Der sprachbegabte Mensch

Philosophisches zum Nachdenken
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abc
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#11 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von abc » Di 1. Okt 2019, 11:13

Mirjam hat geschrieben:
Mo 30. Sep 2019, 21:54
Ich denke, dass Bewusstsein und Sprache sich beim Menschen gleichzeitig entwickelt haben, und sich beides wechselseitig befruchtet hat. Daher sind Sprache und Bewusstsein eng verknüpft. Daraus ergeben sich zwei interessante Thesen:

1. These: Inwieweit unterscheidet sich das Denken von Menschen anhand ihrer Muttersprache?
Danke für die Beispiele, denn es sind gerade die Differenzen, die zum Nachdenken anregen und Sinnfragen erhellen. Wer mehrere Sprachen spricht, entdeckt diese Differenzen, die zeigen, daß diverse Sprachkulturen eigene Zugänge zur Wirklichkeit aufweisen, die andere Sprachgemeinschaften nicht im Blick haben, da sie keine entsprechenden Wörter (Begriffe) in ihrem Wortschatz finden.

Mirjam hat geschrieben:
Mo 30. Sep 2019, 21:54
Menschen mit verschiedenen Sprachen können durchaus verschieden denken, weil sie Begriffe anders voneinander abgrenzen.
Hier stimme ich dir also voll und ganz zu.

Mirjam hat geschrieben:
Mo 30. Sep 2019, 21:54
Interessant aber, dass Übersetzungen trotzdem möglich sind. Man kann durch Erklärungen und Umschreibungen JEDE menschliche Sprache in JEDE ANDERE Sprache übersetzen.
In der Theorie mag das stimmen, in der Praxis reichen Umschreibungen vielleicht nicht aus, die zudem nur als Information weitergereicht werden, da möglicherweise konkrete Praxisbezüge (innerhalb der jeweiligen Gemeinschaft, spezifische Ortsbezüge, ...) notwendig wären, um inhaltlich wirklich das nachvollziehen zu können, was in der jeweiligen Sprache ausgedrückt wird.

Grundsätzlich scheint genau das aber ein großer Vorzug menschlicher Sprache gegenüber einfachen Lautsprachen der Tierwelt zu sein, wobei an dieser Stelle noch ungesagt ist, was genau diesen Vorzug ermöglicht und die menschliche Sprache in dieser Hinsicht auszeichnet.

Mirjam hat geschrieben:
Mo 30. Sep 2019, 21:54
2. These: Es könnte andere intelligente Lebewesen geben, die aber auf ganz andere Weise kommunizieren - und dadurch auch ganz anders denken!
Es ist auch möglich, das wir dazu tendieren die Intelligenz anderer Wesen auf der Erde gnadenlos zu unterschätzen, da sie auf eine uns nicht sofort ersichtliche Weise kommunizieren. Siehe Fledermäuse, Bienen, Ameisen...
Meine volle Zustimmung!

Mirjam hat geschrieben:
Mo 30. Sep 2019, 21:54
Ich habe mir gerade ein Buch bestellt, der deutsche Titel ist "Der Krake, das Meer und die tiefen Ursprünge des Bewusstseins", von Peter Godfrey-Smith, da geht es um genau dieses Thema. Ich muss es noch vom Laden abholen, bin schon sehr gespannt...

Ja, der Titel klingt interessant - vielleicht findest du dort weitere Anregungen für unseren Diskurs 👍

Mirjam
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#12 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von Mirjam » Di 1. Okt 2019, 16:38

Nur kurz zwischendurch, falls es jemanden interessiert: ich habe diesen Link zum Thema Sprachentwicklung gefunden - ich finde, da sind die Grundlagen kurz und verstaendlich erklaert:
https://www.weikopf.de/verlauf-der-spra ... klung.html


lg

Mirjam

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Andreas
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#13 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von Andreas » Di 1. Okt 2019, 17:26

Für die Putze, falls sie hier doch noch aufräumen sollte.

Aus der Quelle deines Linkes:
So soll sich die Sprache entwickelt haben, weil Menschen, die der Sprache mächtig sind, sich durch Lügen Vorteile verschaffen können, oder weil sie einen gesellschaftlichen Status erwerben können, indem sie andere mit Klatsch versorgen, ...
:lol: :silent:

Mirjam
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#14 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von Mirjam » Di 1. Okt 2019, 20:28

Andreas hat geschrieben:
Di 1. Okt 2019, 17:26
So soll sich die Sprache entwickelt haben, weil Menschen, die der Sprache mächtig sind, sich durch Lügen Vorteile verschaffen können, oder weil sie einen gesellschaftlichen Status erwerben können, indem sie andere mit Klatsch versorgen, ...
:lol: :silent:

Das ist eigentlich ein interessanter Aspekt.
Vordergründig scheint eine Sprache doch Zweck und Eigenschaft zu besitzen, dass sie Menschen verbindet, weil sie sich verständigen können, und Informationen übermittelt.
Dennoch ist es so, dass Menschen die Sprache sehr gerne für das Gegenteil benutzen: Abgrenzung und Desinformation.

