Versagt die Evolutionstheorie? II

Evolution vs. Schöpfung Debatte, Alter der Erde
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Anton B.
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#431 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von Anton B. » Sa 6. Okt 2018, 14:45

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Welches Wissen soll das sein? Was genau ist die im Wissen vertretene Aussage?
Das wird ja medial nicht gesagt. - Medial wird ein bestehendes Wort ("Geschlecht"), von dem man weiß, wie es alltagssprachlich besetzt ist, im Verständnis eines wissenschaftlichen Modells weitergegeben und diese neue Besetzung als "wissenschaftliche Wahrheit" alias "Wirklichkeit" etikettiert (= "Was Du, Hans Muff, bisher geglaubt hast, ist falsch") - das Verhältnis von Modell und Wirklichkeit, so wie Du es immer beschreibst, wird ohnehin nicht thematisiert - das wissen nicht einmal Medien-Profis.
"Was Du, Hans Muff, bisher geglaubt hast, ist falsch" ist eben nicht der Vorwurf an Hans Muff. Es ist das: "Du meinst zu wissen, weißt aber nicht." "Glauben" und "Wissen" jeweils im philosophischen, engen Sinne, verwendet. Hans Muff ist überhaupt nicht qualifiziert, über Wissenschaft zu sprechen, weiß es aber nicht.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Das Problem entsteht, wenn er anfängt, zu hinterfragen.
Richtig - aber WO hinterfragt er? - Er hinterfragt NICHT bei Themen der "Artes Mechanicae" ("Ich hinterfrage, dass der Jura aus Kalkstein besteht") - das will er gar nicht beurteilen können. - Er hinterfragt ebenfalls nicht, dass das Wasserkraftwerk x eine Energie y erzeugen kann - so etwas glaubt man (tue ich genauso - ich kann es doch gar nicht nachprüfen).
Da liegst Du falsch: Widerlegen nicht andauernd hier in 4religion.org Mitforisten mit sachlichen Begründungen -- EIgenanspruch: wissenschaftlich korrekt -- die ET? Führen andere Foristen nicht physikalisch begründete Argumente (9/11-Turm-Holzmodell!) bezüglich dem Einsturzgeschehen um die Türme an? Werden die radiometrischen Alter von Gesteinen und anderen Objekten nicht mittels physikalischer und chemischer Argumentation widerlegt?

Wie sven23 es treffend festgestellt hat, die Grenze ist fließend. ET ist ersteinmal ein Ausfluss der "Artes Mechanicae". Nicht mehr und nicht weniger. Für den ein oder anderen Menschen wird dies aber zu einer Ursprungsfrage, die sein eigenes Selbstverständnis und sein Verständnis der Welt in Frage stellt. Er könnte jetzt nach Abgrenzungen, nach den Ansprüchen des wissenschaftlichen Wissens forschen und Ordnung in die verschiedenen Kategorien bringen. Oder er schüttelt die Kategorien inhaltlich schön durcheinander, sieht dann Ansprüche auf "Wahrheit", die so nicht kategoriell gegeben sind und zielt gleichzeitig ohne jedes Fachwissen in die wissenschaftliche Begründungsstruktur.

Nein, Hans Muff ohne "Wissen" sensu stricto sieht sich da involviert, wo er sich persönlich betroffen sieht. Das treibt ihn zum Kritiker wissenschaftlicher Begründungen, ob der Sozial- oder Naturwissenschaften. "Artes Mechanicae", aber auch Theorien der Sozialwissenschaften, bleiben nur dann außen vor, wenn Hans Muffs Gedankenwelt damit nicht direkt oder indirekt in Konflikt gerät.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Sozusagen, wenn Hans Muff mündig wird.
Richtig - genauso fühlt sich dann Hans Muff: "Ich bin aufgeklärter als der obrigkeits- (alias Wissenschafts-/Social-Correctnes.) Mainstream.
Ja. Nur ist Hans Muff dann "mündig" in dem Sinne, dass er sich ais autarke Person begreift, die sich äußern darf. Leider hat er aber den schwierigeren Teil der Mündigkeit, sich nämlich auch über seine eigenen Grenzen klar zu werden, nicht bewältigt.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:aber die Grundlagen -- das heißt die Begründungsstruktur für wissenschaftliche Aussagen -- weder rezipieren, noch nachvollziehen kann.
Das kann doch der gläubige Mainstream genausowenig, nur dass er sich wie ein Schaf ausliefert!
Kommt darauf an. Wie begründen sie ihre "Gläubigkeit"? Das ist eine der Kernfragen. Anton B. ist weder Kernteilchen-Physiker noch hat er sich mal im CERN umgeschaut und in seinem Kellerlabor im Experiment noch keine 2 Kernteilchen kollidieren lassen. Was "glaubt" (im weiten Sinne) Anton jetzt? Dass die Quantenmechanik Wirklichkeit im closs'schen Sinne wiedergibt? Dass die Herren Physiker ein Verschwörungsprojekt durchziehen und das alles Murks ist? Dass die Quantenmechanik eine seriöse wissenschaftliche Theorie ist? Wie kann er das ein oder andere begründen?

