Thaddäus hat geschrieben: ↑Mi 20. Mär 2019, 19:33
Es gehört zum erkenntnistheoretischen Grundwissen, zu begreifen, dass es Erkenntnis (also das Feststellen von Tatsachen) nur geben kann, wenn die zur Diskussion stehende Aussage prinzipiell auch falsch sein kann.
Richtig - das gilt doch auch für Geglaubtes. - Es kann Gott geben oder es kann ihn NICHT geben - ontisch. - Dass man es nicht als Mensch falsifizieren kann, ist nicht ein Problem der Istigkeit, sondern des Menschen.
Thaddäus hat geschrieben: ↑Mi 20. Mär 2019, 19:33
So ist es eine Tatsache (also ein wahrer Sachverhalt), dass ich jetzt!(= in diesem Augenblick) exakt <ZahlX> angewachsene Haare auf dem Kopf habe.
Absolut - ich stimme Dir zu. - Bei nicht falsifizierbaren Dingen hieße Dein Satz: Wenn es Gott gibt, was wir nicht nachprüfen können, ist er ein wahrer Sachverhalt - und zwar JETZT.
Thaddäus hat geschrieben: ↑Mi 20. Mär 2019, 19:33In den Wissenschaften geht es stets darum Methoden zu finden, mit denen Tatsachen in Form wahrer Aussagen festgestellt werden können.
Damit deckt man aber nicht alles ab, was wahr sein kann, sondern man deckt es nur im Rahmen der methodischen Möglichkeiten der Wissenschaft ab. - Pragmatisch und physikalisch würde ich Dir zustimmen, geisteswissenschaftlich nicht.
Thaddäus hat geschrieben: ↑Mi 20. Mär 2019, 19:33
Selbstverständlich müssen auch ein Muslim oder ein Shinto-Priester die Methoden der Physik oder eben auch der historisch-kritischen Forschung prinzipiell erlernen und anwenden können.
Soweit einverstanden, ABER: Ein Muslim oder ein Shinto-Priester muss die Möglichkeit bekommen, meta-physishe Fragen (die in Geisteswissenschaften/Theologie gelegentlich vorkommen) mit ihren jeweiligen hermeneutischen Vorannahmen zu untersuchen. - Es scheint hier gelegentlich das Missverständnis zu geben, dass hermeneutische Vorannahmen Forschungs-Gegenstand sein - sind sie NICHT.
Mit anderen Worten:
NACH Installierung der Vorannahmen (egal ob per Muslim, Shinto, historisch-kritischen Exegeten, biblisch-kritischen Exegeten, feministischen Exegeten, Atheisten, Veganer, Vulkanier) muss die eigentliche Forschungs-Ebene methodisch "für jeden Menschen verbindlich sein, als er sie
vernünftig nachvollziehen können muss, völlig unabhängig davon, woher dieser Mensch kommt, welche Hautfarbe er hat, welches Geschlecht, welche sexuellen Präferenzen oder welche religiösen Präferenzen". - Die Attitüde, der Eine habe keine Vorannahmen, der andere aber schon, ist mindestens naiv.
Zum Wort "
Vernunft": Es ist zu klären, ob man "Vernunft" anthropogen oder universal (für Christen alias theogen) versteht. - Versteht man es anthropogen, ist das intern gut, aber ontologisch schwach - wobei wir schon einmal darüber gesprochen haben, dass "ontologisch" sehr unterschiedliche definiert wird - ich verstehe darunter ganz mit wik die philosophie, die sich mit den Grundstrukturen der Wirklichkeit befasst - hehe, wobei ich unter "Wirklichkeit" das verstehe, was in der physischen oder meta-physischen Welt der Fall ist, egal ob wir es wissen (können) oder nicht. - Auch hier gibt es vermutlich Definitions-Streit.
Thaddäus hat geschrieben: ↑Mi 20. Mär 2019, 19:33Jede Form des Offenbarungswissen ist dabei jedoch ausgeschlossen, nicht, weil solches Offenbarungswissenin von vornherein und in jedem Falle falsch sein muss, sondern weil es methodisch unmöglich ist, Offenbarungswissen zu überprüfen. Wenn es aber prinzipiell keine Möglichkeit der Überprüfung gibt, kann eine Vorannahme nicht wissenschaftlich sein.
Hier wiederspreche ich, weil dies wissenschafts-philosophisch nicht zwingend ist UND weil man damit Humboldt samt seinem Universitas-Verständnis rauskickt.
Natürlich kann man sich damit durchsetzen - nur wird man mit dem, was man per Wissenschaft in Deinem Sinne in der Geisteswissenschaft macht, oft nicht an die Substanz kommen. - Mit anderen Worten: Es würden sofort Bildungs-Einrichtungen entstehen, die sich vielleicht ""Humboldtsche Universitäten" nennen würden, in denen "Arts" gelehrt werden würden - vielleicht würde man ja auf die alte Bezeichung "Artes" zurückgreifen. - Oder anders: Mit Deiner Auffassung teilt man die heutigen Universitäten in MINT- und Artes-Hälften auf - wobei ich nicht bezweifeln will, dass es innerhalb der Artes keine überprüfbaren Vorannahmen gäbe. - Aber es ist nicht zwingend.
Thaddäus hat geschrieben: ↑Mi 20. Mär 2019, 19:33Jede Form des Offenbarungswissen ist dabei jedoch ausgeschlossen, nicht, weil solches Offenbarungswissenin von vornherein und in jedem Falle falsch sein muss, sondern weil es methodisch unmöglich ist, Offenbarungswissen zu überprüfen.
Das ist nicht das Problem der Sache, sondern des Menschen - also ontisch vollkommen irrelevant. - Wie gesagt: Wenn sich "wissenschaft sensu Thaddäus" durchsetzt, muss sie in diesem selbstgestzten Rahmen bleiben - dann darf sie sich aber nicht wundern, wenn sie in Geisteswissenschaften/Theologie nur noch als Hilfs-Wissenschaft behandelt wird.
Deshalb (und so haben wir es echt vor 40 Jahren gelernt):
Forschung in Geisteswissenschaft = intersubjektiv nachvollziehbare logische Begründungen von Beobachtetem auf Basis von Vorannahmen, die selbst NICHT Gegenstand der Forschung sind, aber notwendig, um die darauf basierende Forschung interpretativ auszurichten. - Forschung als intersubjektiv nachvollziehbares Was-wäre-wenn. - Alternative: Massive Einschränkung der Wissenschaft in geisteswissenschaftlichen Bereichen.