Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Rund um Bibel und Glaube
Leila
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#1251 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Leila » Sa 4. Mai 2019, 18:17

Wenn diese sinnfremde Diskussion hier unter euch Sven und Closs die Folge der HKE ist, dann sei sie verflucht :lol:

SilverBullet
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#1252 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von SilverBullet » Sa 4. Mai 2019, 18:45

“sven23“ hat geschrieben:Richtig, es gibt keine katholische oder evangelische Wissenschaft, noch nicht mal christliche Wissenschaft oder eine christliche Philosophie. (siehe Markus Gabriel)
Naja, Theologie, ausgeführt von einer christlichen Konfession, ist christliche Philosophie.
Kannst du die Aussage von „Markus Gabriel“ verlinken?

“sven23“ hat geschrieben:Die historisch-kritische Methode verbietet geradezu Glaubensbekenntnisse. Die Textquellen werden so untersucht, "als wenn es Gott nicht gäbe". (methodologischer Atheismus).
Wenn ich mir aus dem Stehgreif überlege, welche Regeln es geben könnte, um Zusammenhänge rund um eine Versionshierarchie des Textes ausfindig zu machen, dann frage ich mich, was der Hinweis „methodologischer Atheismus“ überhaupt soll.

Wie kann ein vernünftiger Mensch einen Text, den er vor sich hat, analysieren möchten, um herauszufinden, wer, wann, wo, was übersetzt, hinzugefügt, verändert hat, und dabei explizit die Auflage benötigen „so zu tun, als ob es Gott nicht gäbe“?

„Aufgabe: Hier ist ein Text, zähl die Wörter und tu dabei aber so, als ob es Gott nicht gäbe“ -> Hä ???

Des Rätsels Lösung ist ganz einfach:

Die „historisch-kritische Methode“ wird wohl ausschliesslich bei der Analyse der Bibeltexte eingesetzt und dient hier zur Deutung der „tatsächlichen Ereignisse“, d.h. es handelt sich nicht um eine Wissenschaftsmethode, die Erkenntnisse zu einer objektiven Textentwicklung als Ergebnis präsentieren soll, sondern es ist bereits die „Exegese“, also Theologie.

Bei der Trennung zwischen „Methode“ und „Exegese“ (was ich in meinem letzten Beitrag angeführt habe) habe ich mich offensichtlich getäuscht und es gilt eher HKM = HKE („Methode“ ist hier „Exegese“).

Wenn ich bei Wiki unter diesem Verdacht nachsehe, dann fällt auf, dass es unter dem Begriff „historisch kritische Methode“ voll und ganz um Bibel und Theologie geht.

Wenn dies so ist, dann hat das mit Wissenschaft nichts zu tun, denn hier versuchen, wie sonst auch, irgendwelche „Begeisterten“, eine Weltgrundlage in die antiken Texte zu phantasieren, mit der sie ihr Gefühl rund um ihren „Glauben“ verbessern können – die „Methode“ ist dann bereits ein neues Religionsangebot für heutige „Gläubige“.

Auf dieser Basis macht dann natürlich der Hinweis (und auch der Vorwurf) „methodologischer Atheismus“ einen Sinn – Wissenschaft ist aber nirgendwo im Spiel, sondern hier streiten sich Religionsparteien (was sollen die auch sonst machen)!

“sven23“ hat geschrieben:Mehr als ein Wanderprediger und Endzeitprophet, der sich dazu noch geirrt hat, ist nicht aus ihm rauszuholen.
…
Alles andere ist posthume Mythen- und Legendenbildung.
Nirgendwo kann das rausgeholt werden.

Wieso „posthume“?

Gab es „Robin Hood“ und posthume wurde sein Lebenslauf immer weitererzählt?
Wer hat den Auftrag zum genauen Weitererzählen gegeben, war es etwa „Richard Löwenherz“?

Wie kommt es zu der Erzählung über einen „kleinen Mann“, der zwischen grossen Namen seine Taten vollbringt und von denen nichts weiter als die Erzählung übrig bleibt -> gab es „Robin Hood“?

