Gott vom Christentum Gruseliges unterschoben

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Naqual
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#1 Gott vom Christentum Gruseliges unterschoben

Beitrag von Naqual » Di 11. Feb 2020, 11:53

Liebet Gott über alles!” ist eine Aufforderung von Jesus, die zentral für ihn war. Die Aufforderung ist erst einmal so selbstverständlich, dass wir uns überhaupt keine Gedanken darüber machen. Es ist halt so. Der Boss will über alles geliebt werden. Und als seine Untertanen tun wir sicher gut daran, ihn zu lieben.
Wir sollten jetzt aber eine ketzerische Frage stellen: Wie müsste Gott sein, dass dies kein Problem für uns ist, ihn über alles zu lieben? Irgendwie scheint uns das ja nicht so recht zu gelingen manchmal.

Schauen wir uns einmal die Gottes-Vorstellung, die die Kirchen im christlichen Abendland vermitteln. Für meinen Eindruck wird da Gott nämlich nicht so beschrieben, dass man ihn sofort total ins Herz schließen könnte:
Wir sollen einen Gott lieben, der von gegenwärtig 9 Mrd. Menschen mindestens 7 Milliarden in eine qualvolle ewige Verdammnis schicken würde, weil sie nicht an Jesus Christus glauben. Von vergangenen Jahrhunderten und Jahrtausenden in der Menschheitsgeschichte ganz zu schweigen. Mit einem bloßen Achselzucken weist man darauf hin, "der Weg ist breit....der in die Verdammnis führt".
Da sind die meisten Funktionäre in politischen Parteien durchaus ein wenig großzügiger im Umgang mit der politischen Konkurrenz.
Wir sollen einen Gott lieben, der von uns verlangt, an eine historische Ereignissabfolge zu glauben (die historische Person Jesu, sein Tod und Auferstehung, seinen stellv. Opfertod für die Sünden), die 2000 Jahre zurückliegt, im märchenbewanderten Orient über Jahrhunderte weitererzählt wurde, obwohl wir schon im Alltag belogen werden bei Sachen die Tage zurückliegen? Warum sollte Gott das tun?
Diese Lehre beinhaltet jedoch zusätzlich ein bestimmtes Gottesbild. Hier wird ein Gott gelehrt, für den – wie bei einem weltlichen Herrscher in der Antike – Rache und Strafe für Fehlverhalten obligatorisch ist und den willigen Dienern entsprechend gute Entlohnung widerfährt.
Nicht etwa der edle Gedanke gestaltet hier die Gottesvorstellung, sondern teils despotische Herrscher vergangener Zeiten werden nur mit enormer Kraft versehen, um sich einen Gott vorstellen zu können. Ein Gottesbild als Abklatsch ganz irdischer Mächtiger, nur noch mächtiger. Als wenn das dann damit besser würde.

Versuchen wir, uns ein Bild von diesem „Gott” zu machen, der jemanden brutal zu Tode gefoltert wissen will (und sei es eine irdische Inkarnation seiner selbst), um den Delinquenten und Himmelanwärtern deren Fehler verzeihen zu können. Was für ein Gottesbild haben wir, würden wir glauben, dass dieser „Gott“ für einige Jahrzehnte Fehlverhalten (oder gelegentlich liebloses Verhalten) in unserem irdischen Dasein uns mit ewiger Hölle und Qualen straft. Also unvorstellbare Qualen, die Trillionen von Jahren nicht enden werden, nach der kirchlichen Vorstellung sogar nie.
Gleichzeitig fordert dann dieser „Gott“ von uns etwas, das er selbst laut kirchlicher Lehre nicht vermag: wir mögen unseren Nächsten lieben, sogar unsere Feinde. Wir sollen vergeben und nicht vergelten.
Meist unbemerkt im Denken des Christentums wird hier ein diffuses und widersprüchliches Gottesbild gelehrt. So vorgestellt ist „Gott“ jedoch schwer von ganzem Herzen zu lieben.
Einerseits wird er als die selbstlose Liebe dargestellt, der im äußersten Fall sich selbst für die geliebten Menschen opfert. Anderseits wird er als „bedrohlicher Charakter“ dargestellt, der den ultimativen Schrecken mit endloser Qual den Glaubenden vor Augen führt. Obwohl man gerade die Liebe nicht mit Gewalt erzwingen kann, sondern allenfalls äußerliche Anpassung gegen innere Widerstände.

