Travis hat geschrieben: ↑Sa 4. Mai 2019, 08:20
Alles daraus sollte und musste überliefert werden, egal ob es wörtliche Rede Gottes, Beschreibung seiner Taten oder die Taten und Worte seiner Gegner sind. Denn alles ist nütze zur Lehre, auch die Worte der Gegner die dadurch instrumentalisiert werden und wie darauf reagiert wird. Über die normative Autorität der Taten und Worte der Gegner brauchen wir gar nicht zu debattieren, da sie keine haben.
Ganz so einfach ist es Gott sei Dank nicht, wie ich meine. Denn oft sind es die Freunde und nicht die Gegner Gottes, welche ein schlechtes Beispiel abgeben, und manchmal sind es die Gegner und nicht die Freunde Gottes, die ein gutes Beispiel abgeben.
Der Leser ist immer gefordert zu differenzieren und Stellung zu beziehen, was denn nun im Einzelfall das Gute und was das Schlechte darstellt. Der Leser wird das immer gemäß seines momentanen ethisch-moralischen Entwicklungsstandes tun. Dieser verändert sich (hoffentlich) im Laufe seines Lebens zum besseren. Gehorsam ist auf einer ethisch-moralischen Entwicklungsstufe goldrichtig, auf einer anderen aber grottenfalsch, was sich auch in den unterschiedlichen Theologien und Gottesbildern der Bibel niedergeschlagen hat.
Ich wäre deshalb vorsichtig, pauschal von "normativer Autorität" zu sprechen, weil ich die Bibel für ein Lebensbuch halte, dass mir ein Leben lang zur Lehre nützlich ist. Vieles, was mir darin früher "unmissverständlich" als richtig einleuchtete, erkannte ich in späteren Jahren als falsch und nicht von dem Verständnis der Liebe getragen, das ich erst später durch den Diskurs, der in der Bibel enthalten ist, gelernt habe.
Die Bibel ist heute in meinen Augen so gut wie der Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen, ein ethisch-moralischer Abenteuerspielplatz. In all die spannenden Erzählungen darf ich mich im geschützten Raum hineinversetzen, mich mal mit dem einen, mal mit dem anderen Helden oder Looser identifizieren und mein Gewissen erproben. Würde ich wirklich als Abraham (oder als ich?) meinen geliebten Sohn als Blutopfer für Gott darbringen - und wie begründe ich meine Entscheidung? Was hätte ich an Sauls Stelle getan, als Samuel nicht, wie versprochen pünktlich auftauchte um mir seinen göttlichen Rat zu geben - und warum? Welche der drei vorgelegten Strafen würde ich als David dafür wählen, dass ich eine Volkszählung gemacht habe - und wie diese Wahl begründen?
2.Sam 24,13 hat geschrieben:Gad kam zu David und sagte es ihm an und sprach zu ihm: Willst du, dass sieben Jahre lang Hungersnot in dein Land kommt oder dass du drei Monate vor deinen Widersachern fliehen musst und sie dich verfolgen oder dass drei Tage Pest in deinem Lande ist? So bedenke nun wohl, was ich antworten soll dem, der mich gesandt hat.
War Davids Wahl richtig - und nicht schon die nächste Sünde - und warum entscheidet sich Gott dann für die Pest und nicht für die Hungersnot? Was sollte eigentlich das Ganze? Was würde ich wählen - und warum dieses und nicht jenes? Wieso war es bei Moses und anderen eigentlich nicht strafwürdig, das Volk zu zählen? Wie schätze ich Bileam ein - und warum so und nicht anders? So kann ich mich immer wieder auf die Probe stellen bzw. auf die Probe stellen lassen, wodurch sich mein Glaube
qualitativ entwickelt.
Solch Entweder-Oder-Kriterien anzulegen wie Freund-Feind, Glaube-Unglaube, Zuwendung-Abfall von Gott, entspricht meinem Dafürhalten nicht dem Niveau der Bibel, "die" sehr wohl weiß, dass es für den Menschen in seinem Leben keine DIN-Norm, kein auf alle Situationen gleichermaßen anwendbares Gesetz gibt. Klarer Fall: Ehebrecherin den gottgegebenen Gesetzen in der Schrift zufolge steinigen. Das Gebot gilt und mein Gehorsam ist gefragt. Dann taucht aus dem Nichts, wie einst die Schlange am Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen, dieser seltsame Jesus auf und stellt meinem Gewissen eine merkwürdige Frage: Sollte Gott gesagt haben ...?
Alles nicht so einfach - Gott sei Dank.