Thaddaeus hat geschrieben: ↑Sa 28. Sep 2019, 09:45Tut mir Leid: ich sehe im Text keine Metaphorik zweier Nahrungsumstellungen,
Das dachte ich mir, weil mir das, was ich da in diesem Text entdeckt habe auch noch nie irgendwo untergekommen ist. Doch ich denke, dass ich das jedermann Textstelle für Textstelle leicht nachvollziehbar vermitteln kann, weil es dabei um ganz normale menschliche Dinge geht, die jeder kennt, und es eigentlich nur darum geht, diese im Text wieder zu erkennen. Die Summe dieser Analogien in ihrer richtigen Abfolge kann kein Zufall und auch keine Einbildung von mir sein, dafür sind es einfach zu viele. Am Ende ergeben sie ein in sich logisch konsistentes Bild ohne Widersprüche.
Thaddaeus hat geschrieben: ↑Sa 28. Sep 2019, 09:45
sondern eine der kindlichen und jugendlichen psychosexuellen Entwicklung, bei der die ursprüngliche, libidinöse Objektbindung an die Mutter, später an das gegengeschlechtliche Elternteil (Kind will Mama/Papa heiraten), schließlich ersetzt wird (wegen Kokurrenz zum Elternteil und daraus resultierenden Schuldgefühlen sowie Inzesttabu) durch die Bindung an außerfamiliäre sexuelle Partner als libidinöse Objekte.
Freuds oder ein anderes tiefenpsychologisches Modell, würde ich in einem altorientalischen Text nicht erwarten. Das hat Drewermann in seinem dreibändigen Werk "Die Strukturen des Bösen" darzustellen versucht, aber so richtig gelungen scheint mir das nicht zu sein.
Vor allem weil er von der historisch-kritischen Methode ausgehend, diachron nur die jahwistische Urerzählung im Blick hatte und die Schöpfungserzählung am Anfang der Bibel deshalb außen vor gelassen hat. Ich dagegen lese den Endtext der Urerzählung synchron als einen fortlaufenden, zusammenhängenden Text, zerlege ihn dabei nicht, und versuche auch nicht herauszufinden, was nun Autor 1, Autor 2, Redaktor usw. jeweils für sich aussagen wollte. Deshalb kann ich etliche logische Links und Verknüpfungen von der Schöpfungserzählung und der Garten Eden Erzählung erkennen, die Drewermann in seiner Interpretation nicht bedachte, weil er sich ausschließlich mit dem auseinandergesetzt hat, was er dem Jahwisten zuschrieb.
Ich gehe davon aus, dass die letzte Redaktion für Form und Sinngehalt des Endtextes vollumfänglich verantwortlich ist. Das kann ja nicht falsch sein, weil kein Vorgänger sich dagegen wehren kann. Richtig finde ich trotzdem, dass man erkennt, dass auch der Text eine Entwicklungsgeschichte hat, und nicht fix und fertig, wie auch der Mensch in dieser Erzählung nicht als Erwachsener fix und fertig und "vollkommen" vom Himmel fiel.
Thaddaeus hat geschrieben: ↑Sa 28. Sep 2019, 09:45
Die Nahrungsumstellungen (Entwöhnung von der Mutterbrust - vorgekaute Nahrung/Brei - feste Nahung nach vollendeter Zahnung) entsprechen zeitlich der (viel längeren) psychosexuellen Entwicklung nicht wirklich.
Ich finde das nicht so wichtig und auch nicht schlimm, wenn da die Zeiträume nicht unserem heutigen Wissenstand entsprechend. Wichtig für das Verständnis dieses Textes finde ich, dass man erstmal davon wegkommt, dass Gott den Mensch aus Staub vom Boden als erwachsenen Mensch formt, wie Michelangelo seinen David. Der Mensch der da aus dem Staub geformt wird ist auch noch nicht der Mann Adam. In ihrer Vorstellung beim "Lesen" der Garten Eden Erzählung haben die meisten nur Bilder von ausgewachsenen Menschen vor Augen. Doch der Text der Garten Eden Erzählung wirft einige Schlaglichter auf unterschiedliche Momente in der Entwicklung jedes Menschen - aus der subjektiven Perspektive jedes Menschen, worauf dieser Stelle deutlich hinweist:
1.Mose 2,4 hat geschrieben:Dies ist die Geschichte von Himmel und Erde, da sie geschaffen wurden.
Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte.
Der erste Satz ist das Ende der Schöpfungserzählung, die aus der Perspektive Gottes, vom Himmel in Richtung "Erde" bzw. Mensch erzählt wird.
Der zweite Satz kehrt diese Erzählperspektive um, und erzählt im folgenden aus der Perspektive der "Erde" bzw. Mensch wie seine Erschaffung und Menschwerdung vollzieht.
Diese Erzählung beginnt sogar schon vor der Zeugung des Menschen. Aus meiner menschlich-subjektiven Perspektive, gab es vor meiner Zeugung nichts, keinen Strauch, kein Kraut, keinen Regen und mich selbst natürlich auch nicht.
1.Mose 2,5 hat geschrieben:Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen. Denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute;
Nun werde "Ich" von Gott in seiner männlich-weiblichen Polarität gezeugt, zu welcher der Mensch als Mann und Frau ebenbildlich ist:
1.Mose 2,6-9 hat geschrieben:aber ein Strom stieg aus der Erde empor und tränkte das ganze Land. Da machte Gott der HERR den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.
Bei der Zeugung eines Menschen steigt ein Strom empor - diese Analogie ist mehr als eindeutig, eigentlich selbsterklärend. Seinen Samen pflanzt "Mann" in einen Garten IN Eden (Frau in "Wonne") hinein. Eden ist der weibliche Part der männlich-weiblichen Polarität Gottes. Der Mensch ist jetzt in der Gebärmutter. Garten ist doch ein wunderschönes poetisches Bild für diesen ersten, geschützten Raum in dem jeder neue Mensch ohne irgendein Ge-oder Verbot heranwächst.
Da bleibe "Ich" aber nicht ewig. Ich werde umgesetzt werden, aus dem Garten in Eden, in den Garten Eden. Das ist die Geburt, welche die erste Nahrungsumstellung ist. Was dabei passiert, weiß jeder: Ich komme aus dem Garten IN Eden heraus. Meine erste Nahrungsquelle, der "Strom" der mich bis dahin durch die Nabelschnur bzw. eben diese wird
"geteilt". Danach werde "Ich" an die Mutterbrust gelegt. Die zwei "Flüsse", welche mich nun aus den Brüsten meiner Mutter ernähren, sind leicht im Text zu lokalisieren: Das "Zweistromland" griech. Mesopotamien zwischen dem Oberlauf von Eufrat und Tigris, hebräisch Aram-Naharajim "Aram zwischen den beiden Strömen". Diese Bezeichnungen war jedem Leser damals geläufig. Biblisch klingt das nun so:
1.Mose 2,10-15 hat geschrieben:Und es geht aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilt sich von da in vier Hauptarme. Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila und dort findet man Gold; und das Gold des Landes ist kostbar. Auch findet man da Bedolachharz und den Edelstein Schoham. Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch. Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien. Der vierte Strom ist der Euphrat. Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.
Bleibt eigentlich nur noch die Frage, was die anderen beiden Flüsse darstellen sollen. Die beiden Arme, welche das Kind beim Stillen halten
"umfließen" dieses menschliche Neuland. Gold und Edelsteine assozeiere ich mit Armreifen und Duftsalben, welche ich beim Gestilltwerden auch wahrnehme, aus meiner subjetkiven Sicht als Säugling. Was für ein wundervolles Bild des Gott- bzw. Urvertrauens. Mutter und Kind beim Stillen.
Es ist so schön und so wahr.