Alles Teufelszeug? IX

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sven23
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#511 Re: Alles Teufelszeug? 3bIX

Beitrag von sven23 » Sa 7. Apr 2018, 07:29

closs hat geschrieben: Es ärgert mich, dass hier Wissenschaft ständig dadurch in Misskredit gebracht wird, weil sie geradezu gottgleich über alle andere Erkenntnis gestellt wird -.....
Bist nicht du selbst es, der die Wissenschaft in Misskredit bringen will, indem du Glaubensbekenntnisse wie diese einschleusen willst?

Die inspirierten Bücher lehren die Wahrheit. ,,Da also all das, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt gelten muß, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, daß sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte"
Katechismus der katholischen Kirche

Solche Glaubensbekenntnisse gehören in die Kirche und nicht in die historische Forschung.
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#512 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Sa 7. Apr 2018, 08:27

sven23 hat geschrieben:Das geht schon, wie man an Glaubensideologen sieht.
Das geht prinzipiell nicht - das, was"ist", kann man nicht basteln - weder von religiösen noch von säkularen "Glaubensideologen". - Man kann sich was einbilden, aber man kann es nicht machen.

sven23 hat geschrieben:die Naherwartung ist ein knallhartes Sachergebnis
Die Naherwartung in Deiner Interpretation ist KEIN Sachergebnis, sondern ein bei entsprechender Hermeneutik interpretiertes Ergebnis. - Und somit vermanschen wir objektiv mit subjektiv - kein Wunder, dass das nichts wird.

HÄTTEST Du recht, gäbe es widersprüchliche Sachergebnisse zum Selben - das Selbe wäre also wahr und unwahr. - Genau weil es dies auf Sachebene NICHT geben soll, ist Deine Vermanschung katastrophal.

sven23 hat geschrieben:Bist nicht du selbst es, der die Wissenschaft in Misskredit bringen will, indem du Glaubensbekenntnisse wie diese einschleusen willst?
Genau das tue ich ja gerade NICHT, weil ich zwischen "Prämissen der Wissenschaft" (welche auch immer) und "Wissenschaft" unterscheide - auch das vermanschst Du.

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sven23
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#513 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Sa 7. Apr 2018, 08:42

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Die Mehrheit in der "Jesusforschung" mögen vielleicht vorläufig noch diejenigen Glaubensideologen haben, die einen handlenden Gott ausschließen. Also die atheistischen Glaubensideologen. Die LMU München bezeichnet es jedoch als neuesten Trend in der Jesusforschung, die Evangelien als Geschichtserzählungen wieder ernst zu nehmen. Wie das Christen ohnehin seit 2000 Jahren tun.
Das ist glaubensideologisches Wunschdenken.
Nein, so sagt es die theologische Fakultät.

Du zitierst nur die Hälfte. Es wird auch gesagt, dass man keine Ahnung hat, wie das gehen soll.

Was allerdings genau an die Stelle des überlieferungsgeschichtlichen Modells mit der kriteriengeleiteten Rückfrage treten könnte, zeichnet sich noch nicht ab. In den Veröffentlichungen der beiden Protagonisten des Erinnerungskonzepts, Jens Schröter und James Dunn, wird die Jesus-Erinnerung der Evangelien nicht unterschiedslos als historisch zutreffend beurteilt: Eine Erzählung wie die von der Münze im Fischmaul (Mt 17,24-27) habe einen anderen Referenzmodus als etwa die Jesusworte der Bergpredigt (Schröter). Wie dies im Rahmen des Erinnerungs-Paradigmas methodisch abgesichert werden kann, ist derzeit noch nicht zu erkennen.
Quelle: LMU München

Es bleibt vorerst glaubensideologisches Wunschdenken.

Roland hat geschrieben: . Was ist daran eigentlich noch "christlicher Glaube"? Nichts, es ist naturalistischer Glaube.
Gute Frage. :thumbup:
Aus meiner Sicht eine Glaubensideologie, die wenig bis gar nichts mit historischem Geschehen zu tun hat.


Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Befundlage ist eine andere. Die Forschung unterscheidet ja auch zwischen authentischen Aussagen und Aussagen, die ihm die Schreiber nachträglich in den Mund gelegt haben. Die antijudaistischen Passagen stammen demnach nicht von ihm.
Auch hier gilt "vermutlich, möglicherweise, manches deutet auf dies, manches auf jenes hin" es gibt genau Null harte Kriterien zur Ermittlung authentischer oder nicht authentischer Aussagen Jesu.
Das ist keine "Befundlage" sondern weltanschauliche "Befindlichkeitslage" bestimmter Exegeten.
Genau, vornehmlich der wissenchaftlich arbeitenden Exegeten und nicht der Gaubensideologen. :thumbup:
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#514 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Sa 7. Apr 2018, 09:03

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Da befindet sich die HKM mittendrin.
Auch wenn sie es "Standardauslegung" nennt, ist der Naturalismus ein Glaube. Unbeweisbar und nicht falsifizierbar.
Aber so funktioniert die Welt nun mal. Da braucht man auch keinen Descartes vozuschieben, wie closs das immer tut. Völlig irrelevant.
So funktioniert die messbare Seite der Welt. Aber jeder weiß heute: Das ist nur die messbare Seite!
Im Grunde wissen wir gar nichts. Der Naturalismus ist unbeweisbar und nicht falsifizierbar. Ein Glaube.
Nein, Wissenschaft beruht nicht auf Glaube, sondern auf kritischem Hinterfragen von Glauben. Anders wäre der wissenschaftlich-technische Fortschritt gar nicht möglich gewesen.

Diese Ausführungen hinterlassen bei mir vorwiegend Ratlosigkeit. Ich brauche nicht darüber belehrt zu werden, dass das Leben mehr umfasse als die Wissenschaften erfassen. Diese Einsicht ist jedermann evident, der mit offenen Augen lebt. Die eigentliche Frage stellt sich aber, wieso und kraft welchen Erkenntnisprivilegs Dalferth und alle, die seiner Meinung sind, für ihre Disziplin den Rang einer Wissenschaft beanspruchen. Auf sie trifft eher der Ausdruck "Meinerei" zu, die unverzüglich von der Universität verschwinden wird, sobald die Macht der Kirche ihr nicht mehr die Stange halten kann. In ihr ist nämlich "Gott" eine unhinterfragbare Größe, die in den modernen wissenschaftlichen Disziplinen gar nicht mehr vorkommt, und dies mit Recht.
Gerd Lüdemann


Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Von historischer Zuverlässigkeit gehen ja nur die Glaubensideologen aus.
Die Forschung tut dies nicht.

• Das Neue Testament bietet eine Fülle an Jesusüberlieferungen, es kann jedoch nicht
einfach unkritisch als historische Quelle gelesen werden (s.u. 4.).
• Ziel der historischen Rückfrage nach Jesus ist es deshalb, mit Hilfe eines methodischen Verfahrens aus den Jesusüberlieferungen diejenigen Traditionselemente herauszukristallisieren, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Person des irdischen Jesus zurückgeführt werden können; also den Weg zurückzugehen von den synoptischen Evangelien zum historischen Jesus.

Häfner, Grundwissen Neues Testament
Dass es eine Differenz zwischen dem historische Jesus und dem der Evangelien gibt, davon gehen ja nur die naturalistischen Glaubensideologen aus.
Nein, davon gehen alle historisch-kritischen Forscher aus, auch der LMU München.



Roland hat geschrieben:
Kubitza hat geschrieben: Nur: Die Verse [Jes.53] sind ja gar nicht als Weissagung formuliert, sondern blicken auf ein Geschehen zurück.
Wir wissen doch inzwischen, dass Kubitza offenbar noch nix von der Zeitform des "prophetischen Perfekt" gehört hat. Diese Zeitform wird gewählt um die Gewissheit auszudrücken, mit der ein zukünftiges Ereignis eintreffen wird. Auch Juden sehen in Jesaja 53 eine Prophezeiung!
Im Link von Zeus heißt es: "Der Text soll einen Ausblick darüber geben, wie sich die Nationen in ferner Zukunft ihre ungerechte Haltung gegenüber Israel eingestehen werden."