Das sind Fragen, deren Antworten Hans Muff von dem Menschen unterscheiden, der um sein in der Tiefe begrenztes Nicht-Wissen weiß, sich trotzdem aus welchen Gründen auch immer, positionieren muss.

closs hat geschrieben:Wenn Wissenschaftliches an die Öffentlichkeit dringt, muss es erklärt werden ("Wie sieht die Begründungsstruktur aus, welcher "Diskurs" wird in der Wissenschaft darüber gerade geführt?") - ansonsten hat es in Publikums-Medien nichts zu suchen.
Wenn es ein Angebot an interessierte und fachlich zum Verständnis ausreichend bewanderte ist, eben nicht. Wenn Du der Meinung bist, Du müsstest es verstehen, kannst es aber nicht, dann musst Du Dich bei dem Autor beklagen und mit ihm eine diesbezügliche Diskussion führen. Einfach einen Anspruch zu definieren, der dann von außen nicht erfüllt wird, hat noch nie viel bewegt.

Das von Dir angesprochene Problem des Hans Muff, nämlich dass er liest und "versteht", das aber, wenn er zur Verständnisprüfung zitiert wird, sich als Nicht-Verstehen erweist, sehe ich weiterhin als sein persönliches Problem. Wenn er keinerlei kritisches Bewusstsein für seine eigene Verständnissituation hat, er nicht in der Lage ist, Alarmsignale wahrzunehmen, dann läuft er Gefahr, zum "Dunning-Kruger" zu werden.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Und die wissenschaftliche Einsicht, warum das eine denn nun womöglich gut sein soll, die wird er wahrscheinlich nicht erlangen können.
Möglicherweise wird umgekehrt der Verfasser dieser wissenschaftlichen Einsicht nie begreifen können, warum das Modell, auf Basis dessen er seine Ergebnisse ermittelt hat, in Bezug auf die Wirklichkeit falsch ist. - Wer der beiden ist aufgeklärter?
Eine Frage, die unterstellt! Die Wirklichkeit in Deinem Sinne interessiert wissenschaftlich nicht. Und sich auf eine solche Wirklichkeit zu berufen und damit zu argumentieren zeigt dagegen, dass die Aufklärung mit all ihren Erkenntnissen verpennt wurde.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Aber womöglich ist es das, wo Du den armen Hans Muff hintreibst.
Doch nicht "ich". - Das ist doch gerade MEIN Vorwurf an die mediale Vermittlung von Wissenschaft - und nicht nur der Wissenschaft.
Doch! Du treibst ihn dahin. Mit Deinem nicht einlösbarem Anspruch an das "Wissen" und noch weiter gehend auch noch der Äquivalenz des Wissens mit Deiner Wirklichkeit.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Das Problem des Skeptikers, nachdem er alles, was ihm als sicheres Wissen über die Welt präsentiert wurde, elegant zerlegt hat: Er selber weiß nichts!
Richtig - aber genau das gibt er auch zu (Aber die das tun, sind keine Hans Müffer).
Genau. EIne gute Aussage. Nur muss klar sein, dass eben weder der Skeptiker noch Hans Muff in ihren extremen Ausprägungen die Lösung unserer Erkenntnisprobleme darstellen. Und wir benötigen Erkenntnis, um erfolgreich zu überleben.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Sich dessen bewusst zu sein, weder die Flinte in das Korn zu schmeißen und sich auch nicht mit Gedankeneskapaden wie "der" Wirklichkeit an einen vermeintlich sicheren Rettungsanker einer angeblich objektiv begründbaren Gewissheit anzubinden, das meint "Sapere aude" als Leitspruch der Aufklärung.
Wie gesagt: In Bezug auf die Artes Mechanicae wirst Du damit keine Probleme mit Hans Muff bekommen.
Alles schon passiert. Hier im Forum nachzulesen.

