Alles Teufelszeug? IX

Mirjam
Beiträge: 311
Registriert: Sa 17. Mär 2018, 19:51

#491 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Mirjam » Di 3. Apr 2018, 22:20

Zeus hat geschrieben: Was den Gott der Bibel betrifft, gebe ich hier einen Kommentar zum Osterfest aus Spiegel.de auszugsweise wieder:

"Die Ostergeschichte handelt davon, dass Gott angeblich einen Sohn in Menschengestalt erzeugt hat, um den dann nach etwa 30 Lebensjahren publikumswirksam, langsam und entsetzlich qualvoll zu Tode foltern zu lassen. Um die Menschen "von ihren Sünden zu erlösen".

Gott bastelt sich gewissermaßen selbst ein Opfertier - denn natürlich bezieht sich die ganze "Lamm Gottes"-Geschichte primär auf die Opferriten, die zuvor jahrtausendelang die absoluten Bestseller der organisierten Religion waren. Genauer: Gott bastelt sich einen Opfermenschen, lässt ihn eine neue - wirklich innovative! - religiöse Ideologie predigen und opfert ihn dann sich selbst. Uns allen zuliebe. Auf brutalstmögliche Weise. Das Christentum, auch das verliert man leicht aus dem Blick, ist die einzige Weltreligion mit einem grausigen Hinrichtungswerkzeug als zentralem Symbol.

Die Auferstehung wirkt da fast ein bisschen wie eine etwas arg spät kommende Entschuldigung. Und sie ist gleichzeitig das Merkmal der Geschichte, das sie für viele wissenschaftlich denkende Menschen, mich eingeschlossen, ad absurdum führt. Nächstenliebe predigen, ok, dafür in einem von wenig Liebe geprägten Umfeld schließlich mit dem Leben bezahlen, auch ok, beides historisch plausibel. Aber anschließend dann einmaliges Außerkraftsetzen aller Naturgesetze, zwar einerseits aus Show-Gründen, aber anderseits ohne Publikum? Überzeugt mich nicht.

Ich persönlich finde heute, dass ein Gott, der das wirklich durchzieht, ein ganz schön widerlicher Sadist sein müsste. Oder zumindest jemand mit enormen psychischen Problemen. Dreifaltigkeit, Sie wissen schon. Ich persönlich würde einem Gott, der so etwas macht, um den Menschen zu zeigen, dass man doch auch mal nett zueinander sein könnte, erstmal in ein Seminar für Mitarbeiterführung schicken. Und ihm ganz bestimmt nicht meine Kinder anvertrauen, auch nicht, um nachmittags nur mal kurz auf sie aufzupassen. Wer weiß, auf was für Ideen er dabei kommt."

:shock: :D :thumbup: Danke, Zeus, diesen Text muss ich mir speichern. Wenn mich das nächste Mal jemand fragt, warum ich keine Christin bin: obige Geschichte ist der Hauptgrund dafür.

Liebe Grüße

Mirjam

Benutzeravatar
Travis
Beiträge: 3491
Registriert: Di 10. Okt 2017, 06:59

#492 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Travis » Mi 4. Apr 2018, 07:14

Mirjam hat geschrieben:Wenn mich das nächste Mal jemand fragt, warum ich keine Christin bin: obige Geschichte ist der Hauptgrund dafür
Wirklich? Anhand der Beiträge die ich von Dir bislang las, hätte ich auf bedenkenswerter Gründe getippt. Der Kommentar aus dem Spiegel stellt nicht einmal die in der Bibel geschilderten Begebenheiten korrekt dar und wirkt bemüht kritisch. Vermutlich in Gedenken an ihren früheren Chefredakteur, der solche Artikel im Spiegel zu einer Art Tradition hat werden lassen.
Ich weiß, dass ich nicht einmal weiß das ich nichts weiß.

Mirjam
Beiträge: 311
Registriert: Sa 17. Mär 2018, 19:51

#493 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Mirjam » Mi 4. Apr 2018, 11:57

Travis hat geschrieben:Wirklich? Anhand der Beiträge die ich von Dir bislang las, hätte ich auf bedenkenswerter Gründe getippt.
Nö, sorry dich zu enttäuschen... Der Artikel ist natürlich Satire, aber er trifft den Kernpunkt ganz gut. Die ganze Schuld und Sühne Sache, von der Erbsünde bis "keiner kommt zum Vater denn durch mich" - das war zwar nicht der einzige, aber ein Hauptgrund, weswegen ich mich vom Christentum abgewandt habe.