Die Forschung ist sich aber weitgehend einig, dass hier keine Zukunftsaussagen getroffen werden, die auf Jesus zutreffen. Und darum ging es schließlich in den später hinzugefügten Geburtslegenden und Rechtfertigungen, mit denen man Jesus als schon im AT geweissagten Messias verankern wollte.

Allerdings ist sofort darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse der historischen Kritik nicht konsequent in die Lutherbibel Eingang fanden. Im folgenden greife ich nur zwei Punkte heraus, die fast beliebig vermehrt werden könnten:
Erstens: In der Übersetzung des Alten Testaments sind unter anderem diejenigen Stellen fettgedruckt, die die Christenheit seit 2000 Jahren als Voraussagen auf Jesu Kommen angesehen hat und die alljährlich in Weihnachts- oder Karfreitagsgottesdiensten vorgelesen werden, Ich zitiere hier nur zwei:
Jes 7.14 dient als Prophezeiung der jungfräulichen Geburt Jesu:
"Siehe. eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel."
Jes 53,4-5 wird verstanden als Voraussage des Leidens Jesu:
"Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre, Aber er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünden willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt."
Nun hat aber die Bibelkritik ein für allemal gezeigt, dass diejenigen Stellen des Alten Testaments, die von der christlichen Kirche als Voraussagen auf das Kommen Jesu angeführt werden, nichts mit diesem zu tun haben, sondern Personen der, damaligen Zeit im Blick haben. So bezieht sich in den angeführten Stellen der leidende Gottesknecht auf das Volk Israel und der Sohn auf ein Kind des Propheten Jesaja. Aber auch wenn die soeben genannten Bezugspersonen unzutreffend sein sollten, so ist dennoch die Deutung auf Jesus in jedem Fall ausgeschlossen, denn dieser lebte erst viele Jahrhunderte später. Ist es dann aber nicht erbärmlich, wie allweihnachtlich bzw. jedes Jahr in der Karwoche jenes Possenspiel mit dem Alten Testament vor den nichtsahnenden Zuhörern aufgeführt wird, die nur einmal pro Jahr in die Kirche gehen? Verdienen sie nicht Aufklärung darüber, dass die frühen Christen die genannten Bibelverse gegen die nicht-christusgläubigen Juden verfälscht haben? (Abgesehen davon steht im hebräischen Urtext von Jes 7,14 nicht "Jungfrau", sondern "junge Frau".)

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#515 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Sa 7. Apr 2018, 09:37

Roland hat geschrieben: Die Nähe des Reiches ist verbunden mit seiner (Jesu) Person, sie tritt ein durch das Gesamt seines Rendens und Tuns. Es geht nicht um das nahe Ende der Welt sondern um die Ankunft seiner Person.
Das ist bereits spätere christliche Umdeutung der Nahewartung des Gottesreiches auf Jesus selbst. Jesus hatte aber keine Naherwartung auf sich selbst, sondern als gläubiger Jude auf das nahe Gottesreich.
Jesus kündigte die nahe Gottesherrschaft an, gekommen ist die Kirche.
Der Verkünder wurde zum Verkündeten.