Wie kam es zu „Wilfried of Ivanhoe“, einem Mann, der sich in einem historischen Spannungsfeld aus rivalisierenden Volksgruppen bewegte und der sogar mit „Richard Löwenherz“ Kontakt hatte?
Wieso erzählt man sich die Geschichte dieses Ritters und wieso ist sie derart verbreitet? -> „Es muss ihn gegeben haben“

=> Ab an die Uni, neue Fakultäten, eine für „Robin Hood“ und eine für „Invanhoe“ – passt!

“sven23“ hat geschrieben:Die eigentliche Schizophrenie innerhalb der Theologie besteht nun darin, dass man die historisch-kritisch arbeitenden Theologen als Feigenblatt benötigt, um eine Existenzberechtigung an den Universäten zu haben, andererseits aber das kirchlich verkündete Glaubenskonstrukt eben von diesen demontiert wird.
Ich sehe lediglich, dass die Kirche mehrere Glaubensrichtungen unter ihrer Macht hält – Theologie ist keine Wissenschaft und hat an der Uni eigentlich nichts verloren.

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sven23
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#1253 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von sven23 » Sa 4. Mai 2019, 19:36

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 17:03
sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 15:52
Tja, wenn man die Bibel völlig unkritisch als historischen Tatsachenbericht betrachtet, kommt das eben raus.
Die Forschung geht da viel differenzierter vor.
Wie kommst Du denn auf diese Idee? Es dreht sich mir nicht darum, aus der Bibel ein Geschichtsbuch zu machen, sondern herauszuarbeiten, welche Aussagen dort wirklich enthalten sind. Brauchst Du Bibelstellen?
Nee, laß mal. Wenn man nicht unterscheiden will zwischen authentischen Jesusworten und später in den Mund gelegten, oder nachträglichen
Textveränderungen und Ergänzungen/Fälschungen, dann hat es sowieso keinen Zweck.
Das ist die Logik der Kanoniker. Die Bibel ist Gottes Wort, ergo kann sie keine Irrtümer enthalten und historisch zuverlässig sein.


AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 17:03
sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 15:52
AlTheKingBundy hat geschrieben:
Mi 1. Mai 2019, 19:22

Das ist definitiv (biblisch) falsch.
Tja, dann irrt sich die gesamte Forschung seit 200 Jahren, aber wie wahrscheinlich ist das?
Nja, ich denke nicht, dass das das Ergebnis von Bibelforschung sein kann.
Doch, der Konsens in der Forschung ist ziemlich breit.

"...daß wir.....unbefangen, ehrlich, nüchtern und deutlich zugeben müssen, daß es bei Jesus wirklich eine zeitliche Naherwartung gegeben hat, die so....sich nicht erfüllt hat"
Karl Rahner


„Es bedarf keines Wortes, daß sich Jesus in der Erwartung des nahen Weltendes getäuscht hat.“
(Rudolf Bultmann, Das Urchristentum, S. 22)


AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 17:03
sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 15:52
Kam er denn wieder?
Ja, wie es in den Evangelien geschrieben steh (Mat 24, Luk 21, Mrk 13 = seine Wiederkunft war die Zerstörung Jerusalems durch die Römer)
Na ja, wie gesagt, das waren keine echten Prophezeiungen, sondern Rückprojektionen.

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 17:03
sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 15:52
Belege sind die Evangelien selbst, die erst lange nach seinem Tod entstanden.
Das sind keine Belege sondern Mutmaßungen. Wann genau wurden sie denn niedergeschrieben?
Das geht doch aus dem Link hervor. :roll:

https://de.wikipedia.org/wiki/Evangelium_(Buch)