Liebe Grüße

Mirjam

Roland
Beiträge: 1399
Registriert: Mi 9. Mär 2016, 13:07

#494 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Roland » Mi 4. Apr 2018, 12:35

Zeus hat geschrieben:Was den Gott der Bibel betrifft, gebe ich hier einen Kommentar zum Osterfest aus Spiegel.de auszugsweise wieder:

"Die Ostergeschichte handelt davon, dass Gott angeblich einen Sohn in Menschengestalt erzeugt hat, um den dann nach etwa 30 Lebensjahren publikumswirksam, langsam und entsetzlich qualvoll zu Tode foltern zu lassen. Um die Menschen "von ihren Sünden zu erlösen".

Gott bastelt sich gewissermaßen selbst ein Opfertier - denn natürlich bezieht sich die ganze "Lamm Gottes"-Geschichte primär auf die Opferriten, die zuvor jahrtausendelang die absoluten Bestseller der organisierten Religion waren. Genauer: Gott bastelt sich einen Opfermenschen, ..."
Es ist das größte, was man über den Gott der Bibel sagen kann, dass er von Ewigkeit her in sich selbst die Liebe ist (1. Joh. 4, 8) und somit keine Einzelperson sein kann, sondern dass er "Beziehung" sein muss. Denn Liebe allein geht nicht. Wie auch seine gesamte Schöpfung die er hervorgebracht hat Beziehung ist, angefangen beim Atom bis zum Universum, alles ist Wechselwirkung, Beziehung. Dieser Gott steht über Singular und Plural, er sprengt beides. Vielleicht sogar die Dreieinigkeit, die man aus der Bibel herleiten kann. Und trotzdem sind es nicht mehrere Götter sondern es ist ein Gott.

Ein Satz wie "Gott bastelt sich einen Opfermenschen" lässt diesen Aspekt jedenfalls einfach außer Acht.
"Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber" (2. Korinther 5, 19)
Wenn ER es nicht SELBST ist, der da für uns stirbt, kann man ihn schön als Sadisten bezeichnen, der aus sicherer Entfernung den "gebastelten Opfermenschen" brutal umbringen lässt.

Ich habe angesichts dieses Vokabulars sowieso Zweifel ob es Sinn macht das alles nochmal zu erklären, inwiefern Jesus Gott ist und gleichzeitig auch Mensch. Da wird aus der Dreieinigkeit ein "enormes psychisches Problem" Gottes gemacht und ähnliches. Ernsthaftigkeit und den Willen etwas davon zu verstehen, kann man da wohl gar nicht mehr erwarten, nur oberflächliche Effekthascherei. Leider.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

Benutzeravatar
Zeus
Beiträge: 4745
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:32
Wohnort: Lyon
Kontaktdaten:

#495 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Zeus » Mi 4. Apr 2018, 18:28

Roland hat geschrieben: Wenn Gott es nicht SELBST ist, der da für uns stirbt, kann man ihn schön als Sadisten bezeichnen, der aus sicherer Entfernung den "gebastelten Opfermenschen" brutal umbringen lässt.
Vielleicht wäre die Bezeichnung Sadomasochist (mit gespaltener Persönlichkeit) treffender?
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

Benutzeravatar
Zeus
Beiträge: 4745
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:32
Wohnort: Lyon
Kontaktdaten:

#496 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Zeus » Mi 4. Apr 2018, 19:22

