Nochmal aus dem
Link über die Römerzeit:
Die aktuelle Altertumswissenschaft verweist darauf, dass die Vorstellung anlagebedingter Homosexualität als phänomenologisches Identitätsmerkmal einer Gruppe von Menschen im Sinne des modernen Theoriezusammenhangs des 19. bis 21. Jahrhunderts der Ordnung des Geschlechtslebens in der Antike fremd war, da die diesem Konzept zugrunde liegenden sexualwissenschaftlichen, medizinischen und psychologischen Erkenntnisse – seit dem 19. Jahrhundert in Europa und Nordamerika entstanden – in antiker Zeit noch unbekannt waren.
Der Begriff „Homosexualität“ ist ein
moderner Begriff, der auf die Verteilung des Interesses zur Beziehungsauswahl abzielt.
Hier geht es in keiner Weise, um irgendeine Art von Gewalt- oder Machtausübung – dies würde eher als Straftat verfolgt werden.
Es geht um das Eingehen einer einvernehmlichen Beziehung – entweder kurzfristig oder auf längere Verantwortungsübernahme ausgerichtet.
Hier ein paar
Daten über die moderne Forschung:
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts prägten Autoren aus dem Umfeld der modernen Sexualwissenschaft unsere heutigen Begriffe für Homo- und Heterosexualität, für die es, genau wie für den Begriff Sexualität selbst, in keiner Sprache bis dahin eine vergleichbare Entsprechung gab. Das internationale Vokabular zu diesem Thema stammt daher fast überall aus Wortneuschöpfungen und Lehnübersetzungen des letzten und vorletzten Jahrhunderts.
Es ist also in
keiner Weise angebracht, antike Texte mit dem Begriff „Homosexualität“ zu versehen und damit so zu tun, als gäbe es darin irgendwelche reglementierenden Auflagen gegenüber heutigen Menschen, die ein gleichgeschlechtliches Interesse haben.
weiter heisst es:
Nach 150 Jahren Forschung gibt es unter Sexualwissenschaftlern immer noch keinen Konsens, welche Faktoren für die Ausbildung sexueller Präferenzen ursächlich sind. Genannt wurden unter anderem genetische, endokrinologische (hormonelle) und psychoanalytische Erklärungsmodelle, die meist wenig miteinander vereinbar sind und somit in Konkurrenz zueinander stehen. In der Forschung hat sich heute weitgehend eine Deutung durchgesetzt, die auf der gesicherten Beobachtung aufbaut, dass homosexuelles Verhalten eines Teils von Populationen in der höheren Tierwelt sehr weit verbreitet ist. Solchem Verhalten wird demgemäß eine mögliche evolutionäre Funktion für den Abbau von Aggressionen und die soziale Integration bei komplexen, hochentwickelten Wirbeltiergesellschaften beigemessen. Homosexuelles Verhalten von Teilen einer Population hochentwickelter Lebewesen ist demnach ein durch die natürliche Evolution entstandenes, in der belebten Natur weit verbreitetes und sinnvolle Funktionen erfüllendes Phänomen.
Homosexualität ist also weit verbreitet in der Natur.
Ich habe bereits angeführt, dass
Schafe bis zu 33Prozent nicht-heterosexuell aktiv sind (wobei ich gerade gesehen habe, dass es „nur“ 32Prozent sind

).
Nun ist aber exakt das Schaf, das
zentrale Bild „im Christentum“.
Ist es möglich, dass die antiken Leute die gleichgeschlechtlichen Neigungen unter den Tieren, mit denen sie viel zu tun hatten und die sie
gerne opferten, nicht bemerkt haben?
=> Nein, nicht bei 32Prozent.
Ist es möglich, dass die antiken Leute von einer Ablehnung „Gottes“(?) gegenüber gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens ausgingen, diese (Ablehnung) in ihrem Alltagsleben auch rigoros durchsetzen wollten, aber gleichzeitig genau solche Tiere "zur Anbetung Gottes" opferten?
=> Nein, das wäre ja vollständig bescheuert
Zielten die antiken Texte damit auf „Homosexualität“ ab?
=> Nein
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Anton B. hat geschrieben:Paulus explizite Ablehnung der Homosexualität im Kapitel 1 seines Römerbriefs natürlich auch, kann aber auch auf die Traditionslinie des alt-testamentarischen Judaismus mit ihrer "negativen" Positionierung zu Homosexualität rückgeführt werden.
Warum darfst du die Formulierung „explizite Ablehnung der Homosexualität“ verwenden, als ob vor 2000 Jahren jemand unter Kenntnis der heutigen Forschungsergebnisse eine Aussage gemacht hat?
Nur weil irgendein Übersetzer diesen Begriff aus seiner Laune heraus (vor ca. 200 Jahren) eingesetzt hat?
Bei der Paulus-Figur geht es um die Verbreitung einer Religion (beim Römerbrief soll es zudem darum gehen, dass sich Paulus erstmalig in der „Hinterhof-Gemeinde“ bekannt machen möchte).
Das ist eine Art Verkaufsvorgang, wodurch es zentral wichtig ist, wer der Käufer sein soll und unter welchen Umständen der Verkauf stattfinden soll.
Wer in den antiken Text das Wort „Homosexualität“ einsetzt, blendet dies vollständig aus und hat eher die Absicht, die eigenen Abwertungsneigung auszuleben.
Anton B. hat geschrieben:Ich finde jedenfalls diese Art von Diskussion fruchtbarer, als die ad-hoc Gleichsetzung von Homosexuellen und Mördern und die Einführung des Terminus "Schwuli" in diesen Thread.
Ich gehe davon aus, dass es die „Gläubigen“ hier
nicht schaffen, ihre Ansicht zu überdenken oder gar zu korrigieren.
Hier habe ich einen Text gefunden, der wohl von einem Theologie-Doktoranten stammt, also von einem angehenden „Fachmann“.
Dieser Text ist insofern interessant, weil der Autor die rituellen Praktiken im römischen Reich anspricht, als relevante Kritik ansieht und darauf eine „religiös motivierte Antwort“ gibt.
Man merkt aber sehr schnell, dass sich der „unfertige Theologe“ zu keiner Zeit die Frage stellt, ob er das Wort „Homosexualität“ verwenden darf oder nicht.
Damit kann man bereits ganz vorne erwarten, dass er in seinem Fazit „Homosexualität“ voll und ganz ablehnen wird.
Wie er seinen Begründungsweg dorthin gestaltet, ist allerdings sehr interessant – wobei ich selbstverständlich etwas dazu zu sagen hätte, denn in meinen Augen dreht er es sich genauso hin, wie
er es sich wünscht – manchmal „ist sich der Theologe halt Gott genug, um die Welt einzuteilen“ – „war es je anders, war die Paulus-Figur nicht auch
nur eine Art Theologe?“
