Die Bibel, im Wandel der Zeit

Ruth
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#1 Die Bibel, im Wandel der Zeit

Beitrag von Ruth » So 2. Feb 2020, 13:46

... wie ich diesen Wandel ganz persönlich wahrnehme und erlebe.

Wie ich schon mehrmals beschrieben habe, wurde ich in eine sehr bibelgläubige Familie hinein geboren, und wuchs in einer sehr gestrengen christlichen Gemeinde auf, habe zusätzlich an einer überkonfessionellen Bibelschule meine Bibelkenntnis vertieft.

Mein erster Impuls, aus der festgelegten erlernten Dogmatik auszusteigen, oder zunächst einmal nur über den Tellerrand hinaus zu blicken, traf mich unmittelbar nach der Bibelschulzeit, als ich merkte, dass die praktische Umsetzung des Gelernten irgendwie nicht wirklich funktionierte. 

Im Laufe der folgenden Zeit habe ich erst einmal versucht, einzelne biblischen Geschichten ohne die erlernten Dogmen zu lesen, einfach so, wie ich sie als Mensch wahrnehme, und möglicherweise auch angewendet hätte, in meiner Vorstellung. Da meine Vorstellung natürlich mit der Zeit geprägt wurde, von Eindrücken und Meinungen anderer Menschen, vor allem Außenstehenden des Glaubens, ist der Wandel für mich ganz persönlich ziemlich extrem geschehen, in den vergangenen Jahrzehnten, bis heute. Der krasseste Wandel geschah aber in den vergangenen etwa 15(+) Jahren - obwohl behauptet wird, dass man im zunehmenden Alter nicht mehr beweglich genug wäre, um angelernte Dogmen zu verändern. Einzelne markante Stationen der Veränderung möchte ich hier mal auflisten:

Beim Studieren der biblischen Berichte mir eine Begebenheit besonders auf, in die der Prophet Elia kam. Elia war ein "großer" Prophet, der Gottes Botschaften rigoros so verkündigte, wie er sie wahrgenommen hatte, als Botschaft von Gott. Elia agierte fast immer mit voller Kraft und Macht. Ein Höhepunkt wird beschrieben in 1. Könige, Kapitel 18+19 , wie Elia mit einer spektakulären Demonstration das Volk davon überzeugte, dass der Götze "Baal" nichts kann, Gott aber fähig ist, Feuer vom Himmel regnen zu lassen. Nach der Demonstration ließ er sämtliche Baalspriester töten. Danach fiel Elia psychisch in ein tiefes Loch, fühlte sich kraftlos und verfolgt. Nachdem Gott ihn auf ganz irdische Weise stärkte, lief Elia zu dem Berg Horeb, wo Gott ihm begegnen sollte. Die Gottesbegegnung geschah nun, im ganz umgekehrten Sinne spektakulär, indem Gott ihm zeigte, dass ER sich nicht im aggressiven Stil zeigt, wie zB ein Sturm und Unwetter es  zeigen, sondern in der sanften Art, wie das Säuseln eines Windes. 

Fazit für mich war beim Lesen dieser Begebenheit, dass Gott nicht nur die "Richtigen" oder "Gerechten" unterstützt, sondern alle die Menschen, welche mit aufrichtigem Herzen auf Gott vertrauen.
Mehr ähnliche Begebenheiten gibt es im AT der Bibel. 

Ein weiterer markanter Punkt war für mich, als mir bewusst wurde, dass erst ab dem Jahr 1517 die Bibel, in der Zusammensetzung, wie sie uns heute vorliegt, für die meisten Menschen zugänglich gemacht wurde. Und trotzdem gab es auch die davor liegenden 1500 Jahre Menschen, welche mit Gott lebten und die Nähe Gottes ganz persönlich erlebten. Die Frage stellte sich mir: wieso ließ Gott es zu, dass 1500 Jahre lang die scheinbar falsche Lehre vorherrschte, obwohl allgemein verkündigt wird, dass  man "richtig glauben" müsse, um Gottes Nähe überhaupt wahrnehmen zu können (?)