Mirjam hat geschrieben:
Travis hat geschrieben:Wirklich? Anhand der Beiträge die ich von Dir bislang las, hätte ich auf bedenkenswerter Gründe getippt.
Nö, sorry dich zu enttäuschen... Der Artikel ist natürlich Satire, aber er trifft den Kernpunkt ganz gut. Die ganze Schuld und Sühne Sache, von der Erbsünde bis "keiner kommt zum Vater denn durch mich" - das war zwar nicht der einzige, aber ein Hauptgrund, weswegen ich mich vom Christentum abgewandt habe.
Allerdings trifft diese Kritik an der monströsen "Folteropfer für-zutiefst-sündige-Menschen - Theologie" des Christentums nur das Christentum.
Grundsätzlicher ist dagegen der Widerspruch eines allmächtigen und allgütigen Gottes mit der Evolutionstheorie: Nach der Evolution sind höhere Lebensformen nur durch den unbarmherzigen Prozess der Selektion schlechter angepasster Lebensformen entstanden. Ein Gott, der die grausame Evolution benutzt hätte, um die menschliche Spezies zu schaffen, kann deshalb entweder nicht allmächtig oder nicht allgütig sein. Da die Evolutionstheorie in ihren wesentlichen Darwinschen Grundzügen von der modernen Genetik bestätigt wurde, ist die Annahme eines allmächtigen und allgütigen Gottes nicht mehr haltbar.

LG
Zeus
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

Benutzeravatar
Zeus
Beiträge: 4745
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:32
Wohnort: Lyon
Kontaktdaten:

#497 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Zeus » Mi 4. Apr 2018, 23:05

Roland hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben: Um authentische und nicht-authentische Jesus-Worte voneinander zu unterscheiden, werden in der HKM eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Kriterien benutzt, wovon du offensichtlich keine Ahnung hast.
[...]Nehmen wir z.B. Ernst Käsemanns "doppeltes Differnzkriterium": "Echt" sei demnach ein Jesuswort nur dann, wenn es weder traditionell jüdisch noch wenn es sich aus der Lehre des Urchristentums erklären lässt. Echte Jesusworte müssen sich also vom Judentum unterscheiden, dürfen aber noch nichts typisch christliches an sich haben.

Ich glaube man muss gar nicht näher erklären, warum solch willkürlich aufgestellte Kriterien fragwürdig und die Ergebnisse keine "wissenschaftlichen Erkenntnisse" sind.
Deine Information ist unvollständig:
1)"Put simply, what is historically reliable about Jesus can be deduced from material about Jesus which is neither plausible in a first-century Jewish nor an early Christian context. In addition to this, he proposed additional criteria, such as multiple attestation (does a particular story or saying of Jesus appear in independent traditions?) and coherence with other material already found to be reliable historical traditions about Jesus."(Wiki)

Käsemann hatte nicht nur das "doppeltes Differenzkriterium" postuliert, sondern ein Reihe zusätzlicher Kriterien vorgeschlagen.

2)"Only [Käsemann's] recent 'third quest' for the historical Jesus, which began in the later 1980s, began to question the absolute validity of these criteria."(Wiki)

Dem Theologen kamen jedoch später selbst Zweifel an der absoluten Gültigkeit dieser Kriterien.

Werter Roland, denkst du wirklich mit Käsemanns (teils recht eigenwilligen) Kriterien könntest du die Bibel-Exegese mittels der historisch-kritischen Methode
diskreditieren?
Ob es dir gefällt oder nicht, die historisch-kritische Methode, (unterstützt durch moderne Methoden der Archäologie, Radiokarbondatierung von antiken Dokumenten u. A.) ist heutzutage als grundlegende Methode der Bibelauslegung in der evangelischen und in der katholischen Kirche anerkannt.

Dort kannst du näheres darüber erfahren:
Einführung in die historisch-kritische Methode der Textinterpretation
Die heutige Zeit ist weitgehend geprägt von einer Krise der historisch-kritischen Methode, auch im Bereich der wissenschaftlichen Exegese. Dies liegt daran, dass historisches Denken in unserer Gesellschaft insgesamt in die Krise gekommen ist. Die biblische Exegese folgt hier einem Trend, der auch die Literaturwissenschaften insgesamt prägt. Die Krise erkennt man zum einen daran, dass die historisch-kritische Methode oft nur noch als eine, überdies veraltete, Methode verstanden wird, neben der andere genauso gut wissenschaftlich vertretbar seien. Zum anderen zeigt sich die Krise daran, dass das entscheidende Ziel des Textverstehens, die historische Sinnbestimmung, in Zweifel gezogen wird. Entweder man hält ein solches Ziel für faktisch nicht mehr erreichbar oder man erachtet es nicht mehr als sinnvoll. Alle diese Einwände erweisen sich bei näherem Zusehen nicht als stichhaltig oder tragfähig, vielmehr gilt es, die historisch-kritische Methode unter den ohne Zweifel gewandelten Bedingungen weiter zu entwickeln