Roland hat geschrieben: Theobald hat eine Erwiderung geschrieben, aus seiner Glaubenssicht. Das ist sein gutes Recht, mehr nicht.
Natürlich, Theobald gibt hier den Status Quo der historischen Jesusforschung wieder. :thumbup:


Roland hat geschrieben: Ratzinger hat jedenfalls vollkommen Recht und das kann man jederzeit belegen: Die These, Jesus habe das nahe Weltende erwartet, ist aufgrund des Gesamtheit der Jesusworte "eindeutig auszuschließen".
Nee, belegen kann er gar nichts. Deshalb bleibt ihm ja nur der Aufruf zum Glaubensentscheid und sein Geschwafel vom Antichristen.

sven23 hat geschrieben: Doch aber zum Gesamtbild gehört auch seine antisemitische Seite.
Und warum fokussiert ihr euch dann ausschließlich auf diese, wenig verbreitete Schrift Luthers, die er kurz vor seinem Tod schrieb - und verschweigt die von mir zitierte? [/quote]
Nein, es gibt natürlich noch viele andere Zitate von Luther, die ihn aber in wenig schmeichelhaften Licht erscheinen lassen.

"In solch einem Krieg ist es christlich und ein Werk der Liebe, die Feinde getrost zu würgen, zu rauben, zu brennen und alles zu tun, was schädlich ist, bis man sie überwinde. Ob es wohl nicht so scheint, dass Würgen und Rauben ein Werk der Liebe ist, weshalb ein Einfältiger denkt, es sei kein christliches Werk und zieme nicht einem Christen zu tun: so ist es doch in Wahrheit auch ein Werk der Liebe".
(Martin Luther über 'Heilige Kriege')

"Die größte Ehre, die das Weib hat, ist allzumal, dass die Männer durch sie geboren werden."
(Martin Luther, dt. Theologe)

 "...wer mag alle leichtfertigen und abergläubischen Dinge erzählen, welche die Weiber treiben...es ist ihnen von der Mutter Eva angeboren, dass sie sich äffen und trügen lassen."
(Martin Luther)

"Ob sie sich aber auch müde und zuletzt todt tragen, das schadet nichts, laß' sie nur todt tragen, sie sind darumb da."
(Martin Luther, Schwangerschaftsberater)


Roland hat geschrieben: Ihn deshalb als Antisemiten und Wegbereiter des Holocaust zu bezeichnen halte ich dennoch eindeutig für falsch.
Jedenfalls hat Hitler sich auf ihn berufen.

So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn.
(Adolf Hitler, Mein Kampf S.70)

"Luther war ein großer Mann, ein Riese. Mit einem Ruck durchbrach er die Dämmerung, sah den Juden, wie wir ihn erst heute zu sehen beginnen."
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#516 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Sa 7. Apr 2018, 09:45

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das geht schon, wie man an Glaubensideologen sieht.
Das geht prinzipiell nicht - das, was"ist", kann man nicht basteln - weder von religiösen noch von säkularen "Glaubensideologen". - Man kann sich was einbilden, aber man kann es nicht machen.
Eben, religiöse Glaubensideologien beruhen auf subjektiven Einbildungen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:die Naherwartung ist ein knallhartes Sachergebnis
Die Naherwartung in Deiner Interpretation ist KEIN Sachergebnis, sondern ein bei entsprechender Hermeneutik interpretiertes Ergebnis. - Und somit vermanschen wir objektiv mit subjektiv - kein Wunder, dass das nichts wird.
Nein, es ist ein Sachergebnis auf Basis wissenschaftlicher Methodik. :thumbup:

closs hat geschrieben: HÄTTEST Du recht, gäbe es widersprüchliche Sachergebnisse zum Selben - das Selbe wäre also wahr und unwahr. - Genau weil es dies auf Sachebene NICHT geben soll, ist Deine Vermanschung katastrophal.
Unterschiedliche Ergebnisse ergeben sich nur, wenn man wissenschaftliche Methodik durch Glaubensideologie ersetzt. Das tut die Forschung aber ausdrücklich nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Bist nicht du selbst es, der die Wissenschaft in Misskredit bringen will, indem du Glaubensbekenntnisse wie diese einschleusen willst?
Genau das tue ich ja gerade NICHT, weil ich zwischen "Prämissen der Wissenschaft" (welche auch immer) und "Wissenschaft" unterscheide - auch das vermanschst Du.
Doch, genau das tust du, indem du Sonderrechte für die biblischen Texte beanspruchst und forderst, die Forschung solle doch von der Göttlichkeit Jesu ausgehen, dann käme sie schon zu den "richtigen" Ergebnissen.
Das geht aber nur mit Glaubensbekenntnissen wie diesen:

Die inspirierten Bücher lehren die Wahrheit. ,,Da also all das, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt gelten muß, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, daß sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte"
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#517 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Sa 7. Apr 2018, 09:51

sven23 hat geschrieben:Nein, es ist ein Sachergebnis auf Basis wissenschaftlicher Methodik.
Dann erbingt auch die kanonische Exegese Sachergebnisse, denn auch sie untersucht ergebnisoffen, nachdem die Voraus-Setzungen gegessen sind. - Du kommst da nicht raus.

sven23 hat geschrieben:Unterschiedliche Ergebnisse ergeben sich nur, wenn man wissenschaftliche Methodik durch Glaubensideologie ersetzt.
Schlicht grottenfalsch - Empfehlung: Grundkurs "Wissenschaft".

sven23 hat geschrieben: Doch, genau das tust du, indem du Sonderrechte für die biblischen Texte beanspruchst und forderst, die Forschung solle doch von der Göttlichkeit Jesu ausgehen, dann käme sie schon zu den "richtigen" Ergebnissen.
In jeder Beziehung von Dir falsch verstanden - Grundlagenproblem.

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#518 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Sa 7. Apr 2018, 11:16

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, es ist ein Sachergebnis auf Basis wissenschaftlicher Methodik.
Dann erbingt auch die kanonische Exegese Sachergebnisse, denn auch sie untersucht ergebnisoffen, nachdem die Voraus-Setzungen gegessen sind.
Nein, tut sie definitiv nicht, denn ihre Glaubenssetzung verhindert Ergebnisoffenheit. Jeder weiß das inzwischen. :roll:

Die inspirierten Bücher lehren die Wahrheit. ,,Da also all das, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt gelten muß, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, daß sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte"
Katechismus der katholischen Kirche

Jeder halbwegs intelligente Mensch weiß, dass man auf Basis solcher Glaubensbekenntnisse keine ergebnisoffene Forschung betreiben kann.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Unterschiedliche Ergebnisse ergeben sich nur, wenn man wissenschaftliche Methodik durch Glaubensideologie ersetzt.
Schlicht grottenfalsch - Empfehlung: Grundkurs "Wissenschaft".
:lol:
Den würde man eher closs empfehlen.