Ich finde gerade diesen Aspekt der Abgrenzung interessant. Eine Sprache ist wie ein Mitgliedsausweis für eine bestimmte soziale Gruppe. Da muss es noch nicht einmal um verschiedene Sprachen gehen. Es genügt ein Dialekt, eine Klangfärbung, einige besondere Vokabeln (seien es lateinische Fachworte oder bestimmte Schimpfwörter) - ein Mensch muss nur den Mund aufmachen, und nach wenigen Sätzen ist für die Umstehenden vollkommen klar, ob dieser Mensch "einer von uns" ist, oder ob er ein Fremder ist.
Das biblische Beispiel hierzu ist natürlich die Sache mit dem Schibboleth. Und ich bin ja auch der Meinung, dass Witze dieselbe Funktion erfüllen: Um sie zu verstehen braucht man einen gemeinsamen Wissens- und Erfahrungsschatz. Wer den Witz nicht versteht gehört nicht zur Gruppe dazu (deswegen lachen so viele Menschen auch dann, wenn sie den Witz eigentlich nicht verstanden haben).

liebe Grüße

Mirjam

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Andreas
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#15 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von Andreas » Di 1. Okt 2019, 20:39

Ich stimme dir in allem, was du da sagst zu. Ich hatte nur diese diversen störenden Werbeeinblendungen hier im Thread noch im Kopf, und musste deshalb lachen, als ich die, von mir aus dem Artikel zitierten Zeilen las - weil sie mir in diesem Momenst so aus dem Leben gegriffen erschienen.

closs
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#16 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von closs » Di 1. Okt 2019, 22:37

Mirjam hat geschrieben:
Di 1. Okt 2019, 20:28
Um sie zu verstehen braucht man einen gemeinsamen Wissens- und Erfahrungsschatz.
Das ist eine SEHR wichtige Erkenntnis. - Man neigt heute dazu, in Sprach-Puzzles rumzuwühlen ("Da steht aber: ..."), vergessend, dass Sprache immer Chiffre ist, die vom Adressaten dechiffrierbar sein muss. - Die meisten Missverständnisse und Unverständnisse liegen nicht an der Sprache selbst, sondern "am Wissens- und Erfahrungsschatz" - ich würde hinzufügen: "an konditionierten Denkformatierungen einer Epoche und einer Kultur".
 

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Thaddaeus
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#17 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von Thaddaeus » Di 1. Okt 2019, 23:52

abc hat geschrieben:
Di 1. Okt 2019, 11:13
Mirjam hat geschrieben:
Mo 30. Sep 2019, 21:54
2. These: Es könnte andere intelligente Lebewesen geben, die aber auf ganz andere Weise kommunizieren - und dadurch auch ganz anders denken!
Meine volle Zustimmung!
Ja, das ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so. Wobei man mit jeder Art extraterrestrischer Wesen, die entweder Raumfahrt beherrschen und hier auftauchen oder über Kommunikationstechnik verfügen, über den Weg der Mathematik kommunizieren können müsste. Denn für diese Techniken müssen auch Außerirdische über erhebliche mathematische Einsichten verfügen. Und die sind überall im Universum - zumindest prinzipiell - dieselben.

Wer sich für dieses Thema interessiert, sollte sich den Film ARRIVAL (USA 2016) anschauen! Darin wird eine faszinierende, völlig andersartige Sprache vorgestellt.



Mirjam hat geschrieben:
Mo 30. Sep 2019, 21:54
Es ist auch möglich, das wir dazu tendieren die Intelligenz anderer Wesen auf der Erde gnadenlos zu unterschätzen, da sie auf eine uns nicht sofort ersichtliche Weise kommunizieren. Siehe Fledermäuse, Bienen, Ameisen...
Ich glaube ehrlich gesagt, das -zumindest zur Zeit - das genaue Gegenteil der Fall ist. Ich denke, dass die Intelligenz von Primaten, Delphinen, Walen, Bienen, Ameisen o.a. hoffnungslos überschätzt wird. (Was eher mit einer augenblicklich sehr kritischen Sicht auf den Menschen und der von ihm erfundenen Technik zu tun hat.)

Wenn Schimpansen oder Bonobos mit einem Zweig als Werkzeug nach Ameisen angeln, dann ist das noch nicht dasselbe, wie einen Kran zu bedienen oder eine A380 zu fliegen. Und Tiere, die sich im Spiegel erkennen, haben deshalb durchaus noch keinen Begriff davon, was Sebstbewusstsein ist. In der Regel wird auch erheblich unterschätzt, wie wichtig es für die menschliche Intelligenzentwicklung war, opponierende Daumen und überhaupt eine Hand mit Fingern zu haben und eben nicht nur eine Flosse.