closs hat geschrieben:Einen ganz anderen Themenkomplex jenseits von Wissenschaft haben wir überhaupt noch nicht angesprochen: Die Routine der Täuschung durch Medien, Parteien, Werbung, etc. --- Letztlich läuft das all hier Besprochene hinaus auf: "Man kann niemandem mehr glauben". - Diese Einsicht wird als Aufklärung verstanden.
Das ist aber die des "Skeptikers". Das ist das Gegenteil von Hans Muff, der für sich und für andere "weiß", was Unsinn und Sinn ist. Der aber dann schwächelt, wenn genau nachgefragt wird.

Die Einsicht der Aufklärung ist: Der Mensch ist sicher für sein Wissen verantwortlich, kann aber sicher nichts wissen. Lieber Mensch, bitte wurschtele Dich da vernünftig durch.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#432 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von closs » Sa 6. Okt 2018, 18:03

sven23 hat geschrieben:Wo ist die Grenze zwischen einem Schuß gesunder Skepsis und Verschwörungtheorien?
Diese Grenze ist unscharf. - Je nach Interesse nennt man beim Andersmeinenden einen Schuß gesunder Skepsis "Verschwörungstheorie".

sven23 hat geschrieben:Zwar sind Verschwörungstheorien auch Zeichen eines Vertrauensverlustes in die staatlichen Institutionen und die gesellschaftlichen Eliten im allgemeinen, aber im Grunde tauschen Verschwörungstheoretiker nur eine Autorität durch eine andere aus, der sie glauben, blind Vertrauen zu können, ohne Skepsis. Darin liegt ihr Kardinalfehler.
Verschwörungs-Theoretiker sind nicht das Problem - es sei denn, man legt dieses Wort weit aus. - Tut man es, sind diejenigen "Verschwörungstheoretiker", die aus dem konkreten Chemnitz-Video eine "Hetzjagd" machen. - Wir sollten Begriffe wie "Verschwörungstheorien" enger fassen - nicht immer gleich verbal inflationär werden.

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#433 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von sven23 » Sa 6. Okt 2018, 18:42

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wo ist die Grenze zwischen einem Schuß gesunder Skepsis und Verschwörungtheorien?
Diese Grenze ist unscharf. - Je nach Interesse nennt man beim Andersmeinenden einen Schuß gesunder Skepsis "Verschwörungstheorie".
Es geht weniger darum, eine andere Meinung zu haben, sondern darum, nur ganz selektiv die Argumente zur Kenntnis zu nehmen, die für die eigene Darstellung sprechen. Auch dann, wenn diese widerlegt sind.
Aber das kommt einem closs sicher nicht ganz unbekannt vor. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Zwar sind Verschwörungstheorien auch Zeichen eines Vertrauensverlustes in die staatlichen Institutionen und die gesellschaftlichen Eliten im allgemeinen, aber im Grunde tauschen Verschwörungstheoretiker nur eine Autorität durch eine andere aus, der sie glauben, blind Vertrauen zu können, ohne Skepsis. Darin liegt ihr Kardinalfehler.
Verschwörungs-Theoretiker sind nicht das Problem
Sie können schon zu einem Problem werden. Siehe Neonazis, Identitäre, Reichsbürger und Co.
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#434 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von Anton B. » Sa 6. Okt 2018, 18:56