Wenn ich eins glaube: Gott ist anders!

Ruth
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#2 Re: Gott vom Christentum Gruseliges unterschoben

Beitrag von Ruth » Di 11. Feb 2020, 15:51

Naqual hat geschrieben:
Di 11. Feb 2020, 11:53
Wenn ich eins glaube: Gott ist anders!

Das glaube ich auch! 
Naqual hat geschrieben:
Di 11. Feb 2020, 11:53
Nicht etwa der edle Gedanke gestaltet hier die Gottesvorstellung, sondern teils despotische Herrscher vergangener Zeiten werden nur mit enormer Kraft versehen, um sich einen Gott vorstellen zu können. Ein Gottesbild als Abklatsch ganz irdischer Mächtiger, nur noch mächtiger. Als wenn das dann damit besser würde.
Viele Christen glauben, dass Gott die Hierarchie geschaffen hat, in welcher Gott ganz oben steht. Unter Gott kommen dann die Sonderbeauftragten, und je weiter man "nach unten schaut", gibt es das Fußvolk, welches dem jeweils über ihnen stehenden dienen so und vor allem gehorchen sollte.
So wurde dann auch alles da hinein interpretiert, wo es Herrscher und Untergebene gibt. Wenn der oberste Herrscher (Gott) die Untergebenen züchtigt, dann zeigt er auch dadurch seine Liebe, weil er sie ja nur auf den richtigen Weg damit bringen will.
Auf dieses Muster baut auch Paulus die Familienhierarchie auf. (Epheser 5, 21-33).
 
Naqual hat geschrieben:
Di 11. Feb 2020, 11:53
ersuchen wir, uns ein Bild von diesem „Gott” zu machen, der jemanden brutal zu Tode gefoltert wissen will (und sei es eine irdische Inkarnation seiner selbst), um den Delinquenten und Himmelanwärtern deren Fehler verzeihen zu können.

Selbst, wenn daran glaubt, dass die obige Hierarchie von Gott so angeordnet sei, ist das Opfern seines Sohnes, incl. brutalem Quälen durch Menschen, nicht mit "Liebe" zu erklären, nach meiner Meinung. Strafen kann überhaupt kein Liebesakt sein, egal, wie schön man es darstellen will. Die eigentliche Liebesbotschaft erkenne ich in den  Chancen, welche immer wieder dazu bewegen, Böses nicht zu rächen oder strafen, sondern es mit Gutem zu überwinden. 
 

Lena
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#3 Re: Gott vom Christentum Gruseliges unterschoben

Beitrag von Lena » Di 11. Feb 2020, 16:52

Die Weltgeschichte erzählt das Menschen anderen Menschen gruseliges antun können. 

Wie also kann ich sicher sein das Gott die Liebe ist ohne schriftliches Zeugnis? 
An Menschen die die Liebe leben? An Menschen die ihrem Ur-Erzeuger ähnlich sind? 
Menschen die anderen Menschen dienen und zu nichts gruseligem fähig sind? 
Solche die sich lieber unrecht zufügen lassen als selber unrecht zu tun? 
Zeugen sie vom Gott der Liebe, auch wenn sie nicht in allen Dingen vollkommen sind? 
Ich glaube das ein Mensch nicht besser, edler, liebevoller sein kann, als der Schöpfer der ihn schuf. 
Weil ich gute und liebevolle Menschen persönlich kenne, glaube ich an den Gott der Liebe. 



 
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

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Naqual
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#4 Re: Gott vom Christentum Gruseliges unterschoben

Beitrag von Naqual » Di 11. Feb 2020, 18:48

Lena hat geschrieben:
Di 11. Feb 2020, 16:52
Zeugen sie vom Gott der Liebe, auch wenn sie nicht in allen Dingen vollkommen sind? 
Ich glaube das ein Mensch nicht besser, edler, liebevoller sein kann, als der Schöpfer der ihn schuf. 
Weil ich gute und liebevolle Menschen persönlich kenne, glaube ich an den Gott der Liebe. 
Das finde ich gut. Ist ja auch irgendwie der Kern der Sache. Wenn auch für manche Dogmatiker der Horror pur.
Ich persönlich glaube auch daran, dass man Seine Liebe in sich erleben kann (sogar unabhängig vom dogmatischen Hintergrund) . Das ist dann beeindruckend und wegweisend.

