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von sven23 » Do 10. Mai 2018, 14:23
Hier noch mal ein kurzer Überblick über die Widersprüche zur Auferstehung in den Evangelien.
Zunächst: Das Markusevangelium hatte in seinem Urtext ursprünglich überhaupt
keine Auferstehungsgeschichten gehabt. Es endete in Mk 16,8 mit der Geschichte vom
leeren Grab. Die ältesten Textzeugen belegen dies eindeutig. Der Grund ist unbekannt
und auch das Ende mit den Worten „Und sie sagten niemand etwas davon; denn sie
fürchteten sich“ sind für den Abschluss eines Evangeliums nicht eben passend. Allerdings
wirkt das Markusevangelium insgesamt in Sprache und Zusammenstellung sehr holprig.
Dass dieses Evangelium kein Werk des Heiligen Geistes sein kann, ist schon unschwer
am schlechten Griechisch des Evangelisten zu erkennen. Und vielleicht wollte der
Evangelist aus unbekanntem Grund schnell sein Evangelium beenden. Wie dem auch sei,
die nachfolgenden Geschichten sind wohl erst nach einigen Jahrzehnten
hinzugekommen. Aber auch dies sind nur elf Verse. Der Zweitautor bringt in ihnen nicht
nur mehrere Erscheinungen, sondern auch noch die Himmelfahrt unter.
Die Geschichte vom leeren Grab findet sich aber bei allen Evangelisten, und man kann
erkennen, wie der Stoff bearbeitet wurde. Zum Grab kommen bei Markus drei Frauen,
nämlich Maria Magdalena, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome. Bei Matthäus
sind es nur noch zwei Frauen, Salome hat er gestrichen. Bei Lukas sind es wieder drei
Frauen, doch statt Salome ist nun Johanna dabei, die schon früher bei Lukas genannt
wird. Bei Johannes schließlich findet die Entdeckung des leeren Grabes nur seitens Maria
Magdalenas statt. Diese sei allein bei Dunkelheit (!) zum Grab gegangen, so Johannes.
Bei Markus kommen die Frauen, um den toten Jesus zu salben, ein etwas merkwürdiges
Unterfangen bei einem Menschen, der schon fast zwei Tage tot ist. Die jüdische
Totensalbung findet natürlich vor der Grablegung statt. Matthäus hat sie deshalb
vielleicht auch gestrichen, bei ihm kommen die Frauen, um das Grab zu besehen. Bei
Markus kaufen die Frauen die Salben am Tag nach dem Sabbat, bei Lukas am Tag vorher.
Bei Johannes ist eine Salbung nicht nötig, hier ist Jesus schon vor seiner Grablegung
durch Joseph von Arimathia gesalbt worden. Den Frauen fällt bei Markus erst auf dem
Weg ein, dass sie Hilfe brauchen werden, um den Stein vom Grabeingang zu rollen. Lukas
und Matthäus streichen dies, wohl weil es ihnen unglaubwürdig erschien. Die Engel am
Grab, die dem Bibelleser so vertraut erscheinen, kommen bei Markus noch gar nicht vor,
lediglich ein junger Mann (gr. neaniskos) sitzt im Grab, mit einem weißen Gewand
bekleidet. Vielleicht dachte Markus bei ihm an den Jüngling, der bei der Gefangennahme
Jesu nackt geflohen war (Mk 14,51–52). Dann wäre in der ältesten Grabesgeschichte
ursprünglich noch gar kein Engel erwähnt gewesen. Egal, Matthäus beseitigt eventuelle
Zweifel, bei ihm wird aus dem jungen Mann ein Engel (gr. angelos), und bei Lukas sind
es sogar schon zwei Engel. Man merkt, wie das Geschehen immer großartiger geschildert
wird. Bei Markus sitzt der junge Mann noch im Grab, bei Matthäus fährt er schon als Engel
vom Himmel herab, und um noch eins draufzusetzen, erfindet Matthäus noch ein
ganzes Erdbeben hinzu. Der Stein, der bei Markus einfach aus unbekannten Gründen
weggewälzt ist, wird bei Matthäus vom Engel verrückt.
Den Frauen wird bei Markus verkündet, dass Jesus nicht im Grab sei, erst dann sehen
die Frauen, dass das Grab leer ist. Nach Lukas entdecken sie erst, dass das Grab leer ist,
dann erst erhalten sie durch zwei Engel eine Erklärung dafür. Der Kunde Er wurde
auferweckt fügt Matthäus noch ein wie er gesagt hat hinzu und steigert das Geschehen
damit weiter. Auch Lukas zeigt sich erfinderisch, das Was sucht ihr den Lebenden bei den
Toten geht sprachlich auf ihn zurück.
Matthäus ist der Erfinder der Wache am Grab, von der Markus noch nichts weiß. Der
Sinn ist klar: Matthäus wehrt sich damit gegen den offenbar schon verbreiteten Vorwurf,
die Jünger hätten den Leichnam Jesu gestohlen. Die Wache lässt er bei Ankunft des
Engels wie tot umfallen, später erfindet er auch noch eine Geschichte, die den
Leichenraubvorwurf auf eine Bestechungsaktion der Priesterschaft zurückführt. Die
Juden verbreiten böswillig Gerüchte, will er seiner Gemeinde glauben machen und wird
so ungewollt zum Zeugen einer frühen antiken Kritik am Auferstehungsglauben. Im
späteren Petrusevangelium ist es dann nicht nur eine Wache, sondern gleich mehrere, die
sich ablösen. Zudem sind auch noch der Hauptmann und sogar die jüdischen Ältesten (!)
des Nachts am Grab anwesend.
Als Höhepunkt der Erzählung vom leeren Grab lässt dann Matthäus Jesus selbst noch
auftauchen (Mt 28,9–10). Plötzlich ist er da, die Frauen werfen sich vor ihm nieder und
umfassen seine Füße. Er trägt ihnen auf, seinen Brüdern (?) Bescheid zu geben, sie sollen
nach Galiläa gehen, dort würden sie ihn sehen. Dass wir auch hier eine Erfindung des
Matthäus vor uns haben, erhellt nicht nur daraus, dass hier wieder typisch matthäisches
Vokabular auftaucht und man diese Stelle bei Markus vergeblich sucht, sondern auch aus
dem Umstand, dass Jesus fast wörtlich die Aufforderungen wiederholt, die die Frauen ja
gerade erst vom Engel erhalten haben. Es ging Matthäus offenbar nur darum, Jesus noch
irgendwie in die Szene reinzuschummeln, der Neuigkeitswert seiner Rede (immerhin die
ersten Worte des Auferstandenen!) ist gleich Null.
Kubitza, Der Jesuswahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell