Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Philosophisches zum Nachdenken
Benutzeravatar
Thaddaeus
Beiträge: 514
Registriert: Sa 20. Jul 2019, 20:37

#61 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von Thaddaeus » Fr 8. Nov 2019, 19:27

Anton B. hat geschrieben:
Fr 8. Nov 2019, 17:33
Thaddaeus hat geschrieben:
Fr 8. Nov 2019, 08:19

Closs hat alles, was er behauptet, in wunderbarer und völlig einleuchtender Weise höchstselbst negiert.
Closs schreibt, dass Wahrheit grundsätzlich nicht feststellbar ist (da man nicht wissen kann, ob man das richtige Vorverständnis hat). Also ist auch die Wahrheit von ALLEM, was closs behauptet grundsätzlich nicht feststellbar. Nicht für dich und nicht für ihn selbst.

DAS, lieber lovetrail, bedeutet philosophisch zu Denken.
Auf den Punkt gebracht! Die wissenschaftliche Philosophie untersucht mit vornehmlich logischen Mitteln die Welt, den Menschen und Beziehungen zwischen Mensch und Welt. Das beinhaltet, Darstellungen auf logische Konsistenz zu untersuchen, die innewohnenden Eigenschaften von Darstellungen als auch, was sich an logischen Konsequenzen nach Außen daraus ergibt, zu erkennen.
Im Prinzip ist das korrekt, wobei man in der Philosophie nicht zwangsläufig nur mit den Werkzeugen der strengen, formalisierten Logik arbeiten darf. (Aber Philosophiestudenten müssen in der Tat eine Prüfung in formaler Logik ablegen. Bestehen sie die wiederholt nicht, müssen sie etwas anderes studieren.)

Unabdingbar für die Philosophie ist jedoch, dass man argumentiert und das beinhaltet, mit rationalen Mitteln zu argumentieren, sonst argumentiert man eben nicht (sondern schwatzt einfach daher).
Ich habe oben gegenüber closs keine besonderen Feinheiten formalisierter Logik angewendet, sondern ganz elementare Logik, die wir alle tagtäglich in unserer Alltagskommunikation verwenden.
Wenn man jemanden fragt, wie das Wetter bei ihm ist und der antwortet: "Oh, sehr schön sonnig bei 28° C, aber leider schneit es gerade", dann wissen wir, dass da irgendetwas nicht stimmen kann. Dazu muss man kein Logikseminar besucht haben. Das ist elementare Logik, ohne die auch Alltagskommunikation überhaupt nicht möglich ist. Es geht dann nur noch darum, was genau nicht stimmt: ob etwas mit dem Freund nicht stimmt, er unter Halluzinationen leidet, geistesverwirrt ist, betrunken oder eben vielleicht eine außergewöhnliche, kuriose Wetterlage vorliegt etc.

Eine Anforderung an die Philosophie (im Gegensatz zur Theologie) ist, dass jedes ihrer Argumente prinzipiell von ALLEN Menschen verstanden werden können muss. Damit sind jede Art von persönlich offenbarten Wahrheiten nicht erlaubt. Gläubigen gesteht man zu, persönliche Glaubenswahrheiten empfinden zu dürfen; die sind in der Philosophie aber streng verboten. Beruft man sich auf Einsichten, die einem persönlich offenbart wurden, verlässt man die Philosophie und wird zum Gläubigen.

Philosophie kann sehr kompliziert werden, so dass nicht jeder Mensch den manchmal sehr komplexen Argumenten, oftmals auch noch in Fachsprache verfasst, folgen kann, - aber diesen Fall haben wir in der Mathematik und den Naturwissenschaften oder der Medizin auch vorliegen. Grundsätzlich muss aber jeder Mensch Kant oder Heidegger, Nietzsche oder Wittgenstein verstehen können oder Gödels formallogischen Unvollständigkeitsbeweis nachvollziehen. Das ist der Anspruch, den die Philosophie an sich selbst stellt: sie MUSS rational sein.

Wenn in einem philosophischen Text oder einer philosophischen Haltung also ein offenkundiger Widerspruch auftaucht, dann sind sie entweder falsch, oder es muss rational erklärt werden können, warum es sich in Wahrheit um keinen Widerspruch handelt oder warum dieser Widerspruch keine Rolle spielt für die Wahrheit des Textes bzw. der philosophischen Haltung.

Anton B. hat geschrieben:
Fr 8. Nov 2019, 17:33
Die generell skeptische Ausrichtung der closs'schen Denkgebäudes ist identifiziert. Jetzt käme es auf eine Ausweitung der Analyse auf die pseudo-skeptischen und post-modernen Aspekte an.
Denn bei closs endet es ja nicht beim Skeptizismus: Stichwort "potentialis". Für closs ergibt sich aus seinem Skeptizismus ja nicht, "Nichts kann sein", sondern "Alles  kann sein!" Damit ist inkludiert: "Es kann sein, was der closs meint, wie es sei". Niemand solle ihm sagen können, er habe etwa mit seiner speziellen Vorstellung der Ausprägung der Welt womöglich "unrecht".
Closs verkündet seinen radikalen Skeptizismus ausschließlich deshalb, um seine persönlichen Glaubensinhalte jederzeit als allen gegenläufigen, wissenschaftlichen Einsichten gleichberechtigt gegenüber stellen zu können: "Da man grundsätzlich nichts wissen kann, sind meine persönlichen Glaubensansichten exakt so berechtigt und wissenschaftlich wie jedes dagegen sprechende wissenschaftliche Ergebnis."

Selbstverständlich ist er aber gar kein radikaler Skeptizist, denn er will ja nur, dass seine Glaubensansichten als gleichberechtigt erscheinen sollen!

Deshalb die absurde ontologische Konstruktion, dass die Wahrheit ja stets das sein könnte, was prinzipiell der Fall sein KÖNNTE. Aber was der Fall sein KÖNNTE ist deshalb eben noch lange nicht der Fall. Herauszufinden, was der Fall ist, ist gerade die Aufgabe der sich historisch entwickelt habenden Fachwissenschaften, die dies mit ihren je spezifischen Methoden leisten sollen.

Anton B.
Beiträge: 2792
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 16:20

#62 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von Anton B. » Fr 8. Nov 2019, 20:43

SilverBullet hat geschrieben:
Fr 8. Nov 2019, 18:05
“Anton B.“ hat geschrieben: Niemand solle ihm sagen können, er habe etwa mit seiner speziellen Vorstellung der Ausprägung der Welt womöglich "unrecht".
[...]
Der logische Aspekt des „wenn wir nichts wissen können, wie sollen wird dies dann wissen können?“ ist ein lustiger Nebenschauplatz – die zentrale Frage lautet:
wer soll in dieser Behauptung der Handelnde sein, um wen herum dreht sich die Können-Frage?
Und -- was heißt "wissen" überhaupt? Für closs ist "Wissen" etwas, was zutiefst rein logisch begründet ist. In dieser Art ist unser naturwissenschaftliches Wissen aber nicht begründet. Closs erkennt die ultimative Nicht-Begründung im Logischen auch. Er kann sich aufgrund seiner Denkstrukturen nur vorstellen, dass hier eine künstliche Begründungsabkürzung durch eine "Setzung", "Vorannahme" und wie immer er es auch nennt, greifen muss.

SilverBullet hat geschrieben:
Fr 8. Nov 2019, 18:05
Auf Basis von ein paar Suggestionen und weitestgehend fehlenden Hauptteilen (man denke nur an das Wort „Geist“) ist man soweit weg von einem funktionierenden Konstrukt, wie man es nur sein kann – da gibt es selbstverständlich kein Richtig/Falsch-Urteil, denn es fehlt „die Ausprägung“, die richtig oder falsch sein könnte.

[...]

„Geist“ ist hierbei nur ein schwebender Punkt im Nirgendwo und erklärt rein gar nichts – es ist lediglich eine Verlagerung des Problems (und zwar ohne Zielort!) – keinerlei Lösung, keinerlei Ausprägung, keine Funktion.
Mir ist gar nicht klar, warum die mit "Geist" so Deine Probleme hast.

