Zweifel = Stärke oder Schwäche ?

Rund um Bibel und Glaube
Ruth
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#1 Zweifel = Stärke oder Schwäche ?

Beitrag von Ruth » Sa 30. Nov 2019, 12:46

Abischai hat geschrieben:
Sa 30. Nov 2019, 12:09
Ich kenne keinen Christen, der nicht auch mal (sogar oft) zweifelt. Das zeigt, daß wir noch nicht im Himmel sind, sondern immer noch hier auf der Erde und der Erlösung unserer Leiber harren, mehr oder weniger geduldig.

Zweifel werden von vielen Gläubigen als Schwäche verstanden. Man versucht, sie zu verdrängen und mit scheinbarer Sicherheit zu überspielen. Man versucht mit Dogmen das Fundament zu befestigen, was aber nur bewirkt, dass Glaube unbeweglicher wird und die eigene Empfänglichkeit von neuem Input aus der lebendigen Quelle dessen, woran man glaubt , hindert.

Ich denke, dass gerade in den Glaubenden, die sich dem Zweifel stellen, besondere Stärke liegt. Denn wer ungeschönt die Zweifel zulässt, stellt fundamentale Fragen – an sich selbst und zu dem, woran man glaubt. Damit öffnet man sich für neue Inputs zur Veränderung und Wachstum des Glaubens.

Gott lässt einen Glaubenden, der nach ihm fragt, nicht im Regen stehen. Er zeigt sich dem aufrichtig Fragenden in Spuren, welche der Angesprochene wahrnehmen kann – und bildet aus den Zweifeln ein festeres Fundament.

Ich persönlich stelle fest, dass besonders dort, wo ich Zweifel hatte, es zunächst schien, als wenn mein Glaube arg ins Wanken käme. Aber im Anschauen und sortieren der Erfahrungen durch welche der Glaube gestärkt wurde, bildete sich auch in meinem Glauben ein stärkeres Fundament. Eines, das ich nicht selbst gezimmert habe, sondern derjenige, an den ich glaube: Gott, der Vater, den Jesus bezeugte.

Wie geht ihr mit Zweifeln um, und was bewirken solche bei euch?

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Travis
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#2 Re: Zweifel = Stärke oder Schwäche ?

Beitrag von Travis » Sa 30. Nov 2019, 13:32

Zweifel an Christus ist eine Schwäche. Gott sei dank muss jedoch auch der Zweifel denen die Gott lieben zum Besten dienen.

Dieser Umstand trägt zum Ruhm und zur Ehre Gottes bei, macht den Zweifel an sich jedoch zu nichts gutem.
Ich weiß, dass ich nicht einmal weiß das ich nichts weiß.

Roland
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#3 Re: Zweifel = Stärke oder Schwäche ?

Beitrag von Roland » Sa 30. Nov 2019, 13:52

Jeder geht mit Zweifel anders um. Ich bin ein eher rationaler Mensch und versuche das Für und Wider sozusagen "aufzulisten", wenn ich zweifle. Paulus sagt irgendwo "wir leben im Glauben, nicht im Schauen", das bringt es eben mit sich, dass wir Gott nicht sozusagen in der Tasche haben, als bewiesene Tatsache, sondern dass zwangsläufig alles irgendwie offen bleibt. Und dann hilft es mir, mich zu fragen: was ist plausibel, was ist wahrscheinlich, was macht Sinn? So lernt man auch, seinen Glauben zu beschreiben, zu formulieren auf welcher Grundlage man steht.
Und egal wie ich es drehe und wende,  mein christlicher Glaube hält solchen Fragen immer wieder stand. Während mögliche Alternativen es nicht tun.
Für mich zumindest.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

Ruth
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#4 Re: Zweifel = Stärke oder Schwäche ?

Beitrag von Ruth » Sa 30. Nov 2019, 13:56

Travis hat geschrieben:
Sa 30. Nov 2019, 13:32
Zweifel an Christus ist eine Schwäche. Gott sei dank muss jedoch auch der Zweifel denen die Gott lieben zum Besten dienen.

