Homöopathie V

Ethik und Moral
Medizin & Krankheit
Anton B.
Beiträge: 2792
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 16:20

#291 Re: Homöopathie V

Beitrag von Anton B. » So 10. Jun 2018, 19:37

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ähm, die Studienergebnisse finden in der "Wirklichkeit" statt.
Aber sie SIND nicht die Wirklichkeit, sondern Modelle: "WENN dieses Modell in Bezug auf die Wirklichkeit richtig ist, DANN sind Modell-Ergebnisse für die Wirklichkeit relevant". - Wissenschaft untersucht NUR Modelle zur Wirklichkeit, die entweder "falsch" oder "richtig" sind.
Wie Modelle zur Wirklichkeit stehen, ist solange uninteressant, wie Modelle nicht an Wirklichkeit gemessen werden können. Sie werden an Beobachtungen gemessen!

Ich nehme mal an, Sven hat mit seiner "Wirklichkeit" (Anführungszeichen beachten!) genau das gemeint, bin aber nicht sicher.

Jedenfalls genügt das "Messen an den Beobachtungen" doch vollauf, um Modelle für uns interessant werden zu lassen. Und mehr zu verlangen, verlangt dann wirklich die Einnahme von Positionen.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#292 Re: Homöopathie V

Beitrag von closs » So 10. Jun 2018, 19:50

Anton B. hat geschrieben:Jedenfalls genügt das "Messen an den Beobachtungen" doch vollauf, um Modelle für uns interessant werden zu lassen.
Das ist unbenommen. - Es darf aber nicht so sein, wie im folgenden Witz:

Ein Richter sagt zum Angeklagten: "Sie sollten gestehen - 5 Leute können bezeugen, dass Sie das Auto geklaut haben". -Darauf der Angeklagte: "Ich kann Ihnen 500 Zeugen bringen, die es NICHT gesehen haben".

Übertragen:
Es gibt Modelle, die "bezeugen", dass HP NICHT "wirkt" - das heißt aber nicht, dass es in Wirklichkeit nicht "wirkt".

Wenn bspw. Aurum D 100 bei einer Person mit einem ganz bestimmten und weit-gefassten anamnetischen Profil hilft, kann man das nicht dadurch falsifizieren, dass man 10.000 Leuten Aurum D 100 gibt - da passiert nix, es sei denn einer davon hätte exakt dieses anamnetsiche Profil (was statistisch höchst unwahrscheinlich wäre).

Es macht auch keinen Sinn, 100 Leute zusammenzutrommeln, die mit Psychose mit Tendenz zu Hebephrenie diagnostiziert sind (allein diese Leute zusammenzutrommeln, wäre schon eine Leistung). - Denn es kann sein, dass nur einer davon Aurum D 100 bekommt - eben weil nicht nur das schulmedizinische Diagnosebild zählt, sondern auch das weit-gefasste anamnetische Profil.

Ich bestehe nach wie vor nicht darauf, dass HP wirkt - aber man muss HP erst einmal verstanden haben, um mit Begriffen wie "widerlegt" um sich zu schmeißen.

Anton B.
Beiträge: 2792
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 16:20

#293 Re: Homöopathie V

Beitrag von Anton B. » So 10. Jun 2018, 21:08

closs hat geschrieben:Es gibt Modelle, die "bezeugen", dass HP NICHT "wirkt" - das heißt aber nicht, dass es in Wirklichkeit nicht "wirkt".
Hier siehst Du auch schön, dass ein gedachtes Prinzip, welches aber in seinem "Gedachtsein" nur eine sehr vage Vorstellung darstellt, nur sehr schwer behandelbar ist. Deshalb sprechen wir in den Naturwissenschaften immer von konkreten Modellen. Wobei ein "Prinzip" aber durchaus in ein Modell verpackt werden kann. Wenn das dann widerlegt ist, dann muss ein anderes Modell her.

Aber was ist mit der Farbentheorie des Kölner HP-Arztes? Inwieweit dürfen wir dieses neue Modell noch HP nennen?

Da nach guter wissenschaftlicher Sitte Namen nicht zum Beschreiben, sondern zum Nennen da sind, ist m.E. HP schon mit Hahnemanns Simile-Prinzip verknüpft und damit für weitere Benennungen "verbraucht". Allenfalls könnte man noch von "HP sensu closs" usw. sprechen. Diese Benennung stellt dann auch die Eindeutigkeit in der Kommunikation wieder her. Sofern der closs seine "HP sensu closs" dann eindeutig formulieren kann. Oder im Falle des Kölner HP-Arztes, er seine Theorie "HP sensu Dr. H.V. Müller" spezifiziert und publik gemacht hat.

closs hat geschrieben:Ich bestehe nach wie vor nicht darauf, dass HP wirkt - aber man muss HP erst einmal verstanden haben, um mit Begriffen wie "widerlegt" um sich zu schmeißen.
Siehe oben! Und wenn es kein vernünftiges Modell gibt, gibt es da auch nichts zu verstehen.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Benutzeravatar
Janina
Beiträge: 7431
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:12

#294 Re: Homöopathie V

Beitrag von Janina » So 10. Jun 2018, 22:33

closs hat geschrieben:
Konvertiten gibt es in beide Richtungen.
An der Konversion ist nur interessant, dass hier eine Ärztin Einblick in die Abgründe der Esoterik hat. Wichtig war das Zustandekommen von "Studien", die angeblich die HP bestätigt hätten. Die bestehen allen Ernstes aus Befragung der Patienten nach ihrem Erfolgsgefühl. Und das wars. Ist sowas nicht erschütternd? :o

closs hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:Es kommt noch nichtmal drauf an, ob man überhaupt ein Modell hat, um eine Wirksamkeit zu testen.
Da würde ich widersprechen.
Lies es nochmal: Um Wirkung zu untersuchen, ist kein Modell nötig!
Es reicht, nach einem zu suchen, wenn eine Wirkung nachgewiesen wurde und sich damit die Suche nach einer Theorie überhaupt erst lohnt.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#295 Re: Homöopathie V

Beitrag von closs » So 10. Jun 2018, 22:54

Anton B. hat geschrieben:Aber was ist mit der Farbentheorie des Kölner HP-Arztes? Inwieweit dürfen wir dieses neue Modell noch HP nennen?
Um solche Fragen zu beantworten, muss man unter Erwachsenen und ohne ideologischen Verblendungen über den Grundgedanken der HP sprechen. - Um es sehr verkürzt zu sagen, hier ein Zitat eines HP-Arztes, mit dem ich vor vielen Jahren gesprochen habe:
"Wenn einem so richtig schlecht ist und er grün im Gesicht aussieht, ist das ein Symptom, das dem entsprechen kann, wenn man einem Kind eine Zigarette rauchen läßt. - Also gebe ich <im Low-D-Bereich> Tabascum". - Das Problem: Man muss richtig diagnostizieren.

Noch viel anders ist es bei "High-D-HP" - dort spielen für die Anamnese auch sehr individuelle Dinge eine Rolle, weil die Krankheit nicht mehr mit "so richtig schlecht ist und er grün im Gesicht" diagnostiziert werden kann, sondern umfassend individuell. - Und da kommt jetzt diese Farbentheorie hinein, die als Anamnese-Hilfe entwickelt wurde. - Gehört das zur HP? - Ja, insofern dass es die Anamnese verfeinert. - Aber Du wirst nicht viele finden, die das können.

Anton B. hat geschrieben: Sofern der closs seine "HP sensu closs" dann eindeutig formulieren kann.
Kann Closs nicht, da es eine HP sensu closs nicht gibt - ich versuche ausschließlich klarzumachen, dass HP ganz anders funzt als pharmakologische Medizin. - Gerade deshalb ist es ziemlich sinnfrei, pharmakologisch funktionierende Modelle auf die HP zu übertragen.

Anton B. hat geschrieben:wenn es kein vernünftiges Modell gibt, gibt es da auch nichts zu verstehen.
Die Ärzte, die ich kannte, hatten sehr wohl ein strukturiertes Vorgehen:

* Anton hat seit 3 Jahren Gastritis.
* Doc untersucht und stellt fest: "So isses".
* Doc lässt 50 - 100 Fragen beantworten, für deren Auswertung er nach einem Muster ca. 4 Stunden braucht.
* Doc gibt Antonius D 12

Dem Closs gibt er Clossonium D24 und Sven gibt er Svenophila D24 - alle drei mit identischem Krankheitsbild "Gastritis". - Oder alle Drei haben Keuchhusten: Dann kann es sein, dass alle drei dasselbe Keucholia D6 bekommen (je niedriger die Diversifizierung, desto niedriger das D).

Um es zusammenzufassen: Die Ärzte, die ich kannte, haben ein dezidiertes Vademecum gehabt - umso umfangreicher, je höher der D-Einstieg sei sollte.

Und da kommt natürlich eine ganz andere Frage: Wie macht man das HEUTE? Ich weiß es nicht. - Ist die HP heute genauso degeneriert wie der "Akademiker-Titel? - Um das herauszufinden, müsste man sich sehr intensiv schlau machen. - Jedenfalls ist es nicht damit getan, die Falsifizierung unzureichender HP-Modelle der HP anzulastenIn

Anton B. hat geschrieben: Oder im Falle des Kölner HP-Arztes, er seine Theorie "HP sensu Dr. H.V. Müller" spezifiziert und publik gemacht hat.
Die HP-Ärzte, mit denen ich gesprochen haben, haben unisono gesagt: "Bringt nichts - das verstehen die nicht". - Mit anderen Worten: Es besteht kaum aktives Interesse (um parteiisch aus HP-Sicht zu sagen), Perlen vor die Schweine zu werfen.

Dieser Meinung schließe ich mich NICHT an, verstehe sie aber. - Es wäre aus meiner Sicht angebracht, dass sich "erwachsene" unideologische Fachleute beider Seiten zusammensetzen - wenn es überhaupt noch jemanden interessiert.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#296 Re: Homöopathie V

Beitrag von closs » So 10. Jun 2018, 23:02

Janina hat geschrieben: Die bestehen allen Ernstes aus Befragung der Patienten nach ihrem Erfolgsgefühl. Und das wars. Ist sowas nicht erschütternd?
Ja - das ist zu wenig.

Janina hat geschrieben:Lies es nochmal: Um Wirkung zu untersuchen, ist kein Modell nötig!
Völlig unabhängig von HP - mir sind zwei Sachen nicht klar:
1) Wie will man "High-D-HP" testen, wenn man jeweils nur Einzelfälle hat. - Zur Erinnerung: 1000 Fälle mit der Diagnose "Psychose mit Tendenz zu Hebephrenie" = bis zu 1000 verschiedene Mittel.
2) Wie will man "Low-D-HP" testen, wenn das Heilungs-Verständnis bei HP ganz anders ist? - Zur Erinnerung: Erstverschlechterung, Rezitive, Krankheitsgeschichte danach. - Das geht nicht isoliert.

Benutzeravatar
Janina
Beiträge: 7431
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:12

#297 Re: Homöopathie V

Beitrag von Janina » Mo 11. Jun 2018, 09:04

closs hat geschrieben:ich versuche ausschließlich klarzumachen, dass HP ganz anders funzt als pharmakologische Medizin. - Gerade deshalb ist es ziemlich sinnfrei, pharmakologisch funktionierende Modelle auf die HP zu übertragen.
Und um uns ein weiteres mal zu wiederholen: Wenn HP NICHT evidenzbasiert ist, dann ist das eine Diagnose.

closs hat geschrieben:1) Wie will man "High-D-HP" testen, wenn man jeweils nur Einzelfälle hat. - Zur Erinnerung: 1000 Fälle mit der Diagnose "Psychose mit Tendenz zu Hebephrenie" = bis zu 1000 verschiedene Mittel.
Das ist bereits ein Ergebnis, das lautet: Freies Würfeln.

closs hat geschrieben:2) Wie will man "Low-D-HP" testen, wenn das Heilungs-Verständnis bei HP ganz anders ist?
Auch das ist ein Ergebis. Ein falsches Heilungsverständnis hat in der Behandlung nichts verloren.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#298 Re: Homöopathie V

Beitrag von closs » Mo 11. Jun 2018, 16:53

Janina hat geschrieben:Das ist bereits ein Ergebnis, das lautet: Freies Würfeln.
Du merkst aber, dass Du von dem, was man als etablierte Wissenschaftlichkeit bezeichnest, MASSSTÄBLICH ausgehst. - Genau das ist das Problem.

JackSparrow
Beiträge: 5501
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 13:28

#299 Re: Homöopathie V

Beitrag von JackSparrow » Mo 11. Jun 2018, 21:16

closs hat geschrieben:Es macht auch keinen Sinn, 100 Leute zusammenzutrommeln, die mit Psychose mit Tendenz zu Hebephrenie diagnostiziert sind (allein diese Leute zusammenzutrommeln, wäre schon eine Leistung). - Denn es kann sein, dass nur einer davon Aurum D 100 bekommt - eben weil nicht nur das schulmedizinische Diagnosebild zählt, sondern auch das weit-gefasste anamnetische Profil.
Wenn man Homöopathie an Leuten mit schulmedizinischem Diagnosebild ausprobieren möchte, dann macht es Sinn, 100 Leute mit schulmedizinischem Diagnosebild zusammenzutrommeln und an diesen Leute die Homöopathie auszuprobieren.

Ich bestehe nach wie vor nicht darauf, dass HP wirkt - aber man muss HP erst einmal verstanden haben, um mit Begriffen wie "widerlegt" um sich zu schmeißen.
Wenn man 100 Leute mit schulmedizinischem Diagnosebild zusammenzutrommelt und an diesen Leute die Homöopathie ausprobiert, dann kannn man widerlegen, dass Homoöpathie wirkt. Aber man muss klinische Studien erst einmal verstanden haben, bevor man mit Begriffen wie "nicht widerlegbar" um sich wirft.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#300 Re: Homöopathie V

Beitrag von closs » Mo 11. Jun 2018, 22:07

JackSparrow hat geschrieben:Wenn man Homöopathie an Leuten mit schulmedizinischem Diagnosebild ausprobieren möchte, dann macht es Sinn, 100 Leute mit schulmedizinischem Diagnosebild zusammenzutrommeln und an diesen Leute die Homöopathie auszuprobieren.
Also bspw. 100 Leute mit einer sehr ähnlichen Ausformung der Schizophrenie, richtig? - Dann müsste man diese 100 Leute von einem spezialisierten HP-ler anamnesieren lassen - viele Spezialisten gibt es aber nicht. - Etc. - In der Praxis kaum machbar, aber prinzipiell natürlich richtig.

Aus eben diesen Praxisgründen plädiere ich nach wie vor für eine retrospektive Studie - denn da sind die Fälle und Daten da.

JackSparrow hat geschrieben:Wenn man 100 Leute mit schulmedizinischem Diagnosebild zusammenzutrommelt und an diesen Leute die Homöopathie ausprobiert, dann kannn man widerlegen, dass Homoöpathie wirkt.
Nein - man kann ein Wirkungs-Modell widerlegen.

Gesperrt