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wo ist die Grenze zwischen einem Schuß gesunder Skepsis und Verschwörungtheorien?
Diese Grenze ist unscharf. - Je nach Interesse nennt man beim Andersmeinenden einen Schuß gesunder Skepsis "Verschwörungstheorie".
Es geht weniger darum, eine andere Meinung zu haben, sondern darum, nur ganz selektiv die Argumente zur Kenntnis zu nehmen, die für die eigene Darstellung sprechen. Auch dann, wenn diese widerlegt sind.
Etwas anders formuliert: Es kommt darauf an, ob man die Theorie als Individuum bzw. genauso im gesellschaftlichen Kontext -- der closs wird es vermutlich nicht gerne hören -- kritisch-rational handhaben kann.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#435 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von closs » Sa 6. Okt 2018, 21:25

Anton B. hat geschrieben:Hans Muff ist überhaupt nicht qualifiziert, über Wissenschaft zu sprechen, weiß es aber nicht.
So, wie DU Wissenschaft darstellst, hast Du sicherlich recht. Denn Deine Auffassung bildet sogar innerhalb von Wissenschaftlern nicht die Regel ab - denn es gab hier im Forum mehrfach von Wissenschaftlern die Aussage, dass methodisch gesicherte Ergebnisse die Wirklichkeit abbilden würden und basta.

Hans Muff verbindet mit "Das sagt die Wissenschaft" automatisch "Hier wird beansprucht, dass es in Wirklichkeit so IST" - insofern ist er nach Deinen Worten "nicht qualifiziert" (und das meine ich gar nicht ablehnend, da ich Deine Begründungen dazu durchaus hochschätze, weil damit (m)ein ontologisches Problem gelöst ist). - ABER: Dann darf man dem Hans Muff keine wissenschaftlichen Ergebnisse servieren, da er sie falsch verstehen MUSS.

Nehmen wir eingeführte Beispiele:
Bei der wissenschaftlichen Aussage "Es gibt unendlich viele Geschlechter" kann man, so diese Aussage die Öffentlichkeit erreicht, medial fair kommentieren wie etwa: "Wir haben die Studie überprüft/überprüfen lassen - sie ist handwerklich korrekt. - Aber natürlich ist damit nicht gemeint, dass es kreuz und quer im Lande massenhaft Menschen mit 2 oder einem halben oder 3 Pimmel gibt - oder Menschen mit diagonal oder horizontal oder gar am Rücken angeordneter Vagina gibt. - Gemeint damit ist, dass das ganze Spektrum zwischen "standard-männlich" und "standard-weiblich" wissenschaftlich untersucht wurde und Abweichungen resp. Zwischenformen untersucht und benannt wurden. - Also macht Euch keine Sorgen um Euer Standard-Bild - das ist schon richtig". - Dann sagt Hans Muff: "Ach so - das klingt jetzt vernünftig - für irgendwas wird es wohl gut sein, sonst würde man sowas nicht untersuchen" (Da ist Hans Muff also sogar großzügig)

Oder bei der wissenschaftlichen Aussage "38% inländischer Muslime sind extremistisch" kann man, so diese Aussage die Öffentlichkeit erreicht, medial fair kommentieren wie etwa: "Wir haben die Studie überprüft/überprüfen lassen - sie ist handwerklich korrekt. - Aber natürlich ist damit nicht gemeint, dass 38% der inländischen Muslime aggressiv gegen den Staat eingestellt sind oder gar Gewalt gegen den Staat erwägen. - Gemeint damit ist, dass von den Wissenschaftlern "extremistisch" so definiert wurde, dass Menschen, die über ihre Religion göttliche Gesetze über staatliche Gesetze stellen, als "extremistisch" zu bezeichnen sind. - Es betrifft also auch gleichermaßen Juden und Christen, die in Torah und Bibel göttliche Gesetze kennen, die über staatlichen Gesetzen stehen". - Dann sagt Hans Muff: "Ach so - das klingt jetzt vernünftig - für irgendwas wird es wohl gut sein, sonst würde man sowas nicht untersuchen" (Da ist Hans Muff also sogar großzügig).

Wenn Hans Muff kritisch ist, fragt er: "Warum zum Teufel müssen die Wissenschaftler ihre Arbeiten veröffentlichen (lassen), wenn sie doch wissen müssen, dass ihr Studienaufbau (hier: Wort-Definitionen) komplett am Alltagsverständnis eben dieser Worte vorbeigehen?