Und die gleiche Frage stellt sich mir auch in heutiger Zeit: wie kann es sein, dass die bliblische Lehre (angeblich) die einzig richtige sei, aber es hunderte verschiedene Interpretationen davon gibt, von denen fast alle Gläubigen behaupten, mit Gott im Einklang zu sein, und mit ihm zu leben  ❓

Mich interessiert hier Eure Meinung zu diesem Thema, und ich freue mich über Erfahrungsberichte, wie Ihr persönlich den Wandel der Zeit, im Zusammenhang der biblischen Lehre, erlebt - und wie seitdem das Verhältnis zu den vielen unterschiedlichen Glaubenden auf der ganzen Welt aussieht.  (❓)

JackSparrow
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#2 Re: Die Bibel, im Wandel der Zeit

Beitrag von JackSparrow » So 2. Feb 2020, 22:29

Ruth hat geschrieben:
So 2. Feb 2020, 13:46
Und trotzdem gab es auch die davor liegenden 1500 Jahre Menschen, welche mit Gott lebten und die Nähe Gottes ganz persönlich erlebten.
Woher sollten diese Menschen gewusst haben, dass sie mit einem Gott oder in der Nähe eines Gottes leben, wenn sie sich über solcherlei Theorien nirgends hätten informieren können?

Die Frage stellte sich mir: wieso ließ Gott es zu, dass 1500 Jahre lang die scheinbar falsche Lehre vorherrschte,
Die vorherrschende Lehre war die Lehre der katholischen Kirche. Ironischerweise war Luther nicht nur Katholik, sondern auch die von ihm übersetzte sogenannte "Bibel" war nichts anderes als ein von der katholischen Kirche (natürlich völlig uneigennützig) zusammengestellter Texte-Kanon.

Und die gleiche Frage stellt sich mir auch in heutiger Zeit: wie kann es sein, dass die bliblische Lehre (angeblich) die einzig richtige sei
Wie kann es sein, dass eine biblische Lehre überhaupt existiert, wenn doch sowohl Paulus als auch Johannes der Meinung waren, man dürfe (Zitat) "der Schrift nichts hinzufügen"? Hatte hier möglicherweise ein Satan, ein Diabolos oder ein Dämon seine Hände im Spiel?

Ruth
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#3 Re: Die Bibel, im Wandel der Zeit

Beitrag von Ruth » Mo 3. Feb 2020, 10:53

JackSparrow hat geschrieben:
So 2. Feb 2020, 22:29
Woher sollten diese Menschen gewusst haben, dass sie mit einem Gott oder in der Nähe eines Gottes leben, wenn sie sich über solcherlei Theorien nirgends hätten informieren können?

Interessanterweise (zumindest für mich ist es interessant) gibt es in jeder Völkergruppe Götter. Sie entstanden natürlich zunächst in der jeweiligen Vorstellung der beteiligten Menschen. Ich persönlich glaube aber auch, dass Gott auf die Herzenshaltung (Gottsuche) so reagiert, dass er sich, auf irgendeine Art diesen Menschen präsentiert. Und zwar so, dass die anzusprechende Person dieses auch bemerkt. Niemand anders muss es verstehen, außer der, den Gott anspricht. Nur so kann Beziehung entstehen, die nicht von anderen übernommen oder aufdiktiert wird. 
 
JackSparrow hat geschrieben:
So 2. Feb 2020, 22:29
Die vorherrschende Lehre war die Lehre der katholischen Kirche. Ironischerweise war Luther nicht nur Katholik, sondern auch die von ihm übersetzte sogenannte "Bibel" war nichts anderes als ein von der katholischen Kirche (natürlich völlig uneigennützig) zusammengestellter Texte-Kanon.

Ja, das sehe ich inzwischen auch so. Damals, als ich noch sehr an meinem "Kinderglauben" hing, glaubte ich noch, dass die Bibel Gottes Wort sei, und darum fehlerfrei. Wie Menschen damit umgingen, war deshalb für mich unverständlich, mit diesem Hintergrund. Denn wenn Gottes Wort wirklich trifft und Menschen verändert, dann  ist doch anzunehmen, dass ein Gott das auch so tut, wie er es in diesem Buch darstellt, nämlich mit Liebe, in Einigkeit, mit Frieden.
 
JackSparrow hat geschrieben:
So 2. Feb 2020, 22:29
Wie kann es sein, dass eine biblische Lehre überhaupt existiert, wenn doch sowohl Paulus als auch Johannes der Meinung waren, man dürfe (Zitat) "der Schrift nichts hinzufügen"? Hatte hier möglicherweise ein Satan, ein Diabolos oder ein Dämon seine Hände im Spiel?

