PeB hat geschrieben: ↑Fr 1. Feb 2019, 06:50
Andreas hat geschrieben: ↑Fr 1. Feb 2019, 00:06
Zurück zum Turmbau zu Babel: Entstehung erster Stadtkulturen in dem Gebiet "Fruchtbarer Halbmond": Okay, da gehe ich mit dir mit, von der Geographie her, und was den groben Zeitrahmen angeht von mir aus auch - wenn ich wohlwollend ganz fest beide Augen zudrücke, was die Erschaffung des Menschen im Jahre 3761 v.Chr. und Noahs achtköpfiger Familie im Jahre 2105 v.Chr. betrifft.
Du musst keine Augen zudrücken. Geografie und Zeitrahmen passen wie Faust auf's Auge.
PeB hat geschrieben: ↑So 27. Jan 2019, 16:50
Damit definiert die Bibel den Menschen als das Wesen, das Landwirtschaft betreibt, sesshaft ist und Städte baut. Dieses Wesen ist tatsächlich zwischen dem 8. und dem 5. Jahrtausend entstanden.
Sorry, schlappe 3000 Jahre Differenz zwischen der biblischen "Überlieferung" und wissenschaftlichen Erkenntnissen kann ich nur mit geschlossenen Augen ignorieren. Das ist so ein angeborener Reflex, um den Schaden zu begrenzen, wenn sich eine Faust dem Auge nähert.
Außerdem schließt die Bibel eine Menschheit vor dem Jahr 3761 v.Chr. kategorisch aus und erwähnt diese nicht nur nicht, wie du behauptest. Wenn man das so wie es dasteht nicht glauben kann oder will, sollte man erklären können, welche ganz bestimmten Menschen das Ziel des alttestamentlichen Gottes bei seiner Schöpfung waren.
Das hieße allerdings das AT konsequent aus jüdischer Perspektive zu lesen und zu deuten. Das geht. Das geht sogar sehr gut, wenn nicht sogar besser. Viele Freunde unter den Christen wird man damit allerdings nicht mehr finden, denn damit wäre nicht mehr Jesus Christus die Mitte "der" Heiligen Schrift, wie es wir Christen es uns meist lehren. Wir sind ja gefordert umzudenken, und mit einer gewissen jesuanischen Flexibilität in Hirn und Herz könnte es vielleicht sogar gelingen, die historische Situation einigermaßen zu erfassen, aus der heraus Jesus sagte:
Mk 1,15 hat geschrieben:Erfüllt ist die Zeit, und nahe gekommen ist das Reich Gottes. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!
PeB hat geschrieben: ↑Fr 1. Feb 2019, 06:50
Andreas hat geschrieben: ↑Fr 1. Feb 2019, 00:06
Einfach das Nibelungenlied und die Bibel gleichzusetzen, finde ich allerdings nicht in Ordnung, weil die Bibel einen sehr großen Zeitraum beschreibt.
1. nicht "einfach"
2. nicht "gleichsetzen", sondern als Genre vergleichen
Das ist, als wollte man Äpfel mit Lebensmitteldiscountern vergleichen. Und zu welchem Ergebnis kommst du bei deinem Vergleich? Gleiches Genre oder unterschiedliches Genre? Zu welchem Genre zählst du das Niebelungenlied und zu welchem Genre die Bibliothek Bibel?
PeB hat geschrieben: ↑Fr 1. Feb 2019, 06:50
Andreas hat geschrieben: ↑Fr 1. Feb 2019, 00:06
Andersherum: Adam, Noah, Abraham, Jakob (Israel), Isaak, Mose, Joshua, Debora, Abimelech ... ab wann wird's historisch?
Genau das wäre zu untersuchen.
Als wenn das nicht längst geschehen würde. Wie wär's damit?
Bei der Turmbauerzählung zu Babel ging es nicht darum ein bestimmtes Geschehnis zu berichten auch nicht ein solches zu überliefern, sondern eine Lehre zu vermitteln. Dazu bediente man sich "großzügig" in der Geschichte, vielleicht ein wenig bei dem überaus brutal kriegführenden Sargon dem II des 8. Jahrhunderts v.Chr., der während dem Bau seiner neuen Hauptstadt Dur-Sarrukin in einer Schlacht irgendwie tödlich "abhanden" kam und deshalb nicht einmal standesgemäß beerdigt werden konnte und seinem Nachfolger Sanherib, der diese Stadt ("Burg des Sargon") nicht vollendete.
Andererseits bediente man sich ein wenig bei der eigenen Exilsgeschichte des 6. Jahrhunderts und kombinierte das eine mit dem anderen ohne sich daran zu stören, dass Sargon der II. mit Babylon nichts zu tun hatte, außer dass er versuchte es zu erobern, das aber wohl nicht schaffte. Die Lehre und nicht die Geschichte steht im Vordergrund. Historisch und zeitlich passt da gar nichts wie die Faust aufs Auge zur biblischen Zeitrechnung und "Berichterstattung". Die Lehre ist "unhistorisch" kurz und knapp in 9 Versen vermittelt, viel eingängiger, als wenn man die historischen Hintergründe, derer man sich frei Schnauze bedient hat, den künftigen Generationen lang und breit erzählt hätte.
Wenn du von künftigen Generationen sprichst, stellt sich automatisch die Frage der Entstehungszeit dieser Erzählung. Wann meinst du, ist sie entstanden, bzw. wann hat sie als fertiggestellt abgesegnet Eingang in den Kanon gefunden?