Den hier eingestellten Vortrag von Markus Gabriel hast Du ja auch sehr negativ bewertet. Aber wie findest Du seine griffige Kurzbeschreibung von "Geist" als das Vermögen, "Gedanken über Gedanken zu machen?" Ist dieses Vermögen denn nicht das, was es uns erlaubt, Modelle über die Natur zu erstellen, wissenschaftliche Beobachtungen zu machen und diese zu vergleichen? Oder theoretische "Systeme" zu erfinden und theoretische Systeme auf ihre logische Konsistenz zu prüfen? Wie soll dieses generelle Vermögen sonst genannt werden? Und warum soll die Identifizierung dieses Vermögens wertlos sein?
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Anton B.
Beiträge: 2792
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 16:20

#63 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von Anton B. » Fr 8. Nov 2019, 20:49

Thaddaeus hat geschrieben:
Fr 8. Nov 2019, 19:27
Deshalb die absurde ontologische Konstruktion, dass die Wahrheit ja stets das sein könnte, was prinzipiell der Fall sein KÖNNTE. Aber was der Fall sein KÖNNTE ist deshalb eben noch lange nicht der Fall. Herauszufinden, was der Fall ist, ist gerade die Aufgabe der sich historisch entwickelt habenden Fachwissenschaften, die dies mit ihren je spezifischen Methoden leisten sollen.
Es ist eben, das muss auch nochmal gesagt werden, weder "die" Ontologie noch überhaupt eine der im wissenschaftlichen Kontext diskutierten Ontologien, sondern primär clossens Ontologie.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#64 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von closs » Fr 8. Nov 2019, 22:09

Anton B. hat geschrieben:
Fr 8. Nov 2019, 20:49
Es ist eben, das muss auch nochmal gesagt werden, weder "die" Ontologie noch überhaupt eine der im wissenschaftlichen Kontext diskutierten Ontologien, sondern primär clossens Ontologie.Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.
Richtig - das Bild mit der Eiche und den Wildschweinen trifft tatsächlich den Nagel auf den Kopf. - Wie man das damit Ausgedrückte nennen will, darf ruhig mit einem anderen kreativen Wort statt "Ontologie" bezeichnet werden. - Vorschläge?
 

SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#65 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von SilverBullet » Fr 8. Nov 2019, 22:17

“Anton B.“ hat geschrieben:Und -- was heißt "wissen" überhaupt?
Eben, nach der Frage „wer“ hier aktiv sein soll, stellt sich die Frage nach der Handlung, also „wie“ ist dieser „wer“ aktiv.
Danach wird es um die Frage gehen, „worum“ sich die Handlung dreht und schon sind wir bei „Bedeutung“.

Angenommen wir hätten geklärt, was „Bedeutung“ ist und weiter, wir wüssten wie die Handlung rund um „Bedeutung“ aussehen kann, dann könnten wir einen Möglichkeitsraum aufstellen und quasi abschätzen, was denn so alles möglich ist und was nicht.

Tja, „Bedeutung“ ist die Hürde, über die man springen muss.

Das können Philosophen aber nicht, also schlawinern sie sich eine „kleine Abkürzung“ zusammen und hoffen inständig, dass keiner das Thema „Bedeutung“ anspricht.
Diese Abkürzung ist „Ontologie“:
Es ist das Reden über Existenz, um zu verschleiern, dass das Bedeutungsproblem den aktuellen philosophischen Aufsatz zunichte macht.