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 17:03
sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 15:52
Nun, der Jude Jesus bewegte sich nun mal in der jüdischen Glaubenswelt. Er trat zwar für eine Thoraverschärfung ein, wie man das oft bei religiösen Eiferern findet, aber andererseits auch für eine liberaleren Umgang mit Vorschriften. (z. B. Speisevorschriften, Sabbatgebot und Umgang mit Frauen)
Jesus hat Jerusalem zerstört? Ich dachte, das wären die Römer. :lol:
Hier mangelt es Dir auch an Schriftkenntnis. Gottesgerichte wurden oft durch andere Völker vollstreckt.
Ach, ja, ich vergaß den Gott des AT, der wie die Axt im Walde hauste. :lol:
Es könnte aber auch so gewesen sein, dass man zur Rechtfertigung von Überfällen auf andere Vöker und Stämme einen Rachegott vorschob, mit dem man im Bunde zu sein vorgab.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#1254 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von closs » Sa 4. Mai 2019, 20:08

Leila hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 18:17
Wenn diese sinnfremde Diskussion hier unter euch Sven und Closs die Folge der HKE ist, dann sei sie verflucht :lol:
Wie recht Du hast. - Leider gelingt es nicht, diese Diskussion zu bündeln in EINEN Thread. - Kontaktiere doch mal einen Mod - der kann so was technisch machen.

Übrigens: "Sinnfremd" ist diese Diskussion leider nicht - die Antwort in ihr entscheidend dafür, ob Gott oder der Mensch Maßstab ist für das, was IST.

sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 18:05
Eben, deshalb ist HKM die Standardmethode und nicht Kanonik, die diese Anforderung nicht erfüllt.
In den Punkten 1 - 9 ist das so, weshalb die HKM von der RKK in diesem Rahmen sehr geschätzt wird.

sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 18:05
Wie man an der Definition sieht, gehört alles zusammen.
WENN es so ist, muss man einen Schnitt an DER Stelle machen, an der die weltanschauliche Aproisierung zuschlägt - dies ist nach "9".

sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 18:05
Wer sagt das? Mit Sicherheit kein Ratzinger oder Berger.
Berger kenne ich zu wenig - aber doch, für Ratzinger gilt das natürlich (und ich bin sicher, auch für berger). - Bei den punkten 1 - 9 gewinnt jeder, wenn er der HKM folgt.

Achtung: Wenn Berger von einer "Theologie des Vermutens" spricht, ist das eine inner-disziplinäre Ansicht, die die HKM als solche nicht in Frage spricht.

sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 18:05
closs hat geschrieben: ↑
Sa 4. Mai 2019, 17:09

sven23 hat geschrieben: ↑
Sa 4. Mai 2019, 14:27
In der Kreisliga mag das so sein, in der Champions-League herrscht die HKM.

Ja - das redet man sich undifferenziert ein.

Das ist so.
Nein, ganz sicher nicht. - Die HKE wird als ehrenhafte Einzel-Disziplin verstanden, die von ihrem "Design" her nicht in der Liga ist, Theologie umfassend abzudecken. Sie ist EINE Disziplin und macht als solche in ihrem Rahmen ihre Arbeit gut - aber das war's dann auch schon.

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AlTheKingBundy
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#1255 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von AlTheKingBundy » Sa 4. Mai 2019, 20:12

sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 19:36
Wenn man nicht unterscheiden will zwischen authentischen Jesusworten und später in den Mund gelegten, oder nachträglichen
Textveränderungen und Ergänzungen/Fälschungen, dann hat es sowieso keinen Zweck.
Das ist die Logik der Kanoniker. Die Bibel ist Gottes Wort, ergo kann sie keine Irrtümer enthalten und historisch zuverlässig sein.

Hier sollte mal Klarheit auf den Tisch. Worauf basiert denn dein Jesusbild, wenn nicht auf der Bibel?

sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 19:36
Gerd Theißen gibt den Konsens in der Forschung wieder:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

Den Konsens welcher Forschung?

sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 19:36
"...daß wir.....unbefangen, ehrlich, nüchtern und deutlich zugeben müssen, daß es bei Jesus wirklich eine zeitliche Naherwartung gegeben hat, die so....sich nicht erfüllt hat"
Karl Rahner


„Es bedarf keines Wortes, daß sich Jesus in der Erwartung des nahen Weltendes getäuscht hat.“
(Rudolf Bultmann, Das Urchristentum, S. 22)

Genau hier liegt der gewaltige Irrtum. Jesus hat nie ein Weltenende gepredigt.

sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 19:36
AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 17:03
sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 15:52
Kam er denn wieder?
Ja, wie es in den Evangelien geschrieben steh (Mat 24, Luk 21, Mrk 13 = seine Wiederkunft war die Zerstörung Jerusalems durch die Römer)
Na ja, wie gesagt, das waren keine echten Prophezeiungen, sondern Rückprojektionen.