Dieser Umstand trägt zum Ruhm und zur Ehre Gottes bei, macht den Zweifel an sich jedoch zu nichts gutem.

Was verstehst du denn unter "Zweifel an Christus"?

... und was bedeutet "Schwäche" in Bezug auf Zweifel ?


Paulus sagt in 2.Kor. 12, 10

....wenn ich schwach bin, so bin ich stark.

Ist es nicht viel mehr so, dass Stärke gerade dort wächst, wo man weiß, dass man schwach ist ?

Ruth
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#5 Re: Zweifel = Stärke oder Schwäche ?

Beitrag von Ruth » Sa 30. Nov 2019, 14:00

Roland hat geschrieben:
Sa 30. Nov 2019, 13:52
Jeder geht mit Zweifel anders um. Ich bin ein eher rationaler Mensch und versuche das Für und Wider sozusagen "aufzulisten", wenn ich zweifle. Paulus sagt irgendwo "wir leben im Glauben, nicht im Schauen", das bringt es eben mit sich, dass wir Gott nicht sozusagen in der Tasche haben, als bewiesene Tatsache, sondern dass zwangsläufig alles irgendwie offen bleibt. Und dann hilft es mir, mich zu fragen: was ist plausibel, was ist wahrscheinlich, was macht Sinn? So lernt man auch, seinen Glauben zu beschreiben, zu formulieren auf welcher Grundlage man steht.
Und egal wie ich es drehe und wende,  mein christlicher Glaube hält solchen Fragen immer wieder stand. Während mögliche Alternativen es nicht tun.
Für mich zumindest.

Ich gehe ähnlich mit Zweifel um, wie du es beschreibst.
Diese Art, damit umzugehen, leugnet Zweifel nicht, und überlässt den Zweifeln nicht die Oberhand - und endet, nach meiner Erfahrung - nie ins Uferlose.

Roland
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#6 Re: Zweifel = Stärke oder Schwäche ?

Beitrag von Roland » Sa 30. Nov 2019, 15:35

Ruth hat geschrieben:
Sa 30. Nov 2019, 14:00
Roland hat geschrieben:
Sa 30. Nov 2019, 13:52
Jeder geht mit Zweifel anders um. Ich bin ein eher rationaler Mensch und versuche das Für und Wider sozusagen "aufzulisten", wenn ich zweifle. Paulus sagt irgendwo "wir leben im Glauben, nicht im Schauen", das bringt es eben mit sich, dass wir Gott nicht sozusagen in der Tasche haben, als bewiesene Tatsache, sondern dass zwangsläufig alles irgendwie offen bleibt. Und dann hilft es mir, mich zu fragen: was ist plausibel, was ist wahrscheinlich, was macht Sinn? So lernt man auch, seinen Glauben zu beschreiben, zu formulieren auf welcher Grundlage man steht.
Und egal wie ich es drehe und wende, mein christlicher Glaube hält solchen Fragen immer wieder stand. Während mögliche Alternativen es nicht tun.
Für mich zumindest.

Ich gehe ähnlich mit Zweifel um, wie du es beschreibst.
Diese Art, damit umzugehen, leugnet Zweifel nicht, und überlässt den Zweifeln nicht die Oberhand - und endet, nach meiner Erfahrung - nie ins Uferlose.
Jesus hat diese Art des Umgangs mit Zweifeln m.E. exemplarisch mit einer Frage in Johannes 6, 67 angeregt. Viele zweifelten, drehten ihm den Rücken zu und sind weggegangen. Und Jesus fragt die Jünger: "Wollt ihr auch weggehen?" Für mich eine Souveränität, die seine Gottheit anzeigt, er klammert nicht, droht nicht, verbietet den Jüngern nicht zu gehen.
Ihr könnt auch gehen, wenn ihr wollt! Zweifeln erlaubt! Im Islam steht auf das "Weggehen" die Todesstrafe. Jesus braucht das nicht, er ist der souveräne Gott selbst.

