Forschern" und den Autoren des Märchens?
Die historisch-kritische Methode kann man zur Textanalyse, insbesondere zum Aufstellen einer begründeten Text-Versions-Folge verwenden, aber sie ist für den Sprung von Text zu Historie
vollständig ungeeignet - vor allem, wenn sie allein mit Wundertexten arbeitet.
sven23 hat geschrieben:Auch Fanatiker wären sicher in der Lage gewesen, eine stimmige Figur zu erfinden, die sie nicht ständig in Erklärungsnöte brachte.
Bei diesem "sie hätten es nicht so geschrieben"-Argument gibt es die Problematik, dass man Leuten moderne Vernunft unterstellt, die überhaupt nicht vorliegen kann, denn se haben ja die Wundertexte geschrieben.
Wissenschaftlich weiterführend wäre eine Analyse, um was für eine Art von Text es sich bei der Bibel handelt.
Wir sind uns einig, dass es kein Geschichtsbuch ist.
Während dies bei mir zur Konsequenz führt, dass ich die Bibel nicht als Geschichtsbuch einsetze, wechseln die "Forscher" an beliebigen Details doch wieder zu "der Text ist ein Geschichtsbuch".
Das Problem dabei ist, dass die Begründung für einen derartigen Wechsel fehlt.
Fakt ist:
Die Bibeltexte liegen vielfach in griechischer Form vor, weil sie in einem griechisch orientierten Kulturraum veröffentlicht wurden.
Mit dem Wort "Pneuma" wird ein zentrales griechisches Philosophie-Konzept aufgegriffen.
Wenn man nun so einen Text hernimmt, wie die griechische Götterwelt, dann stellt sich die Frage, wie die damaligen Leute so etwas als Religionsaussage akzeptieren konnten.
Die griechische Götterwelt ist kein Geschichtsbuch und keiner der obigen "Forscher" würde ernsthaft einen Wechsel zu historischen Gestalten vornehmen, wenn sie alleinig in diesem Text vorkommen.
Die Bibeltexte sind eine Art "Alternative", die in dieser griechischen Orientierung entstanden ist, wodurch man nicht einfach wissenschaftlich zu "historisch" wechseln kann.
Wenn wir ein Geschichtsbuch bzw. einen Geschichtsbuchanteil in einem Text erwarten, dann gehen wir davon aus, dass dieser Text
für sich selbst eine Korrektheitsqualität darstellt, die unabhängig vom Leser ist.
Bei einem Märchen verhält es sich ganz anders:
die Qualität eines solchen Textes ergibt sich
durch die Reaktion des Lesers.
Ich stelle die Frage: sind die Texte "griechische Götterwelt" und Bibel alleinig auf die Reaktion des Lesers ausgerichtet?
Mal angenommen, die Texte haben den alleinigen Zweck den Glauben des Lesers zu verstärken, dann ergibt sich
eine andere Art von Korrektheit.
Ein Text (egal welche Phantasie er enthält) wird dann als "richtig" eingestuft, wenn er den Glauben von vielen Menschen im Sinne der Religion beeinflusst.
Nehmen wir mal an, Schreiber und auch Leser sind auf dieser Basis mit Religionstexten umgegangen.
Als Indizien hierfür fallen mir zwei Details ein, die in der Kombination zu einem derartigen Textumgang führen können:
1.
Das Motto "es ist gut, wenn es dem Glauben dient" wird wohl irgendwo in der Bibel angedeutet.
2.
Die "Pneuma"-Phantasie führt dazu Fremdanteile im Denkverhalten von Menchen zu verorten. So kommt es zu "Dämonen"-Vorstellungen, aber auch zur Idee von "göttlicher Einwirkung" (-> "heiliges Pneuma" und "Unterscheidung der Geister").
Mit der Kombination (1+2) wird ein Text, der andere Menschen zu "Mehr Gott-Religion" animiert bzw. sie "bei der Stange hält" zu einem "richtigen Text".