Anton B. hat geschrieben:Da liegst Du falsch: Widerlegen nicht andauernd hier in 4religion.org Mitforisten mit sachlichen Begründungen -- EIgenanspruch: wissenschaftlich korrekt -- die ET?
Daran hatte ich NICHT gedacht - hier liegst Du richtig. - Aber mir scheint, dass diese Art von Widerspruch nicht typisch für Hans Muff ist. - Hans Muff reagiert dann, wenn etwas mit seinem Lebensumfeld und seiner Lebenserfahrung massiv kollidiert - dazu gehören Kreationismus-Diskussionen eher nicht.

Anton B. hat geschrieben:Hans Muff ohne "Wissen" sensu stricto sieht sich da involviert, wo er sich persönlich betroffen sieht.
Genau so ist es.

Anton B. hat geschrieben:Das treibt ihn zum Kritiker wissenschaftlicher Begründungen, ob der Sozial- oder Naturwissenschaften. "Artes Mechanicae", aber auch Theorien der Sozialwissenschaften, bleiben nur dann außen vor, wenn Hans Muffs Gedankenwelt damit nicht direkt oder indirekt in Konflikt gerät.
Richtig - der Punkt ist: Hans Muff könnte mit seiner Haltung in Bezug auf die Wirklichkeit öfter Recht haben, als es denen recht sein kann, die Hans Muff als "unaufgeklärt" bezeichnen, weil sie nicht mitziehen. - Siehe obige Beispiele - und das sind nicht die einzigen.

Anton B. hat geschrieben:Nur ist Hans Muff dann "mündig" in dem Sinne, dass er sich ais autarke Person begreift, die sich äußern darf. Leider hat er aber den schwierigeren Teil der Mündigkeit, sich nämlich auch über seine eigenen Grenzen klar zu werden, nicht bewältigt.
Das gilt in noch viel höherem Maße den wissenschaftlichen bzw. den Wissenschafts-SCheinversteher-Hans Muffs!!! - Es gibt - auch hier im Forum - (ich habe es bereits angedeutet) ständig argumentative Bestrebungen, "methodisches Ergebnis" und "Wirklichkeit" gleichzustellen. - Noch mehr: Es gibt ähnliche Bestrebungen, das, was NICHT wissenschaftlich nachweisbar sei, nicht als Wirklichkeit für möglich zu halten. - Man baut sich also seine Welt, die man den Hans Muffs als die einzig aufgeklärte verkaufen will. - Deshalb mein "Orwell-Neusprech-Vorwurf" an die Vertreter solcher Weltanschauungen.

Anton B. hat geschrieben:Das sind Fragen, deren Antworten Hans Muff von dem Menschen unterscheiden, der um sein in der Tiefe begrenztes Nicht-Wissen weiß, sich trotzdem aus welchen Gründen auch immer, positionieren muss.
"Positionieren" ist ja nun wirklich nicht schlecht - aber man kann die Vorbehalte seiner Positionierung benennen - wenn man sie kennt!!!! - Aber genau das ist in der Regel NICHT der Fall - man zieht sein Mittelmaß durch, von dem man weiß, dass man nicht anecken wird.

Anton B. hat geschrieben:Wenn es ein Angebot an interessierte und fachlich zum Verständnis ausreichend bewanderte ist, eben nicht.
DANN nicht - aber wann kommt das schon vor? - Vielleicht in Sachtiteln, aber doch nicht in den meinungsbildenden MEdien.

Anton B. hat geschrieben:Wenn Du der Meinung bist, Du müsstest es verstehen, kannst es aber nicht, dann musst Du Dich bei dem Autor beklagen und mit ihm eine diesbezügliche Diskussion führen.
Solange es in der PM oder sonstwo steht, stört mich das nicht (dort kann es nicht viel anrichten)- wenn es in allgemein meinungsbildenden oder in Wissenschafts-Sendungen kommt, dann schon. - Habe ich persönlich übrigens über die Jahre schon in Medien gemacht - das Ergebnis war meistens, dass der Wissenschafts-Redakteur den Unterschied zwischen "methodischem Wissen" und "Wirklichkeit" ÜBERHAUPT nicht verstanden hat . - Vergiß es.

