Selbstverständlich wussten die Ägypter wegen der zeitlichen Nähe darüber weit mehr Bescheid als die heutige völlig erschlaffte Christenheit.
Tatsächlich habe ich keinerlei Probleme damit, Jesus von Nazareth als Sohn Gottes zu bezeichnen. Ich halte ihn halt nur nicht für den einzigen Sohn des einzigen Gottes...
Aaaber, bevor ich in diesem Thread endgültig vom Thema abkomme, wollte ich meine Darstellung der Datierungsmethoden noch vervollständigen.
Es fehlt noch die C14 oder Radiokarbonmethode.
Erst mal kurz das Prinzip:
1.Kohlenstoff gibt es in verschiedenen Isotopen. Stellen wir uns vor: der gleiche Legostein, aber z.B. in gelb, grün und rot. Diese "Farben" kommen in der Umwelt je zu einem gewissen Prozentsatz vor.
2. Lebewesen benötigen Kohlenstoff. Pflanzen nehmen CO2 aus der Luft für die Photosynthese auf. Menschen und Tiere nehmen diverse Kohlenstoffverbindungen in der Nahrung auf und atmen CO2 wieder aus. Welche "Farbe", also Isotop, der Kohlenstoffbaustein hat ist dem Organismus egal, er kann alle Farben in gleicher Weise verbauen.
3. Solange ein Lebewesen also lebt und Stoffwechsel betreibt werden C-Atome mit der Umwelt laufend ausgetauscht, und der prozentuale Anteil des C14-Isotops entspricht in etwa dem der Umwelt.
4. Sobald das Lebewesen stirbt fängt die Uhr an zu ticken: Das vorhandene C14 zerfällt, es wird aber kein neues aufgenommen. (Von den im Organismus verbauten roten Legosteinen wechseln mit der Zeit immer mehr ihre Farbe auf gelb.)
Da wir die Halbwertszeit von C14 kennen, und die dadurch zu erwartende Abnahme des C14 Anteils im Organismus, können wir so die "Zeit seit dem Tod" messen.
Genaueres:
https://www.weltderphysik.de/thema/hint ... 4-methode/
Selbstverständlich hat man hier auch mit einer Menge möglicher Messfehler zu kämpfen und muss immer eine gewissen statistische Varianz einplanen. Wenn die Probe verunreinigt oder der Fundkontext der Probe falsch zugeordnet ist, dann ist die Messung sogar vollkommen unbrauchbar.
Die ägyptische Chronologie mit C14 Daten bestätigen zu wollen, das wäre vor einigen Jahrzehnten tatsächlich ziemlich bescheuert gewesen. Denn bei der ursprünglichen Kalibrierung und Kontrolle des Maßstabs im Jahr 1949 ("curve of knowns") wurde zur Hälfte auf ägyptische Funde und deren durch relative Methodik und Sothisdaten errechnetes Alter zurückgegriffen.
Das ist, als ob man die Wahrheit der Bibel darauf begründet, dass in der Bibel steht, dass sie wahr sei. Wobei das bei einigen hier im Forum ja eine akzeptable Logik zu sein scheint.
Auch war man sich seiner Sache in der ägyptischen Chronologie so sicher, dass man kaum C14 Daten zum Vergleich und zur Kontrolle heranzog. Denn solche Messungen sind natürlich auch aufwendig und teuer.
Zum Glück ändert sich das nun: Ein Projekt an der Universität Oxford unter der Leitung von Christopher Bronk Ramsey hat eine größere Menge von Proben aus verschiedenen Epochen getestet, um anhand dessen das chronologische System zu prüfen. Zum Vergleich: die machten 211 Messungen, während auf der allerersten
curve of knowns nur 6 datierte Proben lagen.
(das sind diese Leute:
http://www.arch.ox.ac.uk/chronology.html )
Felix Höflmayer ist bei der Bewertung des Ergebnisses trotzdem eher vorsichtig:
Das Ergebnis dieser Modelle zeigt also, dass unter der Voraussetzung der korrekten Reihung der einzelnen Könige (welche in der Ägyptologie nicht bezweifelt wird) sowie der korrekten Anzahl der jeweiligen Regierungsjahre (welche zumindest in einzelnen Fällen umstritten sind), die Radiokarbondaten in Übereinstimmung mit den von Kenneth Kitchen und Jürgen von Beckerath rekonstruierten Daten der historischen Chronologie sind. Während für das beginnende Neue Reich eine im Verhältnis zu Kitchen und Beckerath leicht erhöhte Datierung durch die Radiokarbondaten nahegelegt wird, können die Daten von Rolf Krauss und David Warburton sowohl für das Mittlere als auch für das Neue Reich ausgeschlossen werden.
In diesen Ergebnissen eine definitive Übereinstimmung zwischen Radiokarbondaten und historischer Chronologie erkennen zu wollen, wäre aber zumindest verfrüht. Dass diese Modelle einen akzeptablen agreement index aufweisen, sagt nur aus, dass die prior information, also die Voraussetzungen in Form von relativer Reihung und zeitlichen Abständen zwischen den einzelnen Proben, in Übereinstimmung mit den Messergebnissen sind. Aufgrund der Tatsache, dass (abgesehen von absoluten Daten) die meisten Informationen aus der heute verwendeten historischen Chronologie Ägyptens in dieses Modell als prior information übernommen wurden, war ein Ergebnis, welches mit eben dieser Chronologie übereinstimmt, bereits vorhersehbar.
Lediglich stark abweichende Radiokarbondaten hätten das System der ägyptischen Chronologie als solches in Frage stellen können.
(Höflmeier in seiner Dissertation „Die Synchronisierung der minoischen Alt- und Neupalastzeit mit der ägyptischen Chronologieâ€, Wien 2010, S. 321)
Wer sich hier genauer einlesen will, obige Dissertation ist online verfügbar:
http://othes.univie.ac.at/11690/1/2010- ... 701793.pdf
Siehe besonders die Abschnitte ab Seite 25 und ab Seite 319.
Mein Schlussplädoyer:
1. Die Chronologie des Alten Ägypten, wie wir sie heute auf Wikipedia finden, ist kein Fakt sonder lediglich ein Erklärungsmodell.
2. Dieses Modell stützt sich auf eine Vielzahl von Methoden, Funden und Belegen. Wobei jede der Methoden ihre eigenen Stärken, Schwächen und Unsicherheiten aufweist.
3. Ich glaube, dass unser vorhandenes Modell nicht aufs Jahr präzise und an einigen Stellen erheblich unsicher ist. Das geben die Fachleute aber auch offen zu.
4. Dass ich der Chronologie dennoch einigermaßen vertraue gründet sich auf die Vielzahl der Belege, die sich gegenseitig ergänzen. Bisher haben wir noch keinen Widerspruch ausfindig gemacht, der das Modell grundlegend in Frage stellen würde.
liebe Grüße
Mirjam