closs hat geschrieben: ↑Sa 12. Okt 2019, 21:34
Richtig. - Man kann hoffen und glauben, dass der eigene Ansatz des Erkennens authentisch zur Wahrheit ist und dies mit Argumenten unterstreichen - aber eine Garantie ist das nicht. - Das seid Ihr elenden Anthropozentristen nicht gewohnt - wahrscheinlich erschreckt es Euch sogar.
Ja ne. Wenn man einer extremen philosophischen Überzeugung anhängt, und diese
nicht selektiv anwendet, dann wird man entweder zum Heiligen, Verrückten oder Pragmatiker. Wenn man sie dagegen
selektiv anwendet, dann ist das intellektueller Schindluder der übelsten Sorte. Und genau letzteres ist bei dir das Problem. Wobei mich das nicht erschreckt und ich es sogar gewohnt bin.
Denn das “authentisch” kam ja ursprünglich nur als dein Ersatz-Kriterium für “nachgewiesen” oder “wahr”; also in dem Sinne, dass du ja irgendein Qualitätskriterium doch schon haben wolltest um unterschiedliche Argumentationen zu bewerten. Die Preisschrift Schopenhauers
Ueber die Freiheit des menschlichen Willens (wo er gegen den freien Willen argumentiert) muss man irgendwie abgrenzen von einer hingerotzten 1-Satz “Erörterung” eines vorlauten Schülers:
“Es gibt doch freien Willen weil wenn ich den Arm heb, dann kann ich das machen.”
Ist sich nicht jeder darüber einig, auch jeder Verfechter des freien Willens, dass Schopenhauers Schrift in irgendeiner Form dem 1-Satz “Erörterung” überlegen ist? Das wirkt erst mal plausibel und es ermöglicht einem unabhängig von der tatsächlichen Wahrheit dieser hoch-vertrackten philosophischen These, ob denn nun Schopenhauer oder der Schüler recht hat, Schopenhauer als einen großen Philosophen zu feiern und dem Schüler die wohlverdiente 6 zu geben.
Ansonsten würde es sich doch mit allen Bereichen so verhalten wie mit man es (vielleicht) von der Kunst halten könnte: Es ist sicher
ein wenig extrem zu behaupten, dass
Thomas Kinkade unter
keinem Aspekt ein besserer oder schlechterer Künstler ist als Albrecht Dürer. Aber insgesamt ist es ok, das kann man schlucken.
Bei der Wissenschaft hast du die praktische (technische) Anwendbarkeit Ersatz-Kriterium geliefert. Denn die Meinung, dass die Chemie der Alchemie
unter KEINEM Aspekt objektiv überlegen ist, das ist so dermaßen absurd, das schluckt nun wirklich niemand mehr.
Das Problem ist: der Radikalskeptizismus ist so zersetzend, dass er auch die Ersatz-Kriterien zersetzt. Denn es könnte Einbildung sein, dass eine Lithium-Batterie tatsächlich funktioniert und Einbildung, dass die Alchemisten kein Blei in Gold verwandeln können. Es könnte bloße Voreingenommenheit sein zu meinen, dass Schopenhauer tiefer denkt und besser argumentiert als der vorlaute Schüler, welcher hier vielleicht genial eine tiefe Einsicht in einen einzigen brillanten Satz packt.
Aber hey: It’s not a bug, it’s a feature!
Das lustige Spiel mit den Ersatz-Kriterien, den Ersatz-Ersatz-Kriterien, den Ersatz-Ersatz-Ersatz-Kriterien etc. – genau das ist der intellektuelle Schindluder, den du andauernd treibst. Letztlich lässt sich jede deiner Argumentationen darauf zurückführen. Von “wahr” zu “methodisch wahr” zu (denn auch in der Alchemie könnte was methodisch wahr sein) “praktisch anwendbar” oder zu “authentisch”, usw.
Das “richtige” Ersatz-Ersatz-…-Kriterium legst du dir je nach Argumentation passend zurecht. Mal so, mal so. Mal ist es das Ersatz-Kriterium, mal willst du davon nichts mehr wissen und verwendest das Ersatz-Ersatz-Kriterium. Wie es gerade passt, um die Debatte auf die Meta-Ebene zu ziehen, wo du den Leuten das Gehirn aus dem Schädel quatschen kannst – wobei du natürlich immer schön versuchst, nicht
offensichtlich absurd zu wirken.
Vernebeln, vernebeln, vernebeln … damit bloß keiner merkt, dass, dein System zu Ende gedacht, sich Millionen von groteskesten und unappetitlichsten Folgerungen ergeben: Der Holocaust-Leugner sagt unter
KEINEM objektiven Aspekt etwas, das hinter der Aussage eines Holocaust-Überlebenden zurücksteht.
Ja, lustig. Aber auch irgendwie traurig.