Aus der Werkstatt des Theologen

Themen des Neuen Testaments
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Andreas
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#121 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von Andreas » Mo 14. Okt 2019, 16:31

Thaddaeus hat geschrieben:
Mo 14. Okt 2019, 16:03
Die beste ist, dass Gerasa gewählt wurde, weil man eine Erklärung dafür braucht, dass Jesus die heidnischen Städte meidet. (Und das tut er, weil er sich selbst auch gar nicht als zu den Heiden geschickt ansah, sondern ausschließlich zu seinen jüdischen Glaubensbrüdern und -schwestern. Das führt aber über unsere Perikope hinaus ...)
Das stimmt aber doch nicht, wie ich im obigen Zitat aus dem Markusevangelium gezeigt habe, wirkt Jesus doch später noch in der Dekapolis. Klar führt das über unsere Perikope hinaus, aber man kann doch nicht einfach mal so den Kontext außen vor lassen. Zumindest nicht ohne eine Vernünftige Begründung, warum man das tun kann. Apollonius, Tatian, die Legio X Fretensis und all die anderen außerbiblischen Quellen heranziehen finde ich super, aber das Markusevangelium selbst nicht, also ich weiß nich ...

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Thaddaeus
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#122 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von Thaddaeus » Mo 14. Okt 2019, 16:57

Andreas hat geschrieben:
Mo 14. Okt 2019, 16:31
Thaddaeus hat geschrieben:
Mo 14. Okt 2019, 16:03
Die beste ist, dass Gerasa gewählt wurde, weil man eine Erklärung dafür braucht, dass Jesus die heidnischen Städte meidet. (Und das tut er, weil er sich selbst auch gar nicht als zu den Heiden geschickt ansah, sondern ausschließlich zu seinen jüdischen Glaubensbrüdern und -schwestern. Das führt aber über unsere Perikope hinaus ...)
Das stimmt aber doch nicht, wie ich im obigen Zitat aus dem Markusevangelium gezeigt habe, wirkt Jesus doch später noch in der Dekapolis. Klar führt das über unsere Perikope hinaus, aber man kann doch nicht einfach mal so den Kontext außen vor lassen. Zumindest nicht ohne eine Vernünftige Begründung, warum man das tun kann. Apollonius, Tatian, die Legio X Fretensis und all die anderen außerbiblischen Quellen heranziehen finde ich super, aber das Markusevangelium selbst nicht, also ich weiß nich ...
Wenn man Jesu Wirken georaphisch nachzeichnet ist auffällig, dass er nicht nur die Dekapolis meidet (abgesehen von deiner Ausnahme) sondern überhaupt die größeren Städte (bis auf Jerusalem ganz am Ende). Umgekehrt betrachtet hält er sich fast ausschließlich im jüdischen Gebiet und da in kleineren Orten auf. Es gibt recht viele Stellen bei Mk. in denen sich Jesus abfällig gegenüber Heiden äußert, den Jüngern sogar explizit sagt, sie sollen die heidnischen Städte meiden, sich selbst nur zu den Schafen Israels gesandt sieht, nur widerwilliig Heiden heilt, die sich hilfesuchend an ihn wenden usw. Petrus, der immerhin Jünger Jesus war, sah die Heidenmission mehr als skeptisch, als er Leiter der Jerusalemer Urgemeinde war. Paulus hat die Heidenmission durchgesetzt, und der hat Jesus niemals getroffen (und als er sich mit Petrus in Jerusalem traf, scheint das nicht sehr erbaulich verlaufen zu sein!).

Der langen Rede kurzer Sinn: es könnte sogar sein, dass die von dir genannte Stelle nachträglich nur darum eingebaut wurde, um die Heidenmission rechtfertigen zu können. Jedenfalls wird Jesus in unserer Perikope recht deutlich aus dem Gebiet der Gerasener rausgeschmissen, was erklären soll, warum er da so wenig gewirkt hat.

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Andreas
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#123 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von Andreas » Mo 14. Okt 2019, 17:19

Entstehungsgeschichtlich was die Texte angeht, was sie Zweiquellentheorie angeht, alles gut und schön und sinnvoll - kein Widerspruch. Die historisch-kritische Methode hat ihre Berechtigung. Ich bin absolut kein Gegner, studiere sie so gut ich kann, und habe viel wertvolles daraus gewonnen.

Doch wenn man schon von Redaktionen spricht, ist doch nicht abzuweisen, dass der letzte Redaktor die absolute Macht über den Endtext, seine Gestalt und seinen Sinn hat. Hier ist das eben das ganze Markusevangelium und nur das Markusevangelium. Diesen Text für sich sprechen zu lassen, ist doch das Ziel einer Exegese.
Das Lukas- oder Markusevangelium hilft nicht den Sinn des Markusevangeliums zu erklären.