Egal, was der Text enthält, der Effekt legt die Korrektheit fest.
Es ist bekannt, dass die Bibel ("Neues Testament") eine Auswahl von Texten ist, wobei viele Texte nicht ausgewählt wurden.
Wenn man nun die Sonderbarkeit beachtet, dass
vier Texte zu einer Lebenslegende ausgewählt wurden, aber andere Texte zu dieser Lebenslegende nicht, dann stellt sich unweigerlich die Frage "Wieso, auf welcher Basis"?
Die vier Texte unterscheiden sich für jeden ersichtlich in den Details, im Umfang an Wunderbehauptungen, im religios philosophierten Gesamtzusammenhang.
Wenn die Gesamtsammlung einen Text darstellen sollte, der
von sich aus Korrektheit liefert, dann wären diesen vier Versionen regelrecht unsinnig.
Ein Sinn kommt ins Spiel, wenn es ein Angebotsspektrum für Leser darstellen soll, die sich alternativ ihre Variante als Zugang zum Glauben aussuchen können.
Die Vielfalt der Texte (also auch die mit eingerechnet, die nicht ausgewählt wurden) zeigt, dass wohl ein sehr sehr grosses Spektrum unterwegs war.
Im Grunde hätte man doch einfach alles aufnehmen können (egal ob Jesus-Mensch, Jesus-Pneuma-Wesen, gar kein Jesus, ein oder zwei Götter usw.).
Hierbei stellt sich aber ein Problem:
das Akzeptieren von weit abweichenden Texten ist nicht gegeben, was dazu führt, dass der angestrebte Effekt, also eine Verstärkung des Glaubens, begleitet wird von einer Ablehnungshaltung -> das ist ungünstig.
Ich denke, in der Folge hat man einfach die "populärsten Textversionen", also die mit dem "grössten Effekt" (die zusätzlich auch eine akzeptable Ähnlichkeit enthalten) ausgewählt, um das Spektrum möglichst gross zu halten.
Das Gerangel, um die "Richtigkeit" von Texten, das sich durch Lügenvorwürfe und Ketzereinstufung bereits in der Anfangszeit zeigt, wird modern so interpretiert, dass es da einen historischen (und damit "richtigen") Kern geben haben muss, der sich vielen komischen Behauptungen ausgeliefert sah, aber ich denke,
genau hier liegt man falsch.
Mit dem Verlauf und dem Ausgang des jüdischen Krieges gab es einen gigantischen Bedarf an "Glaubensverstärkung" oder besser "Glaubensstabilisierung", was durch unterschiedliche Versionen befriedigt werden sollte.
Ich könnte mir vorstellen, dass es sich um ein "evolutionäres Textentstehen" handelt, also eine Selektion über die Reaktion der Leserschaft und eine Orientierung der Schreiber an dieser Selektion.
In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass es eine römische Initiative war, die zur Auswahl und Durchsetzung der Zusammenstellung führte, wobei es auf Basis des bestimmt vorherrschenden religiösen Gerangels eher nicht erstaunlich ist.
Sonderbar wird vielmehr der Umstand, dass Rom keinerlei Stellung dazu bezogen hat, dass es ein römisches Vorgehen war, das zur Vernichtung von Messias-Anwärtern und zur Verfolgung von Messias-Anhängern führte.
Es gibt wohl auch keinen damaligen Dichter und Denker, der sich mit diesem Umstand (also der Rolle Roms) auseinandersetzt.
Das könnte man als Indiz ansehen, dass die Texte damals rein als "nützliche Geschichten" angesehen wurden und bei den "Gläubigen" die Einstellung vorherrschte "das klingt spannend/schön, das mache ich mir zu eigen, daran glaube ich und damit kann ich Gott folgen".
=> Ich sage: die Einstellung der Schreiber und auch der Leser ist entscheidend für diese Religionstexte und Historie spielte dabei
keine Rolle.