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abc
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#18 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von abc » Mi 2. Okt 2019, 14:16

Mirjam hat geschrieben:
Di 1. Okt 2019, 16:38
Nur kurz zwischendurch, falls es jemanden interessiert: ich habe diesen Link zum Thema Sprachentwicklung gefunden - ich finde, da sind die Grundlagen kurz und verstaendlich erklaert:
https://www.weikopf.de/verlauf-der-spra ... klung.html
Danke für den Link, allerdings werden meine Grundfragen dort nicht wirklich aufgelöst.

Worin sind wir uns einig?

Ein wesentlicher Punkt, worin wir uns einig sind, ist die Annahme, daß eine Notwendigkeit besteht, miteinander zu kommunizieren, zumal der Existenzkampf in dieser Welt "Kommunikation" geradezu erzwingt, notwendig erscheinen lässt!

Siehe hierzu die Überlegungen (auf der entsprechenden Website)

Dabei lautet die Grundannahme, daß sich das Sprachvermögen unter evolutionärem Druck entwickelt hat. Mit anderen Worten: Es muß für diejenigen Individuen, die sich gut ausdrücken konnten und die Äußerungen der anderen verstanden, einen entscheidenden Vorteil gegeben haben.
-
Am plausibelsten erscheint die Annahme, daß Menschen in einem Stamm oder in einer Gruppe, die sprechen können, wegen der besseren Kommunikation erfolgreicher sind (bei der Jagd, beim Kampf, bei der Weitergabe von Wissen) und daß dies wiederum der Gruppe Vorteile verschafft.

Das klingt plausibel - und folgende Überlegungen verdeutlichen übergreifende Zusammenhänge ...

Denn wenn eine Gruppe (also z.B. ein Stamm, eine Großfamilie, o.ä., die über längere Zeit zusammenbleibt) eine bessere interne Kommunikation betreibt und dadurch erfolgreicher bei der Jagd, beim Anlegen von Vorräten, bei der Suche nach Heilkräutern, beim Nähen von warmer Kleidung, usw. ist, dann erscheint es naheliegend, daß diese Gruppe auch im Verhältnis zu anderen Gruppen erfolgreicher sein wird, weil sie geringere Ausfälle durch Hunger, Kälte, Krankheit, usw. hat und deshalb mehr Nachkommen bis ins fortpflanzungsfähige Alter durchbringen wird.

... aber sie klären meine Grundfragen nicht, die mir nach wie vor Rätsel aufgeben!

Mirjam
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#19 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von Mirjam » Mi 2. Okt 2019, 19:15

abc hat geschrieben:
Di 1. Okt 2019, 10:35
Das mag auf den ersten Blick so scheinen und ich habe mich zu Beginn meiner Überlegungen auch mit solchen (verkürzten) Darstellung begnügt. Sie sind aber, meiner Ansicht nach, nicht konsequent durchdacht, zumal diese 'Logik' nicht den eigenen (bereits bestehenden) Status Quo berücksichtigt: nämlich die Übereinkunft im Sprachwesen, aus der heraus man spricht und argumentiert - und daneben auch zahlreiche Aspekte, die das Sozialleben betreffen, es entsprechend organisieren und regeln.

Diesen Aspekt bitte überdenken!

OK, dies ist ein Beispiel gescheiterter sprachlicher Kommunikation... Ich verstehe deine Frage nicht.

Wo siehst du den Logikfehler?
Warum ist unser heutiger Status Quo ein Hindernis bei der Untersuchung der historischen Entwicklung, geht es um bias, um fehlende Objektivität?

Es wäre schön, wenn du näher erläutern könntest, was du mit deinen Grundfragen meinst.


Danke und liebe Grüße

Mirjam

JackSparrow
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#20 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von JackSparrow » Mi 2. Okt 2019, 20:33

abc hat geschrieben:
Di 1. Okt 2019, 11:13
da möglicherweise konkrete Praxisbezüge (innerhalb der jeweiligen Gemeinschaft, spezifische Ortsbezüge, ...) notwendig wären, um inhaltlich wirklich das nachvollziehen zu können, was in der jeweiligen Sprache ausgedrückt wird.
In der Praxis muss man nichts "inhaltlich nachvollziehen". In der Praxis zählt allein der Fortpflanzungserfolg. Wenn ich mich häufiger fortpflanze als mein Nachbar, dann wird sich mein Wortschatz stärker verbreiten als der Wortschatz meines Nachbarn, selbst wenn ich kein einziges der Worte verstehe, die ich sage.

Grundsätzlich scheint genau das aber ein großer Vorzug menschlicher Sprache gegenüber einfachen Lautsprachen der Tierwelt zu sein, wobei an dieser Stelle noch ungesagt ist, was genau diesen Vorzug ermöglicht und die menschliche Sprache in dieser Hinsicht auszeichnet.
Sich sprachlich eloquent ausdrücken zu können ist ein Statussymbol und Statussymbole erhöhen den Fortpflanzungserfolg. Wobei sich in früheren Zeiten höchst selten ein Adliger mit einem Bauern gepaart haben wird und sich in den jeweiligen Populationen demzufolge mehrere parallele Wortschätze herausbilden konnten.

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