Zum Skeptizismus:
Alles soll über das Denken als „unwichtig“ eingestuft werden können („wegdenken“), nur damit ein Punkt im Nichts („Geist“) zwischen Bedeutungen auswählen muss und so zurück zu einer Art „Weltillusion“ finden mag – wo sonst als in der Philosophie möchte ich das versenken? :-)

“Anton B.“ hat geschrieben:Aber wie findest Du seine griffige Kurzbeschreibung von "Geist" als das Vermögen, "Gedanken über Gedanken zu machen?" Ist dieses Vermögen denn nicht das, was es uns erlaubt, Modelle über die Natur zu erstellen, wissenschaftliche Beobachtungen zu machen und diese zu vergleichen?
Schau genau hin, der Taschenspielertrick ist offensichtlich.
„wer“ handelt hier? -> <Beeep>
„wie“ wird vom Unbekannten gehandelt? -> <Beeep>
„worum“ dreht sich dieses unbekannte Handeln des unbekannten Handelnden? -> <Beeep>

Wenn man diesem Gefasel dann weiter zuhört, kommt „auf der Molekülebene geschieht etwas“ um die Ecke.

Was liegt am Ende über „Geist“ auf dem Tisch?

Nichts – wir sind immer noch bei der Frage, „wie kommt es zu den menschlichen Wahrnehmungsfähigkeiten?“

„Das Vermögen, Gedanken über Gedanken zu machen“ ist quasi immer noch ein Teil der Fragestellung, aber es wird ganz unscheinbar eine Vorbereitung für eine Ontologie gelegt „eine Handlung/Stellung über Gedanken“, d.h. eine Gegenübersituation von Objekten (da liegt etwas vor und wird dann analysiert) – ab jetzt kann der Philosoph mit Existenzen jonglieren und muss sich nicht mehr um „Bedeutung“ kümmern – er ist am Ziel „seiner neuen Ontologie“.

„Bedeutung liegt als Existenz vor“: überall fliegen kleine Bedeutungsexistenzen durchs Nichts und schmiegen sich ganz warm ums „Vermögen“ :-)

Oder der andere Slogan:

„Geist wählt Sinnfelder aus“ – wow, versuch dich mal selbst am Stellen der obigen Detailfragen
-> <beeep>

Aus was ist nun „Bedeutung“ – aus dem Geschehen zwischen Molekülen? :-)

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#66 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von closs » Fr 8. Nov 2019, 22:17

Thaddaeus hat geschrieben:
Fr 8. Nov 2019, 19:27

Eine Anforderung an die Philosophie (im Gegensatz zur Theologie) ist, dass jedes ihrer Argumente prinzipiell von ALLEN Menschen verstanden werden können muss.
Da gibt es PRINZIPIELL keine Unterschiede - wahrlich nicht.
Thaddaeus hat geschrieben:
Fr 8. Nov 2019, 19:27
Closs verkündet seinen radikalen Skeptizismus ausschließlich deshalb, um seine persönlichen Glaubensinhalte jederzeit als allen gegenläufigen, wissenschaftlichen Einsichten gleichberechtigt gegenüber stellen zu können: "Da man grundsätzlich nichts wissen kann, sind meine persönlichen Glaubensansichten exakt so berechtigt und wissenschaftlich wie jedes dagegen sprechende wissenschaftliche Ergebnis."
Eine Verkennung der Motivlage. - Mir geht es ausschließlich darum, das, was der Fall ist, zu de-anthropozentrieren.
Thaddaeus hat geschrieben:
Fr 8. Nov 2019, 19:27

Wenn in einem philosophischen Text oder einer philosophischen Haltung also ein offenkundiger Widerspruch auftaucht, dann sind sie entweder falsch, oder es muss rational erklärt werden können, warum es sich in Wahrheit um keinen Widerspruch handelt oder warum dieser Widerspruch keine Rolle spielt für die Wahrheit des Textes bzw. der philosophischen Haltung.
Klingt gut, scheitert aber an ganz anderen Dingen - siehe "Geist-Leiblichkeit". --- Es nützt nichts, wenn man diesen Begriff aus EIGENEM Verständnis rational ausschließt,  Geist-Leiblichkeit aber wirklich der Fall ist. - Dann wird Philosophie zu einer innerbetrieblichen Veranstaltung, bei der die Wirklichkeit im Ernstfall nur stört.