Dafür gibt es keine Belege.

sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 19:36
Das geht doch aus dem Link hervor. :roll:

https://de.wikipedia.org/wiki/Evangelium_(Buch)

Ernsthaft? Hast Du Dir den Link mal durchgelesen?

sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 19:36
Ach, ja, ich vergaß den Gott des AT, der wie die Axt im Walde hauste. :lol:
Es könnte aber auch so gewesen sein, dass man zur Rechtfertigung von Überfällen auf andere Vöker und Stämme einen Rachegott vorschob, mit dem man im Bunde zu sein vorgab.

Darum dreht es sich doch gar nicht, sondern darum, was die Bibel aussagt, schon vergessen?
Beste Grüße, Al

Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.
(Albert Einstein, 1879-1955)

Leila
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#1256 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Leila » Sa 4. Mai 2019, 20:23

closs hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 20:08
Leila hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 18:17
Wenn diese sinnfremde Diskussion hier unter euch Sven und Closs die Folge der HKE ist, dann sei sie verflucht :lol:
Wie recht Du hast. - Leider gelingt es nicht, diese Diskussion zu bündeln in EINEN Thread. - Kontaktiere doch mal einen Mod - der kann so was technisch machen.

Übrigens: "Sinnfremd" ist diese Diskussion leider nicht - die Antwort in ihr entscheidend dafür, ob Gott oder der Mensch Maßstab ist für das, was IST.

sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 18:05
Eben, deshalb ist HKM die Standardmethode und nicht Kanonik, die diese Anforderung nicht erfüllt.
In den Punkten 1 - 9 ist das so, weshalb die HKM von der RKK in diesem Rahmen sehr geschätzt wird.

sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 18:05
Wie man an der Definition sieht, gehört alles zusammen.
WENN es so ist, muss man einen Schnitt an DER Stelle machen, an der die weltanschauliche Aproisierung zuschlägt - dies ist nach "9".

sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 18:05
Wer sagt das? Mit Sicherheit kein Ratzinger oder Berger.
Berger kenne ich zu wenig - aber doch, für Ratzinger gilt das natürlich (und ich bin sicher, auch für berger). - Bei den punkten 1 - 9 gewinnt jeder, wenn er der HKM folgt.

Achtung: Wenn Berger von einer "Theologie des Vermutens" spricht, ist das eine inner-disziplinäre Ansicht, die die HKM als solche nicht in Frage spricht.

sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 18:05
closs hat geschrieben: ↑
Sa 4. Mai 2019, 17:09

sven23 hat geschrieben: ↑
Sa 4. Mai 2019, 14:27
In der Kreisliga mag das so sein, in der Champions-League herrscht die HKM.

Ja - das redet man sich undifferenziert ein.

Das ist so.
Nein, ganz sicher nicht. - Die HKE wird als ehrenhafte Einzel-Disziplin verstanden, die von ihrem "Design" her nicht in der Liga ist, Theologie umfassend abzudecken. Sie ist EINE Disziplin und macht als solche in ihrem Rahmen ihre Arbeit gut - aber das war's dann auch schon.