Über Theologie als kirchliche Wissenschaft
Dabei hat besonders die evangelische Theologie eine imponierende Leistung vorzuweisen und ist ein wichtiger Bestandteil deutscher Geistesgeschichte gewesen.
...
Man mag hinzufügen: Die so auf deutschen Lehrstühlen betriebene wissenschaftliche Theologie hat überall in der Universitätswelt, wo es theologische Fakultäten gab, Maßstäbe gesetzt, und zumindest bis Mitte dieses Jahrhunderts war Deutsch die Wissenschaftssprache internationaler Theologie.
...
Ihr Ansatz besteht erstens darin. die eigene Religion radikal historisch zu erforschen. Das führt in den meisten Fällen zu Ergebnissen, die diametral im Gegensatz zu Aussagen der Bibel stehen. Wie oben bereits begründet wurde, ist Jesus nicht der Sohn einer Jungfrau, er wollte nicht für die Sünden der Menschen sterben, und er ist mit Sicherheit nicht aus dem Grabe gestiegen, wie es die Evangelien voraussetzen - nämlich leibhaftig.
...
Zweitens übt die wissenschaftliche Theologie einen konsequenten Religionsvergleich und setzt das frühe Christentum zu anderen mit ihm gleichzeitigen Religionen in Beziehung, Das führt dann oft gegen den Anspruch der biblischen Verfasser zu einer Relativierung des christlichen Glaubens. So sind praktisch alle Lehren Jesu in der jüdischen Religion seiner Zeit nachzuweisen, angefangen vom Liebesgebot bis hin zu dien Gleichnissen; und auch was das Neue Testament "Glauben" nennt, hat zahlreiche Entsprechungen außerhalb der frühen Kirche.
...
Drittens und viertens fließen in die theologische Arbeitsweise soziologische und psychologische Fragestellungen ein. Diese führen zu einem besseren Verstehen frühchristlicher Gemeinden und der in ihnen handelnden Personen. Jedoch ergibt sich auch hier ein deutlicher Unterschied zu dem von der Bibel gezeichneten Bild, was sie in bezug auf die Gemeinde und in bezug auf Einzelpersonen "Erfüllt sein mit dem Heiligen Geist" nennt, war in Wirklichkeit eine Massenpsychose oder die Halluzination eines hocherregten Individuums. In jedem Fall handelte es sich um innerseelische Vorgänge und nicht um übernatürliche Eingaben, wie das kirchliche Dogma bis heute annimmt.
Theologische Wissenschaft bedeutet in den meisten Fällen eine Relativierung der Wahrheitsansprüche der christlichen Kirchen. Aber gleichzeitig besucht, in Deutschland bis heute, deren Nachwuchs zur wissenschaftlichen Vorbildung die staatlichen theologischen Fakultäten.
Der hier vorliegende Konflikt zieht sich wie ein roter Faden durch die Theologiegeschichte der beiden letzten Jahrhunderte hindurch. Er wird von der heute herrschenden Theologie überwiegend so gelöst, dass sie sich als kirchliche Wissenschaft versteht. Der Wert einer Theologie wird dann danach bemessen inwieweit sie der Kirche dient.
Ich möchte demgegenüber dafür plädieren, dass der Wert der Theologie als Wissenschaft davon abhängt, inwieweit sie der Wahrheit verpflichtet ist. Wissenschaft strebt Objektivität an und kann schon deswegen niemals vorweg den Wahrheitsanspruch der Kirchen voraussetzen. Theologie kann überhaupt keine kirchliche Wissenschaft sein. Entweder ist sie freie Wissenschaft oder sie ist gar keine. Die Wissenschaft vom christlichen Glauben ist so wenig christlich, wie die Wissenschaft vom Verbrechen verbrecherisch.

Gerd Lüdemann

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Doch, genau das tust du, indem du Sonderrechte für die biblischen Texte beanspruchst und forderst, die Forschung solle doch von der Göttlichkeit Jesu ausgehen, dann käme sie schon zu den "richtigen" Ergebnissen.
In jeder Beziehung von Dir falsch verstanden - Grundlagenproblem.
Eben, du scheinst immer noch nicht verstanden zu haben, dass Glaubensbekenntnisse als Grundlage nichts in der Wissenschaft verloren haben.
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#519 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Sa 7. Apr 2018, 12:11

Mirjam hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben: Was den Gott der Bibel betrifft, gebe ich hier einen Kommentar zum Osterfest aus Spiegel.de auszugsweise wieder:

"Die Ostergeschichte handelt davon, dass Gott angeblich einen Sohn in Menschengestalt erzeugt hat, um den dann nach etwa 30 Lebensjahren publikumswirksam, langsam und entsetzlich qualvoll zu Tode foltern zu lassen. Um die Menschen "von ihren Sünden zu erlösen".

Gott bastelt sich gewissermaßen selbst ein Opfertier - denn natürlich bezieht sich die ganze "Lamm Gottes"-Geschichte primär auf die Opferriten, die zuvor jahrtausendelang die absoluten Bestseller der organisierten Religion waren. Genauer: Gott bastelt sich einen Opfermenschen, lässt ihn eine neue - wirklich innovative! - religiöse Ideologie predigen und opfert ihn dann sich selbst. Uns allen zuliebe. Auf brutalstmögliche Weise. Das Christentum, auch das verliert man leicht aus dem Blick, ist die einzige Weltreligion mit einem grausigen Hinrichtungswerkzeug als zentralem Symbol.