 
Zuletzt geändert von Naqual am Di 11. Feb 2020, 19:04, insgesamt 1-mal geändert.

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#5 Re: Gott vom Christentum Gruseliges unterschoben

Beitrag von Naqual » Di 11. Feb 2020, 18:57

Ruth hat geschrieben:
Di 11. Feb 2020, 15:51
Strafen kann überhaupt kein Liebesakt sein, egal, wie schön man es darstellen will. Die eigentliche Liebesbotschaft erkenne ich in den  Chancen, welche immer wieder dazu bewegen, Böses nicht zu rächen oder strafen, sondern es mit Gutem zu überwinden. 
Danke für die Rückmeldungen. An der zitierten Stelle bin ich hängen geblieben.
Ich sehe es auch so. Allerdings gibt es neben der "Strafe" als Vergeltung einer bösen Tat, eine, hm, sagen wir mal "erzieherische Lenkung", die auch unangenehm sein kann. Aber die es als Ansinnen hat, den anderen zum Guten zu bewegen.
Als Vater ist es mir allerdings so gegangen, dass ich wenn ich meinen Kindern gegenüber mit "Unangenehmen" reagierte, oftmals deswegen, weil mir nichts Besseres eingefallen ist (und eine erzieherische Reaktion einfach erforderlich war, Nichtstun keine Option war).
Wobei Unangenehmes ("Druck") nicht direkt zum Guten führt, sondern zur äußerlichen Anpassung. Wenn auch die Chancen steigen, dass jemand das Gute stärker wertschätzt, wenn er sich entsprechend verhält (selbst wenn er muss).
Die für wahr gehaltene ewige Verdammnis wirkt ebenfalls allenfalls zur äußerlichen Anpassung über den gedachten Druck. Eine Veränderung des Selbst zum Guten hin, bedarf allerdings einer inneren Motivation, als ein Wertschätzen des Gutes um des Guten selbst willen.

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#6 Re: Gott vom Christentum Gruseliges unterschoben

Beitrag von JackSparrow » Di 11. Feb 2020, 19:50

Naqual hat geschrieben:
Di 11. Feb 2020, 11:53
Wie müsste Gott sein, dass dies kein Problem für uns ist, ihn über alles zu lieben?
Jung, schlank und brünett.

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#7 Re: Gott vom Christentum Gruseliges unterschoben

Beitrag von Münek » Mi 12. Feb 2020, 04:28

JackSparrow hat geschrieben:
Di 11. Feb 2020, 19:50
Naqual hat geschrieben:
Di 11. Feb 2020, 11:53
Wie müsste Gott sein, dass dies kein Problem für uns ist, ihn über alles zu lieben?
Jung, schlank und brünett.
Du meinst also, wie Buddha sollte er nicht aussehen.

Lena
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#8 Re: Gott vom Christentum Gruseliges unterschoben

Beitrag von Lena » Mi 12. Feb 2020, 11:44

Die Menschheit hat in der letzten Zeit unheimlich grosses erschaffen und dabei Gott aus ihrem Bewusstsein verloren.  
Ja, wie müsste Gott sein damit Menschen ihn mit voller Begeisterung lieben könnten? Vielleicht so, wie Gott in Wahrheit ist?!
Beim kennen lernen kann Gott dem Menschen immer mehr werden und er kann bezeugen: Gott ist mein Leben.
Viele junge Menschen würden das kleine Gerät das sie Tag und Nacht bei sich tragen Heute so bezeichnen. 

 
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
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lovetrail
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#9 Re: Gott vom Christentum Gruseliges unterschoben

Beitrag von lovetrail » Mi 12. Feb 2020, 12:10

Hallo Naqual!