Weil es mich interessiert, wen du damit meintest, als du von den künftigen Generationen gesprochen hast, für die diese "Gegebenheiten" tradiert werden.
Das Genre der Urerzählung ist sicher nicht: Geschichtsdoku. Überlieferung kann sich höchstens auf die Texte selbst beziehen, denn das, was in ihnen inhaltlich an "Geschehnissen" hergestellt wurde, ist so nie geschehen und als Genre würde ich das "fiktionale Lehrerzählung" nennen. Den Wahrheitsgehalt dieser theologischen Lehre schätze ich sehr, und da spielt es für mich keine Rolle, ob und wie Gott etwas bewerkstelligt hat, das so nie geschehen ist. Die Bibel ist keine Gottesdoku die ich wissen muss, sondern meine Glaubensgrundlage und deswegen stört es mich auch nicht im geringsten, dass Mose als Autor und Überlieferer der Tora raus ist, wenn ich aus vielerlei Gründen zu dem Schluss komme, dass der letztendliche Sinn von Gen 1-11 nachexilisch festgeschrieben wurde.
PeB hat geschrieben: ↑Do 31. Jan 2019, 20:45
Nun, ein Ausgrabungsbericht folgt den Regeln der wissenschaftlichen Berichterstattung.
Die Überlieferung folgt den Regeln der Überlieferung, ganz unabhängig davon, ob ich hier von der Bibel oder vom Nibelungenlied rede.
Aber bleiben wir beim zweiten Beispiel. Gut, ich gebe dir recht, dass man das Nibelungenlied oder auch die Ilias nicht als einen Bericht in einem modernen, wissenschaftlichen Sinn verstehen darf.
Aber den Überlieferern ging es primär darum, bestimmte Geschehnisse im Gedächtnis der Menschen wachzuhalten, indem sie sie berichteten. Von daher mag der Begriff "Bericht" irreführend sein, aber ich verstehe ihn gemäß dem Anliegen der Überlieferer. Wir können aber auch einen anderen Begriff verwenden.
In der Urerzählung gibt es kein einziges Geschehnis, das man im Gedächtnis der Menschen wachhalten könnte, weil nichts davon wirklich geschehen ist - abhängig natürlich davon, welches Genre man der Urerzählung zuweist.
Da du das Nibelungenlied und die Ilias ins Spiel brachtest, wirst du mir vermutlich zustimmen, wenn ich sage, dass das Essen vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen von Adam und Eva im Garten Eden niemals ein Geschehnis war und es auch nicht dadurch wird, dass da zwei Namen von Flüssen genannt werden, die es in Wirklichkeit schon "damals" gab. Denn dieses beschriebene "damals" gab es niemals. Es geschah auch nicht "dort". Das ist eine erfundene Lehrerzählung, die sich tief in "unser" Gedächtnis eingeprägt hat. Diese Erzählung beschreibt aber kein Geschehnis, an das sich jemals jemand erinnert haben könnte. Adam und Eva haben nie gelebt, niemals ein Gebot übertreten, sich niemals von Gott abgewendet, niemals Sünde, Schuld oder gar den Tod in die Welt gebracht und niemals Kinder gezeugt. Welche Bedeutung haben also diese ganzen Geschlechtsregister in der Urerzählung, wenn es sich bei vielen dieser literarischen Figuren nicht um Menschen aus Fleisch und Blut handelt?
Deshalb wiederhole ich meine Frage:
Wie passt die Turmbauerzählung in den Kontext der Urerzählung und ihren unmittelbaren Kontext: diese beiden Geschlechtsregister unmittelbar vor und nach der Turmbauerzählung? Darüber haben wir immer noch nicht geredet. Über die übrigen Geschlechtsregister davor und die späteren nach diesen auch nicht. Die haben bestimmt nicht den Sinn, die Leser zu langweilen, sondern spielen eine wichtige Rolle, um den Sinn der zwischen ihnen liegenden Erzählteile zu erfassen.
PeB hat geschrieben: ↑Fr 1. Feb 2019, 06:50
Andreas hat geschrieben: ↑Fr 1. Feb 2019, 00:06
Also was ist mit dem Rest dieser Erzählung, vor allem mit den Teilen die historisch nicht so recht passen?
Es ist eine Erzählung vor einem historischen Hintergrund mit einer moralischen Intention. So wie auch die Ilias oder das Nibelungenlied.Wie deutest du die Ermordung Siegfrieds durch Hagen?
Ganz anders als biblische Erzählungen, da mir diese nicht als Glaubensgrundlage dienen. Moralische Lehren sind mir bei der Bibellektüre einfach zu wenig für mein Glaubensleben. Da kommt meine spirituelle Irrationalität zu kurz. Die gehört zu meinem Selbs- bzw. Menschenbild und zu meinem Glauben einfach dazu.
Und was ist deiner Meinung nach die Moral von der Geschicht? Vor lauter Ringen darum, die Bibel gleichberechtigt zu anderen historischen Dokumenten als historische Quelle ernst zu nehmen, hast du immer noch nicht verraten, was denn die Moral von der Turmbaugeschichte ist. Oder ist mir das irgendwie entgangen?
BTW:
"War das sein Horn?" Leider Geil!
Auch das ist übrigens keine moralische oder rationale Aussage. Trotzdem eine andere Baustelle als der Glaube.