Hey, ich habe auch Respekt, so viel Ausdauer, ich bin schreibfaul und wenn einer nicht versteht, was ich meine, ist mir das Egal. Machst du doch gut, du kämpfst, kämpfst und es kommt nicht so viel bei raus, aber innerlich wirst du ein Erleben haben und dieses Erleben hat noch viel, viel mehr Worte und ist stark. Deine Kraft bewundere ich, das sei mal gesagt. :thumbup: :thumbup: :thumbup:

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sven23
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#1257 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von sven23 » Sa 4. Mai 2019, 20:37

SilverBullet hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 18:45
“sven23“ hat geschrieben:Richtig, es gibt keine katholische oder evangelische Wissenschaft, noch nicht mal christliche Wissenschaft oder eine christliche Philosophie. (siehe Markus Gabriel)
Naja, Theologie, ausgeführt von einer christlichen Konfession, ist christliche Philosophie.
Kannst du die Aussage von „Markus Gabriel“ verlinken?
Der Beitrag ist nicht mehr in der Videothek abrufbar, aber sinngemäß meint Gabriel, dass es keine christliche Wissenschaft oder christliche Philosophie geben kann, weil diese von ihrem Selbstverständnis her nicht vereinnahmbar und frei sind.
Christliche Philosophie wäre demnach nichts anderes als Theologie.


SilverBullet hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 18:45
“sven23“ hat geschrieben:Die historisch-kritische Methode verbietet geradezu Glaubensbekenntnisse. Die Textquellen werden so untersucht, "als wenn es Gott nicht gäbe". (methodologischer Atheismus).
Wenn ich mir aus dem Stehgreif überlege, welche Regeln es geben könnte, um Zusammenhänge rund um eine Versionshierarchie des Textes ausfindig zu machen, dann frage ich mich, was der Hinweis „methodologischer Atheismus“ überhaupt soll.
Im Gegensatz zur Kanonischen Exegese, die religiöse Glaubensbekenntnisse voraussetzt, ist die historisch-kritische Methode frei von solchen Glaubensbekenntnissen. Die Quellen werden untersucht wie jede andere antike Quelle.


Die Quellenlage ist trotz dieser Überlieferungskomplexität besser als in vielen anderen Epochen. Das Essentielle ist die Methode: D.h.: nicht irgendwelche Glaubensüberzeugungen als Ausgangsbasis vorauszusetzen, sondern das Evangelium gleich zu behandeln wie jede andere antike Quelle. Wie in anderen wissenschaftlichen Disziplinen lautet hier die Methode: Vom Sicheren zum Unsicheren. In den meisten Büchern über Jesus besteht die Tendenz zur „Rosinenklauberei“, indem nur jene Stellen ausgesucht werden, die in das eigene Weltbild passen. Eine historische Methode hingegen geht von sicheren historische Fakten einerseits und Zitaten andererseits aus, die kaum erfunden sein können: 
Dr. Ronald Bilik


SilverBullet hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 18:45
Die „historisch-kritische Methode“ wird wohl ausschliesslich bei der Analyse der Bibeltexte eingesetzt ...
Sie ist vor allem durch die biblische Exegese bekannt und bei Glaubensideologen berüchtigt und unbeliebt geworden, aber als Methodenapparat wurde sie zur Untersuchung historischer Texte im allgemeinen entwickelt.