Wer immer dieser Redaktor war, ist völlig unerheblich für den Endtext, niemand kann wissen, was in seinem Papierkorb gelandet ist und nicht weiter oder gar nicht erst veröffentlicht wurde, oder was er hinzugefügt oder geändert hat. Dieser letzte Redaktor auf den der Endtext zurückgeht trägt die Verantwortung, selbst in der rekonstruierten Form des Testamentum Novom Graece von Nestle Aland. Den Sinn dieses Textes zuerst einmal für sich selbst zu verstehen und auszulegen ist das Erste. Dann kann man sich Gedanken machen, was wie zum Rext des NT und wiederum wie das NT zum AT in Beziehung zu setzen ist. Liege ich da komplett daneben? Was meinst du dazu?

Helmuth
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#124 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von Helmuth » Mo 14. Okt 2019, 17:36

Thaddaeus hat geschrieben:
Mo 14. Okt 2019, 16:57
Der langen Rede kurzer Sinn: es könnte sogar sein, dass die von dir genannte Stelle nachträglich nur darum eingebaut wurde, um die Heidenmission rechtfertigen zu können. Jedenfalls wird Jesus in unserer Perikope recht deutlich aus dem Gebiet der Gerasener rausgeschmissen, was erklären soll, warum er da so wenig gewirkt hat.
Zuviele Gedanken, die da alles mögliche reininterpretieren. Man traue am wenigsten den Theologen. 8-)

Die einfachste Erklärung für mich ist immer noch das was der Text für sich hergibt. Alles andere ist Dichtung. Mit der Vernichtung der Schweineherde war mit Sicherheit auch ein wirtschaftliches Desaster für die Hirten und Besitzer der Herde verbunden. Ängstlich wie der Mensch veranlagt ist fürchtete man sich vor weiteren spektakulären Ereignissen, also bat man ihn sein "Unwesen" woanders fortzusetzen. Offensichtlich aber ging man nicht weiter gegen ihn vor, als sein Ruf als Heiler schon überall bekannt war.

Dass hier Gott etwas Großartiges bewirkt hatte, das denke ich hatten auch damals nur die wenigsten begriffen. Man kannte Jesus aber dieser Auftritt war dann zuviel. Heilung, ja bitte gerne, aber bitte doch woanders, nicht mehr bei uns, damit nicht vielleicht die nächste Herde ex-geht. Menschlich kann ich das nachvollziehen, es war ihnen ihr eigenes Hemd näher als der gefürchtete aber unwichtige vom Teufel befreite Irre. Soweit mein bescheidenes Resümee ohne viel Tam Tam.

Zuviel an Forschung bedarf es für die paar Berichtszeilen nicht, als das Material dafür zu dünn ist. Man ziehe ein Resümee aus den Fakten, die als belegt gelten, den Rest erledigt der Heilige Geist, so man den hat. Summa summarum gilt für mich im NT textlich der Grundsatz, Lk und Mk mehr zu vertrauen, während man den Mt-Bericht mit mehr Vorsicht genießen sollte, wer immer an seiner Entstehung nun beteiligt war.
Der Herr steht zu mir, deshalb fürchte ich mich nicht. Was kann ein Mensch mir anhaben?
Ps 118:6

romana
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#125 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von romana » Mo 14. Okt 2019, 18:00

Man kann sich auch fragen, wieso mussten die Dämonen zuerst in eine Schweineherde. Man hätte auch einfach Gebieten können den Mann zu verlassen.

Edelmuth
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#126 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von Edelmuth » Mo 14. Okt 2019, 18:05

Warum ignoriert Madame  Thaddaeus  Pauli folgende Worte in 1.Korinther 4:6? :heull:
 
6 Liebe Brüder und Schwestern, ich habe jetzt nur von Apollos und mir gesprochen. An unserem Beispiel sollt ihr lernen, was der Satz bedeutet: »Geht nicht über das hinaus, was in der Heiligen Schrift steht.«
Doch wenn eintrifft, was du ihnen angekündigt hast – und es wird ganz sicher eintreffen –, dann werden sie erkennen, dass ein Prophet unter ihnen gelebt hat.«
Hesekiel 33:33
            

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Thaddaeus
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#127 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von Thaddaeus » Mo 14. Okt 2019, 18:40

Edelmuth hat geschrieben:
Mo 14. Okt 2019, 18:05
Warum ignoriert Madame  Thaddaeus  Pauli folgende Worte in 1.Korinther 4:6? :heull:
Weil ich an der Wahrheit interessiert bin und du nur an deiner Irrlehre.

Helmuth
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#128 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von Helmuth » Mo 14. Okt 2019, 19:00

Thaddaeus hat geschrieben:
Mo 14. Okt 2019, 18:40
Edelmuth hat geschrieben:
Mo 14. Okt 2019, 18:05
Warum ignoriert Madame  Thaddaeus  Pauli folgende Worte in 1.Korinther 4:6? :heull:
Weil ich an der Wahrheit interessiert bin und du nur an deiner Irrlehre.
Naja, was ist schlimmer? Theologen, die logen, die Irren die irren oder die Philosophen die viel soffen? :biggrin:
Der Herr steht zu mir, deshalb fürchte ich mich nicht. Was kann ein Mensch mir anhaben?
Ps 118:6

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Thaddaeus
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#129 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von Thaddaeus » Mo 14. Okt 2019, 19:07

Andreas hat geschrieben:
Mo 14. Okt 2019, 17:19
Entstehungsgeschichtlich was die Texte angeht, was sie Zweiquellentheorie angeht, alles gut und schön und sinnvoll - kein Widerspruch. Die historisch-kritische Methode hat ihre Berechtigung. Ich bin absolut kein Gegner, studiere sie so gut ich kann, und habe viel wertvolles daraus gewonnen.

Doch wenn man schon von Redaktionen spricht, ist doch nicht abzuweisen, dass der letzte Redaktor die absolute Macht über den Endtext, seine Gestalt und seinen Sinn hat. Hier ist das eben das ganze Markusevangelium und nur das Markusevangelium. Diesen Text für sich sprechen zu lassen, ist doch das Ziel einer Exegese.
Das Lukas- oder Markusevangelium hilft nicht den Sinn des Markusevangeliums zu erklären.

Wer immer dieser Redaktor war, ist völlig unerheblich für den Endtext, niemand kann wissen, was in seinem Papierkorb gelandet ist und nicht weiter oder gar nicht erst veröffentlicht wurde, oder was er hinzugefügt oder geändert hat. Dieser letzte Redaktor auf den der Endtext zurückgeht trägt die Verantwortung, selbst in der rekonstruierten Form des Testamentum Novom Graece von Nestle Aland. Den Sinn dieses Textes zuerst einmal für sich selbst zu verstehen und auszulegen ist das Erste. Dann kann man sich Gedanken machen, was wie zum Rext des NT und wiederum wie das NT zum AT in Beziehung zu setzen ist. Liege ich da komplett daneben? Was meinst du dazu?
Nun ja, was möchtest du denn über den Markustext herausfinden, dass ich nicht herausgefunden habe?

Auch wenn du nur den Mk.-Text untersuchst, stellst du fest, dass Gerasa kaum der Ort des Geschehens gewesen sein kann. Du stellst fest, dass der Name "Legion" ungewöhnlich ist. Du bemerkst, dass die Schweineherdenepisode sich nicht recht in die Geschichte einfügen will, weil 2000 Schweine und 2000 Dämonen zu gut zueinander passen, aber für einen einzigen Menschen 2000 Dämonen ein bisschen viel sind. Du nimmst verwundert zur Kenntnis, dass die Gerasener Jesus nicht in ihrer Gegend haben wollen, aber einige Aussagen Jesu nahelegen, dass er vermutlich eher nicht den Heiden verkündigen wollte. Du staunst über den ungewöhnlichen Auftrag Jesu, ein Gerasener Heide solle - statt ihm, Jesus - in der Dekapolis predigen und das Wort des Herrn - statt seiner - verkünden usw.usf. Alle diese Feststellungen werfen Fragen auf, auf die Antworten nicht schlecht wären. Aber nicht irgendwelche Antworten, sondern solche, die den vorliegenden Text erklären können.

Wer ist denn bibeltreuer: der, der darauf beharrt, dass bei Mk. Gerasa steht und man das erklären muss oder der, der Gerasa gegen Gergesa austauschen will, damit es besser passt und man sich keine weiteren Gedanken machen muss?
Wenn du die Ecken und Kanten der biblischen Texte nicht zur Kenntnis nimmst, sie leugnest und darauf hingewiesen mit Bibelzitaten um dich wirfst, die du nicht einmal ansatzweise verstehst, endest du im gleichen trostlosen Selbstbetrug wie Edelmuth, der den Text, an dem er zu glauben vorgibt, letztlich missachtet.

Die Synoptiker im Vergleich zu analysieren zeigt redaktionelle Tendenzen auf und welche literarischen Techniken bei der Redaktion zur Anwendung kommen. Es zeigt, was den späteren Redaktoren auffiel und was sie warum verändert haben. Man vesteht die Texte besser und damit nimmt man sie auch erst wirklich ernst.
Zuletzt geändert von Thaddaeus am Mo 14. Okt 2019, 19:15, insgesamt 1-mal geändert.

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Thaddaeus
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#130 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von Thaddaeus » Mo 14. Okt 2019, 19:12

romana hat geschrieben:
Mo 14. Okt 2019, 18:00
Man kann sich auch fragen, wieso mussten die Dämonen zuerst in eine Schweineherde. Man hätte auch einfach Gebieten können den Mann zu verlassen.
Eine sehr gute Frage, zumal Jesus den Dämonen damit ja unnötig einen Gefallen tut zum Schaden der Besitzer der Herde! Seit wann ist Jesus ein Dämonenfreund?

Die Antwort ist: weil die Heilung eines einzelnen Besessenen mit nur einem Dämon weitaus weniger spektakulär ist, als wenn 2000 Dämonen in Schweine fahren, die dann auch noch von einer Klippe springen ... Die Geschichte wird so besser! (Und das meine ich nicht etwa ironisch oder abwertend. Sie wird besser, ihre Wirkung auf die Menschen stärker.)

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