Anton B. hat geschrieben:Das von Dir angesprochene Problem des Hans Muff, nämlich dass er liest und "versteht", das aber, wenn er zur Verständnisprüfung zitiert wird, sich als Nicht-Verstehen erweist, sehe ich weiterhin als sein persönliches Problem. Wenn er keinerlei kritisches Bewusstsein für seine eigene Verständnissituation hat, er nicht in der Lage ist, Alarmsignale wahrzunehmen, dann läuft er Gefahr, zum "Dunning-Kruger" zu werden.
Du stellst das meines Erachtens falsch dar. - Um es auf den Punkt zu bringen: Wissenschaftliches hat nicht der breiten Öffentlichkeit ohne Erklärung zugänglich gemacht zu werden. - Den schwarzen Peter auf den Rezienten zu schieben ("Dein Problem, wenn Du nicht wie Anton erkannt hast, was Wissenschaft eigentlich ist"), halte ich nicht für redlich. - Davon abgesehen, dass die Wissenschafts-Mediatoren "Medien" oft einen derartigen Stuss reden, dass das auch schon wieder egal ist. - Und das soll das Problem von Hans Muff sein? - Zwei extrem gekürzte Beispiele:

1) Bei Nahtod-Erlebnissen sei nachweisbar, dass es noch neuronale Aktivitäten gäbe ("Wissenschaft" - ok) - DESHALB seien Nahtod-Erlebnisse keine spirituellen Gottes-Erfahrungen, sondern ganz normale Halluzinationen (oä).

2) Es ist nachgewiesen, dass es zum Urknall keine Zeit gab, sondern diese sich erst ganz kurz danach entwickelt ("WIssenschaft" - ok) - DESHALB sei nachgewiesen, dass es keinen Schöpfergott geben könne, weil dieser schon vorher hätte da sein müssen.

BEIDES sind ziemlich wörtlich wiedergegebene Schlussworte zweier Wissenschafts-Sendungen. - Wer ist hier "Dunning Kruger"?

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#436 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von closs » Sa 6. Okt 2018, 21:26

Anton B. hat geschrieben:Die Wirklichkeit in Deinem Sinne interessiert wissenschaftlich nicht.
1) Nur diese Wirklichkeit kennt Hans Muff.
2) Einige Wissenschaftler (defensiv ausgedrückt) und die meisten Wissenschafts-Darsteller der Medien setzen "wissenschaftliches Ergebnis" und "Wirklichkeit" gleich.

Anton B. hat geschrieben:Und sich auf eine solche Wirklichkeit zu berufen und damit zu argumentieren zeigt dagegen, dass die Aufklärung mit all ihren Erkenntnissen verpennt wurde.
Sagst Du das zu Hans Muff oder zu den Mediatoren von Wissenschaft?

Anton B. hat geschrieben:Mit Deinem nicht einlösbarem Anspruch an das "Wissen" und noch weiter gehend auch noch der Äquivalenz des Wissens mit Deiner Wirklichkeit.
Moment: "Wissen" gebrauche ich im Kontext "Wissenschaft - Wirklichkeit" nur noch in Deinem Sinne. Im Kontext "Philosophie" war jeher meine Meinung, dass der Mensch NICHTS bis auf "Ich bin" wirklichkeitsbezogen wissen kann. - Im Alltagssprech verwende ich das Wort "wissen" anders - wie Hans Muff ("Ich weiß, wie man Nut- und Federbretter verarbeitet").

Hans Muff erwartet, dass man ihn nicht mit wissenschafts-theoretischen Definitionen behelligt, die im Gegensatz zu seiner Alltags-Sprache stehen. - Hans Muff ist IT-ler, Schreiner, Lehrer, Band-Arbeiter, Arbeitsloser, Jugendlicher, Rentner, Trucker, Klavierbauer ---- also Wähler in einer Demokratie. - All diese Leute kennen Deine wissenschafts-theoretischenh Definitionen nicht - und wie gesagt: Es gibt genug Wissenschaftler, die sie ebenfalls nicht zu kennen scheinen und Wissenschafts-Mediatoren schon gar nicht.