Menschen sind es, die ihre Hände überall im Spiel haben, und auf ihre Art prägen. Wenn man dann menschliche Erkenntnisse mit der Bezeichnung "Gottes Wort" betitelt, ist das Chaos im Grunde vorprogrammiert. 

Trotzdem glaube ich, dass auch dieses Chaos in den Plan gehört, den Gott über dieses irdische Leben hat. Wie genau der aussieht, weiß ich natürlich auch nicht. Aber im kleinen Umkreis meines ganz persönlichen Lebens konnte ich solches öfter beobachten und selbst erleben, dass Gott aus einem Chaos etwas Gutes macht .. irgendwie, immer individuell auf die Menschen abgestimmt, welche beteiligt sind. Aber auch immer so, dass es zuschauende Menschen gibt, die als Gegner auftreten. Diese Überwindung des Chaos ist, meiner Meinung nach, der Sinn der Schöpfung. 

.... wie gesagt: alles nur meine Meinung ...  ❗️ :wink:

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AlTheKingBundy
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#4 Re: Die Bibel, im Wandel der Zeit

Beitrag von AlTheKingBundy » Mo 3. Feb 2020, 11:03

Man kann und darf die Bibel nur in ihrem historischen Kontext verstehen - bis auf wenige allgemeingültige Aussagen - ansonsten erleidet man eine Bruchlandung. Die Klassiker sind hier ein falsches Textverständnis (2000 Jahre alte Texte sind mit Blick auf die heutige Sprache nicht zu verstehen), die Nicht-Berücksichtigung der damaligen Lebenswelt und dogmatische Grundhaltungen. Ach ja und dann meinen Christen stets, sie wären mit den Texten gemeint obwohl eine ganz andere Personengruppe konkret angesprochen wird.
Beste Grüße, Al

Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.
(Albert Einstein, 1879-1955)

Ruth
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#5 Re: Die Bibel, im Wandel der Zeit

Beitrag von Ruth » Mo 3. Feb 2020, 11:26

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Mo 3. Feb 2020, 11:03
Man kann und darf die Bibel nur in ihrem historischen Kontext verstehen - bis auf wenige allgemeingültige Aussagen - ansonsten erleidet man eine Bruchlandung. Die Klassiker sind hier ein falsches Textverständnis (2000 Jahre alte Texte sind mit Blick auf die heutige Sprache nicht zu verstehen), die Nicht-Berücksichtigung der damaligen Lebenswelt und dogmatische Grundhaltungen. Ach ja und dann meinen Christen stets, sie wären mit den Texten gemeint obwohl eine ganz andere Personengruppe konkret angesprochen wird.

Ja, ich denke auch, dass Jesus tatsächlich in erster Linie eine Botschaft für sein eigenes Volk, in das er hineingeboren wurde, hatte, wie er es auch in
Matthäus 15,24 darstellte. Weil seine Botschaft exakt auf diese Menschen zugeschnitten war.
Dass aus diesem Volk heraus die Botschaft, von dort aus,  auch an andere weiter gegeben werden kann und auch verstanden wird, zeigt nur, dass Gott sich nicht festlegt, auf eine Art, seine Botschaften ankommen zu lassen. 

 

R.F.
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#6 Re: Die Bibel, im Wandel der Zeit

Beitrag von R.F. » Mo 3. Feb 2020, 12:58

Ruth hat geschrieben:
So 2. Feb 2020, 13:46
- - -
Mich interessiert hier Eure Meinung zu diesem Thema, und ich freue mich über Erfahrungsberichte, wie Ihr persönlich den Wandel der Zeit, im Zusammenhang der biblischen Lehre, erlebt - und wie seitdem das Verhältnis zu den vielen unterschiedlichen Glaubenden auf der ganzen Welt aussieht.  (❓)
Die Wahrnehmung der Schöpfung als Beweis für die Existenz Gottes war den Menschen zu allen Zeiten möglich.

Römer 1,18-20 (Luther):
18 Denn Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart über alles gottlose Leben und alle Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten. 19 Denn was man von Gott erkennen kann, ist unter ihnen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart. 20 Denn sein unsichtbares Wesen – das ist seine ewige Kraft und Gottheit – wird seit der Schöpfung der Welt, wenn man es wahrnimmt, ersehen an seinen Werken, sodass sie keine Entschuldigung haben.
Ebenso konnte der Mensch auch ohne Kenntnis der Schriften des Alten und Neuen Bundes zwischen Recht und Unrecht unterscheiden.