1. Die historisch-kritische Methode: Geschichte und gegenwärtige Gestalt, Aufteilung und Ordnung der Methodenschritte
2. Kanonkritik
3. Textkritik
4. Übersetzungskritik (umfasst auch: Übersetzungsvergleich)
5. Formkritik (umfasst auch: Formgeschichte, Gattungskritik, Textsortenbestimmung)
6. Traditionskritik / Semantik
7. Bestimmung des Historischen Ortes (umfasst auch den sogenannten "Sitz im Leben" (Gunkel))
8. Literarkritik (auch: Redaktionskritik, Redaktionsgeschichte)
9. Überlieferungskritik
10. Auslegungsgeschichte (auch: Wirkungsgeschichte, Rezeptionsgeschichte)
11. Hermeneutik
12. Theologische Stellungnahme (auch: theologische Zusammenfassung)
13. Literaturhinweise, Rezensionen
Zuletzt geändert von Zeus am Mi 4. Apr 2018, 23:31, insgesamt 1-mal geändert.
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#498 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Mi 4. Apr 2018, 23:20

Zeus hat geschrieben:die historisch-kritische Methode, (unterstützt durch moderne Methoden der Archäologie, Radio-Karbon-Datierungen von antiken Dokumenten u. A.) ist heutzutage als grundlegende Methode der Bibelauslegung in der evangelischen und in der katholischen Kirche anerkannt.
Richtig - als"unverzichtbar zum Verständnis" der Bibeltexte (Ratzinger, 1993).

Der Hinweis auf "Archäologie, Radio-Karbon-Datierungen von antiken Dokumenten" ist ebenfalls absolut richtig - auch die 13 vin Dir genannen Punkten sind richtig. - Eines scheint aber übersehen zu werden: Sie ist zwar unverzichtbar FÜR das Verstehen, aber nicht das Verstehen selbst. Unter "Verstehen" verstehen "evangelische und in der katholische Kirche" die Einlösung von Apg. 8,30: "Verstehst Du eigentlich, was da steht?". - Und das ist eben NICHT historisch-kritisch, sondern spirituell gemeint.

Wie könnte es auch anders sein? Wie könnte die historisch-kritische Exegese etwas spirituell verstehen, wenn sie zur Grundlage macht, die Bibel-Texte genauso zu verstehen wie jeden anderen antiken Text auch? - Wie könnte die historisch-kritische Exegese einen spirituellen Text der Bibel verstehen, wenn sie gleichzeitig (nach Bultmann) einen naturalistischen Wirkungszusammenhang der Geschichte voraus-setzt? Also keine Wunder wie etwa die leibliche Auferstehung Jesu als historisch "echt" verstehen kann?

Das heißt nicht, dass Jesu historisch "echt" auferstanden sein muss - aber es ist vollkommen offen. - Jesus KANN eine Naherwartung (im irdischen Sinne) gehabt haben - wenn er nur Mensch war. - Aber er kann genauso gut eine ganz andere Art der Naherwartung gehabt haben - wenn er göttlich war. - Die historisch-kritische Exegese kann das sachlich-neutral nicht entscheiden, sondern sich nur für eine dieser beiden Möglichkeiten hermeneutisch entscheiden ("Nach unseren Vor-Annahmen ergibt sich folgendes Ergebnis").

Die historisch-kritische Exegese ist unverzichtbare Grundlage des Bibelverständnisses - aber damit hört es doch nicht auch - die Hauptsache kommt doch erst.