Die Figur des Jesus von Nazareth ist keine große Unbekannte in der Geschichte. Es gibt – bei einer wissenschaftlichen Betrachtung der Quellen – auch nichts Mysteriöses an ihm. Er vertrat eine bestimmte Position in der jüdischen Religion, die nichts mit dem Christentum unserer Tage zu tun hat. Die wesentlichen Punkte seiner Lehre sind:    
– Die Verkündigung des unmittelbar bevorstehenden Endgerichtes: Da dieses nicht eingetreten ist, ist seine Lehre, die ohne diese Grundvoraussetzung nicht verstanden werden kann, erwiesenermaßen falsch.    
– Der unmittelbar bevorstehende Anbruch eines irdischen Gottesreiches, das mit christlichen Jenseitsvorstellungen nichts zu tun hat. Ein Christ, der an den Himmel im Sinne eines Paradieses glaubt, ist somit definitiv kein Vertreter der Lehre des Jesus von Nazareth.    
– Die Beschränkung der frohen Botschaft und der damit verbundenen Erlösung im Reich Gottes auf reinrassige Juden. Für den Rest der Menschheit wäre von ihm vielmehr an eine End-lösung als an eine Erlösung gedacht worden. Zum Glück hat sich Jesus grundlegend geirrt, weil die Welt von heute (inklusive der Freidenker), sonst gar nicht existieren würde.    
– Durch sein religiös-politisches Agieren als Messias wurde er für die Römer gefährlich und deshalb als Hochverräter hingerichtet. Er wäre sehr überrascht, wenn er mitbekommen würde, was die Christen – egal welcher Gruppierung – aus seiner Lehre gemacht haben.    
Aufgrund der eingangs erwähnten medialen und informationstechnischen Bedingungen, sowie der Tatsache der Nichtexistenz einer kirchenunabhängigen Forschung, sind nur die wenigsten Menschen über diese entscheidenden Aspekte der Lehre des Jesus von Nazareth informiert. Christen betonen (wie übrigens die Vertreter der anderen Religionsgemeinschaften auch) gerne die Einzigartigkeit ihrer Religion. Dem ist sogar in gewissem Sinn zuzustimmen. Das Christentum ist nämlich vermutlich die einzige Religion, die durch ihre eigene „Heilige Schrift“ widerlegt wird.

Dr. Ronald Bilik




SilverBullet hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 18:45
“sven23“ hat geschrieben:Die eigentliche Schizophrenie innerhalb der Theologie besteht nun darin, dass man die historisch-kritisch arbeitenden Theologen als Feigenblatt benötigt, um eine Existenzberechtigung an den Universäten zu haben, andererseits aber das kirchlich verkündete Glaubenskonstrukt eben von diesen demontiert wird.
Ich sehe lediglich, dass die Kirche mehrere Glaubensrichtungen unter ihrer Macht hält – Theologie ist keine Wissenschaft und hat an der Uni eigentlich nichts verloren.
Da würde ich zustimmen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#1258 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von sven23 » Sa 4. Mai 2019, 21:08

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 20:12
sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 19:36
Wenn man nicht unterscheiden will zwischen authentischen Jesusworten und später in den Mund gelegten, oder nachträglichen
Textveränderungen und Ergänzungen/Fälschungen, dann hat es sowieso keinen Zweck.
Das ist die Logik der Kanoniker. Die Bibel ist Gottes Wort, ergo kann sie keine Irrtümer enthalten und historisch zuverlässig sein.
Hier sollte mal Klarheit auf den Tisch. Worauf basiert denn dein Jesusbild, wenn nicht auf der Bibel?
Das ist wohl wahr, denn was anderes als die Bibel haben wir nun mal nicht.
Aber ich verstehe die Bibel nicht als historische Tatsachenberichte, sondern als Glaubensschriften, wie sie damals üblich waren.

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 20:12
sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 19:36
Gerd Theißen gibt den Konsens in der Forschung wieder:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

Den Konsens welcher Forschung?
Der neutestamentlichen Forschung, speziell der historischen Jesusforschung, die die Texte mit historisch-kritischer Methode untersucht. Der Vorteil ist: auf Glaubensbekenntnisse, wie Kanoniker sie benötigen, wird verzichtet. Man hat also einen neutralen Blick auf die Texte.

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 20:12
sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 19:36
"...daß wir.....unbefangen, ehrlich, nüchtern und deutlich zugeben müssen, daß es bei Jesus wirklich eine zeitliche Naherwartung gegeben hat, die so....sich nicht erfüllt hat"
Karl Rahner

„Es bedarf keines Wortes, daß sich Jesus in der Erwartung des nahen Weltendes getäuscht hat.“
(Rudolf Bultmann, Das Urchristentum, S. 22)

Genau hier liegt der gewaltige Irrtum. Jesus hat nie ein Weltenende gepredigt.
Als Endzeitprophet und Vertreter des apokalyptischen Judentums glaubte er an die nahe bevorstehende Zeitenwende (wie Johannes der Täufer)
und mahnt zur Umkehr und Eile.