Den meisten Einwänden von dir stimme ich zu.

Ich denke, dass (auch) das NT auf verschiedenen Ebenen spricht, bzw verschiedene Schichten hat, so wie etwa eine Zwiebel.

Auf der tiefsten Ebene erfahren wir dass Gott Liebe und Treue ist und dass diese vertrauensvolle Liebe die Furcht endgültig austreibt.

Auf anderen Ebenen finden wir Drohungen, werktätige Ermahnungen, gesetzähnliche Weisungen, Qual und Vernichtung.

Der Fehler wäre alle diese Aussagen auf einer horinzontalen Ebene 1:1 nebeneinanderzustellen.

Aber warum ist das so, warum diese verschiedene Ebenen? Ich denke es hat mit verschiedenen Reifungsgraden der Angesprochenen zu tun. Ein grober Klotz braucht eine grobe Warnung. Der muss zB auch nicht wissen, dass die Strafe irgendwann aufhört. Das würde dieser nur zu seinem Schaden ausnutzen.

Ein ängstlicher bzw fleischlicher Christ wird eher die gesetzlichen Aussagen wahrnehmen und hochhalten. Usw.

In den Gleichnissen benutzt Jesus manchmal Situtationen und Charaktäre wie sie seinem sündigen Umfeld entsprachen. Damit kommt er den Hörern entgegen und spiegelt ihre Situation.

Jetzt ist es so, dass aber nur die tiefste Ebene trägt. Ein Hängenbleiben in einer oberflächlichen Sichtweise führt in den Zusammenbruch. Und genau das braucht es aber um tiefere Offenbarungen zu bekommen. Und somit reguliert sich das "von selbst" :-)

Die Frage an dich wäre: Nimmst du diese scheinbaren Inkonsistenzen als Anlass, Jesu Herrschaft überhaupt zu verwerfen, oder aber als Aufforderung, zum Kern des Evangeliums zu kommen?

LG lovetrail
Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!

Punch
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#10 Re: Gott vom Christentum Gruseliges unterschoben

Beitrag von Punch » Mi 12. Feb 2020, 14:46

Naqual hat geschrieben:
Di 11. Feb 2020, 11:53

Versuchen wir, uns ein Bild von diesem „Gott” zu machen, der jemanden brutal zu Tode gefoltert wissen will (und sei es eine irdische Inkarnation seiner selbst), um den Delinquenten und Himmelanwärtern deren Fehler verzeihen zu können. Was für ein Gottesbild haben wir, würden wir glauben, dass dieser „Gott“ für einige Jahrzehnte Fehlverhalten (oder gelegentlich liebloses Verhalten) in unserem irdischen Dasein uns mit ewiger Hölle und Qualen straft. Also unvorstellbare Qualen, die Trillionen von Jahren nicht enden werden, nach der kirchlichen Vorstellung sogar nie.


Wenn ich eins glaube: Gott ist anders!

Heben wie das hier einmal heraus:

Wenn ich eins glaube: Gott ist anders!
 Und stellen das hier dem gegenüber:
Versuchen wir, uns ein Bild von diesem „Gott” zu machen

Ich würde sagen, dieses Bilderverbot, oder das strikte Verbot des - sich ein Bild von Gott machen, das hat durchaus einen tiefen Sinn (im Islam und auch im Judentum), denn der Bilder eines Gottes (im Christentum) sind einfach zu viele, das kriegst du aus den Köpfen der "Abendländer" nie wieder heraus, und hat meiner Meinung nach mehr kaputt gemacht, als das es zur theologischen oder spirituellen Sinnfindung hätte beitragen können.

Übrigens, das hier - Gott vom Christentum Gruseliges unterschoben, das ist schon ein hohes Schelmenstück, allein in seiner Formulierung!
Das haben selbst die fundamentalen Vertreter und Siegelbewahrer der christlichen Second-Hand-Zeit wohl nicht so richtig in die Tüten und Schachteln gekriegt, sonst wäre hier so manch Überchrist in seinen biblizistischen Wehen implodiert (mi scusi).

Was meinst du? Ist dieses Christentum nicht irgendwie seiner spirituellen Wurzeln verlustigt gegangen?

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