 

Anton B.
Beiträge: 2792
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 16:20

#67 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von Anton B. » Fr 8. Nov 2019, 23:33

SilverBullet hat geschrieben:
Fr 8. Nov 2019, 22:17
“Anton B.“ hat geschrieben:Aber wie findest Du seine griffige Kurzbeschreibung von "Geist" als das Vermögen, "Gedanken über Gedanken zu machen?" Ist dieses Vermögen denn nicht das, was es uns erlaubt, Modelle über die Natur zu erstellen, wissenschaftliche Beobachtungen zu machen und diese zu vergleichen?
Schau genau hin, der Taschenspielertrick ist offensichtlich.
„wer“ handelt hier? -> <Beeep>
„wie“ wird vom Unbekannten gehandelt? -> <Beeep>
„worum“ dreht sich dieses unbekannte Handeln des unbekannten Handelnden? -> <Beeep>

Wenn man diesem Gefasel dann weiter zuhört, kommt „auf der Molekülebene geschieht etwas“ um die Ecke.

Was liegt am Ende über „Geist“ auf dem Tisch?

Nichts – wir sind immer noch bei der Frage, „wie kommt es zu den menschlichen Wahrnehmungsfähigkeiten?“
Das sehe ich anders!

Du verbindest "Geist", also das Vermögen, sich Gedanken über Gedanken machen zu können, mit einer ganz bestimmten "genetischen" (von "Genese"!) Erklärungsausprägung.

Die beiden widerstreitenden, auch hier im Forum diskutierten Ansätze sind ja einmal der "natürliche", und zum anderen der "un-natürliche". Ein un-natürlicher Ansatz wäre, Gott habe uns den Geist "ad-hoc" gegeben. Oder Geist sei ein "Stoff" im Universum, aber kein Teil des Universums (und deshalb auch nicht "natürlich"), der "uns" das geistige Vermögen vermittelt.

Möglichkeiten einer natürlichen Erklärung von Geist gibt Gabriel auch. Er zählt ja die wichtigsten Vorstellungen dazu auf. Und er zählt auch die Erklärung auf, die basierend auf unserem naturwissenschaftlichem Wissen als Erklärungsentwurf gemeinhin in unseren Forschungen verfolgt wird: Emergenz!

Wenn ich ihn richtig verstehe, hat Gabriel damit nur ein großes Problem: Er kann nicht erkennen, wie wir ausgehend von den fundierenden Naturwissenschaften (also Physik und Chemie) zu einem Vorhersagemodell spezifischer geistiger Ergüsse kommen. Eher lassen sich von einem spezifischem geistigen Erguss über die verschiedenen Ebenen der Ermergenzen die wirkenden fundamentalen Naturgesetze identifizieren.

Komisch?

Ja und nein! Denn unser ganzer Kosmos, unsere Erde, seine Lebewesen, ganz einfach oder kompliziert, die Evolution, die Meteorolologie, für all dies gilt dasselbe. Die einfachen physikalen Gesetze (die ja übrigens so ganz einfach auch nicht sind) formen in immer höheren Ebenen eigene "Welten" mit eigenen Metagesetzen. Von den Metagesetzen wird verlangt, dass sie sich auf fundamentalere Gesetze zurückführen lassen. Um aber in der Geologie das Wachstum von z.B. Karbonatplattformen zu modellieren. werden in den Computern aber nun mal nicht die Gesetze der QM und der RT'en eingegeben, sondern man fängt mit höher emergenten Theorien an. Das ist ja selbst schon auf der Ebene der Chemie der Fall.

Also kann das Problem sein, mit funktionierenden Metatheorien dazustehen, deren wirkende Untermechanismen zwar vollständig mit dem Wirken fundamentaler Naturgesetze "vernünftig begründet" werden können, das Hochrechnen auf ein bestimmtes konkretes, in der Natur vorkommendes Ereignis (z.B. ein bestimmter Gedankengang von Silverbullet, genauso natürlich Anton, oder auch die Wolkenbildung in Berlin in genau einem Jahr) aus bestimmten Gründen aus den fundamentalen Kräften zumindest praktischerweise, womöglich jedoch auch theoretischerweise, einfach nicht möglich ist.

