PeB hat geschrieben: ↑Fr 27. Sep 2019, 10:52
Andreas hat geschrieben: ↑Do 26. Sep 2019, 17:12
Meinst du dieser Text war den Menschen jahrhundertelang unverständlich, in denen Jesus noch nicht geboren und am Kreuz gestorben war?
Unter Umständen ja.
Halte ich für völlig ausgeschlossen, weil die Texte der Urerzählung, ganz besonders die ersten vier Kapitel, so viele Inhalte unglaublich dicht auf engsten Raum komprimieren, von solch ausgefeilter Wortwahl und dermaßen durchkomponiert sind. Da kann man kein einziges Wort rausnehmen. Das ist höchste literarische Kunst, so viel mit so wenig auszudrücken. Eine Meisterleistung des Weglassens. Daran erkennt man, dass die Endfassung nicht in einem Rutsch hingeschrieben worden sein kann, sondern durch viele Redaktionsprozesse gegangen ist. Es ist wirklich ausgeschlossen, dass da etwas von vielen verfasst worden ist, das die Beteiligten Autoren selbst nicht in vollem Umfang verstanden haben sollten. Es ist ein jüdischer Text und nicht ein christlicher.
PeB hat geschrieben: ↑Fr 27. Sep 2019, 10:52Denn die Heilsgeschichte zielte auf Jesus ab. Entweder Gläubige wussten/ glaubten/ ahnten das schon zu dieser Zeit oder aber nicht - dann blieb der Text unverständlich.
Welchen Sinn soll denn eine Heilsgeschichte haben, die über Jahrtausende geht, wenn der Mensch eine maximale Lebensspanne von 120 Jahren hat? Was soll das Ende der Heilsgeschichte für eine Heilwirkung für einen Menschen am Anfang dieser "Geschichte" haben? Das würde nur Sinn machen, wenn der Mensch sich durch die ganze Heilsgeschichte hindurch immer wieder hindurch inkarnieren würde. Das ist aber weder jüdisches noch christliches Gedankengut.
Der Heilsgeschichtliche Tun-Ergehen-Zusammenhang ergab daher nur in einem völkischen Gedankengut mit einem eigenen Kriegs- und Volksgott Sinn, der die Geschichte eines Volkes lenkt. Weite Strecken des AT, die bis zur Rückkehr aus dem Exil und in der anfänglichen Zeit des zweiten Tempels entstanden, zeichnen solch ein Gottesbild. Das jüdische Volk war umgekehrt, und Gott gehorsam. Dieses Gottesbild brach zusammen, als Alexander der Große wieder alle Träume eines freien Gottesstaates Israel zunichte machte, weil auf das gute gehorsame Tun dennoch "Strafe auf Strafe" folgte.
Deshalb wird dieses Gottesbild mit seinem historisch-geschichtlich-weltlichen Tun-Ergehen-Zusammenhang in Texten wie Hiob und Kohelet aufgegeben und spätere Texte verlagern ihre Hoffnungen eines freien jüdischen Volkes und Jerusalems IN DER WELT auf ein eschatologisches jüdisches Volk mit seinem Jerusalem INS JENSEITS IM HIMMEL, auf eine neue "Erde" dort, weil die Wirklichkeit des realen Jerusalems nicht mehr mit dem alten Gottesbild zu erklären und in Einklang zu bringen war, kamen all die apokalyptischen Gottesbilder auf, spätestens als Juden und später Christen unter römischer Herrschaft standen und der zweite Tempel zerstört wurde, wurde aus realem, historischem Geschichtsdenken apokalyptisch-eschatologisch Geschichtsdenken. Das ist ein theologischer Wandel des Gottesbildes.
Es sind Äpfel und Birnen, denn die reale, historische Geschichte besteht ausschließlich aus Vergangenheit, während apokalyptisch-eschatologische Vorstellungen sich ausschließlich auf die Zukunft beziehen. "Heilsgeschichte" ist ja ein netter Versuch, diese Gegensätze unter einen Hut zu bringen, der aber niemandem nutzt, weil jedem halt nur diese maximal 120 Jahre zur Verfügung stehen, und besonders wir Christen eben kein Volk sind. Geschichte ist nicht die Zukunft und unsere christliche Religion keine Angelegenheit eines auserwählten Volkes. Im jüdischen Glauben ist das eine, Geschichte, mit dem anderen, Volk, untrennbar fest miteinander verbunden, aber das ist nicht auf das Christentum übertragbar. Da helfen auch sprachliche Umdeutungen von Geschichte und Volk nichts.
Denn kein anderes Volk auch nicht das Deutsche träumt davon unter der Herrschaft Israels glücklich zu werden - auch nicht unter einer messianisch-jüdisch-christlichen Weltherrschaft. Das sind - Gott sei Dank - völlig absurde Vorstellungen, wenn man sich die Wirklichkeit der Welt heute anschaut. Mit Jesus hat das jedenfalls nichts zu tun.
Aufwachen.