Anton B. hat geschrieben:Nur muss klar sein, dass eben weder der Skeptiker noch Hans Muff in ihren extremen Ausprägungen die Lösung unserer Erkenntnisprobleme darstellen. Und wir benötigen Erkenntnis, um erfolgreich zu überleben.
Moment: Jetzt sind wir wieder auf Artes-Mechanicae-Ebene - siehst Du auf dieser Ebene nennenswerten Widerstand? - Falls ja: Ich rede eher von den Bereichen, die mit der Lebens- und Erfahrungswelt der Müffer zu tun hat: Psychologie, Soziologie, Medizin, Kulturwissenschaften, etc. - Oder anders gesagt: Ich kenne eigentlich keine Müffer, die Zornesflaten auf der Stirn bekommen, wenn wieder ein neuer Werkstoff entdeckt oder das Higgins-Teilchen nachgewiesen wird. - DIE Disziplinen, die die Gesellschaft zivilisatorisch (= Zivilisation: "Gesamtheit der durch den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt geschaffenen und verbesserten sozialen und materiellen Lebensbedingungen" - wik - also auf Artes-Mecahnicae-Ebene) weiterbringen, sind nach meiner Einschätzung nicht der Grund, warum Hans Muff auf die Straße geht und AfD wählt.

Anton B. hat geschrieben:Das ist aber die des "Skeptikers". Das ist das Gegenteil von Hans Muff, der für sich und für andere "weiß", was Unsinn und Sinn ist.
Nee - Hans Muff in meinem Verständnis ist eher der, der hinhört und dann entscheidet, ob es in seinem Sprachgebrauch Sinn macht. - Wenn nein, fühlt er sich under-doggig oder er winkt ab oder - seit Neuestem - wird aggressiv.

Anton B. hat geschrieben:Die Einsicht der Aufklärung ist: Der Mensch ist sicher für sein Wissen verantwortlich, kann aber sicher nichts wissen. Lieber Mensch, bitte wurschtele Dich da vernünftig durch.
Diesen Satz würde Hans Muff sogar ganz gut verstehen. - Es klingt nachdenklich und gleichzeitig lösungs-orientiert ("bitte wurschtele Dich da vernünftig durch"). - Eine leicht vom Mund gehende Entgegnung von Hans Muff könnte sein: "Was glaubst Du, was ich seit Jahrzehnten mache? -Wenn das so ist, bin ich aufgeklärt".

Mediokre Intellektuelle würden darüber lachen - das was darüber ist, würde vielleicht fragen: "Seid Ihr sicher, dass Ihr nicht über Euch selber lacht?"

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#437 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von closs » Sa 6. Okt 2018, 21:36

sven23 hat geschrieben:Es geht weniger darum, eine andere Meinung zu haben, sondern darum, nur ganz selektiv die Argumente zur Kenntnis zu nehmen, die für die eigene Darstellung sprechen. Auch dann, wenn diese widerlegt sind. Aber das kommt einem closs sicher nicht ganz unbekannt vor.
Richtig - denn Du verwechselst schon wieder "Modell-Ergebnis" ("widerlegt") mit "Wirklichkeit".

sven23 hat geschrieben:Sie können schon zu einem Problem werden. Siehe Neonazis, Identitäre, Reichsbürger und Co.
Um so wichtiger, diese von den mehrheitlich normalen AfD-Demonstranten zu isolieren, statt sie zusammenzuschweißen.

Anton B. hat geschrieben:Es kommt darauf an, ob man die Theorie als Individuum bzw. genauso im gesellschaftlichen Kontext -- der closs wird es vermutlich nicht gerne hören -- kritisch-rational handhaben kann.
Es kommt darauf an, wenn man etwas wissenschaftlich bearbeiten will - das ist eine systemische Frage. - Intellektuell anspruchsvoll wird es, wenn man damit die Erkenntnis verbindet, dass man damit nur einen Teil dessen erreichen kann, was der Fall ist.