Roland
Beiträge: 1399
Registriert: Mi 9. Mär 2016, 13:07

#499 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Roland » Do 5. Apr 2018, 19:34

Zeus hat geschrieben: Käsemann hatte nicht nur das "doppeltes Differenzkriterium" postuliert, sondern ein Reihe zusätzlicher Kriterien vorgeschlagen.
War ja auch nur EIN Beispiel für die Unschärfe all dieser Kriterien. Und dafür, dass die Kriterien selbst auf Vorannahmen gründen. Ganz oben steht die Vorannahme, dass bei der Entstehung der Evangelien Gott keine Rolle gespielt hat, sondern dass alles reines Menschenwerk und Menschenwort ist. D.h. die oberste Regel widerspricht bereits dem christlichen Glauben und dem Anspruch der Bibel, Gottes Wort zu sein.

Und auf dieser Grundannahme basieren dann alle weiteren Annahmen, die verschiedene Exegeten aufgestellt haben. Jesus kann nichts traditionell jüdisches gesagt haben, kann noch nichts speziell christliches gesagt haben, nichts was in eine Gemeindesituation einer späteren Zeit hineinpassen könnte, kann nur wirklich gesagt haben, was mehrfach bezeugt wurde, als echt gilt nach Lüdemann was anstößig ist, als unecht bezeichnet er alle Worte und Taten Jesu, die die Naturgesetze durchbrechen, usw. usw.

All diese Überelgungen sind ja möglich und erlaubt. Aber es sind subjektive Vermutungen auf Grundlage eines naturalistischen Weltbildes, welches das Handeln Gottes ausschließt.
Ratzinger hat recht: "Der Streit um die Auslegung ist letztlich ein Streit darum, wer Gott ist."
Und das ist keine wissenschaftliche Frage, darüber kann Wissenschaft nicht entscheiden.

closs hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben: die historisch-kritische Methode, (unterstützt durch moderne Methoden der Archäologie, Radio-Karbon-Datierungen von antiken Dokumenten u. A.) ist heutzutage als grundlegende Methode der Bibelauslegung in der evangelischen und in der katholischen Kirche anerkannt.
Richtig - als"unverzichtbar zum Verständnis" der Bibeltexte (Ratzinger, 1993).
Ratzinger dazu in "Jesus von Nazareth":
"Denn für den biblischen Glauben ist es wesentlich, dass er sich auf wirklich historisches Geschehen bezieht. Dieser erzählt nicht Geschichte als Symbole über geschichtliche Wahrheiten, sondern er gründet auf Geschichte, die sich auf dem Boden dieser Erde zugetragen hat. Das Factum historicum ist für ihn nicht eine auswechselbare symbolische Chiffre, sondern konstitutiver Grund: Et incarnatus est – mit diesem Wort bekennen wir uns zu dem tatsachlichen Hereintreten Gottes in die reale Geschichte.
Wenn wir diese Geschichte wegschieben, wird der christliche Glaube als solcher aufgehoben und in eine andere Reiligionsform umgeschmolzen. Wenn also Geschichte, Faktizität in diesem Sinn, wesentlich zum christlichen Glauben gehört, dann muss er sich der historischen Methode aussetzen – der Glaube selbst verlangt das."
Der christliche Glaube sagt also: Gott ist auf dieser Erde zu einem datierbaren, historischen Zeitpunkt Mensch geworden. Und das kann und muss mithilfe der historischen Methode nachvollzogen werden. Ergebnis: Die Texte sind sehr zuverlässig und glaubwürdig, habe dazu gerade den Literaturwissenschaftler und Professor für Umwelt und Zeitgeschichte des Neuen Testaments C.P. Thiede zitiert.

Ob man es dann glaubt und aufgrund welches Glaubens man die Texte dann auslegt, diese Entscheidung kann uns allerdings kein Archäologe, Textforscher oder Historiker abnehmen, das muss jeder selbst entscheiden.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

Benutzeravatar
Zeus
Beiträge: 4745
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:32
Wohnort: Lyon
Kontaktdaten:

#500 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Zeus » Do 5. Apr 2018, 20:33

closs hat geschrieben:Wie könnte es auch anders sein? Wie könnte die historisch-kritische Exegese etwas spirituell verstehen, wenn sie zur Grundlage macht, die Bibel-Texte genauso zu verstehen wie jeden anderen antiken Text auch?
Aus welchem kühlen Grunde sollte man Bibel-Texte anders verstehen, als jeden anderen antiken Text?
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

Gesperrt