Und Petrus antwortet: Wohin sollen wir gehen? Das zeigt: er hat es genauso gemacht. Sich auf die Frage Jesu "wollt ihr auch weggehen?" selbst gefragt: was ist denn die Alternative zu Jesus? Wohin sollen wir denn gehen? Eine wichtige Frage! Was macht denn mehr Sinn, was ist denn besser? Und dann sagt Petrus: "Du hast Worte des ewigen Lebens und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes."
 
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#7 Re: Zweifel = Stärke oder Schwäche ?

Beitrag von Ruth » Sa 30. Nov 2019, 16:01

Roland hat geschrieben:
Sa 30. Nov 2019, 15:35

Jesus hat diese Art des Umgangs mit Zweifeln m.E. exemplarisch mit einer Frage in Johannes 6, 67 angeregt. Viele zweifelten, drehten ihm den Rücken zu und sind weggegangen. Und Jesus fragt die Jünger: "Wollt ihr auch weggehen?" Für mich eine Souveränität, die seine Gottheit anzeigt, er klammert nicht, droht nicht, verbietet den Jüngern nicht zu gehen.
Ihr könnt auch gehen, wenn ihr wollt! Zweifeln erlaubt! Im Islam steht auf das "Weggehen" die Todesstrafe. Jesus braucht das nicht, er ist der souveräne Gott selbst.

Und Petrus antwortet: Wohin sollen wir gehen? Das zeigt: er hat es genauso gemacht. Sich auf die Frage Jesu "wollt ihr auch weggehen?" selbst gefragt: was ist denn die Alternative zu Jesus? Wohin sollen wir denn gehen? Eine wichtige Frage! Was macht denn mehr Sinn, was ist denn besser? Und dann sagt Petrus: "Du hast Worte des ewigen Lebens und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes."
 

Diesen Bibeltext hatte ich bisher noch nicht von der Seite des Zweifelns angeschaut. Du hast das sehr schön beschrieben, und damit gezeigt, wie auch die Freunde und Begleiter von Jesus mit Zweifeln konfrontiert wurden, die zur fundamentalen Erkenntnis führten: DU bist der Christus!

Ich finde in diesem Text schon immer den Ausruf des Petrus faszinierend: "Wohin sollen wir denn gehen?" - klingt erst einmal etwas ratlos ... "was bleibt denn, wenn wir dich aus den Augen verlieren?"

In der Frage schwingt in etwa das mit:
"... jetzt sind wir Jesus begegnet, folgen ihm nach und sehen erleben Abenteuer, Wunder ... und auch Niederlagen, Feinde.
Atemberaubend schön - sowie erschreckend beängstigend.

Zurück geht nicht, weil wir dabei nur verlieren können - Da bleibt es nur, weitergehen, den Blick nach vorne gerichtet, auf Jesus und seine Botschaft".

Spice
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#8 Re: Zweifel = Stärke oder Schwäche ?

Beitrag von Spice » Sa 30. Nov 2019, 16:03

Travis hat geschrieben:
Sa 30. Nov 2019, 13:32
Zweifel an Christus ist eine Schwäche. Gott sei dank muss jedoch auch der Zweifel denen die Gott lieben zum Besten dienen.

Dieser Umstand trägt zum Ruhm und zur Ehre Gottes bei, macht den Zweifel an sich jedoch zu nichts gutem.
Bei Dir habe ich den Eindruck, Du willst den Zweifel von vornherein ausschließn, durch einen fundamentalistischen Vorentscheid und der Verabschiedung vom Denken. In einer theol. Schrift heißt es:
„Fundamentalistisches Verständnis der Bibel vermittelt eine ungeheure Gewissheit. Da jedes Wort der Bibel göttlich inspiriert ist, erhebt mich das Bibelwissen über alle Alltagsdiskussionen und über allen Zweifel in dieser verwirrenden modernen Welt. Darum wird die wörtliche Auslegung der Bibel zum scheinbar unanfechtbaren Grundstein des Fundamentalismus. “

Wer so vorgeht, ist mindestens kleingläubig. Im Glauben wachsen kann er nicht, sondern nur Schiffbruch erleiden.

