Exakt den meine ich.
Es ist oft recht amüsant für mich, die Reaktionen auf manche meiner Beiträge zu beobachten, weil viele denken (und es natürlich auch nicht besser wissen können), ich wäre eben eine von denen, die Freude daran haben, die Religionen, das Christentum im Besonderen und tiefgläubige Menschen gerne einmal ein bisschen zu beschimpfen und zuweilen vorzuführen;
ohne dabei auch nur einen blassen Schimmer davon zu haben, wie zutiefst glücklich, wie unendlich geborgen, wie herzlich mit anderen verbunden, wie freudig beseelt und fest im Glauben an Jesus Christus, unseren Herrn und Erretter, man sich fühlen kann - weil einen alle diese Gefühle und tief empfundene Sicherheiten von Innen heraus durch und durch durchdringen, wenn man in der Kirche, oder im kleinen Gemeindesaal oder im Bibelstuhlkreis oder auf einer Bibelfreizeit zusammen ist mit denen, die auch an den Herrn glauben und ihr Leben in seine Hände gelegt haben.
Genau das war mein (evangelischer) Glaube so zwischen 10 und 17 Jahren, und genau das habe ich - tief glaubend - erlebt. Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass es jemals anders sein könnte. Wie sollte das auch möglich sein können, angesichts der sicheren Freude und festen Gewissheit meines Glaubens, die ich so tief spürte.
Biographischer Hintergrund:
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Ich bin schon als Kind jedes Jahr zwischen Argentinien und Deutschland hin- und hergeflogen, denn meine Mutter ist Deutsche und evangelisch religiös, mein Vater war ein sehr beherrschter und vornehmer Mann, universell gebildet, kühl und rational denkend, eine Art adliger Mathematiker mit Vorliebe für Pferde und Churrasco, der mir zum Einschlafen Logikrätsel aufgab, über die ich nachdenken sollte (was ich auch tat). Die Bibliothek unserer Hacienda umfasst etwa 11000 Bände. In Deutschland war ich im CVJM, leitete eine Mädchenjungschar und mochte sehr den Haushalt unseres Pfarrers, der mich lehrte Bach zu lieben, denn Bach ist Musik gewordene Mathematik.
Jesus hat mich niemals enttäuscht, ich hatte keine schweren Schicksalsschläge zu überwinden, die mich vom Glauben hätten abbringen können und auch das Studium hat mich nicht vom Glauben abgebracht. Historisch-kritische Methodik habe ich aufgesogen wie ein Schwamm: ich fand sie wunderbar und es war nie so, dass ich meinen persönlichen Glauben nicht hätte mit dem scharfen Messer der Textanalyse und wissenschaftlichen Exegese unter einen Hut bringen können. Biblizismus, Fundamentalismus und Kreationsimus hatte ich allerdings mit bereits 14 Jahren als kompletten Blödsinn verworfen. Ich war nie dumm genug, dem zu folgen.
Ich habe immer schon Philosophie und Logik und auch die Naturwissenschaften studiert. Durch meinen Vater eigentlich schon als Kind. Evolutionstheorie und Kosmogonie des so genannten Big Bang (der eigentlich ein Symmetriebruch ohne Knall ist) waren nie ein Problem für mich, was allerdings dazu führte, dass ich einen - teilweise eher unkonventionellen - Glauben hatte und mich immer schon mit allzu naiven gläubigen Freunden gestritten habe.
Eines Tages in einer Vorlesung in Systematik an der Eberhard Karls Universität Tübingen, in der der Professor allzu blumigen Unsinn über die SEELE von sich gab, ging ich nach der Vorlesung zu ihm, sagte ihm, dass alles was er gerade gelehrt hätte unhaltbarer Schwachsinn sei und habe die evangelisch-theologische Fakultät nie wieder betreten. Eine Woche später war ich bei den Philosophen eingeschrieben. Und dorthin hatte ich immer schon gehört ...
Ich habe meinen Glauben nicht etwa verloren. Ich habe meinen Glauben überwunden (aber ich wertschätze meine Erfahrungen, die ich in der Zeit meines Glaubens mit so lieben Menschen machen durfte bis heute sehr und danke ihnen!!!).
Ich hatte aber auch wunderbare philosophische Lehrer und habe sie noch immer. Es ist nicht leicht, zu verstehen, was Philosophie letztlich bedeutet. Ihre Texte beschreiben das Komplizierteste, das zu verstehen der Geist sich aufmachen kann. Auch in der Philosophie gibt es viele mittelmäßige Kleingeister, die man links liegen lassen muss. Wenn man aber irgendwann begreift, was Philosophie eigentlich ist und für die eigene Erkenntnis bedeutet, dann führt sie einen an die Grenzen des Denkbaren - und darüber hinaus.