Hast Du Dir mal überlegt, ob der Markus Gabriel nicht auch genau diese Problematik im Blick hatte und in seinem von der anderen, der höchsten Ebene, aufgezogenem Begründungsversuch, die prinzipielle Natürlichkeit des Geistes gar nicht in Abrede stellt?

SilverBullet hat geschrieben:
Fr 8. Nov 2019, 22:17
„Das Vermögen, Gedanken über Gedanken zu machen“ ist quasi immer noch ein Teil der Fragestellung, aber es wird ganz unscheinbar eine Vorbereitung für eine Ontologie gelegt „eine Handlung/Stellung über Gedanken“, d.h. eine Gegenübersituation von Objekten (da liegt etwas vor und wird dann analysiert) – ab jetzt kann der Philosoph mit Existenzen jonglieren und muss sich nicht mehr um „Bedeutung“ kümmern – er ist am Ziel „seiner neuen Ontologie“.
Gott bewahre! Aber nein, ich ersehe aus dem Vortrag nicht, dass Gabriel für seine Philosophengilde eine Bahn für zukünftige konkrete Forschungen in Physik, Chemie, Biologie, Geologie usw. usf. brechen will.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#68 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von sven23 » Sa 9. Nov 2019, 08:41

closs hat geschrieben:
Fr 8. Nov 2019, 22:09
Anton B. hat geschrieben:
Fr 8. Nov 2019, 20:49
Es ist eben, das muss auch nochmal gesagt werden, weder "die" Ontologie noch überhaupt eine der im wissenschaftlichen Kontext diskutierten Ontologien, sondern primär clossens Ontologie.Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.
Richtig - das Bild mit der Eiche und den Wildschweinen trifft tatsächlich den Nagel auf den Kopf.
Warum? Laut clossschem Skeptizismus können wir doch gar nicht wissen, ob die Eiche echt ist. :bleh:

Thaddäeus hat es auf den Punkt gebracht. Der closssche Skeptizismus dient nur einzig und allein dem einen Ziel: nämlich seine eigenen Glaubensansichten gleichberechtigt neben wissenschaftlichen Erkenntnissen erscheinen zu lassen.
Darum geht es ihm und um nichts anderes.

Closs verkündet seinen radikalen Skeptizismus ausschließlich deshalb, um seine persönlichen Glaubensinhalte jederzeit als allen gegenläufigen, wissenschaftlichen Einsichten gleichberechtigt gegenüber stellen zu können: "Da man grundsätzlich nichts wissen kann, sind meine persönlichen Glaubensansichten exakt so berechtigt und wissenschaftlich wie jedes dagegen sprechende wissenschaftliche Ergebnis."

Selbstverständlich ist er aber gar kein radikaler Skeptizist, denn er will ja nur, dass seine Glaubensansichten als gleichberechtigt erscheinen sollen!
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#69 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von closs » Sa 9. Nov 2019, 09:29

sven23 hat geschrieben:
Sa 9. Nov 2019, 08:41
Warum? Laut clossschem Skeptizismus können wir doch gar nicht wissen, ob die Eiche echt ist.
Eben - genau das sagt der Satz. ---- Du hast das unglaubliche Geschick, serienmäßig Zitate zu verwenden, die Du selber nicht verstanden hast. Da war manche Steilvorlage für mich dabei.
sven23 hat geschrieben:
Sa 9. Nov 2019, 08:41
Thaddäeus hat es auf den Punkt gebracht. Der closssche Skeptizismus dient nur einzig und allein dem einen Ziel: nämlich seine eigenen Glaubensansichten gleichberechtigt neben wissenschaftlichen Erkenntnissen erscheinen zu lassen.
Das ist in der Tat ein interessanter Punkt, da er mehr über Thaddäus aussagt als über mich. --- MEIN Ziel ist etwas ganz anderes: Mir geht es um die Erkenntnis-Vermittlung, dass logisch jederzeit nachweisbar ist, dass jedes "Wissen" auf einem Glauben beruht ("FALLS meine Vorannahme/mein Glaube richtig ist, ist folgendes ... wahr") - um Wissenschaft geht es da gar nicht. - Bei Thaddäus geht es um einen Schutzwall um die Wissenschaft herum - Mauerfall nicht in Sicht.
sven23 hat geschrieben:
Sa 9. Nov 2019, 08:41
"er will ja nur, dass seine Glaubensansichten als gleichberechtigt erscheinen sollen!"
Auch das sagt mehr über Thaddäus aus als über mich. - Denn es geht mir überhaupt nicht um EINEN Glauben, geschweige denn MEINEN Glauben, sondern um das Verhältnis von "Glaube" und "Wissen". --- Man nicht geruhen zu wollen, Dinge von Grund auf zu betrachten, und zieht deshalb vor, in "mein" und "Dein" zu denken.