Johannes der Täufer war ein Wanderprediger, der den baldigen Anbruch des Gottesreiches und das damit verbundene Endgericht prophezeite.    
Wie auch die anderen messianischen Bewegungen, war Johannes dezidiert antirömisch gesinnt und wurde aus diesem Grund vom romfreundlichen Potentaten Antipas hingerichtet. Die Taufe sollte von der Sünde reinigen, sie wird erst kurz vor dem Endgericht gespendet, um den Gläubigen den Zugang in das Gottesreich zu ermöglichen. Da Jesus sich von Johannes taufen ließ, glaubte logischerweise auch er an die unmittelbar bevorstehende Apokalypse. Bestätigt werden diese Überlegungen durch den Evangelientext. Nach der Verhaftung des Johannes predigt Jesus das gleiche wie dieser (nämlich die Umkehr) und sagt das Reich Gottes sei nahe (Mk 1,14-15).    
Solche Passagen, die das Weltgericht als unmittelbar bevorstehend schildern, können aus logischen Gründen nicht erfunden sein, da sie sich zur Zeit der Textabfassung bereits als evident falsch erwiesen haben. Diese beiden historisch gesicherten Tatsachen – bieten unabhängig voneinander – ein kohärentes Bild. Jesus stand in der jüdischen Tradition, war von antirömischer Gesinnung, glaubte an das baldige Ende der bestehenden Welt und das unmittelbar bevorstehende Anbrechen des irdischen Gottesreiches. Mit der Auffassung des Christentums ist dieser Befund unvereinbar.    
Noch deutlicher drückt sich Jesus in der sogenannten Aussendungsrede aus (Mt 10,23), wo er seinen Jüngern Anweisungen für die Missionierung gibt: „Amen ich sage euch: Ihr werdet nicht zu Ende kommen mit den Städten Israels, bis der Menschensohn (Messias) kommt.“    
Diese Aussage ist glaubhaft. Die Missionierung Israels ist eine Sache von Monaten. Da das prophezeite Ereignis offensichtlich nicht eingetreten ist, wäre es sinnlos, eine solche Stelle später, also zu einem Zeitpunkt, als sich die Vorhersage schon als irrig erwiesen hat, zu erfinden. Es spricht somit alles dafür, dass hier ein authentisches Jesuswort vorliegt. Die Erkenntnis der apokalyptischen Dimension seiner Lehre ist die Basis für das Verständnis der gesamten Jesuanischen Ideologie.

Dr. Ronald Bilik

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 17:03
sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 19:36
AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 17:03

Ja, wie es in den Evangelien geschrieben steh (Mat 24, Luk 21, Mrk 13 = seine Wiederkunft war die Zerstörung Jerusalems durch die Römer)
Na ja, wie gesagt, das waren keine echten Prophezeiungen, sondern Rückprojektionen.
Dafür gibt es keine Belege.
Dafür muss man nur gesunden Menschenverstand walten lassen. Die Zerstörung Jerusalems fand im Jahr 70 n.Chr. statt. Die Evangelien wurden später geschrieben, somit ist es ein Leichtes, die Zerstörung zu "prophezeien".

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 17:03
sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 19:36
Das geht doch aus dem Link hervor. :roll:

https://de.wikipedia.org/wiki/Evangelium_(Buch)

Ernsthaft? Hast Du Dir den Link mal durchgelesen?
Ja.

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 17:03
sven23 hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 19:36
Ach, ja, ich vergaß den Gott des AT, der wie die Axt im Walde hauste. :lol:
Es könnte aber auch so gewesen sein, dass man zur Rechtfertigung von Überfällen auf andere Vöker und Stämme einen Rachegott vorschob, mit dem man im Bunde zu sein vorgab.
Darum dreht es sich doch gar nicht, sondern darum, was die Bibel aussagt, schon vergessen?
Die Bibel wurde von Menschen geschrieben und die verfolgen immer bestimmte Ziele. Es war für die Herrscher und Priesterkaste ein gegenseitiger Vorteil, wenn man dem Volk vermitteln konnte, mit Gott oder Göttern im Bunde zu stehen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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#1259 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von closs » Sa 4. Mai 2019, 21:23

