PeB hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2019, 14:59Die Theologie hat meines Erachtens die Aufgabe, theologische Fragen zu beantworten und nicht historische.
Umso verwunderlicher wäre dann dein theologisches Wahrheitsdogma die Bibel betreffend, nämlich, dass sie von Gottes Eingreifen in der Geschichte, Wundern, Prophetie und übernatürlichen Phänomenen als tatsächlichen historischen Ereignissen "berichtet". Nicht ich sondern Du bist doch mit diesem Dogma auf historische Fragen fixiert - statt auf theologische. Der Vorwurf an Bultmanns dialektische Theologie ist doch gerade, dass er nicht alles in der Bibel als historische Ereignisse, sondern beispielsweise Wundergeschichten als mythologische Erzählungen betrachtet und die theologischen Fragen im Fokus hat. Dies übrigens nicht in der Historischen Theologie sondern in der Systematischen Theologie.
PeB hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2019, 14:59Du redest immer von der historischen Theologie (die es ebenso gibt, wie die Naturgeschichte) und ordnest sie methodisch der Theologie zu. Sie ist zwar dem Fach Theologie zugeordnet, methodisch ist sie aber eine historische Disziplin.
Die Theologien die dir nicht passen, sind keine Produkte der Historischen Theologie, sondern der Systematischen Theologie. Du verschubladest sie einfach nur falsch. Liberale Theologie (Ritschl, Harnack, Troeltsch ...) und dialektische Theologien (Bultmann, Barth, Gogarten ...) sind allesamt Systematische Theologien und keine Historischen Theologien. Die Historische Theologie entwickelt keine Theologien, sondern beschäftigt sich mit den Bibelwissenschaften, Altes und Neues Testament, Einleitungswissenschaft, Dogmengeschichte, Kirchengeschichte, Geschichte der Ökumene, Religionsgeschichte usw. Wie oft denn noch? Schau halt mal in ein Lexikon oder theologisches Fachbuch.
PeB hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2019, 14:59Daraus folgt: es bleibt dabei, dass die Geschichtswissenschaft die historischen Abläufe untersucht - ob sie das nun unter der Ägide einer Geschichtsfakultät oder einer theologischen Fakultät tu ist unerheblich. Methodisch ist es Geschichtswissenschaft. Sie gibt aber keine Antworten auf theologische Fragen.
Im Prinzip - Ja. Insofern aber Jain, da sie manche Auswüchse kirchlich gesteuerter Theologie und Dogmatik relativiert, einschränkt oder gar unmöglich macht. Das betrifft zum Beispiel auch dein Wahrheitsdogma über die Bibel, die
pauschal alle biblischen Erzählungen zu historischen Wahrheiten "erklärt": Angefangen bei der Schöpfung der Welt durch Gott, über "Adam" (Mensch) und Eva im "Paradies" (Garten Eden), über die Sintflut, die Verheißungen an Abraham, Isaak und Jakob, den Auszug aus Ägypten, die Landnahme usw. und so fort. Soweit Archäologie und Geschichtswissenschaften die biblischen Erzählungen bestätigen, klasse wissenschaftliche Beweise! Die Bibel hat doch recht. Aber falls sie zu Zweifeln Anlass gibt, ist viel Spekulation im Spiel, nix genaues weiß man nicht, Fehlertoleranzen, nur noch nicht ausgebuddelt, alles nur Hypothesen ...
PeB hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2019, 14:59Nach der Zerstörung Jerichos gefragt lauten also die (vermeintlichen und verkürzten) Antworten
- der Geschichtswissenschaft (auf entsprechender Quellenbasis): wir können keine Mauern feststellen, die angeblich zerstört werden konnten,
- der Theologie (auf entsprechender Quellenbasis): die Mauern Jerichos wurden durch das Eingreifen Gottes zerstört.
Ich weiß wirklich nicht, wie ich das noch deutlicher machen soll...
Was die historische Wahrheit ist, bestimmt doch deiner Meinung nach das Wahrheitsdogma bezüglich der Bibel. Basta. Also tatsächliche Mauern und tatsächlicher Trompetenschall und ein tatsächliches historisches Eingreifen Gottes, was zum Wunder dieses Mauerfalls und der Vernichtung Jerichos mit Mann und Maus führte. Lies mal den Finkelstein fertig, und mach es nicht einzig an den Mauern von Jericho fest. Sein Buch beruht auf tausenden von Daten aus vielen Ausgrabungen und Surveys und Ergebnissen aus den interdisziplinär involvierten Wissenschaften und aus der Historischen Theologie, die teilweise unabhängig voneinander zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind. Finkelstein fasst all das lediglich zusammen, und formuliert eine ihm plausible Deutung der Geschichte Israels. Das ist nicht der Weisheit letzter Schluss.