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#438 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von sven23 » So 7. Okt 2018, 06:51

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es geht weniger darum, eine andere Meinung zu haben, sondern darum, nur ganz selektiv die Argumente zur Kenntnis zu nehmen, die für die eigene Darstellung sprechen. Auch dann, wenn diese widerlegt sind. Aber das kommt einem closs sicher nicht ganz unbekannt vor.
Richtig - denn Du verwechselst schon wieder "Modell-Ergebnis" ("widerlegt") mit "Wirklichkeit".
Da kann ich sogar ein Stück weit mitgehen. Verschwörungstheoretiker präferieren ein "Modell", das nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben. Im benachbarten 9/11 Thread haben wir sogar einen, der behauptet, dass gar keine Flugzeuge ins WTC geflogen sind.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sie können schon zu einem Problem werden. Siehe Neonazis, Identitäre, Reichsbürger und Co.
Um so wichtiger, diese von den mehrheitlich normalen AfD-Demonstranten zu isolieren, statt sie zusammenzuschweißen.
Das ist auch Aufgabe derer, sich sich abgrenzen wollen, oder eben nicht.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Es kommt darauf an, ob man die Theorie als Individuum bzw. genauso im gesellschaftlichen Kontext -- der closs wird es vermutlich nicht gerne hören -- kritisch-rational handhaben kann.
Es kommt darauf an, wenn man etwas wissenschaftlich bearbeiten will - das ist eine systemische Frage. - Intellektuell anspruchsvoll wird es, wenn man damit die Erkenntnis verbindet, dass man damit nur einen Teil dessen erreichen kann, was der Fall ist.
Woher willst du wissen, was der Fall ist, wenn du es nicht erreichen kannst?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#439 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von closs » So 7. Okt 2018, 10:13

sven23 hat geschrieben: Verschwörungstheoretiker präferieren ein "Modell", das nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben.
Vermutlich richtig - aber eben nur "vermutlich". - Vor allem: Woher weiß man, was "wirklich" ist?

sven23 hat geschrieben:Das ist auch Aufgabe derer, sich sich abgrenzen wollen, oder eben nicht.
"Auch" ist sicherlich richtig - aber das kann die Medien nicht entlasten.

sven23 hat geschrieben:Woher willst du wissen, was der Fall ist, wenn du es nicht erreichen kannst?
Wie oft denn noch? - Man "weiß" es grundsätzlich nicht. - Es gibt nur Systemwissen. --- Was man kann, ist, mit anthropogener Vernunft und mit anthropogenem Spüren Gründe zu finden, warum etwas der Fall sein könnte.

Bei naturalistischen Dingen ist es einfach: Man muss nur den Weg von Descartes gehen und setzen, dass das, was wir wahrnehmen/messen "echt" ist. - Bei geistigen/geistlichen Dingen ist es etwas schwieriger, weil dortige Ergebnisse nur im engeren Kreis intersubjektiv nachvollziehbar sind.

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#440 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von sven23 » So 7. Okt 2018, 11:34

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Verschwörungstheoretiker präferieren ein "Modell", das nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben.
Vermutlich richtig - aber eben nur "vermutlich". - Vor allem: Woher weiß man, was "wirklich" ist?
Wenn lange widerlegte Behauptungen immer wieder wiederholt werden, dann ist das ein Indiz für verloren gegangenen Realitätsbezug. Es ist sozusagen die Kernkompetenz der Verschwörungstheoretiker.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Woher willst du wissen, was der Fall ist, wenn du es nicht erreichen kannst?
Wie oft denn noch? - Man "weiß" es grundsätzlich nicht. - Es gibt nur Systemwissen. --- Was man kann, ist, mit anthropogener Vernunft und mit anthropogenem Spüren Gründe zu finden, warum etwas der Fall sein könnte.
Bei naturalistischen Dingen ist es einfach: Man muss nur den Weg von Descartes gehen und setzen, dass das, was wir wahrnehmen/messen "echt" ist. - Bei geistigen/geistlichen Dingen ist es etwas schwieriger, weil dortige Ergebnisse nur im engeren Kreis intersubjektiv nachvollziehbar sind.
Oh je, jetzt kommen wir auf die Medizinmann und Schmanenebene. :lol:
Geheimes "Wissen", was anderen nicht zugänglich ist. Gerade das macht es um so verdächtiger.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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