Leila hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 20:23
aber innerlich wirst du ein Erleben haben und dieses Erleben hat noch viel, viel mehr Worte und ist stark.
Eigentlich schreibe ich für Mitleser, die es hier ja gibt (von Mitgliedern wie Dir oder Beobachtern von außen). - Und denen möchte ich signalisieren, dass das Verständnis der Sven-Liga (es sind ja mehrere, die wie er denken) nicht einmal den EIGENEN Anforderungen genügt - oder nur dann genügt, bis man so lange rum-definiert, bis es passt.

Diese Klarstellung ist aus meiner Sicht deshalb wichtig, weil in unsere Gesellschaft hinein-proijeziert wird, dass es eine gläubige und eine aufgeklärte Fraktion gäbe - das ist schlicht sachlich falsch. - Aber es wird gebraucht, um die eigene Postitionierung zu stützen.

Nur als hier undiskutiertes Beispiel: Wenn Ratzinger/die RKK von "Vernunft" spricht, ist die etwas ganz anderes, als wenn der "aufgeklärte" Mensch dies sagt. - Ratzinger meint "Vernunft" als Ausdruck höchster Erkenntnis, also als göttliche Vernunft, von der wir ein Teilchen abkriegen. - Der "aufgeklärte" Mensch meint damit die menschen-modellierte Vernunft, die dem Menschen gehorcht.

Letztlich geht es in den von Dir hier beobachteten Threads um eben diese Frage: Wer entscheidet, was "IST": Ist es Gott oder der Mensch? - Letztlich ist dies die Grundfrage des sog. "Sündenfalls".

Leila hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 20:23
Deine Kraft bewundere ich, das sei mal gesagt. :thumbup: :thumbup: :thumbup:
Da danke ich Dir sehr - es ermutigt. :Herz:

Leila
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#1260 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Leila » Sa 4. Mai 2019, 21:29

closs hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 21:23
Leila hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 20:23
aber innerlich wirst du ein Erleben haben und dieses Erleben hat noch viel, viel mehr Worte und ist stark.
Eigentlich schreibe ich für Mitleser, die es hier ja gibt (von Mitgliedern wie Dir oder Beobachtern von außen). - Und denen möchte ich signalisieren, dass das Verständnis der Sven-Liga (es sind ja mehrere, die wie er denken) nicht einmal den EIGENEN Anforderungen genügt - oder nur dann genügt, bis man so lange rum-definiert, bis es passt.

Diese Klarstellung ist aus meiner Sicht deshalb wichtig, weil in unsere Gesellschaft hinein-proijeziert wird, dass es eine gläubige und eine aufgeklärte Fraktion gäbe - das ist schlicht sachlich falsch. - Aber es wird gebraucht, um die eigene Postitionierung zu stützen.

Nur als hier undiskutiertes Beispiel: Wenn Ratzinger/die RKK von "Vernunft" spricht, ist die etwas ganz anderes, als wenn der "aufgeklärte" Mensch dies sagt. - Ratzinger meint "Vernunft" als Ausdruck höchster Erkenntnis, also als göttliche Vernunft, von der wir ein Teilchen abkriegen. - Der "aufgeklärte" Mensch meint damit die menschen-modellierte Vernunft, die dem Menschen gehorcht.

Letztlich geht es in den von Dir hier beobachteten Threads um eben diese Frage: Wer entscheidet, was "IST": Ist es Gott oder der Mensch? - Letztlich ist dies die Grundfrage des sog. "Sündenfalls".

Leila hat geschrieben:
Sa 4. Mai 2019, 20:23
Deine Kraft bewundere ich, das sei mal gesagt. :thumbup: :thumbup: :thumbup:
Da danke ich Dir sehr - es ermutigt. :Herz:

Ich kann deine Position sehr gut nachvollziehen und wünsche dir good Luck. Aber, wer nicht will, der hat schon. Wir könnten dich auch in anderen Themen gut gebrauchen,

LG Leila

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