PeB hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2019, 14:59Andreas hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2019, 14:08Wie willst du denn Geschichte und Theologie in der Bibel auseinander dividieren. Glaubst du wirklich, dass das ginge - und falls ja - wie?
Methodisch.
So wie Bultmann das beispielsweise macht ... Eben. Oder wie sähe dein konkreter Vorschlag aus? Gib mal ein Beispiel. Dies eine Wort lässt mich so dumm wie vorher.
PeB hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2019, 14:59Andreas hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2019, 14:08Zeilinger stellt eine ganz andere Frage. Weil es zur Zeit der Abfassung noch gar keine Wissenschaft und Geschichtsforschung im heutigen Sinne gab, ist das für die Bibel im Selbstverständnis ihrer Autoren irrelevant. Besonders wenn man von Gott als Autor ausgeht!
Die Tatsache, dass es zur Zeit der Abfassung der Bibel noch keine (systematisierte) Wissenschaft gab, bedeutet aber nicht, dass die Menschen kein Hirn im Schädel hatten. Denken konnten sie trotzdem. Sie hatten einen anderen Zugang zur Welt und eine flexiblere Deutungsvarianz.
Möglicherweise einen mythologischen Zugang der in der Theologie ja bereits ausgiebig diskutiert wurde.
PeB hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2019, 14:59 Die unsrige ist eingeschränkter durch die Regeln der systematisierten Wissenschaften, was wissenschaftlich eine Notwendigkeit darstellt, aber gesellschaftlich folkloristisch als Erkenntnisexklusivität der Wissenschaften missverstanden wird.
Von mir jedenfalls nicht. Wie kommst du darauf?
PeB hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2019, 14:59Meine Auffassung lautet: die Interpretation der Bibel ist zwischen den Geschichtswissenschaften und den Glaubensauffassungen (um mal die Theologie außen vor zu lassen) strittig, aber unentschieden, da weder die Geschichtswissenschaft noch der Glaube eine etwaige "Wahrheit" beweisbar vorbringen kann. Beide Erkenntiswege stellen Modelle gemäß ihrer Betrachtungsperspektive vor.
Kenn ich aus dem Schach: Remi durch ewiges Nachdenken. Ich kann mir einen Standpunkt leisten, denn ich erhebe nicht den Anspruch, die Wahrheit zu verkündigen - oder sie mit der Bibel in der Hand zu halten.
PeB hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2019, 14:59Andreas hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2019, 14:08Der Punkt ist ein vollkommen unterschiedliches Geschichtsverständnis von damals und heute und von den Geschichtswissenschaften (Geschichte = ausschließlich Vergangenheit) und christlichen Theologien (Heilsgeschichte = Vergangenheit und Zukunft).
Das ist klar. Das ist die genannte Folklore. Ich könnte auch sagen: der gesellschaftliche Mainstream.
Weil ja der Mainstream meinen würde, die Geschichtswissenschaften untersuchen das heilsgeschichtliche Ende von Gottes Schöpfungswerk? Sei nicht albern. Der war gut!
PeB hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2019, 14:59So wenig auch sicher ist - in wissenschaftlicher wie in theologischer Hinsicht - eines kann ich dir aber SICHER für die Zukunft versprechen: das Geschichtsverständnis wird sich in 10, 100, 1000 Jahren auch wieder so weit geändert haben, dass du es deutlich vom heutigen unterscheiden kannst.
Und die Menschen in 10, 100, 1000 Jahren werden sich dann vielleicht auch arrogant über uns erheben und sagen: was für einen Bullshit haben die damals doch geglaubt.
Kann schon sein. Ja und?
PeB hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2019, 14:59Bitte, bitte: nicht diese überhebliche Haltung gegenüber Andersdenkenden aus anderen Zeitperioden.
Du trägst Eulen nach Athen. Ich habe mich hier im Forum schon des öfteren in diesem Sinne geäußert.
PeB hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2019, 14:59 Die Andersartigkeit des damaligen Denkens ist nicht die Folge eines damals unzureichenden Erkenntnisstandes, sondern Folge eines anderen Erkenntniszugangs und anderer Erkenntnisbereiche.
Das kann man zur Differenzierung wahrnehmen, aber man sollte es nicht im Sinne eines heutigen Wahrhaftigkeitsanspruchs gegenüber früher ausdeuten.
Den Wahrheitsanspruch erhobst du mit deinem Wahrheitsdogma und nicht ich. Ich habe nie behauptet die Wahrheit zu kennen. Das überlasse ich den Fundamentalisten und Biblizisten.