Hallo zusammen, hallo Helmuth,
das Buch Hiob ist wirklich interessant in diesem Zusammenhang, allerdings verstehe ich es etwas anders. Persönliches Unglück und Leiden führen bei vielen Menschen dazu, dass sie dergleichen ein Ursache-Wirkungs-Prinzip zugrunde legen. Deswegen meinten z.B. die Freunde, dass es nicht sein könne, dass Hiob schuldlos wäre. Sie hatten eben nur das Erklärungsmuster, dass Schicksalsschläge die Wirkung von Sünden wären. Solchem Denken begegnete auch noch Jesus als er z.B. hinsichtlich eines Blindgeborenen gefragt wurde, ob dessen Eltern Sünder gewesen wären (Johannes 9, 1-2. Genauso wenig trifft es aber meines Erachtens zu, wenn man vom Schicksal förmlich geliebt wird, dass dergleichen eine Belohnung durch Gott wäre.
Um diesen Gedanken zu verdeutlichen: wenn Gott sich wie ein Vater gegenüber seinen Kindern verhält, dann sind Belohnung und Bestrafung Erziehungsmaßnahmen. Um dergleichen zu verstehen, müsste man allerdings das Ziel der Erziehung kennen. Eine Möglichkeit wäre die Aussage des Paulus:
„Das Endziel des Gebotes aber ist: Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben,“
â€â€1. Timotheus‬ â€1:5‬ â€ELB71‬‬
http://bible.com/58/1ti.1.5.elb71
Allerdings gibt es auch Schicksalswendungen, die zunächst mal keinen solchen erzieherischen Charakter haben wie z.B. auch bei Hiob. Die richtige Antwort Hiobs gibt dieser meiner Meinung nach daher bereits ganz am Anfang gegenüber seiner Frau:
„Da sprach sein Weib zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Vollkommenheit? Sage dich los von Gott und stirb! Und er sprach zu ihr: Du redest, wie eine der Törinnen redet. Wir sollten das Gute von Gott annehmen, und das Böse sollten wir nicht auch annehmen? Bei diesem allem sündigte Hiob nicht mit seinen Lippen.“
â€â€Hiob‬ â€2:9-10‬ â€ELB71‬‬
http://bible.com/58/job.2.9-10.elb71
Mit „richtig“ meine ich, dass bei dieser Antwort das persönliche Schicksal nicht von Hiob dazu verwendet wird um daraus Gott einen Vorwurf zu machen.
Einen wesentlichen Teil des Leidens macht die Vorstellung nach einem Schicksalsschlag aus, wie man selbst meint, dass es eigentlich stattdessen sein sollte. Deswegen endet meistens die Trauerphase, wenn man sich mit der neuen Lebenssituation weitgehend abgefunden hat. Wenn man allerdings Gott ewig vorwirft, was er da zugelassen habe, wird auch das Leiden nicht enden.
Viele Leute neigen auch dazu, dass sie im Geist fortführen wollen, was sie im realen Leben aufgrund von Schicksalschlägen verloren. Solches Leiden resultiert aus der anhaltenden Diskrepanz zwischen der Wunschvorstellung und der Wirklichkeit. Daran ist nicht Gott schuld, sondern der Mensch selbst.
Vielleicht auch mal ein paar weitere Gedanken von mir zur Theodizee-Frage. Zunächst stellt sich meiner Meinung nach als Christ auch die Frage, warum man, wenn man an die Auferstehung von den Toten glaubt, ein endliches Leid im Diesseits, welches völlig zu vernachlässigen ist gegenüber einer Ewigkeit in der Liebe Gottes, so stark gewichtet wird, dass man meint dies Gott zum Vorwurf machen zu dürfen, dass dieser dergleichen nicht verhindert habe. Außerdem sollte eigentlich jedem Menschen klar sein, dass in einer Welt, wo jeder sterben wird, jede Beziehung begrenzt ist und auch jedes Leben auf unerfreuliche Weise mal enden wird. Wenn Gott kein Leid zulassen würde, müsste ER demgemäß jeglichen Tod verhindern. Und da wäre man wieder bei der Auferstehung.
Man könnte auch für das Leben ein Bild von einer Bergwanderung benutzen, wobei es dann Leiden wäre, wenn man beispielsweise von einer Geröll-Lawine erfasst würde. Diese haben einerseits ihre Ursache darin, dass es eben ein Berg ist, den man bewandert, und andererseits darin, dass es auch andere Wanderer gibt, die auf Wegen gehen, wo Gott Lawinenwarnschilder hinstellte. Die Theodizeefrage macht es Gott dann quasi zum Vorwurf, dass das Leben wie ein Berg ist, denn wäre es eine Ebene, gäbe es keine Lawinen. Würde Gott aktiv verhindern, dass Menschen auf falschen Wegen laufen, gäbe es zumindest weniger Lawinen. Aber eigentlich macht man sich nur selbst zu einem Gott, der meint, dass man über Gott richten dürfe. Vor sochem Denken steht übrigens auch ein Lawinenwarnschild.
Im Prinzip wirft die Theodizee-Frage Gott vor, dass man nicht einen Zustand ewigen und unendlichen Glückes lebt. Jede Abweichung davon wäre im Sinne eines Defizites auch Leiden, das Gott aber nicht zulassen müsste. Mittels verhungernder Kinder oder sonstiger Grausamkeiten im Leben wird ein solches Defizit nur deutlicher ausgemalt. Wenn man will gäbe es also immer etwas, das man Gott zum Vorwurf machen könnte und selbst wenn es nur das wäre, dass man selbst nicht Gott ist. Da zum Glauben auch die freiwillige Unterordnung unter Gott gehört, hat der Vorwurf an Gott in der Theodizee-Frage einen Beigeschmack der Sünde.
Soweit mal ein paar Gedanken dazu.
Grüße,
Daniel.