 

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#70 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von sven23 » Sa 9. Nov 2019, 10:43

closs hat geschrieben:
Sa 9. Nov 2019, 09:29
sven23 hat geschrieben:
Sa 9. Nov 2019, 08:41
Warum? Laut clossschem Skeptizismus können wir doch gar nicht wissen, ob die Eiche echt ist.
Eben - genau das sagt der Satz. ---- Du hast das unglaubliche Geschick, serienmäßig Zitate zu verwenden, die Du selber nicht verstanden hast. Da war manche Steilvorlage für mich dabei.
Und dann schießt du regelmäßig Eigentore, denn das Sprichwort sagt etwas ganz anderes aus. Es geht eben nicht darum, ob die Eiche echt ist.

Bedeutung des Sprichwortes: "Was juckt es die Eiche wenn sich die Sau an ihr kratzt"

Was kümmert es mich, wenn sich andere über mich ärgern? Es ist Zeitverschwendung, auf unnötige Aufregung zu reagieren! Man sollte sich nicht von jeder einzelnen Kritik irritieren lassen! Es gibt Leute, die auf konstruktive Kritik nicht reagieren! Gegen ignorantes Verhalten kommt man manchmal einfach nicht an!
Quelle: www.redensarten-index.de
closs hat geschrieben:
Sa 9. Nov 2019, 09:29
sven23 hat geschrieben:
Sa 9. Nov 2019, 08:41
Thaddäeus hat es auf den Punkt gebracht. Der closssche Skeptizismus dient nur einzig und allein dem einen Ziel: nämlich seine eigenen Glaubensansichten gleichberechtigt neben wissenschaftlichen Erkenntnissen erscheinen zu lassen.
Das ist in der Tat ein interessanter Punkt, da er mehr über Thaddäus aussagt als über mich.
Eben, sie hat dich durchschaut, aber einige andere ebenfalls.
 
closs hat geschrieben:
Sa 9. Nov 2019, 09:29
--- MEIN Ziel ist etwas ganz anderes: Mir geht es um die Erkenntnis-Vermittlung, dass logisch jederzeit nachweisbar ist, dass jedes "Wissen" auf einem Glauben beruht.
Diese clossche "Erkenntnis" ist eben falsch. Glauben und Wissen sind unterschiedliche Kategorien, die du mal wieder zu vermischen versuchst und als gleichberechtigt darstelltst. q.e.d.
closs hat geschrieben:
Sa 9. Nov 2019, 09:29
Bei Thaddäus geht es um einen Schutzwall um die Wissenschaft herum - Mauerfall nicht in Sicht.
Warum, willst du dich mit ihr wiedervereinigen? :roll2:
 
closs hat geschrieben:
Sa 9. Nov 2019, 09:29
sven23 hat geschrieben:
Sa 9. Nov 2019, 08:41
"er will ja nur, dass seine Glaubensansichten als gleichberechtigt erscheinen sollen!"
Auch das sagt mehr über Thaddäus aus als über mich. - Denn es geht mir überhaupt nicht um EINEN Glauben, geschweige denn MEINEN Glauben, sondern um das Verhältnis von "Glaube" und "Wissen". --- Man nicht geruhen zu wollen, Dinge von Grund auf zu betrachten, und zieht deshalb vor, in "mein" und "Dein" zu denken.
Und wie kommst du auf das schmale Brett, dass Glaube und Wissen keine unterschiedlichen Kategorien sind?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Antworten