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Travis
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#9 Re: Zweifel = Stärke oder Schwäche ?

Beitrag von Travis » Sa 30. Nov 2019, 16:35

Das mit den Eindrücken musst du echt noch lernen.
Ich weiß, dass ich nicht einmal weiß das ich nichts weiß.

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Naqual
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#10 Re: Zweifel = Stärke oder Schwäche ?

Beitrag von Naqual » Sa 30. Nov 2019, 16:38

Ruth hat geschrieben:
Sa 30. Nov 2019, 12:46
Zweifel werden von vielen Gläubigen als Schwäche verstanden. Man versucht, sie zu verdrängen und mit scheinbarer Sicherheit zu überspielen. Man versucht mit Dogmen das Fundament zu befestigen, was aber nur bewirkt, dass Glaube unbeweglicher wird und die eigene Empfänglichkeit von neuem Input aus der lebendigen Quelle dessen, woran man glaubt , hindert.

Ich denke, dass gerade in den Glaubenden, die sich dem Zweifel stellen, besondere Stärke liegt. Denn wer ungeschönt die Zweifel zulässt, stellt fundamentale Fragen – an sich selbst und zu dem, woran man glaubt. Damit öffnet man sich für neue Inputs zur Veränderung und Wachstum des Glaubens.

Gott lässt einen Glaubenden, der nach ihm fragt, nicht im Regen stehen. Er zeigt sich dem aufrichtig Fragenden in Spuren, welche der Angesprochene wahrnehmen kann – und bildet aus den Zweifeln ein festeres Fundament.

Sehe ich nicht anders. Ich möchte nur einige Aspekt hinzufügen:

Glaube
gibt Orientierung und Sicherheit. Manche brauchen hiervon mehr, andere weniger. Leute, die in sich selbst ruhen, können auch lockerer mit Zweifeln umgehen. Andere benötigen ganz klare einfach zu verstehende Sachverhalte an denen sie sich (scheinbar) leicht orientieren können. Dazu gehören auch die Gamma-Typen, also jene, nicht wie ein Alpha Trends setzen und andere motivieren, sondern Leute, die allenfalls mitmachen und lieber Befehle entgegennehmen ("Schafe") .

Zweifel sind erforderlich um den Glauben inhaltlich und persönlich zu festigen, auch um blinden Glauben zu vermeiden. Zweifel helfen auch - da sie zum Überlegen motivieren - selbst neue Erkenntnisse und Einsichten zu erhalten. Aber Zweifel benötigen auch eine stabile Persönlichkeit, die nicht dazu neigt hin- und herzuwanken und schließlich sich einfach untätig und frustiert in ein Eck setzen. Zweifel benötigen den Willen auch zu kämpfen: mit sich selbst, auch an sich selbst (Glaube und Persönlichkeit ist eng miteinander verbunden). Zweifel hat etwas Unangenehmes. Zweifel sind auch für solche schwierig, die instinktiv spüren, dass der andere ihnen intellektuell überlegen ist und sie auf der Ebene zu allem möglichen beeinflussen könnte.

Glaube hat zwei Aspekte
: die Beziehung zwischen dem Glaubenden und Gott im Leben, mit seinem Leben und einen anderen: den dogmatischen Aspekt.
Je mehr jemand den zweiten auf Kosten des ersten bevorzugt, desto mehr ist Zweifel auch als Bedrohung empfunden (Zweifel könnten Hölle bedeuten, wenn's dumm ausgeht).
Bei Glaube als Beziehung dominiert die Liebe von und zu Gott, die versucht wird weiterzugeben. Eine langfristig sichere Basis ("die Aspekte des Himmels auf Erden holt").
Beim dogmatischen Glauben wird das an sich erforderliche Interesse an Wissen völlig überzogen und bedingt schnell ein kleinkariertes Denken, bei dem jedem Andersdenkenden schnell ein böser Stempel aufgedrückt wird.

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