Die Auferstehung wirkt da fast ein bisschen wie eine etwas arg spät kommende Entschuldigung. Und sie ist gleichzeitig das Merkmal der Geschichte, das sie für viele wissenschaftlich denkende Menschen, mich eingeschlossen, ad absurdum führt. Nächstenliebe predigen, ok, dafür in einem von wenig Liebe geprägten Umfeld schließlich mit dem Leben bezahlen, auch ok, beides historisch plausibel. Aber anschließend dann einmaliges Außerkraftsetzen aller Naturgesetze, zwar einerseits aus Show-Gründen, aber anderseits ohne Publikum? Überzeugt mich nicht.

Ich persönlich finde heute, dass ein Gott, der das wirklich durchzieht, ein ganz schön widerlicher Sadist sein müsste. Oder zumindest jemand mit enormen psychischen Problemen. Dreifaltigkeit, Sie wissen schon. Ich persönlich würde einem Gott, der so etwas macht, um den Menschen zu zeigen, dass man doch auch mal nett zueinander sein könnte, erstmal in ein Seminar für Mitarbeiterführung schicken. Und ihm ganz bestimmt nicht meine Kinder anvertrauen, auch nicht, um nachmittags nur mal kurz auf sie aufzupassen. Wer weiß, auf was für Ideen er dabei kommt."

:shock: :D :thumbup: Danke, Zeus, diesen Text muss ich mir speichern. Wenn mich das nächste Mal jemand fragt, warum ich keine Christin bin: obige Geschichte ist der Hauptgrund dafür.

Liebe Grüße

Mirjam
Das ist auch einer der Gründe, warum Bultmann von "primitiver Mythologie" sprach.
Was in anderen Relgionen als heidnisch, primitiv oder unglaubwürdig abgewertet wird, wird in der eigenen als ultimative Heilsgeschichte stilisiert.

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Quelle: Gysi online
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#520 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Roland » Sa 7. Apr 2018, 15:42

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Nein, so sagt es die theologische Fakultät.
Du zitierst nur die Hälfte. Es wird auch gesagt, dass man keine Ahnung hat, wie das gehen soll.
Was allerdings genau an die Stelle des überlieferungsgeschichtlichen Modells mit der kriteriengeleiteten Rückfrage treten könnte, zeichnet sich noch nicht ab.
Es ist schon viel gewonnen, wenn man in der Jesusforschung, nach all den Verwirrungen, endlich wieder die Quellen ernst nimmt.

sven23 hat geschrieben: Es bleibt vorerst glaubensideologisches Wunschdenken.
Mir ist schon klar, dass du gern bei dem alten Wunschdenken bleiben würdest, das die Quellen als gefälscht verwirft und sich jeweils einen Jesus gezimmert hat, der gerade in die eigene Glaubensideologie gepasst hat. Offenbar lernt die Jesus-Forschung dazu und sieht das inzwischen anders. Die Evangelien sind als Geschichtserzählungen erst zu nehmen.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Was ist daran eigentlich noch "christlicher Glaube"? Nichts, es ist naturalistischer Glaube.
Gute Frage. :thumbup:
Aus meiner Sicht eine Glaubensideologie, die wenig bis gar nichts mit historischem Geschehen zu tun hat.]
Ist eben nur "deine Glaubens-Sicht". Nach C.P. Thiede müssen sich jedoch inzwischen diejenigen verteidigen, die immer noch an dieser für die gesamte Antike einzigartigen historischen Bezeugung zweifeln. Denn sie tun es gegen den Stand der Forschung.


sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Auch hier gilt "vermutlich, möglicherweise, manches deutet auf dies, manches auf jenes hin" es gibt genau Null harte Kriterien zur Ermittlung authentischer oder nicht authentischer Aussagen Jesu.
Das ist keine "Befundlage" sondern weltanschauliche "Befindlichkeitslage" bestimmter Exegeten.
Genau, vornehmlich der wissenchaftlich arbeitenden Exegeten und nicht der Gaubensideologen. :thumbup:
Alle Bibel-Exegeten arbeiten wissenschaftlich – aber jeweils auf der Grundlage ihrer glaubensideologischen Grundannahmen. Aber da bist du leider lernresistent.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: So funktioniert die messbare Seite der Welt. Aber jeder weiß heute: Das ist nur die messbare Seite!
Im Grunde wissen wir gar nichts. Der Naturalismus ist unbeweisbar und nicht falsifizierbar. Ein Glaube.
Nein, Wissenschaft beruht nicht auf Glaube, sondern auf kritischem Hinterfragen von Glauben. Anders wäre der wissenschaftlich-technische Fortschritt gar nicht möglich gewesen.
Wir reden über die Existenz Gottes und eben gerade nicht über "technischen Fortschritt", der von den empirischen Wissenschaften lebt, von Physik, Biologie und Chemie. Es gibt keine Wissenschaft, die auch nur irgendeine Aussage darüber machen könnte, ob der Gott der Bibel existiert oder nicht. Wissenschaft beschäftigt sich mit der messbaren Seite der Welt.

Lüdemann hat geschrieben: Diese Ausführungen hinterlassen bei mir vorwiegend Ratlosigkeit. Ich brauche nicht darüber belehrt zu werden, dass das Leben mehr umfasse als die Wissenschaften erfassen. Diese Einsicht ist jedermann evident, der mit offenen Augen lebt.
Immerhin, diese Erkenntnis ist bei Atheisten wahrlich nicht immer zu finden.
Direkt im Anschluss an dein Zitat schreibt Lüdemann weiter:

Lüdemann hat geschrieben: Theologie kann nur dann den Anspruch erheben, eine wissenschaftliche Disziplin zu sein, wenn sie sich dem Kanon und den Regeln der modernen europäischen Universität einordnet und von Erkenntnisprivilegien jeglicher Art – auch von dem Privileg der Erkenntnis Gottes – Abschied nimmt. Theologie ist insofern eine geschichtliche Disziplin, als sie das Christentum mit Hilfe der historisch-kritischen Methode untersucht. Für die historische Methode sind drei Voraussetzungen grundlegend: die Kausalität, die Berücksichtigung von Analogien und die Erkenntnis von der Wechselbeziehung der historischen Phänomene zueinander. Ihre Arbeitsweise folgt dem methodischen Atheismus der Neuzeit (“als ob es Gott nicht gäbe”), der freilich von einem dogmatischen Atheismus zu unterscheiden ist.
Theologie, theós (Gott) und lógos (Lehre), ist die Lehre von Gott. Und Lüdemann meint, man müsse die Lehre von Gott so betreiben, als gäbe es ihn nicht. Man müsse die Lehre von Gott unter methodischem Ausschluss der Existenz Gottes betreiben, also dem methodischen Atheismus.
Ein Phänomen "wissenschaftlich" untersuchen unter der Vorraussetzung, dass es das Phänomen nicht gibt. Und so hat der "Theologe" dann auch die Bibel auszulegen: "Also ob es Gott nicht gäbe".
Es hilft auch nicht, wenn er hinzufügt, dass das vom dogmatischen Atheismus zu unterscheiden sei. Das ist dann so ein Hintertürchen, damit man nicht als Dogmatiker dasteht.

Ganz offensichtlich ist jedenfalls, das Ganze hat mit dem atheistischen Glauben viel - und mit Wissenschaft wenig zu tun.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Dass es eine Differenz zwischen dem historische Jesus und dem der Evangelien gibt, davon gehen ja nur die naturalistischen Glaubensideologen aus.
Nein, davon gehen alle historisch-kritischen Forscher aus, auch der LMU München.
Was historisch-kritische Forschung ist, hat uns ja gerade Lüdemann erklärt: Atheistische Glaubensideologie. Und die ist geradezu gezwungen eine solche Differenz zu vermuten sonst verliert sie ihre atheistische Grundlage.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

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