Römer 2,14-15 (Luther):
14 Denn wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur aus tun, was das Gesetz fordert, so sind sie, obwohl sie das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz. 15 Sie beweisen damit, dass des Gesetzes Werk in ihr Herz geschrieben ist; ihr Gewissen bezeugt es ihnen, dazu auch die Gedanken, die einander anklagen oder auch entschuldigen,
Wer sich daran hält, hat gute Chancen auf ein günstiges Urteil im so genannten Weltgericht.

Andere Anforderungen werden an eine Auswahl von Menschen gestellt, mit denen der zur Erde zurückgekehrte Messias während den kommenden tausend Jahren die politische Macht über die Erde ausüben wird.

JackSparrow
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#7 Re: Die Bibel, im Wandel der Zeit

Beitrag von JackSparrow » Mo 3. Feb 2020, 13:45

R.F. hat geschrieben:
Mo 3. Feb 2020, 12:58
Die Wahrnehmung der Schöpfung als Beweis für die Existenz Gottes war den Menschen zu allen Zeiten möglich.
Die Beobachtung eines Universums als Beleg für die Existenz eines Universums war den Menschen zu allen Zeiten möglich.

18 Denn Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart
Da ich soeben (13:42) nachgeschaut habe und sich währenddessen keinerlei Zorn vom Himmel her offenbarte, ist die Hypothese zu verwerfen.

14 Denn wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur aus tun
Und wenn nicht?

R.F.
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#8 Re: Die Bibel, im Wandel der Zeit

Beitrag von R.F. » Mo 3. Feb 2020, 16:29

JackSparrow hat geschrieben:
Mo 3. Feb 2020, 13:45
14 Denn wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur aus tun
Und wenn nicht?
Ein erträgliches Zusammenleben garantieren die nationalen und internationalen Gesetze. Zum Beispiel spiegeln das StGB und das StGB zumindest zum Teil die Prinzipien des göttlichen Rechts wider. Wird dagegen anhaltend verstoßen, führt das zu Unruhen in den Gemeinwesen, gar zu Kriegen.

Zu Lasten breiter Schichten wurden riesige Vermögen angehäuft. Allein dieser Umstand führte und führt zu Unfrieden in und zwischen den Völkern. Versuche, in der jetzigen Lage einen Ausgleich zwischen den benachteiligten und den begünstigten Kreisen zu schaffen, ist anders als durch Kriege kaum mehr möglich.

Lena
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#9 Re: Die Bibel, im Wandel der Zeit

Beitrag von Lena » Mo 3. Feb 2020, 19:49

Vielleicht gibt es diese biblische Lehre nur in den Köpfen der Menschen. Sie zimmern sich durch ihre Interpretation ein eigenes Konstrukt und grenzen sich vom Mitmenschen ab. Es geht doch um Beziehung. Gott und seine Geschöpfe. Es ist evtl. noch viel einfacher als einfach: Liebe genannt. So sehr hat Gott die Welt beliebt.....:-)). 
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

Ruth
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#10 Re: Die Bibel, im Wandel der Zeit

Beitrag von Ruth » Mo 3. Feb 2020, 20:10

Lena hat geschrieben:
Mo 3. Feb 2020, 19:49
Vielleicht gibt es diese biblische Lehre nur in den Köpfen der Menschen. Sie zimmern sich durch ihre Interpretation ein eigenes Konstrukt und grenzen sich vom Mitmenschen ab. Es geht doch um Beziehung. Gott und seine Geschöpfe. Es ist evtl. noch viel einfacher als einfach: Liebe genannt. So sehr hat Gott die Welt beliebt.....:-)). 
"Nur" in den Köpfen der Menschen, würde ich nicht sagen. Es sind Erfahrungsberichte von Menschen, die mit Gott leben, von Ihm angesprochen und berührt werden.

Ich denke schon, dass Gott diesen Weg auch benutzt, um zu Menschen zu reden. Aber erst dadurch wird es zu "Wort Gottes", wenn Worte, egal welcher Art und aus welcher menschlichen Quelle, einzelne Menschen berühren und etwas bewirken, zum Segen.
Und da ist dann das Wort Gottes auch schon wieder am Ende. Bis es direkt wieder menschliche Herzen erreicht und so etwas Gutes bewirkt.


 

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